"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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mit ihm ja nichts zu tun hätte. Er versucht, sich mit dem Hinweis, eine berufliche Existenz mit der Lehre schon aufgebaut zu haben, aus der Verstrickung zu lösen. Dies muß ihn jedoch keineswegs daran gehindert haben, sich in der HJ zu profilieren. Die kollektive Rechtfertigung, „zu jung gewesen zu sein 44 , die von jüngeren Zeitgenossen als Entlastung herangezogen wird, klingt bei einem Angehörigen des Jahrgangs 1915, der nicht einmal unter die von den Westalliierten erlassene Jugendamnestie ab dem Jahrgang 1919 fiel, wenig nachvollziehbar. Herr Sallmann, der explizit hervorhebt: „wir als Jugendliche, ich war zu der Zeit 22 Jahre alt 44 , übernimmt Rechtfertigungsmuster der jüngeren Jahrgänge, um seine NS-Vergangenheit zu verharmlosen. So auch im folgenden Zitat: „ich hab festgestellt daß jede Diktatur, schlimm ist ob rechts oder links daß grade diese Leute die da an der Spitze sind so wie das Hitler gemacht hat die Jugendlichen mißbraucht ne, einfach mißbraucht* 4 (204/8) 3.1.4 Beginn der neunjährigen Karriere ab Soldat 1936 wird der 21jährige Fritz Sallmann zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Damit beginnt für ihn seine soldatische Karriere, denn entsprechend der nationalsozialistischen Weltanschauung versteht er sich schon beim RAD als Soldat. Heute nimmt er jedoch eine Trennung zwischen seiner Soldatenzeit und seiner politischen Karriere vor, welche er mit dem Einzug zum RAD als beendet ansieht: „bis das eben die Zeit kam daß es dann hieß Arbeitsdienst (1) und, und Militär, und da hat sich das ganze dann nachher so von so selbst ergeben daß ich ja praktisch mit Adolf Hitler so gar nichts mehr zu tun hatte ne und ich muß auch sagen die Wehrmacht in der Wehrmacht hat man von Politik nicht groß was zu spüren bekommen ne" (225 /18) Herr Sallmann wird zu Arbeiten an der Ems eingesetzt und lernt zum ersten Mal Lagerleben und militärische Disziplin kennen. In diesem Umfeld formt sich seine Identität als Soldat mit dem Spaten, als Arbeitersoldat. Das Lager empfindet er als sein Zuhause. Er ist sich jedoch zunächst nicht sicher, ob sich seine Erwartungen in diesem neuen, für ihn an sich positiven Lebensabschnitt, auch später positiv fortsetzen werden: „wenn wir bis Mittag gearbeitet hatten dann war nachmittags Exerzieren dran, mit Spaten, morgens ging es schon früh los das erste war Waldlauf machen, rausgepfiffen und dann erstmal (1) mehrere Kilometer Waldlauf jemacht dann kam wir geschwitzt nach Haus das heißt ins Lager und dann stand da schon einer mit nem dicken Wasserschlauch und hat uns da abgespritzt so daß wir dann auch munter und frisch frühstücken konnten (2) ich hab mir natürlich Gedanken dadrüber gemacht, Exerzieren das war echt schwerer Drill=kann man schon sagen=hab mir gesagt mein Gott noch mal wenn dies erst Arbeitsdienst is was sollst du dann noch dann bei der Wehrmacht erleben*' (1 /24) Nach Absolvierung des sechsmonatigen Arbeitsdienstes geht Herr Sallmann noch einmal in seinen Beruf zurück, bis er 1937 den Stellungsbefehl zum zweijährigen Wehrdienst erhält. 114
Mit zitternder Stimme erzählt Herr Sallmann von einem Ereignis, das auch sein „Schicksal" betrifft. Bevor er eingezogen wird, bekommt er von Verwandten das Angebot, zu ihnen nach Amerika zu kommen. Er nimmt die Chance, sich dem Militärdienst zu entziehen, nicht wahr, sondern weist den Onkel auf seine Gehorsamspflicht hin: „ich mach mich strafbar wenn ich jetzt mit euch mitfahrn würde 44 (4/34). Er berichtet von einer Auseinandersetzung mit seinem Onkel, bei dem die nationalsozialistische Politik zum Konflikt wird: „und dann wollte er von mir wissen wie Hitler zur Religion stand, und »vir aJs Jugendliche ich war zu der Zeit 22 Jahre alt wir haben und das muß ich hier auch grade besonders bemerken das Eigenartige ist daß man in den späteren Jahren alles ganz anders sieht, ich hab ihm von vornherein gesacht ich sage hier der Pastor der kann predigen was er will hier is absolut Religionsfreiheit" (2/29) Wenn Herr Sallmann von Religionsfreiheit spricht, so muß man sich fragen, ob für ihn die jüdische Religion nicht zu diesem Thema gehört oder ob er den Antisemitismus des NS-Staates nicht wahrhaben will. Seine Äußerung, daß man heute „alles ganz anders 44 sehe, bezieht sich wahrscheinlich auf die Verfolgung von Pastoren im „Dritten Reich 44 , kann aber auch als Anspielung auf die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung verstanden werden. Bei der Erzählung über den Streit mit dem Onkel wird jedenfalls deutlich, daß sich Herr Sallmann zum damaligen Zeitpunkt nicht von der NS-Ideologie distanziert. Insofern kann seine Ablehnung der Einladung nach Amerika nicht nur als Gehorsamspflicht, sondern auch als Lqyalitätsbeweis dem „Dritten Reich 44 gegenüber bewertet werden. Betrachtet man