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BAUSTEINHEFT<br />
Primarschule<br />
Abteilung Berufspraktische Ausbildung<br />
Studienjahr 2008/09 – <strong>1.</strong> Studienjahr
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Inhalt<br />
<strong>1.</strong> Das <strong>Bausteinheft</strong> an der PHGR........................................................................................................ 3<br />
<strong>1.</strong>1 Was ist ein Baustein? ……………………………………………………………………………… 3<br />
<strong>1.</strong>2 Umgang mit dem <strong>Bausteinheft</strong> ............................................................................................. 6<br />
<strong>1.</strong>3 <strong>Bausteinheft</strong> und Portfolio..................................................................................................... 6<br />
<strong>1.</strong>4 Zum Begriff der Handlungskompetenz.................................................................................. 7<br />
2. Bausteine........................................................................................................................................ 10<br />
Baustein Wahrnehmung und systematische Beobachtung .......................................................... 10<br />
Kriterienblatt Selbstwahrnehmung und Rollenwechsel ....................................................................... 12<br />
Kriterienblatt Berufsfeld wahrnehmen ................................................................................................. 13<br />
Baustein Kinder wahrnehmen und fördern .................................................................................. 14<br />
Kriterienblatt Kinder wahrnehmen ....................................................................................................... 16<br />
Kriterienblatt Kinder fördern ................................................................................................................. 17<br />
Baustein Spielen im Unterricht........................................................................................................ 18<br />
Kriterienblatt Spielen im Unterricht .................................................................................................... 20<br />
Baustein Grundformen des darbietenden Unterrichts.................................................................. 21<br />
Kriterienblatt Erzählen .......................................................................................................................... 23<br />
Kriterienblatt Vorzeigen - Nachmachen ................................................................................................. 24<br />
Kriterienblatt Vorlesen .......................................................................................................................... 25<br />
Kriterienblatt Erklären und Vortragen/Referieren................................................................................... 26<br />
Baustein Gesprächsformen im Unterricht ....................................................................................... 27<br />
Kriterienblatt Lehrgespräch.................................................................................................................... 30<br />
Kriterienblatt Diskussion/Freies Unterrichtsgespräch .............................................................................. 31<br />
Baustein Grundformen des erarbeitenden Unterrichts................................................................. 32<br />
Kriterienblatt Handelndes, entdeckendes, problemlösendes Lernen ................................................... 35<br />
Kriterienblatt Lernaufgaben .................................................................................................................. 36<br />
Baustein Unterricht planen, gestalten, auswerten ....................................................................... 37<br />
Kriterienblatt Lektionen planen ............................................................................................................ 39<br />
Kriterienblatt Lektionen durchführen und auswerten ........................................................................... 40<br />
Kriterienblatt Unterrichtseinheiten/Lektionsreihen planen ..................................................................... 41<br />
Anhang Planungsschema für Lehr-Lern-Einheiten ................................................................................ 42<br />
Anhang Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung........................................................................... 44<br />
