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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Nach nur sechswöchiger Ausbildung <strong>kam</strong> <strong>der</strong> 18jährige Landwirtssohn „ins<br />

Feld 44 . Die Worte, <strong>mit</strong> denen ihn seine neuen Kameraden empfingen, weckten<br />

in ihm düstere Ahnungen über seine soldatische Zukunft:<br />

„sagt er ((ein an<strong>der</strong>er Soldat)) wißt ihr denn wo ihr denn — (1) wo ihr (1) hingeraten seid (1) <strong>zu</strong>m<br />

Bayrischen fö/enbataillon (2) das war für ihn das Bataillon (1) die fliegenden Bataillone die wurden<br />

immer da eingesetzt (1) wo*s hart herging / /mhm/ /, und da (1) sind- sind da hohe Verluste<br />

(2) und daher <strong>der</strong> — (l) na wie soll <strong>ich</strong> denn sagen, Spottname, Totenbataillon (3) ((spielt <strong>mit</strong> dem<br />

Mikrophon)) bin so leidl<strong>ich</strong> weggekommen=<strong>ich</strong> hab bloß, eenmal, Kolben ins Ges<strong>ich</strong>t gekriegt<br />

(1)" (2/21)<br />

Der Einsatz als Soldat im 1. Weltkrieg begann für Herrn Vogel damals <strong>mit</strong><br />

dem verbalen Hinweis auf das <strong>zu</strong> Erwartende, auf den Tod, heute endet die Erzählung<br />

über diesen <strong>Krieg</strong> aus <strong>der</strong> Perspektive des <strong>Krieg</strong>sendes <strong>mit</strong> dem Resümee,<br />

nur eine Verlet<strong>zu</strong>ng im Ges<strong>ich</strong>t davongetragen <strong>zu</strong> haben. Die Ausblendung<br />

<strong>der</strong> leid vollen Zeit an <strong>der</strong> Front gelingt Herrn Vogel, indem er sofort den<br />

Bogen <strong>zu</strong>m Ende des <strong>Krieg</strong>es spannt. Mit <strong>der</strong> Schwellenüberschreitung ins<br />

Niemandsland des <strong>Krieg</strong>es beginnen die Grenzerfahrungen existentieller Bedrohung,<br />

es sind Erfahrungen, die nur schwer kommunizierbar sind. Die<br />

Schwierigkeit, die <strong>Krieg</strong>serlebnisse in den Schützengräben des 1. Weltkrieges<br />

<strong>zu</strong> erzählen, die auch von Literaten wie Walter Benjamin (1961: 410) und Ernest<br />

Hemingway (1929: 196) beklagt wurde, teilt Herr Vogel <strong>mit</strong> vielen seiner<br />

Generation. Es ist die Schwierigkeit, die Erinnerungen an das diffuse und<br />

chaotische Erleben des Schützenfeuers in eine sequentielle Ordnung <strong>zu</strong> bringen<br />

(vgl. Leed 1979: 124).<br />

Herr Vogel „löst 44<br />

diese Schwierigkeit, indem er s<strong>ich</strong> auf das le<strong>ich</strong>ter Erzählbare<br />

beschränkt. Erzählbar sind für ihn die Übergänge, die Schwellenüberschreitungen<br />

vom menschl<strong>ich</strong>en Leben ins seelenlose Niemandsland <strong>der</strong><br />

Schützengräben und <strong>zu</strong>rück.<br />

Über die Zeit zwischen Ein<strong>zu</strong>g und <strong>Krieg</strong>sende gibt Herr Vogel nur aufgrund<br />

sehr konkreter Nachfragen <strong>der</strong> Interviewerinnen Auskunft. Er antwortet<br />

relativ knapp und fährt dann <strong>mit</strong> einer Erzählung über die Zeit nach <strong>Krieg</strong>sende<br />

fort. Beispielsweise nennt er auf die Frage, wo er <strong>mit</strong> seiner Einheit gekämpft<br />

habe, nur kurz den Standort und geht <strong>zu</strong> einer Erzählung über die<br />

Materialversteigerungen nach dem „Zusammenbruch 44<br />

1918 über.<br />

Über die oben erwähnte Verlet<strong>zu</strong>ng ber<strong>ich</strong>tet Herr Vogel, daß sie von einem<br />

Nah<strong>kam</strong>pf, Kolben gegen Kolben, stammte. Er erzählt, daß seine Nase quergestanden<br />

habe und er seine Zähne habe ausspucken können. Mit dieser Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>kam</strong> er ins Feldlazarett und hoffte, nach Hause <strong>zu</strong> kommen. Doch <strong>zu</strong><br />

seinem Bedauern wurde er nach drei Wochen wie<strong>der</strong> an die Front entlassen.<br />

Auch ein Granatsplitter im Fuß wurde n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>m „Heimatschuß* 4 , son<strong>der</strong>n nur<br />

<strong>zu</strong>m kurzen „Urlaub 44<br />

im Feldlazarett.<br />

Während er von seinen Krankenhausaufenthalten, also jenen Zeiten außerhalb<br />

<strong>der</strong> Schützengräben, noch anschaul<strong>ich</strong> und detailliert szenisch erzählt,<br />

bleibt seine Darstellung des Geschehens im „Feld 44 , diesem an <strong>der</strong> französi-<br />

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