"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Seine erste unmittelbar und aktiv erfahrene Kampfhandlung und die Begegnung mit dem Feind löst bei ihm vermutlich unerwartete Gefühle aus. Es kommt zu einer Identifikation mit den feindlichen Soldaten, die die Situation ebenso intensiv erlebten, wie er selbst. An Stelle von Haß empfinden sie eher ein Gefühl der Gemeinsamkeit: „bei der Gelegenheit da war das nun so erregend das Ganze daß wir mit den / mit den Franzosen geheult harn ne ((belegte Stimme)) 44 (20/17) Herr Sallmann versichert, daß er gegen die französische Zivilbevölkerung keine Gefühle der Feindschaft gezeigt habe. Dies belegt er mit Bekanntschaften, die er knüpft. Er erzählt von einem Jungen, der sich für seinen Werkstattwagen interessiert, und von einer jungen Frau, die ihm ihre Zuneigung zeigt. Auch mit französischen Partisanen hat er Berührung. Diese verlauft jedoch weniger freundschaftlich. Herr Sallmann stellt die Partisanen als primitiv und feige dar. In seinen Augen geht ihnen die soldatische Ehre ab und ihre Erschießung erscheint ihm berechtigt: „die Heckenschützen waren die Franzosen die haben sich viel oben in den Bäumen aufgehalten und da ... mußte man immer mit rechnen daß da von oben dann was runterkam ne, aber wenn wir die natürlich entdeckten dann wars natürlich auch um ihn geschehen nech da konnte man ja nun nichts dran ändern ne 44 (26/35) Durch diese Darstellungsweise, in der er implizit auch auf die eigene Beteiligung bei Erschießungen eingeht, wird es Herrn Sallmann möglich, die Behandlung der Partisanen mit anderen Kriterien zu messen als die der „richtigen" Soldaten. Schnell leitet er nach oben zitierter Aussage über die Exekutionen zu der Schönheit der französischen Schlösser über, die er immer wieder bewundernd hervorhebt. Man gewinnt den Eindruck, daß die Erinnerung an die Partisanen für Herrn Sallmann unangenehm ist und er von ihr ablenken möchte. Nicht die Behandlung der Partisanen, sondern der Umgang mit französischen Kulturgütern bewirkt bei Herrn Sallmann ein Nachdenken. Er meint, zur Schande der deutschen Armee sagen zu müssen, daß viele seiner Kameraden in blinder Wut kostbare Einrichtungen und Kunstgegenstände zerstört hätten. Er distanziert sich von diesem Verhalten und stellt sich, selbst als kultivierter Soldat dar: „kann ich zu meiner Beruhigung auch sagen ich hab da nichts zerstört das einzigste was ich immer gemacht habe wenn der lag gelaufen war und ich hatte Glück daß ich son Ding da grade ansteuern konnte dann bin ich ins Badezimmer gegangen hab mir das Wasser aufjedreht un äh erstmal frisch jemacht ne rasiert und so weiter, hab mir dann auch wenn das Hemd grade paßte da aus dem Schrank ein Hemd genommem ne und wieder angezogen naja und am nächsten lag gings ja wieder weiter ne 44 (27 / 19) Abschließend meint er dann, daß die deutschen Soldaten sich „im Großen und Ganzen vollkommen reell benommen" und „auch keine große Gehässigkeit gehabt" hätten. 118