Baustein In den Vordergrund treten............................................................................................... 45<br />
Kriterienblatt Auftreten und Kommunizieren ........................................................................................ 48<br />
Baustein Zugänge zu Alltagswelten – Vernetzungen (Mensch und Umwelt) .............................. 49<br />
Kriterienblatt Zugänge zu Alltagswelten – Vernetzungen ..................................................................... 51<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 2
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
<strong>1.</strong> Das <strong>Bausteinheft</strong> an der PHGR<br />
In der Berufspraktischen Ausbildung an der <strong>Pädagogische</strong>n Hochschule Graubünden (PHGR) wird das <strong>Bausteinheft</strong><br />
1 verwendet, um klarere und einheitlichere Bezüge zwischen den verschiedenen Lernorten (Lehre<br />
bzw. Module an der PH, Ateliers, Praktika) zu realisieren.<br />
Der Grundauftrag der berufspraktischen Ausbildung ist der Aufbau der beruflichen Handlungskompetenz<br />
(siehe auch Grundkonzept der Berufspraktischen Ausbildung an der PHGR). Das <strong>Bausteinheft</strong> ist dazu ein<br />
wichtiges Hilfsmittel, indem darin dargelegt wird,<br />
> welche Handlungskompetenzen die Studierenden überhaupt erwerben sollen 2<br />
> welche Grundlagen sie dafür aus der Ausbildung in den Modulen und Ateliers in die berufspraktischen<br />
Ausbildungsteile mitbringen<br />
> wie Lernsituationen zum weiteren Aufbau dieser Handlungskompetenzen in den Praktika aussehen<br />
können.<br />
Dies bedeutet, dass Studierende, Praxislehrpersonen und Mentorinnen/Mentoren im <strong>Bausteinheft</strong> wichtige<br />
und vielfältige Informationen und Anregungen zur Frage finden, wo – an welches Wissen, an welche Erfahrungen,<br />
an welche Modulinhalte – im Praktikum angeknüpft werden kann, auf welche Aspekte man im<br />
Bestreben, bestimmte Handlungskompetenzen gezielt aufzubauen, besonders achten kann, oder was besonders<br />
gut der Beobachtung, Rückmeldung und Reflexion zugänglich ist.<br />
Man kann das <strong>Bausteinheft</strong> somit zum einen als Sammlung von Anregungen und Ideen sehen, woran in<br />
den Praktika ganz konkret und schwerpunktmässig gearbeitet werden kann. Es leistet aber auch einen Beitrag<br />
dazu, Spannungen zwischen der Freiheit der einzelnen Praxislehrpersonen und den Ausbildungszielen<br />
der <strong>Pädagogische</strong>n Hochschule zu bewältigen und Verbindlichkeit und Transparenz zu schaffen.<br />
<strong>1.</strong>1 Was ist ein Baustein?<br />
Das vorliegende <strong>Bausteinheft</strong> enthält einzelne „Bausteine“.<br />
Ein Baustein ist auf den Aufbau oder die Weiterentwicklung einer bestimmten, für die berufliche Handlungsfähigkeit<br />
von Lehrpersonen wichtigen Kompetenz ausgerichtet.<br />
Jeder Baustein steht in enger Verbindung mit bestimmten Lernangeboten der Studienbereiche bzw. Modulinhalten<br />
an der PH.<br />
Im <strong>1.</strong> Studienjahr bilden die folgenden Handlungskompetenzen die Schwerpunkte (vgl. auch Rahmenstudienplan,<br />
Studienbereich Berufspraktische Ausbildung).<br />
1 In Anlehnung an das <strong>Bausteinheft</strong> der <strong>Pädagogische</strong>n Hochschule Zentralschweiz, Luzern (PHZ).<br />
2 Zum Begriff der Handlungskompetenz siehe S. 7.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 3
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Handlungskompetenz<br />
Wahrnehmung und systematische<br />
Beobachtung<br />
Die Studierenden sind fähig, die verschiedenen Aspekte des Berufsfeldes der<br />
Lehrperson bewusst wahrzunehmen, zu beobachten und zu beschreiben. Sie<br />
beobachten sich selber im neuen Handlungs- und Erfahrungsfeld und vollziehen<br />
den Rollen- bzw. Perspektivenwechsel bewusst.<br />
Kinder wahrnehmen und<br />
fördern<br />
Die Studierenden sind fähig, Kriterien zur systematischen Beobachtung zu<br />
entwickeln und diese konsequent anzuwenden. Ihre Interpretationen basieren<br />
auf den theoretischen Grundlagen und berücksichtigen die Fehlerquellen<br />
der Wahrnehmung. Sie sind zudem in der Lage, aus der Interpretation ihrer<br />
Beobachtungen realistische und konkrete Fördermassnahmen abzuleiten.<br />
Spielen im Unterricht<br />
Die Studierenden nutzen die ganze Bandbreite von Spielen sinnvoll im Unterricht<br />
bzw. für das Lernen der Kinder - aufmerksam gegenüber den Voraussetzungen<br />
und Tätigkeiten der Kinder, den angestrebten Zielen, Funktionen des<br />
Spiels, der eigenen Rolle als Spielleiter/-in etc.<br />
Grundformen des darbietenden<br />
Unterrichts<br />
Die Studierenden können selbstsicher in den Vordergrund treten und verschiedene<br />
