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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Vergegenwärtigen wir uns: Beiden Gesprächspartnern war es f<br />

wie die Analyse<br />

gezeigt hat, ein Bedürfnis, über ihre problematischen Erlebnisse <strong>zu</strong> sprechen.<br />

Beide haben s<strong>ich</strong> auf unser Zeitungsinserat gemeldet und <strong>zu</strong> einem Interview<br />

bereit erklärt, weil sie s<strong>ich</strong> von etwas Belastendem befreien wollten.<br />

Diesem Bedürfnis konnten sie zwar n<strong>ich</strong>t direkt Ausdruck geben, doch es zog<br />

s<strong>ich</strong> latent durch beide Gespräche. Während s<strong>ich</strong> Herr Langenbach seines<br />

Mitteilungswunsches bewußt war, <strong>hatte</strong> Herr Acka vermutl<strong>ich</strong> über seine Intention<br />

<strong>zu</strong>r Aufnahme des Gesprächskontaktes keine klare Vorstellung. Er<br />

fürchtete auch stärker als Herr Langenbach eine Enthüllung; so war er trotz<br />

vorheriger Absprache am Telefon beim Gesprächstermin nur schwer <strong>zu</strong>r Zustimmung<br />

<strong>zu</strong> einer Tonbandaufnahme <strong>zu</strong> bewegen, und er verweigerte uns die<br />

Sozialdaten, die wir jeweils am Ende <strong>der</strong> Gespräche erheben. Doch auch ihn<br />

bedrückt etwas. Es bedrückt ihn „das Mieseste was <strong>ich</strong> da geleistet habe* 4 , auf<br />

das er schon vor <strong>der</strong> Tonbandaufnahme hinwies, und so enthüllte er trotz seiner<br />

Furcht die <strong>mehr</strong>deutige Gesch<strong>ich</strong>te seiner Abkommandierung <strong>zu</strong> einer<br />

Massenerschießung. Er wird darauf vertraut haben, die Version, daß eine<br />

Krankmeldung ihn schließl<strong>ich</strong> von <strong>der</strong> Ausführung des Befehls bewahrt hätte,<br />

plausibel und glaubhaft darstellen <strong>zu</strong> können.<br />

Auffallend an seinen Darstellungen ist, daß s<strong>ich</strong> das für ihn Belastende auf<br />

ein herausragendes Erlebnis beschränkt. Obwohl er schon in Rumänien <strong>mit</strong><br />

den Vertreibungen und dem Völkermord konfrontiert war, stellt er die Erlebnisse<br />

aus dieser Zeit in seiner Erzählung n<strong>ich</strong>t als ihn belastende o<strong>der</strong> bedrückende<br />

dar.<br />

Dieter Acka blendet sein eigenes Handeln in diesem Themenkreis aus bzw.<br />

verschleiert es. Ähnl<strong>ich</strong> verhält es s<strong>ich</strong> bei Walter Langenbach. Auch von ihm<br />

erfahren wir n<strong>ich</strong>t, was er getan hat, in welcher Funktion er s<strong>ich</strong> in dem Konzentrationslager<br />

in Serbien befand, und vor allem n<strong>ich</strong>t, was er selbst gesehen<br />

hat und was n<strong>ich</strong>t.<br />

Wir vermuten also, daß beide Männer nur Ausschnitte aus ihrer Vergangenheit<br />

erzählen und das eigentl<strong>ich</strong> Belastende aus ihrer Erinnerung ausblenden.<br />

Es drängt s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Gedanke auf, daß das als belastend Erzählte gerade n<strong>ich</strong>t<br />

das Belastende ist. Vielle<strong>ich</strong>t hat Dieter Acka in einer an<strong>der</strong>en Situation „das<br />

Mieseste geleistet* 4 , während er s<strong>ich</strong> bei <strong>der</strong> erzählten Situation tatsächl<strong>ich</strong> erfolgre<strong>ich</strong><br />

krankgemeldet hat. Bei Walter Langenbach nahmen wir ja bereits<br />

an, daß sein Verstricktsein <strong>mit</strong> Tätigkeiten vor den Massenexekutionen <strong>zu</strong>sammenhängt,<br />

von denen er n<strong>ich</strong>ts erwähnt.<br />

Weiterhin ist diesen Männern gemeinsam, daß sie s<strong>ich</strong> zwar beide <strong>mit</strong> ihren<br />

Teilerinnerungen beschäftigen, auch unter ihnen leiden, doch bei <strong>der</strong> Erzählung<br />

dieser Erlebnisse keine direkte emotionale Beteiligung s<strong>ich</strong>tbar wird. Sie<br />

zeigen eine gewisse Empfindungslosigkeit, die Robert Lifton (1988) auch bei<br />

NS-Ärzten feststellte. Die gesamte Erzählung von Dieter Acka ist von dieser<br />

Empfindungslosigkeit durchzogen; er zeigt we<strong>der</strong> Trauer über das selbst erlittene<br />

Leid, noch trauert er über das Schicksal <strong>der</strong> verfolgten und ermordeten<br />

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