24.11.2013 Aufrufe

"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

liegende Anklage n<strong>ich</strong>t einfach abschütteln. Bei ihr, die s<strong>ich</strong> gerade <strong>mit</strong> dem<br />

Soldatischen beson<strong>der</strong>s identifiziert <strong>hatte</strong>, bleibt ein Schamgefühl anges<strong>ich</strong>ts<br />

<strong>der</strong> von Deutschen verursachten Verwundung dieses Mannes und Hilflosigkeit<br />

<strong>zu</strong>rück. (Auf ihren Umgang <strong>mit</strong> <strong>der</strong> politischen und moralischen Haftung<br />

<strong>der</strong> Deutschen werde <strong>ich</strong> im folgenden Kapitel näher eingehen.) Es bleibt fest<strong>zu</strong>halten,<br />

daß das <strong>Krieg</strong>sende von 1945 für die 18jährige Anneliese Heidt keinen<br />

Einbruch in ihren bisherigen Alltag bedeutete. Viel<strong>mehr</strong> vollzog s<strong>ich</strong> <strong>der</strong><br />

Übergang zwischen <strong>Krieg</strong> und Frieden als allmähl<strong>ich</strong>es Einleben in die neue<br />

gesellschaftl<strong>ich</strong>e und individuelle Lebenssituation.<br />

Die Rolle <strong>der</strong> Krankenschwester ermögl<strong>ich</strong>te ihr, an die bisherige Alltagspraxis<br />

an<strong>zu</strong>knüpfen und 1946 eine reguläre Ausbildung <strong>zu</strong> beginnen. Der<br />

Krankenhausbetrieb <strong>mit</strong> seinen Routinen, seiner Klei<strong>der</strong>ordnung und seinen<br />

Vorschriften erschien ihr nach <strong>der</strong> durchlebten bewegten Zeit des <strong>Krieg</strong>sendes<br />

aber häufig kleinl<strong>ich</strong>. Sie <strong>hatte</strong> Schwierigkeiten, s<strong>ich</strong> dem Diktat <strong>der</strong> Krankenschwesterhierarchie<br />

<strong>zu</strong> fügen, und entschied s<strong>ich</strong> schließl<strong>ich</strong>, diese Tätigkeit<br />

auf<strong>zu</strong>geben. Statt dessen arbeitete sie in einem privaten Labor.<br />

1953, <strong>mit</strong> 26 Jahren, heiratete Frau Heidt. In ihrem Beruf arbeitete sie bis<br />

<strong>zu</strong>r Geburt ihres ersten Kindes 1958, dem noch zwei weitere folgten. 1972<br />

nahm sie ihre Berufstätigkeit wie<strong>der</strong> auf, mußte sie aber 1982 wegen eines Gelenkleidens<br />

endgültig aufgeben. Seither ist sie Rentnerin und lebt, seit sie <strong>zu</strong><br />

Beginn <strong>der</strong> achtziger Jahre ihren Mann verloren hat, <strong>mit</strong> ihrem jüngsten Sohn<br />

und dessen Familie <strong>zu</strong>sammen.<br />

2.3.8 Weiterleben <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Verantwortung<br />

Anneliese Heidt hat, so konnte die bisherige Rekonstruktion dieser Fallgesch<strong>ich</strong>te<br />

s<strong>ich</strong>tbar machen, die Werte ihres soldatisch geprägten Herkunftsmilieus<br />

übernommen und s<strong>ich</strong> in erster Linie <strong>mit</strong> <strong>der</strong> militätisch-soldatischen<br />

Seite des sog. Dritten Re<strong>ich</strong>es identifiziert. Wie steht diese Frau <strong>der</strong> Frage<br />

nach <strong>der</strong> politisch-moralischen Verantwortung <strong>der</strong> Deutschen gegenüber? Wie<br />

kaum ein an<strong>der</strong>es historisches Datum stehen die Nürnberger Prozesse fur die<br />

Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng <strong>mit</strong> politischer Schuld und Haftung <strong>der</strong> Deutschen. Auf<br />

die Frage, wie sie, Anneliese Heidt, damals die Nürnberger <strong>Krieg</strong>sverbrecherprozesse<br />

wahrgenommen und erlebt habe, antwortet sie auswe<strong>ich</strong>end:<br />

„begcb <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aber le<strong>ich</strong>t aufs Glatteis jetzt ((lacht)) (2) es ist, teilweise entwürdigend (1) uns<br />

vorgekommen ... daß: (2) die Deu-, beim, einige Deutsche (2) verurteilt worden sind für Dinge<br />

(1) die die in Anführungsstr<strong>ich</strong>en sogenannten Sieger genauso gemacht haben, ... (1) das is die<br />

eine Seite (1) die (1) Hauptkriegsverbrecher (2) das, is was an<strong>der</strong>es, <strong>ich</strong> kann Ihnen jetzt aber n<strong>ich</strong><br />

wenn Sie m<strong>ich</strong> jetzt fragen wen meinen Sie jetzt genau, das kann <strong>ich</strong> Ihnen jetzt n<strong>ich</strong> sagen, so<br />

genau weiß <strong>ich</strong> das auch n<strong>ich</strong> (1) die, (1) wen <strong>ich</strong> da jetzt <strong>mit</strong> Namen nennen sollte (4) ALSO, EI­<br />

NIGE sind s<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> Recht verurteilt worden 44 (59/32)<br />

Auf die Bitte einer <strong>der</strong> Interviewerinnen, ihre Gefühle von damals doch näher<br />

<strong>zu</strong> beschreiben, antwortet sie:<br />

104

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!