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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Bedeutung sind. Für ihn bedarf <strong>der</strong> Verwaltungsmassenmord, insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Ermordung <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerung, einer Auslegung, da er s<strong>ich</strong> in<br />

diese Verbrechen verstrickt fühlt. Im folgenden möchten wir <strong>zu</strong>sammenfassend<br />

diskutieren, wie er versucht, s<strong>ich</strong> aus diesen Verstrickungen <strong>zu</strong> lösen.<br />

Welche Rechtfertigungsstrategien verwendet er, welche Reparaturen nimmt er<br />

bei <strong>der</strong> Rekonstruktion seiner Biographie vor?<br />

Seine Rechtfertigungsstrategien konzentrieren s<strong>ich</strong> auf Entlastung durch die<br />

Verfolgten des NS, Schuldabweisung an die jüdische Bevölkerung, Subsumierung<br />

<strong>der</strong> Verbrechen unter die <strong>Krieg</strong>ssituation, Abschiebung <strong>der</strong> Verantwortung<br />

an seine Sozialisationsbedingungen und Sühne durch die <strong>Krieg</strong>sverbrecherprozesse<br />

in Nürnberg.<br />

Inwiefern ihm die von Angehörigen <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerung sowie von<br />

Belgiern entgegengebrachte Sympathie als Entlastung dient, haben wir bereits<br />

diskutiert. Es handelt s<strong>ich</strong> hierbei um eine in <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung n<strong>ich</strong>t<br />

beson<strong>der</strong>s verbreitete Argumentationsfigur. Zwar weisen die Zeitzeugen in ihren<br />

Erzählungen sehr häufig daraufhin, daß sie Juden gekannt haben, erzählen<br />

von Juden, <strong>mit</strong> denen sie befreundet waren, bei denen sie eingekauft haben<br />

etc., doch da<strong>mit</strong> wollen sie belegen, daß sie keine Antise<strong>mit</strong>en waren und den<br />

Kontakt <strong>mit</strong> den Verfemten n<strong>ich</strong>t scheuten. Diese, in <strong>der</strong> biographischen Vergangenheit<br />

„aufgestöberten" jüdischen Menschen haben die Funktion eines<br />

Alibis; sie belegen die Sympathie, die die Erzähler den Juden vermeintl<strong>ich</strong><br />

entgegen gebracht <strong>hatte</strong>n. Herr Acka hingegen benötigt die Begegnungen <strong>mit</strong><br />

jüdischen Menschen im umgekehrten Sinne: Er will belegen, daß gerade Juden<br />

den Kontakt <strong>mit</strong> ihm, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Verfolger stand, n<strong>ich</strong>t scheuten,<br />

ihm sogar Sympathie entgegenbrachten. Man könnte vermuten, daß für Herrn<br />

Acka — im Unterschied <strong>zu</strong> den Zeitzeugen, die aus <strong>der</strong> Gegenwartsperpektive<br />

einer problematischen Vergangenheit ihren Philose<strong>mit</strong>ismus belegen wollen<br />

— die Begegnungen <strong>mit</strong> Juden schon in <strong>der</strong> Vergangenheit biographische Relevanz<br />

<strong>hatte</strong>n. Vielle<strong>ich</strong>t gehörte Herr Acka <strong>zu</strong> denjenigen, die antise<strong>mit</strong>isch<br />

eingestellt waren, die Verfolgung <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerung auch n<strong>ich</strong>t ablehnten<br />

und eventuell auch selbst daran beteiligt waren, jedoch <strong>zu</strong>r Aufrechterhaltung<br />

ihrer Moralität einem jüdischen Menschen halfen. Auf diese „paradoxe<br />

Moralität 44<br />

(Bar-On) verwies schon <strong>der</strong> „Re<strong>ich</strong>sführer <strong>der</strong> SS" Heinr<strong>ich</strong><br />

Himmler in seiner Ansprache in Posen 1943, in <strong>der</strong> er meinte, daß die Zahl <strong>der</strong><br />

„eigenen anständigen Juden 44 , denen man helfen wollte, weit größer sei als die<br />

gesamte jüdische Bevölkerung (S<strong>mit</strong>h, Peterson 1974: 169).<br />

Dies würde bedeuten, daß Herr Acka n<strong>ich</strong>t erst heute seine Vergangenheit<br />

nach Erlebnissen <strong>mit</strong> Juden durchstöbert, son<strong>der</strong>n diese Begegnungen und<br />

insbeson<strong>der</strong>e seine Fluchthilfen schon damals von beson<strong>der</strong>er Bedeutung fur<br />

ihn waren.<br />

Während Herr Acka seine Lebensgesch<strong>ich</strong>te <strong>mit</strong> diesen Erlebnissen „auffüllt<br />

44 , entleert er sie dagegen von all jenen Erlebnissen, bei denen er an <strong>der</strong><br />

Verfolgung und Vern<strong>ich</strong>tung <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerung beteiligt war. Be-<br />

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