"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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„ICH KANN MICH SEHR GUT ERINNERN, meine Mutter (2) HAT (2) in ALLEN KRIECHS JAHREN (2) WOCHENLANG (1) ZUMINDEST NACHTS erbittert ,geweint 4 (1)" (52/14) Erinnert er sich da tatsächlich an das damalige Weinen der Mutter, oder erinnert er sich an spätere Erzählungen der Mutter darüber? Für die zweite Deutung spricht, daß seine Mutter ihm viel über den Vater erzählt hat; so auch, mit welchen Worten sich der \ater bei Kriegsbeginn verabschiedete: „er schied von meiner Mutter hat sie oft gesa.cht ((weinerlich^)) (2) LASS UNS MAN ERST DA SEIN (1) .dann schmeißen wir den Laden schon" 4 . (51 /52) 1920, als Walter Langenbach fünf Jahre alt war, heiratete seine Mutter einen kleinen Beamten. Die Ehe blieb kinderlos. Walter Langenbach hatte nun einen Stiefvater, den er als einen „herzensguten 44 Menschen beschreibt, zu dem er ein gutes Verhältnis hatte und den er als Autorität anerkannte. Trotzdem ist es ihm wichtig zu betonen, daß er ohne leiblichen Vater aufgewachsen ist. Von 1920 bis 1928 besuchte Walter Langenbach die Volksschule in seinem Heimatort. In seiner Freizeit half er in einer Baumschule aus und entwickelte den Wunsch, Gärtner zu werden. Sein Stiefvater riet ihm jedoch davon ab. Im Jahre 1929 gelang es Walter Langenbach, eine Lehrstelle bei einem Zimmermann zu finden. Er erlernte den Beruf des Zimmermanns. Nach seiner Darstellung mußte er während der vierjährigen Lehrzeit hauptsächlich als „Laufjunge 44 arbeiten und fühlte sich ausgenutzt. 1932, als die Arbeitslosigkeit ihren Höchststand erreichte, legte Walter Langenbach seine Gesellenprüfung ab. Die Zimmerei „machte Pleite 44 , und er verlor seinen Arbeitsplatz, doch konnte ihm sein Stiefvater nach wenigen Wochen Arbeitslosigkeit einen Aushilfsjob vermitteln. Walter Langenbach war von seinem Stiefvater sozialdemokratisch erzogen worden, und ungefähr zum Zeitpunkt seiner Stellensuche trat er in die Jugendorganisation der SPD, in die Sozialistische Arbeiterjugend, ein. Die SAJ warb zu jener Zeit verstärkt um die Jugend; in Ostwestfalen veröffentlichte sie zum Ende eines Schuljahres in ihrem Presseorgan, der ,Volkswacht 4 , einen Aufruf an die jugendlichen Schulentlassenen, ihrer Organisation beizutreten. Während Walter Langenbachs Lehrzeit wurden von der SAJ erstmals wieder massive Forderungen im Bereich von Jugendrecht und Jugendschutz erhoben (vgl. Bracher /Hartmann 1983: 86). Herr Langenbach fühlte sich in seiner Interpretation, als Lehrjunge ausgenutzt zu werden, von der SAJ unterstützt; vielleicht hatte er auch Hoffhungen in die Politik der Sozialdemokraten gesetzt. Er berichtet über den politischen Unterricht in der SAJ und meint: „an allen möchJichen, Beispielen wurde dann erläutert (2) wie, Politik gemacht wird die die Reichen unterstützt und die Armen ärmer macht 44 (II./5) Die Nichterfüllung seiner Hoffhungen und seine Arbeitslosigkeit ab 1932 erklären vielleicht, weshalb er heute distanziert über seine Zeit in der SAJ berichtet, wenig darüber erzählt und auch seine Enttäuschung über diese Organisation bei seinen Ausführungen spürbar wird. Doch es sind auch spätere Er- 166

