"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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zialistischen <strong>Krieg</strong>sziele wie Eroberung neuen Lebensraums und die Beweisführung<br />
<strong>der</strong> rassischen Überlegenheit des deutschen Volkes werden in dieser<br />
Argumentationsfigur geleugnet, die Schuld Deutschlands am <strong>Krieg</strong>sbeginn<br />
wird n<strong>ich</strong>t thematisiert, o<strong>der</strong> gar bestritten. Mit <strong>der</strong> da<strong>mit</strong> einhergehenden<br />
Subsumierung <strong>der</strong> NS-Verbrechen unter das <strong>Krieg</strong>sgeschehen gelingt auch<br />
noch <strong>der</strong>en Normalisierung.<br />
Den männl<strong>ich</strong>en Zeitzeugen, den ehemaligen Soldaten wird es <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Konkretisierung<br />
dieser Entpolitisierung im Mythos des unpolitischen Soldaten<br />
(vgl. Rosenthal 1987a) mögl<strong>ich</strong>, s<strong>ich</strong> selbst und an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> vergewissern, daß<br />
sie auch <strong>mit</strong> ihrem Soldatsein in den Nationalsozialismus n<strong>ich</strong>t verstrickt waren<br />
bzw. sind. Zugle<strong>ich</strong> können sie weiterhin ungebrochen die <strong>mit</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />
militärischen Vergangenheit verbundenen Selbstwertgefühle aufrechterhalten<br />
(vgl. Puhlmann u.a. 1986).<br />
Diese gelungenen Reparaturen <strong>der</strong> brüchigen Vergangenheit haben, wie<br />
auch an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Entpolitisierung (z.B.: ,,Die <strong>Hitler</strong>jugend war unpolitisch<br />
44 ), die Funktion, die eigene Vergangenheit n<strong>ich</strong>t weiter <strong>zu</strong> problematisieren<br />
und s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Gefahr aus<strong>zu</strong>setzen, diese Vergangenheit mögl<strong>ich</strong>erweise<br />
entwerten <strong>zu</strong> müssen. Da<strong>mit</strong> werden die durch die öffentl<strong>ich</strong>e Diskreditierung<br />
des Nationalsozialismus nach 1945 auferlegten und bis in die<br />
Gegenwart hinein fortwährend auftauchenden Fragen zwar oberflächl<strong>ich</strong> immer<br />
wie<strong>der</strong> in den Zustand des Unproblematischen überführt. Doch dieser<br />
Versuch <strong>der</strong> Zeitzeugen, <strong>der</strong> Verstrickung in den NS retrospektiv <strong>zu</strong> entrinnen,<br />
fuhrt — entgegen <strong>der</strong> Intention — gerade n<strong>ich</strong>t da<strong>zu</strong>, daß sie s<strong>ich</strong> da<strong>mit</strong><br />
von den quälenden Erinnerungen, von diffusen Schuldgefühlen und von <strong>der</strong><br />
Identifikation <strong>mit</strong> verlorenen Objekten befreien können. N<strong>ich</strong>t nur, daß <strong>mit</strong><br />
diesen Reparaturstrategien die Bewältigung <strong>der</strong> NS-Vergangenheit erschwert<br />
wird, es werden auf diese Weise auch die <strong>Krieg</strong>serlebnisse n<strong>ich</strong>t verarbeitet.<br />
Ich gehe davon aus, daß selbst erlebtes Leid n<strong>ich</strong>t bewältigt werden kann,<br />
wenn jenes Leid ausgeblendet wird, das während des „Dritten Re<strong>ich</strong>s 44<br />
von<br />
den Deutschen, von den Nationalsozialisten und ihren Gehilfen an<strong>der</strong>en Menschen<br />
<strong>zu</strong>gefügt wurde. Wenn keine Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng <strong>mit</strong> den deutschen<br />
<strong>Krieg</strong>sverbrechen, <strong>mit</strong> dem Völkermord und <strong>der</strong> Verfolgung und Ermordung<br />
an<strong>der</strong>er erfolgt, insbeson<strong>der</strong>e <strong>mit</strong> den dabei selbst erlebten Ereignissen, so ist<br />
auch die Aufarbeitung des eigenen Leides blockiert. Umgekehrt ist gle<strong>ich</strong>ermaßen<br />
davon aus<strong>zu</strong>gehen, daß ein Mitfühlen <strong>mit</strong> den Opfern des Nationalsozialismus<br />
o<strong>der</strong> auch nur die Thematisierung <strong>der</strong> NS-Verbrechen blockiert<br />
wird, wenn es den Zeitzeugen n<strong>ich</strong>t gelingt, über das von ihnen selbst erfahrene<br />
Leid <strong>zu</strong> trauern. Kann darüber n<strong>ich</strong>t gesprochen, geklagt und geweint<br />
werden, kann darüber n<strong>ich</strong>t getrauert werden, dann wird die <strong>zu</strong> beobachtende<br />
und immer wie<strong>der</strong> beklagte Empfindungslosigkeit <strong>der</strong> Deutschen gegenüber<br />
den Opfern des Faschismus auch weiterhin bestehen bleiben. Auch die in <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik an<strong>zu</strong>treffende Identifikation <strong>mit</strong> den Opfern, das <strong>zu</strong>m Teil<br />
übersteigerte Mitleiden <strong>mit</strong> den ehemals Verfolgten, kann als Reaktion auf die<br />
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