"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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Er schildert, wie schwer ihm die erste Zeit gefallen ist und erzählt, daß er auch einige Male geweint habe. Er mußte erste Desillusionierungen seines Glaubens an die soldatische Kameradschaft hinnehmen. Vom Vater, vermutlich einem Teilnehmer des Ersten Weltkrieges, immer wieder auf den höchsten moralischen Wert, die Kameradschaft unter Soldaten, hingewiesen, war für ihn der Egoismus der Kameraden, die z.B. ihre Pakete nicht teilten, sehr enttäuschend. Wie Herr Acka diese Enttäuschung über die Wirklichkeit des soldatischen Alltags bewältigte, verdeutlicht uns folgendes Zitat: „und dann wenn man natürlich dann länger dabei is und älter wird dann sucht man sich dann Freiheiten und dann muß man eh- am schnellsten ging es ja für diejenigen die ihren Geist aufgegeben hatten und sagten jawoll ich bin blöd .... aber denken durfte man nicht denn diese Zeit war furchtbar 44 (25/ 11) 4.2.2 Verstrickt in die NS-Verbrechen Vorbemerkung: Die Rekonstruktion der Erlebnisse von Herrn Acka in der Zeit von 1941 bis 1943, insbesondere deren temporale Abfolge, war nur begrenzt und mit erheblicher Analysearbeit möglich. Die größte Schwierigkeit unserer Rekonstruktion bestand darin, daß Herr Acka weder in der temporalen Abfolge erzählt, noch die einzelnen Geschichten zeitlich verortet. Während er seine Lebensphase bis zum Einzug zur „Wehrmacht 44 nur kurz streift, jedoch ziemlich klar darüber berichtet, verhält es sich bei der Zeitspanne von 1941 — 1943 gerade umgekehrt: Er erzählt zwar viel über die Zeit zwischen 1941 und 1943, doch seine Ausführungen sind unklar und widersprüchlich. Sehen wir, von welchen mehr oder weniger gesicherten Daten, Ereignissen und Handlungen wir ausgehen können. Vor dem „Rußlandfeldzug". „Die Wehrpflichtigen des Geburtsjahrgangs 1921 wurden in der Zeit vom 27.5. — 22.6.1940 gemustert und nach Ableistung der Arbeitsdienstpflicht (ab Juni 1940) beginnend ab 1.2.1941 zum aktiven Wehrdienst einberufen 44 (Absolon 1960:155). Von Herrn Acka erfahren wir, daß er über die Einberufung zum Wehrdienst sehr froh war, da er jetzt ein „ganzer Soldat 44 wurde. Er berichtet, daß er zur Ausbildung in eine Luftnachrichtenkaserne seiner Heimatstadt gekommen sei; dort habe er in der Kraftfahrzeugkompanie seinen Führerschein gemacht. Er wollte jedoch nicht länger in der Heimatstadt bleiben, wollte raus an die Front: „dann hatten wir die Nase voll und wollten weg, wir wollten raus, wir wollten noch raus-und ich hatte dann ich war ja vor- em Russlandfeldzug lag ich noch in Polen (1) wir wollten draußen hin 44 (53/32) Herr Acka gibt an, mit einer Luftnachrichtenkompanie in Polen an der sowjetischen Grenze gelegen zu haben. Ab diesem Zeitpunkt, d.h. ca. ab Frühjahr 1941, bis zum Rückzug der deutschen Armee und der Einsatzgruppe D aus dem Kaukasus im Frühjahr 1943 198
wird die Erzählung von Herrn Acka sehr undurchsichtig. Vor allem ist unklar, zu welcher Einheit und mit welchen Aufgaben er eingezogen war, ob er überhaupt Angehöriger der Wehrmacht war oder vielmehr zur Einsatzgruppe D bzw. deren Hilfepersonal gehörte. Er erzählt nicht in der linearen Abfolge der Ereignisse; nur mit Hilfe historischer Quellen können wir annährungsweise die zeitliche Einbettung einzelner erzählter Erlebnisse vornehmen. Immer wieder versucht er, zu der Phase nach dem Frühjahr 1943 überzuleiten, und erzählt über militar-biographische Ereignisse, die erst nach dieser Zeit stattgefunden haben können, als härten sie sich schon vorher zugetragen. Wir wissen, daß er zunächst in der Provinz Transnistrien und danach in der südukrainischen Stadt Chersson war. Kurz einige historische Hinweise zu dem ukrainischen Gebiet, das von Rumänien zur Provinz Transnistrien erklärt wurde. Das mit Deutschland verbündete Rumänien hatte dieses Gebiet, das südlich von dem Fluß Dnjestr, nördlich von dem Fluß Bug und westlich vom San begrenzt wird, nach dem Überfall auf die UdSSR im August 1941 okkupiert. Die Einsatzgruppe D war in Bessarabien/Bukowina, dem südlich daran angrenzenden Gebiet, stationiert und hatte insbesondere den Auftrag, den Versuch der Rumänen, „die Juden und Russen Bessarabiens über den Dnjestr nach Osten abzuschieben,.. mit allen Mitteln" zu verhindern (zitiert nach Krausnick 1985: 173). Die Einsatzkommandos trieben im Juli und August 1941 viele der von den Rumänen abgeschobenen Juden wieder über den Dnjestr zurück. Auch Herr Acka erwähnt Abschiebungen von Angehörigen der jüdischrumänischen Bevölkerung, deren Vertreibung durch das faschistische Rumänien sowie seine eigene Fluchthilfe. Er erzählt, daß er jüdische Rumänen über die Grenze, über den San, der südlich an