darbietende Grundformen (Vorzeigen – Nachmachen, Erzählen,<br />
Erklären, Vortragen) bewusst, gezielt und lernwirksam einsetzen.<br />
Gesprächsformen<br />
im Unterricht<br />
Die Studierenden sind fähig, mit Primarschulkindern lernwirksame Unterrichtsgespräche<br />
in verschiedener Form, unter verschiedenen Rahmenbedingungen<br />
und mit verschiedenen Zielsetzungen zu führen.<br />
Grundformen des erarbeitenden<br />
Unterrichts<br />
Die Studierenden können im Vertrauen auf die Sache, die Lernaufgabe und<br />
die Kinder in den Hintergrund treten, die Schülerinnen und Schüler zu selbstständiger<br />
Aktivität und selbsttätigen Lernerfahrungen anregen und sie auf<br />
ihrem Lernweg begleiten.<br />
Unterricht planen, gestalten,<br />
auswerten<br />
Die Studierenden sind in der Lage, im Rahmen von einzelnen Lektionen und<br />
von Lektionsreihen (Unterrichtseinheiten) einen für die Kinder bedeutsamen,<br />
situationsorientierten, zielgerichteten und effizienten Unterricht sorgfältig zu<br />
planen und zu begründen und nach der Durchführung sinnvoll auszuwerten.<br />
In den Vordergrund treten<br />
Die Studierenden verfügen über entwickelte verbale und nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten,<br />
durch die sie überzeugend, sicher und authentisch<br />
auftreten und schulische Kommunikationssituationen wirkungsvoll gestalten<br />
können.<br />
Zugänge zu Alltagswelten<br />
– Vernetzungen<br />
Die Studierenden sind in der Lage, die didaktisch-pädagogischen Anliegen für<br />
die Planung und Gestaltung des Unterrichts im Fachbereich Mensch und<br />
Umwelt anzuwenden. Sie können bei den Schülerinnen und Schülern vernetzendes<br />
Denken auslösen und fördern.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 4
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Ein Baustein zielt, wie bereits erwähnt, darauf, eine Handlungskompetenz aufzubauen oder weiter zu entwickeln.<br />
Jeder Baustein hat die gleiche Struktur und enthält folgende Elemente:<br />
Einführung<br />
In der Einführung in wird versucht die Bedeutung der jeweiligen Handlungskompetenz für das Unterrichten<br />
sichtbar zu machen bzw. durch einen ersten Impuls an die Handlungskompetenz heranzuführen.<br />
Theoretische Perspektive<br />
Hier wird ein Blick auf die anzustrebende Handlungskompetenz aus theoretischer Perspektive geworfen<br />
und damit ein Bezug zur allgemein- bzw. fachdidaktischen sowie pädagogisch-psychologischen Theorie<br />
hergestellt.<br />
Lernsituationen<br />
In dieser Rubrik eines Bausteins werden Lernsituationen skizziert, in denen die Studierenden an den verschiedenen<br />
Lernorten bereits an der betreffenden Handlungskompetenz gearbeitet haben (im Rahmen<br />
von Modulen an der PH, in den Ateliers) und noch arbeiten können und sollen (im Praktikum).<br />
Literaturhinweise<br />
Unter Literaturhinweise wird angegeben, welche Literatur in den Modulen an der PHGR eingesetzt wird<br />
(fett gedruckt: Grundlagenliteratur für die Studierenden).<br />
Kriterienblatt<br />
Auf dem Kriterienblatt (zum Teil mehrere Kriterienblätter pro Baustein), wird die aufzubauende Handlungskompetenz<br />
konkretisiert bzw. operationalisiert und in Form von beobachtbaren und überprüfbaren<br />
Kriterien abgebildet.<br />
Anhang<br />
Zu einigen Bausteinen gibt es einen Anhang. Im Anhang werden für den Baustein grundlegende im kursorischen<br />
Unterricht an der PH verwendete Unterlagen beigelegt.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 5
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
<strong>1.</strong>2 Umgang mit dem <strong>Bausteinheft</strong><br />
Das <strong>Bausteinheft</strong> kommt in erster Linie in Zusammenhang mit den Ateliers und Praktika zum Einsatz.<br />
Für jedes Praktikum im <strong>1.</strong> Studienjahr wählt der oder die Studierende – gemäss den im Manual festgelegten<br />
Praktikumszielen und unter Berücksichtigung der aktuellen Praktikumssituation – geeignete Handlungskompetenzen<br />
aus dem <strong>Bausteinheft</strong> aus (vgl. auch Leitfaden Führen eines Portfolios, S. 4).<br />
Das Kriterienblatt (oder die Kriterienblätter), das zu jedem Baustein gehört, bildet die Basis zum Aufbau einer<br />
bestimmten Handlungskompetenz. Die Kriterien helfen den Studierenden, ihre Aufmerksamkeit auf wesentliche<br />
Aspekte der gewählten Handlungskompetenz zu lenken und darüber Rückmeldung zu erhalten.<br />
Es besteht nicht der Anspruch, dass in einem Praktikum alle Kriterien eines gewählten Bausteins berücksichtigt<br />
werden, es ist auch hier möglich und oft sinnvoll, eine Auswahl zu treffen.<br />
Insgesamt bietet das <strong>Bausteinheft</strong> also die Grundlage dazu, neben den im Manual festgelegten Praktikumszielen<br />
