"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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<strong>der</strong> Zeitzeugen losgelöste Argumentationen analysieren, son<strong>der</strong>n die Verarbeitungsprozesse<br />
in ihrer Einbettung in den lebensgesch<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Zusammenhang<br />
rekonstruieren. Wir wollen erfahren, wie die Zeitzeugen des „Dritten<br />
Re<strong>ich</strong>es* 4<br />
ihre Lebensgesch<strong>ich</strong>ten erzählen, wie sie den <strong>Krieg</strong> und den Nationalsozialismus<br />
in die Rekonstruktion ihrer biographischen Erfahrungen<br />
und Erlebnisse einbetten. Da<strong>mit</strong> können wir <strong>zu</strong>m einen die biographische Bedeutung<br />
des <strong>Krieg</strong>es und des Nationalsozialismus rekonstruieren, und wir<br />
können versuchen — soweit dies aus <strong>der</strong> Gegenwart mögl<strong>ich</strong> ist —, das damalige<br />
Erleben des <strong>Krieg</strong>es <strong>zu</strong> erfassen. Zum an<strong>der</strong>en können wir aufzeigen, inwiefern<br />
das Umgehen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit die Biographien determiniert,<br />
die die Zeitzeugen in <strong>der</strong> Gegenwart ihres Erzählens <strong>mit</strong> Blick auf ihre Vergangenheit<br />
und ihre Zukunft schaffen.<br />
Wir gehen also davon aus, daß Strategien <strong>der</strong> Vergangenheitsbewältigung<br />
n<strong>ich</strong>t vom Leben des Biographen und seiner S<strong>ich</strong>t seines bisherigen und <strong>zu</strong>künftigen<br />
Lebens losgelöste Argumentationen sind, die den Alltagshandelnden<br />
in den öffentl<strong>ich</strong>en Diskussionen angeboten und von ihnen einfach übernommen<br />
werden. Diese Strategien, die meist hinter dem Rücken <strong>der</strong> Akteure<br />
die Art und Weise ihrer Rekonstruktion des bisherigen und <strong>zu</strong>künftigen Lebens<br />
bestimmen, entstehen viel<strong>mehr</strong> in den Handlungs<strong>zu</strong>sammenhängen, in<br />
denen die Zeitzeugen leben. Sie konstituierten s<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> biographischen Vergangenheit,<br />
und gle<strong>ich</strong>zeitig wirken sie heute auf diese Vergangenheit reinterpretierend<br />
<strong>zu</strong>rück.<br />
Im folgenden soll <strong>mit</strong> einer Diskussion von erzählten Lebensgesch<strong>ich</strong>ten<br />
diesen Fragen nachgegangen werden. Auf <strong>der</strong> Grundlage eines kontrastiven<br />
Vergle<strong>ich</strong>s dieser Biographien werden weiterhin Annahmen über die generationsspezifischen<br />
Unterschiede in <strong>der</strong> Vergangenheitsbewältigung vorgestellt.<br />
Die biographischen Großerzählungen stammen aus einem Sample von 21 im<br />
Projekt<strong>zu</strong>sammenhang in Nordrhein-Westfalen geführten Interviews. In diesen<br />
Gesprächen baten wir die Zeitzeugen, ihr Leben konzentriert auf ihre<br />
<strong>Krieg</strong>serfahrungen <strong>zu</strong> erzählen. Genauere Hinweise über die Erhebung und<br />
Auswertung dieser Interviews sind dem methodischen Anhang <strong>zu</strong> entnehmen.<br />
Nach einer Globalanalyse aller Interviews haben wir sieben Interviews nach<br />
folgenden Kriterien für eine weitere Analyse ausgewählt: nach <strong>der</strong> Generations<strong>zu</strong>gehörigkeit;<br />
nach <strong>der</strong> Zugehörigkeit als Soldat <strong>zu</strong>r fechtenden Truppe<br />
o<strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Etappe o<strong>der</strong> Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r Zivilbevölkerung; nach <strong>der</strong> unterschiedl<strong>ich</strong>en<br />
Betroffenheit von <strong>der</strong> nationalsozialistischen <strong>Krieg</strong>spolitik und<br />
<strong>der</strong>en Folgen.<br />
Neben diesen formalen Kritierien, die die Auswahl bestimmten, interessierten<br />
uns noch bestimmte Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> einzelnen Biographen, auf die <strong>ich</strong><br />
im folgenden eingehen möchte.<br />
Da bereits analysierte Lebensgesch<strong>ich</strong>ten von Angehörigen <strong>der</strong> HJ-Generation<br />
vorliegen (Rosenthal 1986; 1987b) und <strong>der</strong>en Ergebnisse auch in den<br />
Generationsvergle<strong>ich</strong> (vgl. Kap. 5.2) eingehen, wählten wir zwei Biographien<br />
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