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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Β: „naja (1) wie <strong>ich</strong>, wie <strong>ich</strong>, andeutete, daß äh, da Dinge verurteilt worden sind, <strong>mit</strong> (1) Anklage,<br />

Urteil und Strafe, äh, die, wofür man die, an<strong>der</strong>n, also die Ankläger (1) auch hätte verurteilen<br />

können (1) bloß da is eben, das Recht, des Siegers, und, <strong>der</strong> <strong>der</strong> hat Macht dafür es<br />

gibt, genauso viel Dinge glaube <strong>ich</strong>, die man Englän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Amerikanern vorwerfen<br />

könnte die im <strong>Krieg</strong> passiert sind, und äh, die durchaus n<strong>ich</strong>t, äh nur deutsch sind (2) wo <strong>ich</strong><br />

bei, unbedingt ausnehmen möchte die:se KZs (1)<br />

I: mhm<br />

B: die also wirkl<strong>ich</strong>, wo <strong>ich</strong> mir, ein, ein, schlimmes Erbe, für unsere Nation sind, auch da gibt<br />

es natürl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Gesch<strong>ich</strong>te, Beispiele, aber wenn einer, ein an<strong>der</strong>er, ein Unrecht tut setzt<br />

man s<strong>ich</strong> da<strong>mit</strong> ja n<strong>ich</strong>t selbst ins Recht n<strong>ich</strong> also das soll n<strong>ich</strong>t beschönigen n<strong>ich</strong>, aber äh,<br />

es gibt auch da Beispiele in- in an<strong>der</strong>n, Sachen die auch n<strong>ich</strong> ganz schuldlos sind" (60/35)<br />

Die Beantwortung <strong>der</strong> Frage nach den Nürnberger Prozessen scheint für<br />

Frau Heidt problematisch <strong>zu</strong> sein. Dies kündigt die Metapher an, sie begebe<br />

s<strong>ich</strong> „aber le<strong>ich</strong>t aufs Glatteis", <strong>mit</strong> <strong>der</strong> sie diese Textpassage einleitet. Ein<br />

kurzes Lachen läßt sie uns<strong>ich</strong>er wirken. Vielle<strong>ich</strong>t befürchtet sie, daß ihr historisches<br />

Wissen über die Nürnberger Prozesse n<strong>ich</strong>t ausre<strong>ich</strong>t. O<strong>der</strong> sie<br />

meint, daß ihre nun folgende Argumentation vom sozial erwünschten Bild des<br />

Umgangs <strong>der</strong> Deutschen <strong>mit</strong> ihrer Vergangenheit abwe<strong>ich</strong>t und sie s<strong>ich</strong> da<strong>mit</strong><br />

ins Abseits stellen könnte. „Entwürdigend" erschienen ihr diese Prozesse damals.<br />

Die Würde dieser Verurteilten ist in ihren Augen offenbar dadurch angetastet,<br />

daß Angehörige von Nationen über sie Recht sprachen, die ihrer Meinung<br />

nach auch auf <strong>der</strong> Anklagebank hätten sitzen können.<br />

Die Nürnberger Prozesse, so viel wird in diesem Textaus<strong>zu</strong>g s<strong>ich</strong>tbar, symbolisieren<br />

für Frau Heidt vor allem das Problem <strong>der</strong> moralischen Rechtmäßigkeit,<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Deutsche von den Alliierten für <strong>Krieg</strong>sverbrechen verurteilt wurden.<br />

Dagegen hält sie die Verfolgung und Verurteilung <strong>der</strong> „Hauptkriegsverbrecher"<br />

für gerechtfertigt ("das, ist was an<strong>der</strong>es"). Es bleibt allerdings offen,<br />

wer in ihren Augen für welche Verbrechen <strong>zu</strong> Recht verurteilt worden ist.<br />

Der Auffor<strong>der</strong>ung, ihre Gefühle näher <strong>zu</strong> charakterisieren, we<strong>ich</strong>t Frau<br />

Heidt aus, wie die zweite Textpassage <strong>zu</strong> erkennen gibt. Statt dessen greift sie<br />

erneut die Frage auf, <strong>mit</strong> welchem Recht Englän<strong>der</strong> und Amerikaner über<br />

Deutsche <strong>zu</strong> Ger<strong>ich</strong>t saßen für „Dinge", „wofür man die an<strong>der</strong>n, also die Ankläger,<br />

auch hätte verurteilen können". Mit dem „Recht des Siegers", lautet<br />

ihre Antwort, d.h. nur aufgrund <strong>der</strong> ihnen durch den Sieg <strong>zu</strong>wachsenden<br />

Machtfülle, aufgrund ihres Erfolges, n<strong>ich</strong>t aber aufgrund moralischer Legiti<strong>mit</strong>ät<br />

o<strong>der</strong> Überlegenheit hätten die Alliierten diese Urteile sprechen können.<br />

Diese „Dinge", für die sie die ehemaligen Wehrmachtsangehörigen <strong>zu</strong> Unrecht<br />

verurteilt sieht, sind, wie sie an späterer Stelle formuliert, „reine militärische<br />

Sachen ... o<strong>der</strong> auch auch diese grade diese Rartisanenangelegenheit".<br />

Der Einwand gegen die Nürnberger Prozesse, den Frau Heidt hier vorbringt,<br />

wird schon von Karl Jaspers in seinen Vorlesungen über die geistige Situation<br />

in Deutschland diskutiert. Mit Jaspers (1987: 37) kann diesem Einwand entgegnet<br />

werden, daß <strong>der</strong> „Prozeß als ein neuerl<strong>ich</strong>er Versuch, Ordnung in <strong>der</strong><br />

Welt <strong>zu</strong> för<strong>der</strong>n, seinen Sinn n<strong>ich</strong>t [verliert], wenn er noch n<strong>ich</strong>t imstande ist,<br />

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