lebnisse mit der SPD, die seine heutige Sicht der SAJ bestimmen; darauf werde ich später noch eingehen. Insgesamt gesehen, schildert Herr Langenbach seine Kindheit und Jugend als entbehrungsreiche Zeit. Obwohl er in den Jahren der Weltwirtschaftskrise eine Lehrstelle hatte, stellt er lediglich die negativen Aspekte, das Ausbeutungsverhältnis und die spätere Erwerbslosigkeit, dar. Er weist besonders darauf hin, daß er sich seinen eigentlichen Berufswunsch nicht erfüllen konnte. Auch erzählt er keine positiven Erinnerungen an seine Zeit in der Jugendorganisation. 4.1.2 Die Laufbahn in militänschen Institutionen ab 1933 Der historische Wendepunkt 1933, das Ende der Weimarer Republik und der Beginn der NS-Diktatur, korrespondierte bei Herrn Langenbach mit einem biographischen Wendepunkt. Nicht nur seine Mitgliedschaft in der nun verbotenen SAJ war jetzt zu Ende, er meldete sich auch freiwillig zum Reichsarbeitsdienst, zu dem nach der „Gleichschaltung 44 1933 nur noch nationalsozialistische Träger zugelassen wurden. Hier stellt sich die Frage, ob er sich von seiner bis dahin eher sozialdemokratischen Gesinnung bewußt distanzierte, oder ob er sich nur an die neuen politischen Machtverhältnisse anpaßte und sich als Arbeitsloser etwas von ihnen versprach. Sehen wir, wie er selbst seine Meldung begründet: „ICH HABE ERST (1) FREIWILLIG SOGAR BIN ICH ZUM ARBEITSDIENST GEGAN­ GEN, zu derZeit war mein Vater Pedell in einer Schule (2) UND DA WAR KLAR: (1) die wußten ja mehr wie: der normale Mensch die Beamten (2) bei Hitler, daß der: (1) Arbeitsdienst Pflicht wurde, und da wurde jesprochen (1) daß der Jahrgang dreizehn als erster (1) eingezogen würde und nun war ich Jahrgang vierzehn also (1) war ich dran gewesen (1) und ich wurde, arbeitslos ... und weil ich, arbeitslos war und auch schlecht Arbeit zu bekommen war (2) und die: Angestellten sachten zu meinem Vater (1) Mensch er soll doch jetzt frziwillich machen denn is-er davon ab und ivtiwillich is vielleicht nich so schlimm, wie nachher mit Zwang (3)" (U. /12) Herr Langenbach versucht, seine freiwillige Meldung zunächst mit dem schon 1933 zu erwartenden Pflichtdienst zu begründen, und schiebt die Verantwortung für seine Handlung auf Autoritätspersonen sowie auf die politischen Verhältnisse. In der damaligen Zeit wird für seine Entscheidung seine Arbeitslosigkeit ausschlaggebend gewesen sein. In der Hoffnung auf Arbeit wird er sich mit dem Nationalsozialismus arrangiert haben und sich damit von den Sozialdemokraten, die diese Hoffnung nicht erfüllt hatten, distanziert haben. Aus der Zeit seines Arbeitsdienstes, den man als paramilitärische Organisation betrachten muß, ist ihm das Exerzieren mit dem Spaten, dem Symbol des Arbeitersoldaten, besonders in Erinnerung. Herr Langenbach beschreibt eingehend den militärischen Drill und schildert z.B., wie beim Spatenexerzieren Männer ohnmächtig zusammenbrachen. Nach halbjährigem Arbeitsdienst arbeitete Herr Langenbach kurze Zeit in seinem Zivilberuf und wurde dann kurz nach der Wiedereinführung der allge- 167

„ICH KANN MICH SEHR GUT ERINNERN, meine Mutter (2) HAT (2) in ALLEN KRIECHS<br />

JAHREN (2) WOCHENLANG (1) ZUMINDEST NACHTS erbittert ,geweint 4 (1)" (52/14)<br />

Erinnert er s<strong>ich</strong> da tatsächl<strong>ich</strong> an das damalige Weinen <strong>der</strong> Mutter, o<strong>der</strong> erinnert<br />

er s<strong>ich</strong> an spätere Erzählungen <strong>der</strong> Mutter darüber? Für die zweite Deutung<br />

spr<strong>ich</strong>t, daß seine Mutter ihm viel über den Vater erzählt hat; so auch, <strong>mit</strong> welchen<br />

Worten s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> \ater bei <strong>Krieg</strong>sbeginn verabschiedete:<br />

„er schied von meiner Mutter hat sie oft gesa.cht ((weinerl<strong>ich</strong>^)) (2) LASS UNS MAN ERST DA<br />

