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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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In <strong>der</strong> letzten Aprilwoche 1945 erlosch <strong>der</strong> deutsche Wi<strong>der</strong>stand, und Bremen<br />

wurde von alliierten Truppen besetzt. Da<strong>mit</strong> war auch für Anneliese<br />

Heidt <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg beendet. In ihrer biographischen Großerzählung<br />

erwähnt sie dieses Ereignis nur beiläufig:<br />

„un denn dauerte es n<strong>ich</strong> lange, daß <strong>der</strong> Teil des, Krankenhauses <strong>der</strong>, noch heil war, und wo<br />

dann also, ganz Bremen besetzt war keine Angriffe <strong>mehr</strong> warn, die Patienten aus m Keller nach<br />

oben verlecht wurden 4 * (18/49)<br />

Mit dieser Sequenz leitet sie <strong>zu</strong> einer Erzählung über Razzien <strong>der</strong> Amerikaner<br />

über, die bei den verwundeten deutschen Soldaten im Lazarett nach Waffen<br />

und Munition suchten. Auf ihre eigene Reaktion anges<strong>ich</strong>ts des <strong>Krieg</strong>sendes<br />

und <strong>der</strong> deutschen Nie<strong>der</strong>lage geht sie hier n<strong>ich</strong>t weiter ein. Lachend erzählt<br />

sie dann, daß die Soldaten in ihrer Angst vor Entdeckung den<br />

Krankenschwestern häufig Munition in die Taschen ihrer Schwesterntracht<br />

gesteckt hätten, so daß sie <strong>mit</strong> prall gefüllten Taschen <strong>zu</strong>gesehen hätten, wie<br />

die Amerikaner die Betten durchsucht hätten.<br />

Die allgemeine Stimmung nach <strong>der</strong> Kapitulation charakterisiert sie wenig<br />

später:<br />

„außerdem war natürl<strong>ich</strong> so ne Panikstimmung da, un denn ging das weiter, daß es ä:h, einigermaßen<br />

wie<strong>der</strong> anfing s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> normalisiern 44 (20/ 11)<br />

Ohne auf das Ende des <strong>Krieg</strong>es, d.h. die Kapitulation Bremens wie auch die<br />

bedingungslose Kapitulation <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945, näher<br />

ein<strong>zu</strong>gehen, leitet Anneliese Heidt <strong>zu</strong>r Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> neuen gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

„Normalität 44<br />

über.<br />

Die bisherige Fallanalyse hat gezeigt, daß die Mögl<strong>ich</strong>keit einer deutschen<br />

Nie<strong>der</strong>lage für die Heranwachsende eine große Bedrohung war, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> sie<br />

n<strong>ich</strong>t konfrontiert sein wollte, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> sie s<strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t auseinan<strong>der</strong>setzen<br />

wollte. Man könnte daher erwarten, daß Anneliese Heidt bei Ausgang des<br />

<strong>Krieg</strong>es in eine biographische Orientierungskrise geriet bzw. auf den Ausgang<br />

des <strong>Krieg</strong>es <strong>mit</strong> Enttäuschung o<strong>der</strong> Entsetzen reagierte. Doch gibt es in dem<br />

Gespräch keinen Hinweis auf eine solche Reaktion. Offenbar leitete für sie<br />

n<strong>ich</strong>t erst das <strong>Krieg</strong>sende eine biographische Wende ein, son<strong>der</strong>n schon ihr<br />

Ein<strong>zu</strong>g als Krankenschwester <strong>zu</strong>m <strong>Krieg</strong>shilfsdienst. Mit ihrem Einsatz im<br />

Krankenhaus traten die eigenen Ängste hinter die Anfor<strong>der</strong>ungen und Belastungen<br />

ihrer Tätigkeit <strong>zu</strong>rück. Die Arbeit als Krankenschwester for<strong>der</strong>te die<br />

ganze körperl<strong>ich</strong>e und geistige Kraft <strong>der</strong> 18jährigen und versetzte sie in einen<br />

Zustand totaler Anspannung, in dem fur eine inhaltl<strong>ich</strong>e Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> deutschen Nie<strong>der</strong>lage kein Platz war:<br />

„man gab also wirkl<strong>ich</strong> sein letztes n<strong>ich</strong> ... war auch <strong>mit</strong> seinem, <strong>mit</strong> seiner ganzen Kraft seiner<br />

ganzen Persönl<strong>ich</strong>keit, (1) un weil <strong>ich</strong> eben, wollte, das ja immer schon werden, und da, hab <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> also r<strong>ich</strong>tig da, bin da drin aufgegangen (6)" (51 /18)<br />

Insgesamt bedeutete <strong>der</strong> historische Wendepunkt des <strong>Krieg</strong>sendes fur die<br />

Krankenschwester Anneliese Heidt <strong>zu</strong>nächst keine Unterbrechung ihrer all-<br />

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