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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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spürbar auf sein Leben, auf seine Handlungsplanung auswirkten. So gibt es<br />

<strong>mehr</strong>ere Stellen im Interview, an denen er seinen späteren Ein<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>r Wehrmacht<br />

und <strong>zu</strong>m Volkssturm auf seine N<strong>ich</strong>t-Mitgliedschaft in <strong>der</strong> NSDAP <strong>zu</strong>rückführt.<br />

Ansonsten werden Themen, die im Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>der</strong> politischen<br />

Situation des Nationalsozialismus stehen, von ihm im Gespräch nie eingeführt.<br />

Eine <strong>der</strong> wenigen Stellen, bei denen er durch die Intervention <strong>der</strong><br />

Interviewerin <strong>zu</strong>r Stellungnahme aufgefor<strong>der</strong>t wird, sei hier zitiert:<br />

I: wie war es als 33 <strong>Hitler</strong> an die Macht <strong>kam</strong>? Waren Sie, da erstmal froh o<strong>der</strong> wie war das?<br />

Β: (1) daß es so n<strong>ich</strong> weitergehen konnte, das, das<br />

I: mhm<br />

B: wußten alle Leut (2) und das an<strong>der</strong>e (2)<br />

I: meinen Sie jetzt <strong>mit</strong> dem an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong>m Beispiel die Judenverfolgung o<strong>der</strong> was meinen Sie <strong>mit</strong><br />

dem an<strong>der</strong>en?<br />

B: <strong>ich</strong> hab <strong>mit</strong> den ganzen Parteien nüscht <strong>zu</strong> schaffen ((sehr bestimmt)), die sind alle (2) wir haben<br />

keen deutsche Vertreter <strong>mehr</strong> (2) uns fehlt en Stresemann (2) o<strong>der</strong> Bismarck (2) Männer<br />

von diesem Schlage fehlen uns (1) o<strong>der</strong> von dieser Größe<br />

I: mhm<br />

B: (2) <strong>ich</strong> finde, es braucht s<strong>ich</strong> keener schämen, schämen Deutscher <strong>zu</strong> sein, das deutsche Volk,<br />

schafft, <strong>zu</strong>sammengeschafft man braucht s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> verstecken vor an<strong>der</strong>n (4) daß man uns<br />

die- (2) viel verspr<strong>ich</strong>t, die Ost- äh deutschen Ostblock (3) <strong>ich</strong> bin ja auch aus dem Osten her<br />

<strong>ich</strong> bin Schlesier (2) auch een schönes Grundstück ((murmelt in s<strong>ich</strong> hinein)) 4 ' (15/23)<br />

Mit den Verhältnissen in <strong>der</strong> Weimarer Republik begründet er die Machtübergabe<br />

an Adolf <strong>Hitler</strong> als Notwendigkeit, die „alle Leute 44<br />

eingesehen hätten.<br />

„Das an<strong>der</strong>e 44 , das er hier andeutet, ist er n<strong>ich</strong>t bereit <strong>zu</strong> benennen; die<br />

Frage nach <strong>der</strong> Judenverfolgung weist er vehement als etwas <strong>zu</strong>rück, <strong>mit</strong> dem<br />

er „nüscht <strong>zu</strong> schaffen 44<br />

habe. Seine daran anschließende Erklärung „es<br />

braucht s<strong>ich</strong> keiner <strong>zu</strong> schämen 44<br />

muß auch in diesem Kontext gesehen werden.<br />

Obwohl Oskar Vogel von den fehlenden großen deutschen Männern<br />

spr<strong>ich</strong>t, denkt man bei Gefühlen <strong>der</strong> Scham auch an das von <strong>der</strong> Interviewerin<br />

eingeführte Thema des Völkermords.<br />

Herr Vogel ist n<strong>ich</strong>t bereit, s<strong>ich</strong> explizit in irgendeiner Weise <strong>zu</strong>m Völkermord<br />

<strong>zu</strong> äußern; für ihn steht viel<strong>mehr</strong> das eigene Schicksal <strong>der</strong> Vertreibung<br />

im Vor<strong>der</strong>grund. Indem er s<strong>ich</strong> als unpolitischen „kleinen Mann 44<br />

betrachtet,<br />

<strong>der</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> NSDAP „nüscht <strong>zu</strong> schaffen <strong>hatte</strong> 44 , gelingt es ihm, s<strong>ich</strong> selbst als<br />

Opfer dieses <strong>Krieg</strong>es <strong>zu</strong> verstehen. Von den Opfern <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Gewaltherrschaft ist er n<strong>ich</strong>t gewillt <strong>zu</strong> reden. In dem gesamten Interview fallt<br />

keine Bemerkung über die NS-Verbrechen; es gibt keine einzige Äußerung<br />

über die jüdischen Mitbürger, von denen viele in Schlesien und im Raum<br />

Breslau lebten. Zudem gab es in <strong>der</strong> Nähe seines Wohnortes auch <strong>mehr</strong>ere Außenlager<br />

des Konzentrationslagers Groß Rosen, so daß ihm die Verfolgung <strong>der</strong><br />

jüdischen Bevölkerung n<strong>ich</strong>t unbekannt gewesen sein dürfte.<br />

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