diesen „Zwischenfall 44 als verpaßte Gelegenheit, die Entscheidung für den soldatischen Dienst an „Führer, Volk und Vaterland 44 zu umgehen, so wird verständlich, warum Herr Sallmann in diesem Zusammenhang so erregt von seinem „Schicksal 44 spricht. Aus der Perspektive eines sechs Jahre andauernden und dann verlorenen Krieges mit nachfolgender Gefangenschaft ist für ihn seine Entscheidung heute besonders bitter. Im Oktober 1937 beginnt sein Wehrdienst. Herr Sallmann wünscht sich wegen seines technischen Interesses, zu den „Motorisierten 44 zu kommen und wird zu den Panzerjägern der Infanterie eingeteilt. Im ersten Jahr absolviert er die Fahrschule und wird zur Grundausbildung im Gelände eingesetzt. Er ist fasziniert von der technischen Ausstattung der Wehrmacht und von den Uniformen. Seine beim Reichsarbeitsdienst entwickelte Furcht vor dem militärischen Drill in der Wehrmacht verfliegt schnell, er fühlt sich richtig wohl: „die Stube war mit vier Mann belegt die war echt schön kann man sagen keine doppelstöckigen Betten nech war ich ganz angenehm überrascht" (7 /18) Er fühlt sich, wie auch schon beim Reichsarbeitsdienst, bei der Wehrmacht wie zu Hause und entwickelt eine familienähnliche Beziehung zu dieser militärischen Institution. In seinem soldatischen Engagement orientiert er sich an einem Vorgesetzten, mit dem er sich wie mit einem \foter identifiziert: 115
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Mit zittern<strong>der</strong> Stimme erzählt Herr Sallmann von einem Ereignis, das auch<br />
sein „Schicksal" betrifft. Bevor er eingezogen wird, bekommt er von Verwandten<br />
das Angebot, <strong>zu</strong> ihnen nach Amerika <strong>zu</strong> kommen. Er nimmt die<br />
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Er ber<strong>ich</strong>tet von einer Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng <strong>mit</strong> seinem Onkel, bei dem die<br />
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„und dann wollte er von mir wissen wie <strong>Hitler</strong> <strong>zu</strong>r Religion stand, und »vir aJs Jugendl<strong>ich</strong>e <strong>ich</strong><br />
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Eigenartige ist daß man in den späteren Jahren alles ganz an<strong>der</strong>s sieht, <strong>ich</strong> hab ihm von vornherein<br />
gesacht <strong>ich</strong> sage hier <strong>der</strong> Pastor <strong>der</strong> kann predigen was er will hier is absolut Religionsfreiheit"<br />
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Wenn Herr Sallmann von Religionsfreiheit spr<strong>ich</strong>t, so muß man s<strong>ich</strong> fragen,<br />
ob für ihn die jüdische Religion n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> diesem Thema gehört o<strong>der</strong> ob er den<br />
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Betrachtet man diesen „Zwischenfall 44<br />
als verpaßte Gelegenheit, die Entscheidung<br />
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umgehen, so wird verständl<strong>ich</strong>, warum Herr Sallmann in diesem Zusammenhang<br />
so erregt von seinem „Schicksal 44<br />
spr<strong>ich</strong>t. Aus <strong>der</strong> Perspektive eines<br />
sechs Jahre andauernden und dann verlorenen <strong>Krieg</strong>es <strong>mit</strong> nachfolgen<strong>der</strong> Gefangenschaft<br />
ist für ihn seine Entscheidung heute beson<strong>der</strong>s bitter.<br />
Im Oktober 1937 beginnt sein Wehrdienst. Herr Sallmann wünscht s<strong>ich</strong> wegen<br />
seines technischen Interesses, <strong>zu</strong> den „Motorisierten 44<br />
<strong>zu</strong> kommen und<br />
wird <strong>zu</strong> den Panzerjägern <strong>der</strong> Infanterie eingeteilt. Im ersten Jahr absolviert er<br />
die Fahrschule und wird <strong>zu</strong>r Grundausbildung im Gelände eingesetzt. Er ist<br />
fasziniert von <strong>der</strong> technischen Ausstattung <strong>der</strong> Wehrmacht und von den Uniformen.<br />
Seine beim Re<strong>ich</strong>sarbeitsdienst entwickelte Furcht vor dem militärischen<br />
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„die Stube war <strong>mit</strong> vier Mann belegt die war echt schön kann man sagen keine doppelstöckigen<br />
Betten nech war <strong>ich</strong> ganz angenehm überrascht" (7 /18)<br />
Er fühlt s<strong>ich</strong>, wie auch schon beim Re<strong>ich</strong>sarbeitsdienst, bei <strong>der</strong> Wehrmacht<br />
wie <strong>zu</strong> Hause und entwickelt eine familienähnl<strong>ich</strong>e Beziehung <strong>zu</strong> dieser militärischen<br />
Institution. In seinem soldatischen Engagement orientiert er s<strong>ich</strong> an<br />
einem Vorgesetzten, <strong>mit</strong> dem er s<strong>ich</strong> wie <strong>mit</strong> einem \foter identifiziert:<br />
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