das damals von Deutschland besetzte Polen angrenzt, gebracht habe. Um seine Erzählung im Sinnzusammenhang seiner Ausführungen betrachten zu können, zunächst einige Anmerkungen über die textuelle Einbettung dieser Erzählung. Diese Erzählung wird damit eingeleitet, daß Herr Acka vom Interviewer gefragt wird, welche Funktion er bei der Kompanie hatte. Er meint darauf: „Ich war eigentlich so zu zbV ((zur besonderen Verwendung)) als Organisator", und stellt unerwartet die Frage, ob die Projektleiterin, da sie einen jüdischen Namen habe, Jüdin sei. Die Frage wird von den Interviewern verneint. Hier muß man sich fragen, ob es einen Zusammenhang zwischen seinem Einsatz als ,zbV 4 und dem Thema „Juden 44 gibt. Er meint jedenfalls: „und wo wir ja hinkam wurd die- «Juden» wurden die eh (1) sofort zusammen in ein Ghetto gemacht=da=half aber jetzt der Russe mit" (70/36). Anstatt über die Aktionen der deutschen Einsatzgruppen zu erzählen, berichtet er im folgenden, daß er erlebt habe, wie ein Russe einen Juden erschlagen habe. Es folgt eine kaum zu verstehende Geschichte, die von der Plünde- 199
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wird die Erzählung von Herrn Acka sehr undurchs<strong>ich</strong>tig. Vor allem ist unklar,<br />
<strong>zu</strong> welcher Einheit und <strong>mit</strong> welchen Aufgaben er eingezogen war, ob er überhaupt<br />
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nach dem Frühjahr 1943 über<strong>zu</strong>leiten, und erzählt über militar-biographische<br />
Ereignisse, die erst nach dieser Zeit stattgefunden haben können, als härten sie<br />
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Wir wissen, daß er <strong>zu</strong>nächst in <strong>der</strong> Provinz Transnistrien und danach in <strong>der</strong><br />
südukrainischen Stadt Chersson war.<br />
Kurz einige historische Hinweise <strong>zu</strong> dem ukrainischen Gebiet, das von Rumänien<br />
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Rumänien <strong>hatte</strong> dieses Gebiet, das südl<strong>ich</strong> von dem Fluß Dnjestr, nördl<strong>ich</strong><br />
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Bessarabien/Bukowina, dem südl<strong>ich</strong> daran angrenzenden Gebiet, stationiert<br />
und <strong>hatte</strong> insbeson<strong>der</strong>e den Auftrag, den Versuch <strong>der</strong> Rumänen, „die Juden<br />
und Russen Bessarabiens über den Dnjestr nach Osten ab<strong>zu</strong>schieben,.. <strong>mit</strong> allen<br />
Mitteln" <strong>zu</strong> verhin<strong>der</strong>n (zitiert nach Krausnick 1985: 173). Die Einsatzkommandos<br />
trieben im Juli und August 1941 viele <strong>der</strong> von den Rumänen abgeschobenen<br />
Juden wie<strong>der</strong> über den Dnjestr <strong>zu</strong>rück.<br />
Auch Herr Acka erwähnt Abschiebungen von Angehörigen <strong>der</strong> jüdischrumänischen<br />
Bevölkerung, <strong>der</strong>en Vertreibung durch das faschistische Rumänien<br />
sowie seine eigene Fluchthilfe. Er erzählt, daß er jüdische Rumänen über<br />
die Grenze, über den San, <strong>der</strong> südl<strong>ich</strong> an das damals von Deutschland besetzte<br />
Polen angrenzt, gebracht habe.<br />
Um seine Erzählung im Sinn<strong>zu</strong>sammenhang seiner Ausführungen betrachten<br />
<strong>zu</strong> können, <strong>zu</strong>nächst einige Anmerkungen über die textuelle Einbettung<br />
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vom Interviewer gefragt wird, welche Funktion er bei <strong>der</strong> Kompanie <strong>hatte</strong>. Er<br />
meint darauf: „Ich war eigentl<strong>ich</strong> so <strong>zu</strong> zbV ((<strong>zu</strong>r beson<strong>der</strong>en Verwendung))<br />
als Organisator", und stellt unerwartet die Frage, ob die Projektleiterin, da sie<br />
einen jüdischen Namen habe, Jüdin sei. Die Frage wird von den Interviewern<br />
verneint. Hier muß man s<strong>ich</strong> fragen, ob es einen Zusammenhang zwischen<br />
seinem Einsatz als ,zbV 4 und dem Thema „Juden 44 gibt. Er meint jedenfalls:<br />
„und wo wir ja hin<strong>kam</strong> wurd die- «Juden» wurden die eh (1) sofort <strong>zu</strong>sammen in ein Ghetto<br />
gemacht=da=half aber jetzt <strong>der</strong> Russe <strong>mit</strong>" (70/36).<br />
Anstatt über die Aktionen <strong>der</strong> deutschen Einsatzgruppen <strong>zu</strong> erzählen, ber<strong>ich</strong>tet<br />
er im folgenden, daß er erlebt habe, wie ein Russe einen Juden erschlagen<br />
habe. Es folgt eine kaum <strong>zu</strong> verstehende Gesch<strong>ich</strong>te, die von <strong>der</strong> Plünde-<br />
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