"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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Gabriele Rosenthal<br />
unter Mitarbeit von Thomas Rosemann<br />
4.2 Dieter Acka: „Das war das Mieseste, was <strong>ich</strong> da geleistet <strong>hatte</strong>".<br />
Vorbemerkung von Thomas Rosemann<br />
Das Interview <strong>mit</strong> Dieter Acka und seine Ausweitung gestaltete s<strong>ich</strong> in vielfacher<br />
Hins<strong>ich</strong>t sehr schwierig. Herr Acka <strong>hatte</strong> s<strong>ich</strong> auf unsere Zeitungsannonce<br />
hin telefonisch als Interviewpartner angeboten. Er wurde informiert,<br />
daß das Gespräch auf Tonband aufgeze<strong>ich</strong>net werden sollte.<br />
Das Interview wurde von mir und Juliane Brandstäter geführt. <strong>Als</strong> wir <strong>zu</strong><br />
dem vereinbarten Gesprächstermin <strong>kam</strong>en, weigerte s<strong>ich</strong> Herr Acka <strong>zu</strong>nächst<br />
jedoch, auf Tonband <strong>zu</strong> sprechen. Es bedurfte unserer ganzen Überzeugungskraft,<br />
um ihn <strong>zu</strong>r Zustimmung <strong>zu</strong>r Aufnahme <strong>zu</strong> bewegen. Nach ca. dreiviertelstündigem<br />
Wortwechsel lenkte Herr Acka ein und begann <strong>mit</strong> seiner biographischen<br />
Großerzählung. Zum damaligen Zeitpunkt noch <strong>zu</strong> wenig vertraut <strong>mit</strong> allen<br />
historischen Aspekten <strong>der</strong> Zeit des „Dritten Re<strong>ich</strong>es" und <strong>der</strong> von den<br />
Einsatzgruppen in <strong>der</strong> Sowjetunion begangenen Verbrechen, gelang es uns wahrend<br />
des Interviews n<strong>ich</strong>t, die entscheidenden Hinweise von Herrn Acka auf<br />
seine angedeutete Verstrickung in die NS-Verbrechen <strong>zu</strong> „hören" o<strong>der</strong> ihnen gar<br />
<strong>mit</strong> weiteren Fragen nach<strong>zu</strong>gehen. Während des Interviews entging mir auch<br />
<strong>der</strong> von ihm selbst gegebene Hinweis auf seine „SA-Anwärterschaft".<br />
Ebenso schwierig gestaltete s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>nächst die Auswertungsphase: Beginnend<br />
<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Rekonstruktion seiner Lebensgesch<strong>ich</strong>te bzw. enger gefaßt: <strong>mit</strong><br />
dem chronologischen Ablauf seiner Erfahrungen und Erlebnisse wahrend des<br />
NS, verhin<strong>der</strong>te <strong>der</strong> auffallend geringe Indexikalitätsgrad seiner Erzählungen<br />
die Erstellung eines konsistenten Bildes. So blieb <strong>zu</strong>nächst völlig unklar, wann<br />
Herr Acka wo und in welcher Funktion war. M.a.W., die Gesch<strong>ich</strong>ten, die er<br />
erzählte, konnten zeitl<strong>ich</strong> und oft auch geographisch n<strong>ich</strong>t verortet werden.<br />
Beson<strong>der</strong>s ungewöhnl<strong>ich</strong> ist, daß <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Indexikalisierung, d.h. die<br />
genaue Nennung von Ort, Zeit und beteiligten Personen, abnimmt, je <strong>mehr</strong><br />
Gesch<strong>ich</strong>ten Herr Acka erzählt. Dieses Phänomen könnte da<strong>mit</strong> <strong>zu</strong>sammenhängen,<br />
daß Herr Acka unter zieml<strong>ich</strong>em Leidens- o<strong>der</strong> nennen wir es Erzähldruck<br />
hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> seiner Zeit in <strong>der</strong> Sowjetunion, d.h. von 1941 -1943, steht,<br />
er jedoch das eigentl<strong>ich</strong> Quälende aus dieser Zeit verschleiern muß. Da<strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Zuhörer keinen Verdacht schöpft, darf er seine Erlebnisse räuml<strong>ich</strong> und zeitl<strong>ich</strong><br />
n<strong>ich</strong>t verorten, s<strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t dem narrativen Erzählfluß hingeben und<br />
in <strong>der</strong> temporalen Abfolge erzählen. Hier<strong>mit</strong> möchte <strong>ich</strong> keineswegs behaupten,<br />
daß Herr Acka diese Darstellung bewußt bzw. geplant vornimmt. Das Bedürfnis,<br />
seine Erlebnisse endl<strong>ich</strong> „los<strong>zu</strong>werden", s<strong>ich</strong> davon <strong>zu</strong> befreien, vermischt<br />
<strong>mit</strong> dem Bedürfnis sowie dem jahrelangen Training, sie <strong>zu</strong> verschleiern<br />
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