"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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erlebten Ereignissen besteht, son<strong>der</strong>n die Auswahl <strong>der</strong> erzählten Gesch<strong>ich</strong>ten<br />
aus einem Sinn<strong>zu</strong>sammenhang, einer Gesamtdeutung des /<strong>der</strong> Biographenln<br />
erfolgt. Die erzählte Lebensgesch<strong>ich</strong>te repräsentiert also eine Sequenz von<br />
wechselseitig aufeinan<strong>der</strong> bezogenen Themen, die untereinan<strong>der</strong> ein d<strong>ich</strong>tes<br />
Netz von Verweisungs<strong>zu</strong>sammenhängen bilden (vgl. Fischer 1982: 168). Die<br />
einzelnen Themen sind — in <strong>der</strong> Terminologie Aron Gurwitschs (1974) — Elemente<br />
eines „thematischen Feldes 44 . Generelles Ziel ist heraus<strong>zu</strong>finden, wie<br />
<strong>der</strong> /die Biographin sein Leben darstellt, welche Mechanismen die Auswahl<br />
und Verknüpfung <strong>der</strong> Gesch<strong>ich</strong>ten steuern. M.a.W.: In we<strong>ich</strong>en thematischen<br />
Fel<strong>der</strong>n stehen die einzelnen Erfahrungen <strong>der</strong> Biographinnen? Das analytische<br />
Vorgehen bei <strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> Sequenzierung erfolgt analog <strong>zu</strong> <strong>der</strong><br />
sequentiellen Analyse <strong>der</strong> objektiven Daten: Es wird dem Aufbau des Textes<br />
entsprechend vorgegangen und Sequenz für Sequenz ausgelegt. Jedes einzelne<br />
interpretationsbedürftige „Datum 44<br />
wird ohne Kenntnis über die weitere Textfolge<br />
auf seine unterschiedl<strong>ich</strong>en Bedeutungsmögl<strong>ich</strong>keiten hin befragt. Interpretationsbedürftig<br />
sind bei diesem Analyseschritt die Art und die Funktion<br />
<strong>der</strong> Darstellung im Interview und n<strong>ich</strong>t die biographische Erfahrung an s<strong>ich</strong>.<br />
So stellt s<strong>ich</strong> etwa bei Beginn <strong>der</strong> Analyse die Frage, weshalb eine Informantin<br />
die Erzählung <strong>mit</strong> dem Tod ihres Vaters während ihres ersten Lebensjahrs beginnt,<br />
obwohl sie gebeten wurde, über ihre <strong>Krieg</strong>serlebnisse <strong>zu</strong> erzählen. Zur<br />
Selektion ihres Einstiegs in das Interview werden dann mögl<strong>ich</strong>e Lesarten entworfen.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> weiteren Analyse gewinnen bestimmte Lesarten an<br />
Plausibilität, an<strong>der</strong>e lassen s<strong>ich</strong> falsifizieren.<br />
Bei diesem Auswertungsschritt mache <strong>ich</strong> mir die Methodologie und das<br />
methodische Vorgehen Fritz Schützes (1983) wie auch die Anregungen Wolfram<br />
Fischers (1982) <strong>zu</strong> einer thematischen Feldanalyse <strong>zu</strong>nutze, die auf den<br />
theoretischen Arbeiten von Aron Gurwitsch basieren. Es stellt meinen Versuch<br />
dar, eine strukturalistische Variante <strong>der</strong> phänomenologischen Wissenssoziologie<br />
methodisch um<strong>zu</strong>setzen: Es geht zwar um die Rekonstruktion <strong>der</strong><br />
Wissenssysteme <strong>der</strong> Subjekte, <strong>der</strong> Deutung ihres Lebens, ihrer Einordnung<br />
von Erlebnissen und Erfahrungen in thematische Fel<strong>der</strong>, doch n<strong>ich</strong>t im Sinne<br />
<strong>der</strong> Rekonstruktion subjektiv gemeinten Sinns. Rekonstruiert werden soll<br />
viel<strong>mehr</strong> die interaktiv konstituierte Bedeutung <strong>der</strong> Handlungen <strong>der</strong> Subjekte,<br />
die s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m Teil ihren Intentionen entzieht.<br />
Bei <strong>der</strong> genetischen Analyse wird also — soweit dies mögl<strong>ich</strong> ist — rekonstruiert,<br />
was im Lebenslauf <strong>zu</strong>erst und was danach geschah. Bei <strong>der</strong> Textanalyse<br />
geht es darum, in welchen Sequenzen s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Text aufsch<strong>ich</strong>tet. Wollen<br />
die Sozialforscherinnen interpretative Fehlschlüsse vermeiden, so sind sie genötigt,<br />
beide Ebenen <strong>zu</strong> rekonstruieren, unabhängig davon, ob sie in erster Linie<br />
an <strong>der</strong> Rekonstruktion eines Lebenswegs interessiert sind o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Gegenwartsperspektive<br />
<strong>der</strong> Biographinnen.<br />
Die genetische Analyse, die auf einem Text basiert, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Gegenwart<br />
des Sprechens o<strong>der</strong> auch Schreibens konstituiert und <strong>der</strong> auf eine gelebte<br />
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