in einem Praktikum auch individuelle Schwerpunkte zu setzen und zu verfolgen.<br />
Bei der Auswahl der Handlungskompetenzen und Kriterien, an denen in einem Praktikum schwerpunktmässig<br />
gearbeitet wird, stehen den Studierenden die jeweilige Praxislehrperson und die Mentorin/der Mentor<br />
beratend zur Seite. In der Regel ist es sinnvoll, zumindest eine provisorische Auswahl bereits vor dem Praktikumsbeginn<br />
zu treffen (z.B. anlässlich des Hospitationstages und/oder des Mentoratsgesprächs). Die Auswahl<br />
kann dann in den ersten Tagen am Praktikumsort überprüft und bei Bedarf angepasst werden.<br />
Während des Praktikums werden die aus dem <strong>Bausteinheft</strong> ausgewählten Schwerpunkte so oft als möglich<br />
geübt, beobachtet und reflektiert. In der täglichen Unterrichtsbesprechung kommen die Beobachtungen der<br />
beteiligten Personen in Bezug auf diese Schwerpunkte regelmässig zur Sprache (Selbsteinschätzung und<br />
Fremdeinschätzung). Dies bedeutet auch, dass sich jede Studentin und jeder Student an der gezielten und<br />
kriteriengeleiteten Beobachtung der Praktikumspartnerin oder des Praktikumspartners beteiligt.<br />
Unbedingt empfehlenswert ist zudem, dass Studierende auch Unterrichtssequenzen der Praxislehrpersonen<br />
mit Blick auf die ausgewählten Kriterien beobachten und dass diese Beobachtungen ausgewertet werden.<br />
Alle Erkenntnisse und Konsequenzen, die aus den kriterienbezogenen Versuchen, Beobachtungen und<br />
Unterrichtsnachbesprechungen resultieren, werden notiert, entsprechende Unterlagen und Materialien (bzw.<br />
„Belege“) gesammelt.<br />
<strong>1.</strong>3 <strong>Bausteinheft</strong> und Portfolio<br />
Das <strong>Bausteinheft</strong> und das Portfolio stehen in einem engen Zusammenhang:<br />
Im Portfolio wird dokumentiert, welche Anstrengungen, Fortschritte, Leistungen etc. man in den Praktika<br />
erbracht hat – unter anderem in Bezug auf die aus dem <strong>Bausteinheft</strong> ausgewählten Handlungskompetenzen<br />
bzw. Kriterien. Dies geschieht durch das Sammeln, Ablegen und schriftliche Kommentieren und Reflektieren<br />
ausgewählter Belegstücke.<br />
Oder umgekehrt:<br />
Das <strong>Bausteinheft</strong> bildet die Basis, um sich im Praktikum individuelle Schwerpunkte in Form von ausgewählten<br />
Handlungskompetenzen zu setzen. Die persönlichen Anstrengungen und Ergebnisse in Bezug auf den<br />
Aufbau dieser gewählten Handlungskompetenzen (sowie in Bezug auf weitere persönliche Ziele) werden im<br />
Portfolio belegt und dokumentiert.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 6
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Zusammenfassend kann man die relevanten Stationen der Arbeit mit <strong>Bausteinheft</strong> und Portfolio folgendermassen<br />
darstellen (ausführlich in: Leitfaden Führen eines Portfolios)<br />
Vor dem Praktikum bzw. in den ersten Tagen des Praktikums:<br />
> Auswahl von angepassten Handlungskompetenzen und entsprechender Kriterien aus dem <strong>Bausteinheft</strong><br />
(plus Bestimmen von ein bis zwei „bausteinheft-unabhängigen“ persönlichen Lernzielen)<br />
Während des Praktikums:<br />
> Gezielte Arbeit an diesen Schwerpunkten, kriteriengeleitete Beobachtungen und Besprechungen<br />
> Sammeln und systematisches Ablegen von Belegstücken/Materialien zu den ausgewählten Schwerpunkten<br />
im Portfolio<br />
> Kommentieren der abgelegten Dokumente im Portfolio: Was zeigt ein Dokument auf, welche Anstrengungen,<br />
Leistungen, das Üben welcher Handlungskompetenz belegt es? Inwiefern ist ein Dokument für<br />
die eigenen berufsbezogenen Lernfortschritte bedeutsam?<br />
Nach dem Praktikum und am Ende des <strong>1.</strong> Studienjahres:<br />
> Zusammenhängende, zusammenfassende, fokussierende schriftliche Reflexion im Portfolio. Dazu gehört<br />
auch eine Qualifizierung, wie gut man angestrebte Kompetenzen und ausgewählten Kriterien bereits<br />
beherrscht und erfüllt, und wo weiter geübt werden muss<br />
> Gespräch mit Mentorin/Mentor bzw. Standortgespräch am Ende des <strong>1.</strong> Studienjahres auf der Grundlage<br />
des Portfolios<br />
<strong>1.</strong>4 Zum Begriff der Handlungskompetenz<br />
Der Begriff der Kompetenz bzw. Handlungskompetenz, der in dieser Einleitung zum <strong>Bausteinheft</strong> immer<br />
wieder verwendet wird, erschient womöglich nicht als klärungsbedürftig, ist er doch Personen, die im Umfeld<br />
Bildung, Schule und Unterricht tätig sind, bestens bekannt und geläufig. Dennoch wollen wir uns hier<br />
kurz dem Begriff widmen, da seine Verwendung ein recht weites Feld an dahinter stehenden Bedeutungen<br />
und Zusammenhängen eröffnet.<br />