Nach der französischen Kapitulation am 22. Juni 1940 erhält Herr Sallmann seinen ersten Heimaturlaub. Als er an die Front zurückkehrt, bekommt er seine erste Schirrmeisterstelle. Seine neue Einheit wird an den Atlantik abkommandiert und kommt von dort aus als Wachregiment nach Paris. In seinem neuen Aufgabenfeld ist Herr Sallmann in seinem Element: „das war für mich so das gesuchte Fressen denn da konnte ich nun für die Fahrzeuge sorgen 44 (30/14) Während des knappen Jahres in Paris wird die gesamte Einheit technisch überholt. Mehr berichtet Herr Sallmann über diese Zeit nicht. Er genießt das Leben als Soldat einer Besatzungsmacht in dieser Weltstadt: „das war natürlich eine sehr schöne Zeit (1) da nun Paris hatte sagen wa mal als Soldat eine schöne Zeit ne, in Wirklichkeit is es ja nun doch nich so ne denn (4) wir konnten jetzt nur die Sehenswürdigkeiten alle mal uns anschaun ..." (30/31) 3.1.6 Der Ostfeldzug: „Vom Regen in die Traufe" — aber auch: Der berufliche Aufstieg in der Wehrmacht Im April 1941 wird Herr Sallmann mit der 6. Division aus Frankreich abgezogen und nach Ostpreußen versetzt. Nach dem Frühlingswetter in Paris fallt es ihm und seinen Kameraden schwer, sich an den tiefen Schnee Ostpreußens zu gewöhnen. Auch „die ersten Flöhe 44 fangen sie sich ein, und Herr Sallmann meint zu diesem Wechsel: „Dann kamen wir vom Regen in die Traufe 44 . Bald wird der soldatische Alltag jedoch auch hier wieder zur Routine, in der er sich wohlfuhlt. Außerdem bekommt er Gelegenheit, durch Teilnahme an einer Fahrschulausbildung in seiner technischen Laufbahn aufzusteigen. Nach einer Dienstfahrt nach Mitteldeutschland, die er mit einem Treffen mit seiner späteren Frau verbindet, wird die Division an die sowjetische Grenze in die Gegend von Suwalki versetzt. Abgeschirmt durch große geflochtene Wände finden militärische Übungen und Vorbereitungen fur einen Angriff statt. Herr Sallmann ahnt, „daß es gegen Rußland" gehen wird. An den Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erinnert sich Herr Sallmann noch genau: „dann gings nun los in die Bereitstellung, wir sind nachts in unsere Ausgangsstellung reinjezogen und frühmorjens in der Dämmerung da ging dann dieser große Krach los, alle Geschütze aus allen Rohren, was man äh ohrenbetäubender Lärm in der Luft da spielten sich schon die ersten Luftkämpfe ab nich und man sah die russischen Flugzeuge nich anfliejen und eh sie sich versahn da gingen sie als brennende Fackeln auch schon runter das war da auch sagen wa mal ne ganz aufredende Sache, bis dann um sounsoviel Uhr da hieß es vorwärts marsch und dann sind wir eben nach Rußland reinmarschiert" (34 /1) Daß Deutschland ohne Kriegserklärung ein Land überfiel, mit dem es einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte, wodurch es gegen das geltende Kriegsvölkerrecht verstieß, wird von Herrn Sallmann nicht thematisiert. Er ist vielmehr, wie auch schon beim „Blitzkrieg 44 mit Frankreich, von der großartigen 119

Nach <strong>der</strong> französischen Kapitulation am 22. Juni 1940 erhält Herr Sallmann<br />

seinen ersten Heimaturlaub. <strong>Als</strong> er an die Front <strong>zu</strong>rückkehrt, bekommt er<br />

seine erste Schirrmeisterstelle. Seine neue Einheit wird an den Atlantik abkommandiert<br />

und kommt von dort aus als Wachregiment nach Paris. In seinem<br />

neuen Aufgabenfeld ist Herr Sallmann in seinem Element: „das war für<br />

m<strong>ich</strong> so das gesuchte Fressen denn da konnte <strong>ich</strong> nun für die Fahrzeuge sorgen<br />

44 (30/14)<br />

Während des knappen Jahres in Paris wird die gesamte Einheit technisch<br />

überholt. Mehr ber<strong>ich</strong>tet Herr Sallmann über diese Zeit n<strong>ich</strong>t. Er genießt das<br />

Leben als Soldat einer Besat<strong>zu</strong>ngsmacht in dieser Weltstadt:<br />

