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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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nächst keine Unterbrechung seiner alltägl<strong>ich</strong>en Routinen. Mittelbar griff sie<br />

jedoch in sein Leben ein: Er wurde von seinem Arbeitskommando auf <strong>der</strong> Olivenfarm<br />

<strong>zu</strong>rück in das Lager beor<strong>der</strong>t. Die französische Lagerverwaltung<br />

wollte die „Selbstverwaltung" <strong>der</strong> Gefangenen den neuen politischen Verhältnissen<br />

anpassen und den bisherigen deutschen Lagerführer ersetzen:<br />

„und nun war immer noch (1) ein (2) ALTER KÄMPFER, Lagerfiihrer, in einem Lager in<br />

Sousse (1) wo <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>gehörte <strong>zu</strong> dem Lager gehörte <strong>ich</strong> , UND DEN NAZI WOLLTEN SE ABLÖ­<br />

SEN, ABER WOHER NUN NEN ANTIFASCHISTEN nehmen (( fragend )) (2) und DA KAM<br />

dem Kommandanten (1) <strong>zu</strong> Ohren daß <strong>ich</strong> doch wohl ein Antifaschist sein müßte weil <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong><br />

<strong>mehr</strong> an nen Endsiech geglaubt hätte (2) und eh <strong>der</strong> Nazilagerflihrer (1) m<strong>ich</strong>, ans <strong>Krieg</strong>sger<strong>ich</strong>t<br />

liefern wollte (2)" (35/51)<br />

Walter Langenbach wurde Lagerfuhrer. Seine Formulierung: „daß <strong>ich</strong> doch<br />

wohl ein Antifaschist sein mußte" läßt offen, ob er s<strong>ich</strong> selbst als Antifaschist<br />

begreift, <strong>der</strong> den Nationalsozialismus als System ablehnt. Doch man gewinnt<br />

eher den Eindruck, als habe er diese Zuschreibung übernommen. Es stellt<br />

s<strong>ich</strong> die Frage, wie er <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Zuschreibung, Antifaschist gewesen <strong>zu</strong> sein,<br />

umging. Eine Mögl<strong>ich</strong>keit ist, daß er s<strong>ich</strong> von diesem Moment an von aller<br />

Mitverantwortl<strong>ich</strong>keit losgesprochen fühlte und s<strong>ich</strong> selbst als Opfer <strong>der</strong> politischen<br />

Umstände begriff, die aus seiner S<strong>ich</strong>t einzelne Partei<strong>mit</strong>glie<strong>der</strong> verursacht<br />

<strong>hatte</strong>n, an denen es s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> rächen galt. Da<strong>mit</strong> wäre er dann auch n<strong>ich</strong>t<br />

gezwungen, s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> seinen eigenen Verstrickungen in den Nationalsozialismus<br />

auseinan<strong>der</strong><strong>zu</strong>setzen <strong>zu</strong> müssen. Neben seiner Feindschaft gegenüber jenem<br />

„alten Kämpfer", <strong>der</strong> ihm noch in Gefangenschaft <strong>mit</strong> dem <strong>Krieg</strong>sger<strong>ich</strong>t<br />

gedroht <strong>hatte</strong>, r<strong>ich</strong>tete s<strong>ich</strong> seine Wut vor allem gegen jene ehemaligen Parteigenossen,<br />

die schon während des <strong>Krieg</strong>es „die dicken Gehälter eingestr<strong>ich</strong>en,<br />

s<strong>ich</strong> als Witwentröster betätigt <strong>hatte</strong>n". Walter Langenbach hingegen identifizierte<br />

s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Rolle des Frontsoldaten:<br />

„UND WIR MUSSTEN AN NER FRONT, UNSERE KNOCHEN UND UNSER BLUT<br />

SPENDEN' 1 (37/18)<br />

In dieser Rolle fühlte s<strong>ich</strong> Walter Langenbach gegenüber den Parteigenossen<br />

benachteiligt. Dieses Gefühl <strong>der</strong> eigenen Benachteiligung ebenso wie die<br />

Bedrohung, die er selbst erfahren <strong>hatte</strong>, mag da<strong>zu</strong> gefuhrt haben, daß er als<br />

Lagerführer Racheakte an<strong>der</strong>er Gefangener gegenüber den „Nazis" deckte<br />

bzw. über sie hinwegsah. Vor allem für diejenigen, die schon wegen geringfügiger<br />

Delikte <strong>zu</strong> „Verbrechern" gestempelt worden waren, brachte er Verständnis<br />

auf. Auch seinen eigenen Rachewünschen konnte er nun nachgeben:<br />

Er erzählt, wie er jenen alten „PG", <strong>der</strong> in dem ersten Gefangenenlager Lagerführer<br />

war und <strong>der</strong> ihn nach dem deutschen Endsieg einem deutschen<br />

<strong>Krieg</strong>sger<strong>ich</strong>t überstellen wollte, eines Nachts <strong>zu</strong>sammengeschlagen hat.<br />

Herr Langenbach versteht s<strong>ich</strong> selbst als durch den Nationalsozialismus<br />

und den Zweiten Weitkrieg ungerecht behandelt und fühlt s<strong>ich</strong> in gewisser<br />

Weise als Opfer <strong>der</strong> politischen Verhältnisse.<br />

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