"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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schert Grenze geführten unerbittl<strong>ich</strong>en Stellungskrieg, auf <strong>der</strong> Ebene einer unbeteiligten,<br />
sachl<strong>ich</strong>en Deskription von Artilleriegefechten:<br />
„wir waren schwere Artillerie, wir waren hier n<strong>ich</strong> weiter hinter <strong>der</strong> Front (2) da gab's nur Artilleriegefechte<br />
(2), die gegnerische Artillerie beschoß und und wir beschossen die an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong><br />
n<strong>ich</strong> (1) wie's halt is (1) ... ((Beschreibung <strong>der</strong> Beschießung nach den Generalstabskarten)) ... ja<br />
ja war dann Schluß (1) das Bataillon wurde uffjclöst (1) (5 /13)<br />
Herr Vogel beschreibt hier den erlebten Materialkrieg, in dem s<strong>ich</strong> die Soldaten<br />
meist als Opfer einer anonymen, industriellen Technologie empfanden.<br />
In seiner resignierenden Evaluation „wie's halt is" klingt ein Fatalismus an,<br />
den man paraphrasieren kann als „es ist eben so, man kann n<strong>ich</strong>ts dagegen<br />
tun 4 *. Es ist ein Fatalismus, <strong>der</strong> vermutl<strong>ich</strong> auch aus seiner Zeit im Schützengraben<br />
stammt, die bei so vielen Soldaten <strong>zu</strong> einem andauernden Gefühl eigener<br />
Machtlosigkeit und Unw<strong>ich</strong>tigkeit führte (vgl. Maxwell 1923: 100).<br />
Ebenso wie er heute bei seinen Erzählungen immer wie<strong>der</strong> schnell den Bogen<br />
<strong>zu</strong>m Ende des <strong>Krieg</strong>es spannt, wird er damals auf das Ende gewartet haben.<br />
Einen Hinweis auf die <strong>zu</strong> jener Zeit praktizierte Strategie <strong>der</strong> Futurisierung<br />
gibt u.a. eine Äußerung, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> er seine Entlassung aus dem Lazarett<br />
evaluiert: „naja und dann, durchhalten (1) durchhalten bis (1) <strong>Krieg</strong>sschluß 44 .<br />
„Durchhalten 44<br />
bedeutet in <strong>der</strong> konkreten Situation eines Angriffs ein völliges<br />
Einlassen auf die Handlungsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gegenwart, während man <strong>zu</strong>gle<strong>ich</strong><br />
auf die Zukunft wartet und die Lebensperspektive auf die Zeit „danach<br />
44<br />
konzentriert ist. Durchhalten hieß damals, bei Gefechten im Schützengraben<br />
n<strong>ich</strong>t durch<strong>zu</strong>drehen und womögl<strong>ich</strong> in Panik den Schützengraben <strong>zu</strong><br />
verlassen, auf das Heulen <strong>der</strong> feindl<strong>ich</strong>en Geschosse <strong>zu</strong> hören und Deckung<br />
<strong>zu</strong> suchen. Es bedeutet die Routinisierung lebensnotwendiger Reaktionen, die<br />
unter dem Handlungsdruck während eines Angriffes automatisch und blitzschnell<br />
erfolgen müssen. Ebensowenig wie man während <strong>der</strong> Angriffe über<br />
die Gefahr und den Tod nachgedacht, son<strong>der</strong>n s<strong>ich</strong> auf das „Hören 44<br />
konzentriert<br />
habe, habe man daran in den Gefechtspausen gedacht o<strong>der</strong> gar über die<br />
<strong>Krieg</strong>ssituation gesprochen, meint Herr Vogel. Zwischen den Angriffen habe<br />
man s<strong>ich</strong> von den Läusen, von denen alle geplagt worden seien, befreit.<br />
Zwar sind die Konzentration auf das „Durchhalten 44 , auf die Routinen des<br />
Alltags im Schützengraben und das Warten auf die Zukunft im Frieden Reparaturstrategien,<br />
um die bedrohl<strong>ich</strong>e Gegenwart, die ständige Gefahr eines<br />
mögl<strong>ich</strong>en Todes aus<strong>zu</strong>blenden und in den Zustand des N<strong>ich</strong>t-Thematischen<br />
<strong>zu</strong> überführen, aber die Gefühle von damals lassen s<strong>ich</strong> aus <strong>der</strong> Erinnerung<br />
n<strong>ich</strong>t völlig vertreiben. Die Todesängste und die Trauer um den Tod von Kameraden<br />
haben auch Oskar Vogel n<strong>ich</strong>t verlassen; sie holen ihn nachts in seinen<br />
Träumen wie<strong>der</strong> ein. Will er s<strong>ich</strong> am Tag n<strong>ich</strong>t da<strong>mit</strong> beschäftigen, so<br />
drängen s<strong>ich</strong> die Erinnerungen in den Träumen als Thema auf. Noch heute<br />
träumt er davon, wie geschossen wird und er nach Deckung sucht. Es sind<br />
Träume, in denen s<strong>ich</strong> die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges <strong>mit</strong> denen des<br />
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