Wenn von Lernzielen die Rede ist, wird oft, gerade auch im Zusammenhang mit einer ganzheitlichen Beurteilung<br />
und Förderung, unterteilt in verschiedene Lernziel- oder Kompetenzbereiche, in der Regel werden<br />
deren vier genannt: Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Sach- oder Fachkompetenz, Methodenkompetenz.<br />
Dabei ist mit Kompetenz die Bereitschaft und Fähigkeit eines Menschen gemeint, die Anforderungen,<br />
denen er in einem bestimmten Bereich begegnet, bewältigen zu können.<br />
Ebenfalls im Bereich der Lernziele wird der Kompetenzbegriff auch verwendet, um das allgemeine pädagogische<br />
Leitziel der Mündigkeit zu umschreiben. Nach Heinrich Roth bedeutet pädagogische Mündigkeit<br />
„Kompetenz im dreifachen Sinn“ und umfasst Selbstkompetenz, Sozialkompetenz und Sachkompetenz 3 .<br />
Um zu bestimmen, was ein mündiger Mensch ist, muss demnach beschrieben werden, welche Qualifikationen<br />
er besitzen soll.<br />
3 Roth, H. (1984): <strong>Pädagogische</strong> Anthropologie, Band <strong>1.</strong> Hannover<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 7
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Um Qualifikation und Kompetenzen geht es auch bei der aktuellen Diskussion rings um Standards im Lehrberuf.<br />
Oser beispielsweise macht sich Gedanken darüber, wie ein Kompetenzprofil des Berufs von Lehrpersonen<br />
bestimmt werden kann, mit anderen Worten, wie man bestimmen kann, welche Handlungen eine<br />
Lehrperson beherrschen können muss, um komplexe Situationen im Unterricht zieladäquat, effektiv, ethisch<br />
gerechtfertigt und wissensmässig abgestützt professionell bewältigen zu können. 4<br />
Dabei wird betont, dass sich Wissen, (Wert-)Haltungen und Handeln verbinden müssen: Ein Standard liegt<br />
nach Oser „…in der Verbindung dessen, was gebraucht wird, um richtig zu handeln und der Handlung<br />
selbst. Richtiges Handeln impliziert ein spezielles Wissen in der Handlung, die ihre Richtigkeit, ihre Wirkung<br />
und ihre professionelle Sorgfalt generiert.“ 5<br />
Eine hohe Wissensleistung allein, oder eine zwar richtige, aber wissensmässig oder moralisch nicht begründbare<br />
Handlung lässt sich also nicht als Standard bezeichnen.<br />
Damit liegt die Bedeutung der Begriffe der Handlungskompetenz und des Standards sehr nahe beieinander:<br />
Standards müssen sich auf der Handlungsebene zeigen und lassen sich sogar schlicht als Handlungskompetenzen<br />
definieren, die es einer Lehrperson erlauben, eine bestimmte berufliche Situation professionell<br />
zu bewältigen.<br />
Aus dem Gesagten lässt sich für die Verwendung des Begriffes der Handlungskompetenz(en) im vorliegenden<br />
<strong>Bausteinheft</strong> Folgendes zusammenfassen:<br />
1) Unter dem Begriff Handlungskompetenz (im Singular) verstehen wir die Gesamtheit der Fähigkeiten,<br />
die es braucht, um komplexe Situationen im Unterricht zieladäquat, effektiv, ethisch gerechtfertigt und<br />
wissensmässig abgestützt professionell bewältigen zu können.<br />
2) Die Bausteine dieses <strong>Bausteinheft</strong>es zielen auf Handlungskompetenz im Bereich von Gesprächsformen<br />
im Unterricht, im Bereich der darbietenden Grundformen, im Bereich des Wahrnehmens und Beobachtens,<br />
des Spielens im Unterricht etc. Um diese Vielfalt an Bereichen zum Ausdruck zu bringen, in denen<br />
Kompetenz ausgebildet werden soll, wird der Begriff der Handlungskompetenz auch im Plural verwendet,<br />
die Rede ist dann von verschiedenen Handlungskompetenzen. Man könnte unter Verwendung von<br />
Osers Begriff auch sagen, dass sich ein Kompetenzprofil aus verschiedenen Kompetenzen zusammensetzt.<br />
3) Wenn wir durch Bausteine auf den Aufbau bestimmter Handlungskompetenzen zielen, so sehen wir<br />
dies auch im „traditionellen“ Sinn als das Formulieren von konkreten Ausbildungszielen (Handlungskompetenzen<br />
im Sinne von Grobzielen, einzelne Kriterien im Sinne von Feinzielen).<br />
4) Dabei wird mit bedacht, dass beim Aufbau der angestrebten Handlungskompetenzen Selbstkompetenz,<br />
Sozialkompetenz, Sachkompetenz und Methodenkompetenz gleichermassen eine Rolle spielen:<br />
Handlungskompetenzen kommen zustande durch das Zusammenspiel von Fachkompetenz, Methodenkompetenz,<br />
Sozialkompetenz und Selbstkompetenz und zeigen sich als professionelles Einflusshandeln.<br />
6<br />
4 Oser, F. (2003): Professionalisierung der Lehrerbildung durch Standards. In: die Deutsche Schule.<br />
Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis. 7. Beiheft. Weinheim: Juventa<br />
Verlag, S. 71 - 82<br />
5 Ebenda, S. 74<br />
6 Beispiel: Der Baustein „Spielen im Unterricht“ zielt auf folgende Handlungskompetenz: „Die Studierenden nutzen<br />
