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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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s<strong>ich</strong> da<strong>mit</strong> weiteren Fragen <strong>zu</strong> entziehen. Wird sie <strong>zu</strong>m Thema <strong>der</strong> Judenverfolgung<br />

direkt angesprochen, benutzt sie Entlastungsargumente wie die Relativierung<br />

<strong>der</strong> deutschen Verbrechen durch den Hinweis auf Verbrechen an<strong>der</strong>er<br />

Nationen o<strong>der</strong> — ähnl<strong>ich</strong> wie Herr Acka — wie die Sympathie einer Jüdin<br />

als Beleg für ihre eigene philose<strong>mit</strong>ische Einstellung.<br />

Wir können an dieser Stelle festhalten, daß die Entpolitisierung des eigenen<br />

Lebens bei Frau Schild wie auch bei Frau Heidt, Frau Borke, Herrn Vogel,<br />

Herrn Sallmann und bei Herrn Acka eine biographische Strategie ist, die die<br />

Rekonstruktion ihrer Lebensgesch<strong>ich</strong>ten konstituiert, während die von ihnen<br />

verwendeten Argumente <strong>zu</strong>r Schuldabweisung und Schuldmin<strong>der</strong>ung Entlastungsargumentationen<br />

sind, die für ihre Erzählungen n<strong>ich</strong>t konstitutiv sind.<br />

Auch bei Herrn Sallmann ist die Verd<strong>ich</strong>tung auf die <strong>Krieg</strong>sjahre die seine<br />

Lebensgesch<strong>ich</strong>te prägende Strategie, während seine biographische Erzählung<br />

weniger von Entlastungsargumenten durchdrungen ist. Er entlastet s<strong>ich</strong><br />

<strong>mit</strong> dem Argument, s<strong>ich</strong> von den NS-Verbrechen aufgrund seiner Zugehörigkeit<br />

<strong>zu</strong>r kämpfenden Truppe, „voll und ganz freisprechen" <strong>zu</strong> können. Erbost<br />

ist er über die den Opfern entgegengebrachte Aufmerksamkeit: Er fühlt s<strong>ich</strong><br />

als unter <strong>Krieg</strong> und Gefangenschan noch immer leiden<strong>der</strong> Veteran ungerecht<br />

behandelt, <strong>hatte</strong> er doch Anerkennung für dieses Leid in <strong>der</strong> Heimat erwartet.<br />

Noch <strong>mehr</strong> als bei Herrn Vogel wird an seiner Gesch<strong>ich</strong>te deutl<strong>ich</strong>, daß die in<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik so häufig an<strong>zu</strong>treffende Empfindungslosigkeit gegenüber<br />

den Opfern des NS auch von <strong>der</strong> <strong>zu</strong> wenig geleisteten Trauerarbeit um die<br />

selbst erlebten traumatischen Situationen <strong>mit</strong>bedingt ist. Doch wie verhält es<br />

s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Empathie für die Opfer des NS bei denjenigen, die selbst weniger<br />

traumatische <strong>Krieg</strong>serfahrungen <strong>zu</strong> erleiden <strong>hatte</strong>n, die aber <strong>zu</strong> Zeugen <strong>der</strong> an<br />

an<strong>der</strong>en Menschen verübten bestialischen Verbrechen wurden? Und wie entlasten<br />

s<strong>ich</strong> diese Zeugen und Mitverstrickten in die NS-Verbrechen?<br />

Herr Langenbach und Herr Acka, die als Angehörige <strong>der</strong> Etappe Zeugen<br />

<strong>der</strong> NS-Verbrechen wurden und <strong>der</strong>en <strong>Krieg</strong>serlebnisse n<strong>ich</strong>t vom Verwaltungsmassenmord<br />

<strong>zu</strong> trennen sind, können s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so le<strong>ich</strong>t wie Herr Sallmann<br />

entlasten. Das bestimmende Muster <strong>der</strong> Vergangenheitsrekonstruktion<br />

von Herrn Langenbach ist die Wahrnehmung biographischer Entscheidungen<br />

und Wendepunkte als heteronom produzierte, als von außen auferlegte. Diese<br />

Wahrnehmung eines heteronom produzierten Lebens repräsentiert bei diesem<br />

Fall eine biographische Strategie, die hinter seinem Rücken seine Erzählung<br />

steuert und sein Lebensgefühl ganz entscheidend bestimmt. Es handelt s<strong>ich</strong><br />

hier also n<strong>ich</strong>t um eine „aufgesetzte" Argumentation, die nur <strong>der</strong> Entlastung<br />

dient — wie es bei biographischen Erzählungen von routinierten Angeklagten<br />

vor Ger<strong>ich</strong>t z.B. angewandt wird —, son<strong>der</strong>n ist wesentl<strong>ich</strong>er Bestandteil seiner<br />

biographischen Gesamts<strong>ich</strong>t.<br />

Diese Strategie verhilft Herrn Langenbach zwar da<strong>zu</strong>, den Fragen nach den<br />

eigenen Anteilen seiner Verstrickung in die Geiselerschießungen in Jugoslawien<br />

o<strong>der</strong> nach seiner Sozialisation <strong>zu</strong>m „Wölf 4 — <strong>zu</strong>mindest teilweise —<br />

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