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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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„DA: HAB ICH IMMER SO DIESES, ENDLICH DIESES GEFÜHL GEHABT, JETZT<br />

KANNST DU, deinen Beitrag leisten den früher die Soldaten an <strong>der</strong> Front gemacht haben, wir<br />

<strong>hatte</strong>n immer so, allgemein dieses, Gefühl, die halten ihren Kopf da hin und und riskiem was und<br />

uns geht es ja eigentl<strong>ich</strong> noch ganz gut, näh, man schämte s<strong>ich</strong> denen wohl ein bißchen, gegenüber,<br />

und, jetzt war also, die Gelegenheit gekommen daß auch, <strong>ich</strong> zeigen konnte, daß man, gebraucht<br />

wurde und s<strong>ich</strong> einsetzen konnte" (16/33)<br />

Wie schon deutl<strong>ich</strong> wurde, fühlte s<strong>ich</strong> Anneliese Heidt n<strong>ich</strong>t von den völkischen<br />

Anteilen <strong>der</strong> nationalsozialistischen Ideologie, wie dem Gedanken einer<br />

großen Volkgemeinschaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Eindeutschung 44<br />

von Auslandsdeutschen,<br />

angesprochen. <strong>Als</strong> Tochter eines schon im Ersten Weltkrieg aktiven<br />

Offiziers identifizierte sie s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> soldatischen und militärischen Seite<br />

schlechthin. Vom Vater, einem Angehörigen <strong>der</strong> Wilhelminischen Jugendgeneration,<br />

übernahm sie die S<strong>ich</strong>t des <strong>Krieg</strong>es als unvermeidbar und <strong>zu</strong>m Leben<br />

existentiell gehörig. Allerdings wollte sie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>mit</strong> <strong>der</strong> passiven Rolle<br />

<strong>der</strong> Zivilistin begnügen. Für die im soldatischen Milieu sozialisierte Anneliese<br />

Heidt bot die Verpfl<strong>ich</strong>tung als Krankenschwester die Gelegenheit, einen<br />

aktiven, <strong>der</strong> Soldatenrolle entsprechenden Beitrag <strong>zu</strong>m <strong>Krieg</strong>sgeschehen <strong>zu</strong><br />

leisten. Sie selbst formuliert, daß sie „endl<strong>ich</strong> 44<br />

den Beitrag leisten wollte,<br />

„den früher die Soldaten an <strong>der</strong> Front gemacht haben 44 . Sie <strong>hatte</strong> vermutl<strong>ich</strong><br />

lange auf die Gelegenheit gewartet, ebenso wie die Soldaten an <strong>der</strong> Front —<br />

und insbeson<strong>der</strong>e ihr Vater und Bru<strong>der</strong> — ihre „soldatische 44<br />

Pfl<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> tun.<br />

Jetzt konnte sie zeigen, „daß man gebraucht wurde und s<strong>ich</strong> einsetzen<br />

konnte 44 . In Anneliese Heidts Augen war die Rolle <strong>der</strong> Krankenschwester <strong>der</strong><br />

soldatischen Rolle durchaus vergle<strong>ich</strong>bar; sie wollte, wie sie an an<strong>der</strong>er Stelle<br />

einmal selbstironisch formuliert, „Heldentaten vollbringen 44 .<br />

Ihrer Entscheidung, s<strong>ich</strong> freiwillig als Krankenschwester an die „Heimatfront<br />

44<br />

<strong>zu</strong> melden, wohnte daher auch ein emanzipatorisches Moment inne,<br />

das allerdings n<strong>ich</strong>t über die engen Grenzen, die insbeson<strong>der</strong>e die nationalsozialistische<br />

Ideologie <strong>der</strong> Entfaltung <strong>der</strong> Frau setzte, hinausging: Den Frauen<br />

wurden vor allem die traditionell als „genuin weibl<strong>ich</strong> 44<br />

angesehenen Bere<strong>ich</strong>e<br />

<strong>zu</strong>gewiesen, <strong>zu</strong> denen neben <strong>der</strong> Auf<strong>zu</strong>cht und Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> vor allem<br />

die haus- und landwirtschaftl<strong>ich</strong>en, pädagogischen und sozialen Berufe<br />

gehören.<br />

Der Beruf <strong>der</strong> Krankenschwester stellte sowohl eine Rolle im anerkannten<br />

Gefüge nationalsozialistischer Karrierefolien für Frauen als auch eine mögl<strong>ich</strong>e<br />

Berufsrolle für die Nachkriegszeit <strong>zu</strong>r Verfugung. Darüber hinaus bedeutete<br />

die Verpfl<strong>ich</strong>tung als Krankenschwester fur Anneliese Heidt die Übernahme<br />

einer Erwachsenenrolle und da<strong>mit</strong> das Ende ihrer Schulzeit und ihrer<br />

Sozialisation in nationalsozialistischen Jugendorganisationen.<br />

Ende März ging <strong>der</strong> Vormarsch <strong>der</strong> alliierten Truppen weiter: Am 5. April<br />

überschritten englische und kanadische Einheiten die Weser nördl<strong>ich</strong> von<br />

Minden. Am 15. April wurde das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreit.<br />

Obwohl es an <strong>der</strong> Weser organisierten deutschen Wi<strong>der</strong>stand gab, <strong>kam</strong> es<br />

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