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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Unfähigkeit, das selbst erlittene Leid thematisieren <strong>zu</strong> können, verstanden<br />

werden und da<strong>mit</strong> n<strong>ich</strong>t unbedingt als Ausdruck eines empathischen Mitempfindens<br />

<strong>mit</strong> den Opfern.<br />

N<strong>ich</strong>t nur, daß viele Zeitzeugen noch heute an ihren eigenen schmerzvollen<br />

Erlebnissen und Erfahrungen während des <strong>Krieg</strong>es leiden, es besteht auch die<br />

Gefahr eines latenten Fortbestands einer militärischen Identität, verbunden<br />

<strong>mit</strong> dem Fortbestand <strong>der</strong> Wunsch Vorstellung einer Expansion des deutschen<br />

Herrschaftsbere<strong>ich</strong>es, wenn n<strong>ich</strong>t territorial, so doch wenigstens im Sinne<br />

wirtschaftl<strong>ich</strong>en Einflusses. Auf diese Gefahr eines — unter Umständen verdeckten<br />

— Fortbestands <strong>der</strong> militärischen Identität, selbst wenn sie aufgrund<br />

<strong>der</strong> politischen Verhältnisse an <strong>der</strong> Verwirkl<strong>ich</strong>ung gehin<strong>der</strong>t wird, hat schon<br />

Eric Erikson (1966: 23 f.) hingewiesen. Er diskutiert die Mögl<strong>ich</strong>keit, daß unerwünschte<br />

Identifikationen durch erwünschtere ersetzt werden. Dieser<br />

Überlegung folgend, könnte selbst ein Friedensengagement eine Gegenwehr<br />

gegen vorhandene unbewußte militärische Bedürfnisse sein.<br />

Ebensowenig, wie die betroffenen Zeitzeugen ihre Vergangenheit ohne die<br />

Vergegenwärtigung und Thematisierung ihrer biographisch relevanten Handlungen,<br />

Erfahrungen und Erlebnisse verarbeiten können, kann eine sozial wissenschaftl<strong>ich</strong>e<br />

Analyse <strong>der</strong> Bewältigung von <strong>Krieg</strong>serlebnissen die biographische<br />

Vergangenheit <strong>der</strong> Zeitzeugen unberücks<strong>ich</strong>tigt lassen. Zunächst muß<br />

vor allem rekonstruiert werden, was die Zeitzeugen während <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>s- und<br />

Nachkriegsjahre erlebt haben, welche <strong>zu</strong> bewältigenden Erfahrungen die Biographen<br />

in dieser historischen Zeitspanne überhaupt gemacht haben.<br />

Mit welchen krisenhaften Lebensbedingungen es während des <strong>Krieg</strong>es <strong>zu</strong><br />

leben galt, was die strukturellen Beson<strong>der</strong>heiten eines <strong>Krieg</strong>salltags sind und<br />

welche Mögl<strong>ich</strong>keiten die Menschen <strong>zu</strong>r Normalisierung dieses krisenhaften<br />

Alltags entwickeln, soll im folgenden auf wissenssoziologischer und biographietheoretischer<br />

Ebene diskutiert werden.<br />

1.2 Erleben eines krisenhaften Alltags im <strong>Krieg</strong> und dessen<br />

Renormalisierung<br />

Wie die einzelnen Zeitzeugen den <strong>Krieg</strong> erlebt haben, war je nachdem, wo sie<br />

ihn erlebten und wie sehr dieser <strong>Krieg</strong> ihre Lebensführung tangierte, sehr unterschiedl<strong>ich</strong>.<br />

Doch für die meisten wird s<strong>ich</strong> dieser <strong>Krieg</strong> <strong>zu</strong> irgendeinem<br />

Zeitpunkt spürbar auf ihren Alltag und ihr Leben ausgewirkt haben. Im <strong>Krieg</strong>,<br />

einem historischen Zeitabschnitt, dessen Verlauf und Ende n<strong>ich</strong>t vorhersehbar<br />

ist, geht die Normalität <strong>der</strong> Lebenswelt auf <strong>mehr</strong>fache Weise immer wie<strong>der</strong><br />

verloren. Es bedarf seitens <strong>der</strong> beteiligten Subjekte Strategien, <strong>mit</strong> dieser verlorenen<br />

Normalität <strong>zu</strong> leben, d.h. Strategien <strong>der</strong> Renormalisierung.<br />

Ganz unabhängig davon, wie dieser <strong>Krieg</strong> von den handelnden Subjekten<br />

wahrgenommen, definiert und ideologisch verklärt wurde, stellte er eine an-<br />

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