„das war natürl<strong>ich</strong> eine sehr schöne Zeit (1) da nun Paris <strong>hatte</strong> sagen wa mal als Soldat eine<br />

schöne Zeit ne, in Wirkl<strong>ich</strong>keit is es ja nun doch n<strong>ich</strong> so ne denn (4) wir konnten jetzt nur die Sehenswürdigkeiten<br />

alle mal uns anschaun ..." (30/31)<br />

3.1.6 Der Ostfeld<strong>zu</strong>g: „Vom Regen in die Traufe" — aber auch:<br />

Der berufl<strong>ich</strong>e Aufstieg in <strong>der</strong> Wehrmacht<br />

Im April 1941 wird Herr Sallmann <strong>mit</strong> <strong>der</strong> 6. Division aus Frankre<strong>ich</strong> abgezogen<br />

und nach Ostpreußen versetzt. Nach dem Frühlingswetter in Paris fallt es<br />

ihm und seinen Kameraden schwer, s<strong>ich</strong> an den tiefen Schnee Ostpreußens <strong>zu</strong><br />

gewöhnen. Auch „die ersten Flöhe 44<br />

fangen sie s<strong>ich</strong> ein, und Herr Sallmann<br />

meint <strong>zu</strong> diesem Wechsel: „Dann <strong>kam</strong>en wir vom Regen in die Traufe 44 .<br />

Bald wird <strong>der</strong> soldatische Alltag jedoch auch hier wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Routine, in <strong>der</strong><br />

er s<strong>ich</strong> wohlfuhlt. Außerdem bekommt er Gelegenheit, durch Teilnahme an<br />

einer Fahrschulausbildung in seiner technischen Laufbahn auf<strong>zu</strong>steigen.<br />

Nach einer Dienstfahrt nach Mitteldeutschland, die er <strong>mit</strong> einem Treffen<br />

<strong>mit</strong> seiner späteren Frau verbindet, wird die Division an die sowjetische<br />

Grenze in die Gegend von Suwalki versetzt. Abgeschirmt durch große geflochtene<br />

Wände finden militärische Übungen und Vorbereitungen fur einen<br />

Angriff statt. Herr Sallmann ahnt, „daß es gegen Rußland" gehen wird.<br />

An den Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erinnert s<strong>ich</strong> Herr<br />

Sallmann noch genau:<br />

„dann gings nun los in die Bereitstellung, wir sind nachts in unsere Ausgangsstellung reinjezogen<br />

und frühmorjens in <strong>der</strong> Dämmerung da ging dann dieser große Krach los, alle Geschütze aus<br />

allen Rohren, was man äh ohrenbetäuben<strong>der</strong> Lärm in <strong>der</strong> Luft da spielten s<strong>ich</strong> schon die ersten<br />

Luftkämpfe ab n<strong>ich</strong> und man sah die russischen Flugzeuge n<strong>ich</strong> anfliejen und eh sie s<strong>ich</strong> versahn<br />

da gingen sie als brennende Fackeln auch schon runter das war da auch sagen wa mal ne ganz aufredende<br />

Sache, bis dann um sounsoviel Uhr da hieß es vorwärts marsch und dann sind wir eben<br />

nach Rußland reinmarschiert" (34 /1)<br />

Daß Deutschland ohne <strong>Krieg</strong>serklärung ein Land überfiel, <strong>mit</strong> dem es einen<br />

N<strong>ich</strong>tangriffspakt geschlossen <strong>hatte</strong>, wodurch es gegen das geltende <strong>Krieg</strong>svölkerrecht<br />

verstieß, wird von Herrn Sallmann n<strong>ich</strong>t thematisiert. Er ist viel<strong>mehr</strong>,<br />

wie auch schon beim „Blitzkrieg 44<br />

<strong>mit</strong> Frankre<strong>ich</strong>, von <strong>der</strong> großartigen<br />

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