"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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I: mhm<br />
Β: (1) /ja und dann war er tot ((leise)) (4) HAB ICH AUCH ERST NICH GANZ BEGRIFFEN.<br />
DANN KAM NE ÄLTERE SCHWESTER, muß sagen da waren glaub <strong>ich</strong> zwei ältere Schwestern<br />
da bloß wir warn so junges Gemüse, und da guckte die m<strong>ich</strong> so komisch an un sachte<br />
ja nun laß η man los (2) s hatt <strong>ich</strong> noch gar n<strong>ich</strong> so direkt <strong>mit</strong>gekr<strong>ich</strong>t ne*' (48/49)<br />
In ihrer Darstellung spiegeln s<strong>ich</strong> die tiefe Betroffenheit <strong>der</strong> jungen Schwester,<br />
die den Sterbenden in ihren Armen hielt und seinen Tod kaum begreifen<br />
konnte, und die durch Erfahrungen abgestumpfte Ungerührtheit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en,<br />
die s<strong>ich</strong> auch durch das Sterben eines Menschen im Nachbarbett n<strong>ich</strong>t vom<br />
Löffeln <strong>der</strong> <strong>mit</strong>tägl<strong>ich</strong>en Suppe abhalten ließen. Dem Erschrecken über so viel<br />
Gefühllosigkeit tritt Frau Heidt sogle<strong>ich</strong> entgegen: Das ist bei Soldaten so, das<br />
ist die Realität, lautet ihre lapidare Feststellung. Wir können uns vorstellen,<br />
daß auch sie diese Realität mühsam erlernen mußte, denn ihre Erzählung zeigt<br />
auch die Unfaßbarkeit dieses Todes: „ja und da war er ruhig (1) ja und dann<br />
war er tot".<br />
Die 18jährige mußte in dieser Zeit auch die Erfahrung machen, daß sie n<strong>ich</strong>t<br />
nur die Not <strong>der</strong> Verwundeten lin<strong>der</strong>n konnte, son<strong>der</strong>n auch ein hohes Maß an<br />
Verantwortung für das Leben <strong>der</strong> ihr Anvertrauten trug. Bis heute bedrückt es<br />
sie, daß sie einem jungen deutschen Soldaten <strong>mit</strong> einer schweren Verwundung,<br />
einem Lungensteckschuß, entgegen <strong>der</strong> ausdrückl<strong>ich</strong>en Anweisung <strong>zu</strong><br />
trinken gab. Stockend und <strong>mit</strong> gedrückter Stimme erzählt sie:<br />
„mir war eingeschärft, also <strong>der</strong> darf n<strong>ich</strong>ts, trinken, n<strong>ich</strong> weil die äh, Speiseröhre das war alles<br />
zerfetzt innen das kr<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> in die Lunge, tja, und <strong>der</strong> immer Schwester Schwester <strong>ich</strong> hab solchen<br />
Durst, und, <strong>der</strong> jammerte so und <strong>der</strong> bettelte so und <strong>der</strong> war so nett (1) und da hab <strong>ich</strong> gesacht<br />
η ganz kleinen Schluck, nur die Lippen naß machen (1) hab <strong>ich</strong> ihm das hingegeben und <strong>der</strong> <strong>mit</strong><br />
einer eisernen Gewalt hat <strong>der</strong> das Glas festgehalten und ausgetrunken (1) / <strong>der</strong> war tot ((leise und<br />
undeutl<strong>ich</strong>)) (5) <strong>ich</strong> hab (1) das hab <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong> jewollt n<strong>ich</strong>" (49/22)<br />
Frau Heidt meint, es sei ihre Unerfahrenheit gewesen, die sie <strong>zu</strong> diesem folgenschweren<br />
Fehler verleitet habe. Mehr aus ihrem Tonfall als aus ihren Worten<br />
sind Bestür<strong>zu</strong>ng und Schuldgefühle heraus<strong>zu</strong>hören, die sie in dieser Situation<br />
empfunden hat. Erst als eine <strong>der</strong> beiden Interviewerinnen auf das Bedrückende<br />
dieser Situation eingeht, kann sie über das Entsetzen sprechen:<br />
I: „das war für Sie s<strong>ich</strong>er ganz furchtbar<br />
B: das war sehr furchtbar und das äh, wie gesacht das <strong>ich</strong>, äh, das läßt einen auch, sein ganzes<br />
Leben n<strong>ich</strong> <strong>mehr</strong> los, is, das vergißt man n<strong>ich</strong> <strong>mehr</strong> ne, aber, in <strong>der</strong>, damals, äh, war <strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong><br />
sehr erschrocken denn die, die die Nachbarsoldaten die harn das ja alle <strong>mit</strong>gekr<strong>ich</strong>t<br />
n<strong>ich</strong>,<br />
I: mhm<br />
B: hat aber keiner was gesacht (1) keiner (3)'* (49/45)<br />
Zu dem eigenen Erschrecken und ihren Schuldgefühlen trat die Angst, von<br />
den Vorgesetzten gerügt o<strong>der</strong> gar bestraft <strong>zu</strong> werden. Doch die an<strong>der</strong>en Soldaten<br />
<strong>hatte</strong>n offenbar Verständnis für sie. Heute tröstet sie s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> dem Gedanken,<br />
daß dieser junge Soldat vielle<strong>ich</strong>t durch ihr Handeln schneller und le<strong>ich</strong>ter<br />
gestorben ist.<br />
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