SEIN (1) .dann schmeißen wir den Laden schon" 4 . (51 /52)<br />

1920, als Walter Langenbach fünf Jahre alt war, heiratete seine Mutter einen<br />

kleinen Beamten. Die Ehe blieb kin<strong>der</strong>los. Walter Langenbach <strong>hatte</strong> nun einen<br />

Stiefvater, den er als einen „herzensguten 44<br />

Menschen beschreibt, <strong>zu</strong> dem er ein<br />

gutes Verhältnis <strong>hatte</strong> und den er als Autorität anerkannte. Trotzdem ist es ihm<br />

w<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> betonen, daß er ohne leibl<strong>ich</strong>en Vater aufgewachsen ist.<br />

Von 1920 bis 1928 besuchte Walter Langenbach die Volksschule in seinem<br />

Heimatort. In seiner Freizeit half er in einer Baumschule aus und entwickelte<br />

den Wunsch, Gärtner <strong>zu</strong> werden. Sein Stiefvater riet ihm jedoch davon ab. Im<br />

Jahre 1929 gelang es Walter Langenbach, eine Lehrstelle bei einem Zimmermann<br />

<strong>zu</strong> finden. Er erlernte den Beruf des Zimmermanns. Nach seiner Darstellung<br />

mußte er während <strong>der</strong> vierjährigen Lehrzeit hauptsächl<strong>ich</strong> als „Laufjunge 44<br />

arbeiten und fühlte s<strong>ich</strong> ausgenutzt. 1932, als die Arbeitslosigkeit ihren Höchststand<br />

erre<strong>ich</strong>te, legte Walter Langenbach seine Gesellenprüfung ab. Die Zimmerei<br />

„machte Pleite 44 , und er verlor seinen Arbeitsplatz, doch konnte ihm sein<br />

Stiefvater nach wenigen Wochen Arbeitslosigkeit einen Aushilfsjob ver<strong>mit</strong>teln.<br />

Walter Langenbach war von seinem Stiefvater sozialdemokratisch erzogen<br />

worden, und ungefähr <strong>zu</strong>m Zeitpunkt seiner Stellensuche trat er in die Jugendorganisation<br />

<strong>der</strong> SPD, in die Sozialistische Arbeiterjugend, ein. Die SAJ warb<br />

<strong>zu</strong> jener Zeit verstärkt um die Jugend; in Ostwestfalen veröffentl<strong>ich</strong>te sie <strong>zu</strong>m<br />

Ende eines Schuljahres in ihrem Presseorgan, <strong>der</strong> ,Volkswacht 4 , einen Aufruf an<br />

die jugendl<strong>ich</strong>en Schulentlassenen, ihrer Organisation bei<strong>zu</strong>treten. Während<br />

Walter Langenbachs Lehrzeit wurden von <strong>der</strong> SAJ erstmals wie<strong>der</strong> massive For<strong>der</strong>ungen<br />

im Bere<strong>ich</strong> von Jugendrecht und Jugendschutz erhoben (vgl. Bracher<br />

/Hartmann 1983: 86).<br />

Herr Langenbach fühlte s<strong>ich</strong> in seiner Interpretation, als Lehrjunge ausgenutzt<br />

<strong>zu</strong> werden, von <strong>der</strong> SAJ unterstützt; vielle<strong>ich</strong>t <strong>hatte</strong> er auch Hoffhungen in<br />

die Politik <strong>der</strong> Sozialdemokraten gesetzt. Er ber<strong>ich</strong>tet über den politischen Unterr<strong>ich</strong>t<br />

in <strong>der</strong> SAJ und meint:<br />

„an allen möchJ<strong>ich</strong>en, Beispielen wurde dann erläutert (2) wie, Politik gemacht wird die die Re<strong>ich</strong>en<br />

unterstützt und die Armen ärmer macht 44<br />

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Die N<strong>ich</strong>terfüllung seiner Hoffhungen und seine Arbeitslosigkeit ab 1932<br />

erklären vielle<strong>ich</strong>t, weshalb er heute distanziert über seine Zeit in <strong>der</strong> SAJ ber<strong>ich</strong>tet,<br />

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bei seinen Ausführungen spürbar wird. Doch es sind auch spätere Er-<br />

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