die ganze Bandbreite von Spielen sinnvoll im Unterricht bzw. für das Lernen der Kinder.“<br />
Von Handlungskompetenz im Bereich „Spielen im Unterricht“ sprechen wir also dann, wenn eine Person über<br />
relevantes Fachwissen verfügt (z.B. über Funktionen von Spiel, über aktuelle gesellschaftliche Tendenzen beim<br />
Spiel oder über empirische Befunde betreffend den Zusammenhang Spiel - Lernen), wenn sie Methodenkompetenz<br />
hat (z.B. ein breites Repertoire an Spielen kennt, viele Spiele selber beherrscht), wenn sie sozialkompetent<br />
ist (sich z.B. als Spielleiterin durchsetzen kann) und über Selbstkompetenz verfügt (z.B. sich selber in der Rolle<br />
der Spielleiterin wahrnimmt und beobachtet). Erst die Verbindung verschiedener Fähigkeiten erlaubt ein professionelles<br />
Handeln, durch das in die gewünschte Richtung Einfluss genommen werden kann.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 8
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
5) Das Formulieren von Handlungskompetenzen, die für den Beruf relevant sind und auf die in der theoretischen<br />
und berufspraktischen Ausbildung an der PHGR deshalb bewusst Wert gelegt wird, geschieht<br />
im Bewusstsein, dass wir uns damit in die Diskussion um Standards im Lehrberuf hineinbegeben: Wir<br />
denken nach über „Standards des Lehrerhandelns“.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 9
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Wahrnehmung und systematische Beobachtung<br />
Einführung<br />
„Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen“<br />
(Picasso)<br />
„Als jungem Lehrer sind mir die Zusammenhänge erstmals aufgegangen, als ich den Schülern voller Begeisterung<br />
in der Geographie meine Bilder zeigte und dann ernüchtert feststellen musste, dass sie ihnen in keiner<br />
Weise den erhofften Eindruck machten. So hängte ich beispielsweise ein Bild des berühmten Grand Cañon<br />
auf und erwartete, das löse bei den Schülern dasselbe Staunen aus, das mich jedes Mal ergreift, wenn<br />
ich solche Bilder sehe. Aber nichts dergleichen geschah. Sie hatten eine andere Lebensgeschichte als ich und<br />
hatten auch, da sie ja viel jünger waren, bedeutend weniger erfahren.<br />
Wir dürfen deshalb als Lehrer niemals erwarten, dass die Schüler dasselbe sehen und erleben wie wir, wenn<br />
wir ihnen etwas zeigen. Schon diese Erkenntnis, in Fleisch und Blut übergegangen, bringt uns im Verständnis<br />
unserer Schüler einen Schritt voran.“ (A. Brühlmeier)<br />
Theoretische Perspektive<br />
Die Wahrnehmung bezeichnet den Vorgang der Aufnahme, Strukturierung und Interpretation von Informationen<br />
aufgrund äusserer Reize. Dieser komplexe Prozess lässt sich von zwei Seiten aus betrachten. Zum einen<br />
als „buttom up“-Verarbeitung, wenn die kognitive Verarbeitung von äusseren Reize nur aufgrund der<br />
Analyse der Reizmerkmale stattfindet. Zum anderen als Top-Down-Prozess, wenn das Vorwissen, die Erfahrungen,<br />
die Interessen und die Erwartungen die Wahrnehmung beeinflussen. Tatsächlich nehmen wir nur<br />
einen kleinen Anteil aller Reize wahr. Als Filter fungieren unsere Aufmerksamkeit, die momentane Befindlichkeit<br />
sowie die persönlichen Interessen und Ziele.<br />
Im Modul <strong>Pädagogische</strong> Psychologie I werden nebst neurologischen Abläufen von Wahrnehmungsprozessen<br />
auch Wahrnehmungsfilter und der professionelle Umgang mit möglichen Wahrnehmungsfehlern thematisiert.<br />
Die Konsequenzen, welche sich für Lehr-Lernprozesse aus dieser theoretischen Auseinandersetzung<br />
ergeben, sind in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung.<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> Training der Selbstwahrnehmungsfähigkeit in einem Wahrnehmungsparcours<br />
> Kompetenzen der gezielten und bewussten Wahrnehmung anhand von Videosequenzen und Wahrnehmungsaufträgen<br />
aufbauen<br />
> Sich grundlegende Kenntnisse der Wahrnehmungspsychologie aneignen<br />
> Zwischen subjektivem Erleben, subjektiver Interpretation von Wahrnehmungen und objektiver Beobachtung<br />
unterscheiden<br />
> Merkmale einer möglichst „wertfreien“ Beobachtung und Beschreibung kennen<br />
> Das Protokollschema als Instrument für die systematische Beobachtung anwenden<br />
> Das vorstrukturierte Gespräch und das Interview als Untersuchungsmethoden kennen<br />
> Die Subjektivität der Wahrnehmung thematisieren<br />
> Mögliche Fehlerquellen der Wahrnehmung kennen<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 10
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
im Praktikum:<br />
> Beschreiben der eigenen Unterrichtssequenzen seitens der Praktikantin/des Praktikanten (mit Fokus auf<br />
