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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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unsere Sachen und wenn sie da<strong>mit</strong> fertig waren dann <strong>kam</strong> se noch bei uns an und fühlten vorne<br />

und hinten, ob wir da n<strong>ich</strong> noch was versteckt <strong>hatte</strong>n o<strong>der</strong> angebunden <strong>hatte</strong>n und so weiter ne,<br />

äh (1) <strong>ich</strong> kann das Gefühl gar n<strong>ich</strong> weitergeben was man in so einem Moment da bei denkt und<br />

und überhaupt daß es so etwas überhaupt gibt" (154/15)<br />

Zum Lageralltag gehören auch die regelmäßigen Zählappelle, die meistens<br />

vor und nach dem Gang <strong>zu</strong>r Arbeit durchgeführt werden. Beson<strong>der</strong>s erschüttert<br />

Herrn Sallmann diese Prozedur, wenn die vielen Gestorbenen im Winter<br />

aufgrund des starken Frosts n<strong>ich</strong>t begraben werden können und in einer beson<strong>der</strong>en<br />

Baracke untergebracht werden müssen:<br />

„die Schwierigkeit bestand jetzt darin wenn / Zählappell war, dann wurden ja n<strong>ich</strong> nur die Lebenden<br />

gezählt son<strong>der</strong>n auch die Toten, und kann man s<strong>ich</strong> vorstelln wann is ein Zähl- Zählappell<br />

<strong>zu</strong> Ende wenn die Toten jetzt immer wie<strong>der</strong> äh unter — also n<strong>ich</strong> immer es <strong>kam</strong> mal vor daß es<br />

hieß ja die Stückzahl stimmt äh, aber wenn sie n<strong>ich</strong>t stimmte dann mußte alles umgesch<strong>ich</strong>tet werden<br />

ne und dann konnte es sein daß unter Umständen unten schon im Eis und Schnee daß da nun<br />

noch zwei lagen die man <strong>hatte</strong> n<strong>ich</strong> <strong>mit</strong>zählen können ((<strong>mit</strong> bewegter Stimme)) (1) ((schluckt)) äh<br />

und <strong>ich</strong> sag nur das bedrückt einen so kolossal dann kriegt man auch <strong>zu</strong> hörn <strong>der</strong> eine is jestorben<br />

<strong>der</strong> andre is jestorben" (157 / 23)<br />

Das größte Problem in den <strong>Krieg</strong>sgefangenenlagern <strong>der</strong> Sowjetunion ist in<br />

den Nachkriegsjahren <strong>der</strong> Hunger. Die tägl<strong>ich</strong>e Ration <strong>der</strong> <strong>Krieg</strong>sgefangenen<br />

besteht — entsprechend <strong>der</strong> <strong>der</strong> sowjetischen Zivilbevölkerung <strong>zu</strong>geteilten<br />

Menge — aus einer dünnen Suppe und 400 bis 600 Gramm Brot. Auf jeden<br />

Fall ist sie n<strong>ich</strong>t ausre<strong>ich</strong>end und viele sterben an den Folgen <strong>der</strong> Unterernährung.<br />

Während im <strong>Krieg</strong> Gesprächsthema „Nummer eins" die Frauen gewesen<br />

sind, geht es in den Jahren <strong>der</strong> Gefangenschaft nur um das Essen. Herr Sallmann<br />

erzählt, daß seine Kameraden stundenlang über Kochrezepte diskutiert<br />

und gestritten hätten.<br />

Er ber<strong>ich</strong>tet auch, daß Kameraden untereinan<strong>der</strong> Brot stehlen, obwohl er<br />

s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t vorstellen kann, wie s<strong>ich</strong> jemand noch etwas von dem wenigen Brot<br />

aufbewahren kann. Tatsächl<strong>ich</strong> war <strong>der</strong> Brotdiebstahl jedoch in <strong>der</strong> Zeit, als<br />

die tägl<strong>ich</strong>e Brotration über Tod und Leben des Gefangenen entschied, ein<br />

großes Problem und wurde durch Selbstjustiz <strong>der</strong> deutschen Gefangenen hart<br />

geahndet:<br />

„jetzt <strong>kam</strong> die Strafmaßnahmen, <strong>der</strong> hats gemacht hieß es denn, war schon sofort klar <strong>der</strong> hat<br />

es gemacht ne, und dann kriegte <strong>der</strong> schon die ersten Keile, und dann hieß es denn die ganze Stube<br />

antreten, <strong>zu</strong>r Strafe die Hose runter und mußte s<strong>ich</strong> jetzt da drüber legen, und je<strong>der</strong> kriegte jetzt<br />

einen Stock in die Hand das heißt <strong>der</strong> eine gab den an<strong>der</strong>n weiter und jetzt (mußte je<strong>der</strong> einen<br />

Schlag aufs Hinterteil geben, das ist) wieviel mal vorgekomm, <strong>der</strong> Hintern war zerfetzt, <strong>der</strong> Mann<br />

<strong>der</strong> / wimmerte nachher nur noch, mußte aber trotzdem am nächsten ((bebende Stimme)) Tag <strong>mit</strong><br />

raus arbeiten kriegt er ein Schild um den Hals <strong>ich</strong> habe Brot gestohlen" (156/30)<br />

Herr Sallmann ist von <strong>der</strong> Brutalität erschüttert, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> auf Anordnung des<br />

Brigadiers, eines ehemaligen Oberfeldwebels, gegen den Beschuldigten vorgegangen<br />

wird. Er selbst bringt es n<strong>ich</strong>t fertig, den Kameraden <strong>zu</strong> mißhandeln,<br />

und betrachtet den Brigadier, <strong>der</strong> ihn da<strong>zu</strong> zwingen will, als „Schwein".<br />

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