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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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chen, ihre Angst <strong>mit</strong> Aktivität <strong>zu</strong> kontrollieren — das ist dem Soldaten im<br />

Stellungskrieg kaum mögl<strong>ich</strong>. In den Schützengräben können sie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

aktiv verteidigen, können bei Beschuß nur noch passiv deckungsuchend reagieren.<br />

Dies korrespondiert auch <strong>mit</strong> Aussagen von Zeitzeugen über die Bombenangriffe<br />

des Zweiten Weltkrieges: Mancher Soldat war froh, nach Heimaturlauben<br />

wie<strong>der</strong> an die Front <strong>zu</strong> kommen, weil er s<strong>ich</strong> den Bomben in <strong>der</strong> Heimat<br />

hilfloser ausgeliefert fühlte als den Kampfhandlungen an <strong>der</strong> Front.<br />

Wie viele Kameraden in Herrn Vogels un<strong>mit</strong>telbarer Nähe fielen, kann man<br />

aus seinen Aussagen erahnen. Er selbst macht über den „Ersatz 44 , den sie von<br />

dem Ausbildungslager in Straßburg erhielten, die Bemerkung:<br />

„und <strong>der</strong> ((<strong>der</strong> Ersatz)) wurde auch (2) da zenrieben<br />

n<strong>ich</strong>- da gibts auch ständig Verluste (3)" (4/12)<br />

(2) infolge- Kämpfe wurden ja fast tägl<strong>ich</strong><br />

Um s<strong>ich</strong> eine Vorstellung darüber machen <strong>zu</strong> können, was es <strong>mit</strong> diesem<br />

„Ersatz 44<br />

auf s<strong>ich</strong> <strong>hatte</strong> und was Herr Vogel <strong>mit</strong>erlebte, soll ein Aus<strong>zu</strong>g aus­<br />

Er<strong>ich</strong> Maria Remarques Roman „Im Westen n<strong>ich</strong>ts Neues 44<br />

(1928:132f.) zitiert<br />

werden:<br />

„Auf unserem Abschnitt wird wie<strong>der</strong> Ersatz eingeschoben. Es ist eines <strong>der</strong> neuen Regimenter,<br />

fast lauter junge Leute <strong>der</strong> letzten ausgehobenen Jahrgänge. Sie haben kaum eine Ausbildung, nur<br />

theoretisch haben sie etwas üben können, ehe sie ins Feld rückten Sie sind hilflos in diesem<br />

schweren Angriffsgebiet und feilen wie die Fliegen. Der Stellungs<strong>kam</strong>pf von heute erfor<strong>der</strong>t<br />

Kenntnisse und Erfahrungen, man muß die Geschosse, ihre Geräusche und Wirkungen im Ohr<br />

haben, man muß vorausbestimmen können, wo sie einhauen, wie sie streuen und wie man s<strong>ich</strong><br />

schützt diese braven, armen Hunde, die so verschüchtert sind, daß sie n<strong>ich</strong>t laut <strong>zu</strong> schreien<br />

wagen und <strong>mit</strong> zerrissenen Brüsten und Bäuchen und Armen und Beinen leise nach ihrer Mutter<br />

wimmern und gle<strong>ich</strong> aufhören, wenn man sie ansieht. Ihre toten, flaumigen, spitzen Ges<strong>ich</strong>ter haben<br />

die entsetzl<strong>ich</strong>e Ausdruckslosigkeit gestorbener Kin<strong>der</strong>."<br />

Oskar Vogel erinnert s<strong>ich</strong> an einen „jungen Kerl, <strong>der</strong> war erst 17 Jahre 44 .<br />

Dieser <strong>hatte</strong> s<strong>ich</strong> freiwillig gemeldet, weshalb ihn Oskar Vogel als Idioten beze<strong>ich</strong>net.<br />

Am Nachbar-Geschütz habe er dann nach Vater und Mutter geschrien,<br />

erzählt Herr Vogel. Mit dieser Erzählung grenzt er s<strong>ich</strong> von jungen<br />

unerfahrenen Soldaten ab. Er rechnet s<strong>ich</strong> selbst <strong>zu</strong> den älteren und vor allem<br />

<strong>zu</strong> den kriegserfahrenen Landsern. Im Unterschied <strong>zu</strong> den neu eingezogenen<br />

Männern, die ja kaum jünger waren als er selbst, <strong>hatte</strong> er schon Fähigkeiten<br />

erworben, die seine Chance <strong>zu</strong> überleben erhöhten. Diese Fähigkeiten werden<br />

jedoch von Herrn Vogel n<strong>ich</strong>t weiter betont. Er gehörte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> denjenigen,<br />

die die Vorstellung von in den <strong>Krieg</strong>sjahren erworbenen, unersetzbaren und<br />

den Mann ausze<strong>ich</strong>nenden Fähigkeiten vertraten und die insbeson<strong>der</strong>e ab<br />

Ende <strong>der</strong> Zwanziger Jahre das Soldatentum <strong>zu</strong>nehmend glorifizierten, wie wir<br />

es z.B. aus den <strong>Krieg</strong>snoveilen Ernst Jüngers kennen. Herr Vogel ver<strong>mit</strong>telt<br />

eher den Habitus eines Mannes, dem das Soldatsein für sein Selbstwertgefühl<br />

und Selbstbild unbedeutsam ist. Er sah seinen Fronteinsatz viel<strong>mehr</strong> als vaterländische<br />

Pfl<strong>ich</strong>t an, <strong>der</strong> man s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t entziehen konnte, die man ordnungsgemäß<br />

<strong>zu</strong> erfüllen suchte und aus <strong>der</strong> man bei <strong>Krieg</strong>sende wie<strong>der</strong> entlassen<br />

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