dem eigenen Handeln)<br />
> Beobachten und Beschreiben von Unterrichtssequenzen der Lernpartnerin/des Lernpartners<br />
> Beobachten und Beschreiben von Lehrsequenzen Unterrichtssequenzen der Praxislehrperson, z.B. das<br />
Wahrnehmen von verschiedenen „Kategorien“ von Lernen und Lehren und den daraus resultierenden<br />
unterschiedlichen Rollen der Lehrperson<br />
> Die persönlichen Wahrnehmungstendenzen beobachten und beschreiben (der Praktikantin, des Lernpartners,<br />
der Praxislehrperson)<br />
> Die unterschiedlichen Wahrnehmungsfähigkeiten der Kinder aufzeichnen<br />
> Beobachtungen im Berufsfeld vornehmen (verschiedene Schulwirklichkeiten, verschiedene Schulstufen,<br />
fachspezifischer Unterricht, Schulhauskultur u.a.)<br />
> Konkrete Beobachtungsaufträge, von der Praxislehrperson formuliert, als weitere Möglichkeit der gezielten<br />
Beobachtung ausführen<br />
Literatur<br />
> Goldstein, E. Bruce (2002): Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag<br />
> Hobmair H. (Hrsg.) (2003): Psychologie. Troisdorf, EINS<br />
> Köck, P. (2003): Praxis der Beobachtung und Beratung. Donauwörth, Auer Thomann, Geri<br />
(2003): Wahrnehmen - Beurteilen - Beraten in Ausbildungssituationen. Luzern, Akademie für Erwachsenenbildung<br />
> Zimbardo, Philip (2004): Psychologie. München, Pearson Studium, S. 156-202<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 11
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Wahrnehmung und systematische Beobachtung<br />
Selbstwahrnehmung und Rollenwechsel<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Die eigene Befindlichkeit<br />
vor/während/nach Interaktionsprozessen<br />
wird wahrgenommen.<br />
<br />
2<br />
<br />
Die eigenen Interessen,<br />
Stärken, Vorlieben, Schwächen,<br />
Erfahrungen, usw.<br />
werden als Wahrnehmungsfilter<br />
erkannt.<br />
.<br />
<br />
3<br />
<br />
Es gelingt, die persönlichen<br />
Wahrnehmungen zu verbalisieren<br />
und zu analysieren. <br />
4<br />
<br />
Die Selbstwahrnehmung<br />
wird durch Selbst- und<br />
Fremdeinschätzung zunehmend<br />
verfeinert.<br />
<br />
5<br />
<br />
Es wird zwischen ‚wertfreien’<br />
Tatsachen und subjektiven<br />
Interpretationen unterschieden.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die Berufsmotivation wird<br />
zunehmend differenziert<br />
wahrgenommen und beschrieben.<br />
<br />
7<br />
<br />
Der Rollenwechsel (Studentin/Student<br />
– Lehrperson)<br />
wird bewusst wahrgenommen<br />
und reflektiert.<br />
<br />
Studierende/-r:___________________________<br />
Beobachter/-in:__________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 12
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Wahrnehmung und systematische Beobachtung<br />
Berufsfeld wahrnehmen<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Die Praktikantin/Der Praktikant<br />
zeigt Bereitschaft, Offenheit und<br />
Spontaneität in der Begegnung<br />
mit Kindergarten- und Schulkindern.<br />
<br />
2<br />
<br />
Die Praktikantin/Der Praktikant<br />
zeigt Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />
mit der Praxislehrperson,<br />
mit der Lernpartnerin/dem<br />
Lernpartner, im Kollegium, u. a.<br />
<br />
3<br />
<br />
Es werden verschiedene Aspekte<br />
des Berufsfeldes beobachtet<br />
(z.B. Räume, Schulhauskultur,<br />
verschiedene Stufen, Zusammenarbeit,<br />
etc.).<br />
<br />
4<br />
<br />
Es findet eine klare Trennung<br />
zwischen Beobachtung und<br />
Interpretation einzelner Aspekte<br />
des Berufsfeldes statt.<br />
<br />
5<br />
<br />
Der subjektive Charakter der<br />
Wahrnehmung und mögliche<br />
Fehlerquellen werden berücksichtigt<br />
und thematisiert.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die Beobachtungsinstrumente<br />
(z.B. Protokollschema, vorstrukturiertes<br />
Gespräch) werden in<br />
unterschiedlichen Situationen<br />
adäquat eingesetzt.<br />
<br />
7<br />
<br />
Die Beobachtungsergebnisse<br />
werden in die weitere Planung<br />
integriert. <br />
Studierende/-r:___________________________<br />
Beobachter/-in:______________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 13
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Kinder wahrnehmen und fördern<br />
Einführung<br />
Jedes Kind ist anders und hat unterschiedliche Bedürfnisse:<br />
Jedes Kind hat eigene Gefühle, individuelle Eigenschaften, Begabungen, unterschiedliche Interessen, Neigungen,<br />
Talente, Stärken und Schwächen.<br />
Jedes Kind trägt spezielle Fähigkeiten in sich, - es ist neugierig, lern- und wissbegierig, möchte seine Umwelt<br />
mit allen Sinnen erkunden, entdecken und begreifen.<br />
