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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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z.T. traumatischen Erfahrungen in <strong>der</strong> Gefangenschan eher nach Rückkehr in<br />

die Heimat biographische Krisen auf, als ihre Zukunftsantizipationen fragwürdig<br />

und brüchig wurden. Sie mußten nun <strong>mit</strong> Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme<br />

des Arbeits- und Familienlebens kämpfen, waren vielle<strong>ich</strong>t von<br />

ihren Ehefrauen entfremdet und wurden von ihren Kin<strong>der</strong>n meist als fremde<br />

Eindringlinge abgelehnt 7 . Auch Herr Sallmann und Herr Langenbach haben<br />

uns darüber erzählt.<br />

Das Auftreten ideologischer Krisen ist jedoch n<strong>ich</strong>t nur vom biographischen<br />

Verlauf nach 1945, son<strong>der</strong>n auch von jenem vor 1945 abhängig. Wer<br />

s<strong>ich</strong> schon vor dem Zusammenbruch allmähl<strong>ich</strong> vom NS distanziert <strong>hatte</strong>, geriet<br />

1945 weniger in eine Orientierungskrise als jemand, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> bis <strong>zu</strong>letzt<br />

<strong>mit</strong> dem NS identifizierte. Der Verlauf: Identifikation <strong>mit</strong> dem NS bis 1945,<br />

heftige Orientierungskrise bei <strong>Krieg</strong>sende und darauf folgende Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> vormaligen Identifikation ist vermutl<strong>ich</strong> eher für die HJ-<br />

Generation als für die älteren Generationen typisch. Dagegen nehme <strong>ich</strong> an,<br />

daß für die wilhelminische wie für die Weimarer Jugendgeneration eher zwei<br />

an<strong>der</strong>e Verläufe typisch sind. Einmal handelt es s<strong>ich</strong> um den Verlauf eines<br />

schon Jahre vor <strong>Krieg</strong>sende allmähl<strong>ich</strong> — in <strong>der</strong> Selbstwahrnehmung meist<br />

unmerkl<strong>ich</strong> — einsetzenden Ablösungsprozesses von <strong>der</strong> Identifikation <strong>mit</strong><br />

dem NS und eines S<strong>ich</strong>-Abfindens <strong>mit</strong> einem mögl<strong>ich</strong>erweise verlorenen<br />

<strong>Krieg</strong>. Tritt dagegen bei den Angehörigen <strong>der</strong> wilhelminischen und Weimarer<br />

Jugendgeneration aufgrund einer bis 1945 bestandenen Identifikation <strong>mit</strong> dem<br />

NS und aufgrund des Glaubens an seinen Fortbestand 1945 eine ideologische<br />

Orientierungskrise auf, ist eher ein Verlauf <strong>zu</strong> erwarten, <strong>der</strong> entwe<strong>der</strong> <strong>zu</strong>m<br />

Suizid o<strong>der</strong> <strong>zu</strong> einem weiteren Beharren auf <strong>der</strong> nationalsozialistischen Gesinnung<br />

führte. Für den Verlauf „Orientierungskrise und Reflexion**, den <strong>ich</strong> als<br />

typisch für die HJ-Generation beschrieben habe, im Unterschied <strong>zu</strong>m Verlauf<br />

„Orientierungskrise und weiteres Beharren auf <strong>der</strong> NS-Weltanschauung**,<br />

spr<strong>ich</strong>t, daß die Jugendl<strong>ich</strong>en und jungen Erwachsenen, die 1945 am Anfang<br />

ihrer Ausbildungs- und Familienkarriere standen, viel stärker da<strong>zu</strong> aufgefor<strong>der</strong>t<br />

waren, s<strong>ich</strong> auf die neue gesellschaftl<strong>ich</strong>e Wirkl<strong>ich</strong>keit ein<strong>zu</strong>lassen als ältere<br />

Menschen, die bereits auf erfolgre<strong>ich</strong>e Karrieren <strong>zu</strong>rückblicken konnten.<br />

Außerdem fiel es <strong>der</strong> HJ-Generation aufgrund <strong>der</strong> von den westl<strong>ich</strong>en Alliierten<br />

erlassenen Jugendamnestie und, da<strong>mit</strong> <strong>zu</strong>sammenhängend, des in dieser<br />

Generation vorherrschenden Entlastungsarguments: „wir waren <strong>zu</strong> jung, um<br />

<strong>zu</strong> begreifen** le<strong>ich</strong>ter, s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einer ehemaligen Begeisterung <strong>zu</strong> bekennen.<br />

Und genau darin liegt die Chance für eine Umorientierung und für ein Aufarbeiten<br />

intemalisierter Deutungsmuster. Leugnet man hingegen seine frühere<br />

Faszination, kann man s<strong>ich</strong> die Gründe dafür auch kognitiv n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>gängl<strong>ich</strong><br />

machen: Denkt man n<strong>ich</strong>t darüber nach, welche Inhalte <strong>der</strong> NS-Propaganda<br />

wie auch Praxis man akzeptiert hat, so besteht die Gefahr, daß die übernommenen<br />

Werthaltungen weiterhin unbemerkt das Denken und Handeln <strong>mit</strong>bestimmen.<br />

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