Jedes Kind entwickelt sich im eigenem, seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten angepassten Rhythmus.<br />
Jedes Kind braucht anregende Lernsituationen, Bewegungs- und Erfahrungsmöglichkeiten.<br />
Jedes Kind braucht klare Absprachen und Aussagen, Grenzen und Regeln, um sich in einer Gruppe und in<br />
der Gesellschaft zurechtzufinden.<br />
Jedes Kind braucht Achtung, Zuwendung, Ermutigung, Anerkennung, Fürsorge, Begleitung und Unterstützung.<br />
„Es ist freilich eine schwere Sache, sich selbst zu vergessen und so in ein Kinderköpfchen hinein sich zu<br />
denken, da sich umzuschauen, was alles darin und nicht darin sei. Aber wer es versteht, das Kinderherz sich<br />
offen zu erhalten, sieht auch in den Kopf hinein und erkennt, was er bedarf.“<br />
(Jeremias Gotthelf)<br />
Theoretische Perspektive<br />
Wenn von Entwicklung die Rede ist, dann ist damit immer ein Prozess der Veränderung gemeint. So auch in<br />
der Entwicklungspsychologie, die sich mit den dauerhaften Veränderungen des menschlichen Erlebens und<br />
Verhaltens im Laufe des Lebens befasst. Solche Veränderungen sind nicht zufällig, sondern folgen einem<br />
bestimmten Plan, sind zielgerichtet und treten in einer bestimmten Reihenfolge auf.<br />
In der Theorie werden drei Gruppen von Faktoren als Ursachen der Entwicklung genannt:<br />
<strong>1.</strong> die genetische Ausstattung (endogene Faktoren)<br />
2. die Umwelteinflüsse (exogene Faktoren) und<br />
3. die Selbststeuerung (autogene Faktoren).<br />
Diese Faktoren beeinflussen sich gegenseitig, und es besteht eine Wechselwirkung zwischen den verschiedenen<br />
Ursachen von Entwicklung. Diese Haltung in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion, welche die<br />
autogenen Faktoren und die Wechselwirkungen betont, trägt dazu bei, die Anlage-Umwelt-Debatte zu entschärfen.<br />
Auch Lernen versteht sich als Änderung des Verhaltens aufgrund von günstigen Umwelteinflüssen, doch es<br />
braucht zudem noch eine bestimmte Reifung und Motivation, damit Lernen überhaupt möglich ist.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 14
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
Die Studierenden<br />
> lernen wichtige Grundbegriffe der Entwicklungspsychologie kennen<br />
> eignen sich entwicklungspsychologische Grundkenntnisse in mindestens vier ausgewählten Bereichen<br />
der Entwicklungspsychologie an (Auswahl aus den Bereichen: soziale, kognitive, motorische, moralische,<br />
geschlechtsspezifische Entwicklung und Selbstwahrnehmung)<br />
> erarbeiten konkrete Beobachtungskriterien für die Begleitung eines Kindes<br />
> beobachten und begleiten ein Kind über mehrere Monate in ihrer Freizeit und erwerben dadurch Einsichten<br />
in Lebensumstände, Lernbedingungen, Lernverhalten und in die Entwicklungsprozesse des ausgewählten<br />
Kindes<br />
> erwerben Fähigkeiten, die ihnen erlauben, beobachtetes Verhalten zu interpretieren<br />
> entwickeln Möglichkeiten, wie sie Kinder in ausgewählten Bereichen zielgerichtet und situativ angepasst<br />
begleiten und fördern können<br />
im Praktikum:<br />
> Einzelne Kinder in verschiedenen Situationen und bei verschiedenen Aktivitäten gezielt beobachten und<br />
ihr Verhalten anhand des Protokollschemas beschreiben (im Unterricht, auf dem Pausenplatz, beim Spielen<br />
und Lernen, beim Streiten, u.a.)<br />
> Einzelne Kinder in vordefinierten Entwicklungsbereichen (z.B. motorische Entwicklungsaspekte im Turnen<br />
oder auf dem Pausenplatz, soziale Aspekte bei Gruppenarbeiten, kognitive Strategien beim Problemlösen<br />
usw...) beobachten und beschreiben. Vergleichen der Ergebnisse der Beobachtungen mit den theoretischen<br />
Kenntnissen aus dem Modul PPI. Entsprechende Beobachtungsaufträge können auch von der<br />
Praxislehrperson formuliert werden<br />
> Vergleich von Beobachtungen und persönlichen Interpretationen mit denen des Praktikumspartners / der<br />
Praktikumspartnerin und der Praxislehrperson<br />
> Studierende schlagen ressourcenorientierte Fördermöglichkeiten für einzelne Kinder vor (im Sinne der<br />
proximalen Entwicklung nach Wygotski, 7 nicht als Stützunterricht zu verstehen)<br />
> Studierende planen einfache förderorientierte Einzelbetreuungssequenzen, führen diese durch und werten<br />
sie aus<br />
Literatur<br />
> Berk, Laura (2005): Entwicklungspsychologie. München, Pearson Studium<br />
> Camaioni, L., Di Blasio, P. (2002): Psicologia dello sviluppo. Bologna, Il Mulino<br />
> Hobmair, H. (Hrsg.) (2003): Psychologie. Troisdorf, EINS<br />
> Levorato, M. Chiara (2002): Lo sviluppo psicologico. Dal neonato all’adolescente. Torino, Einaudi<br />
> Mietzel, Gerd (2002): Wege in die Entwicklungspsychologie. Stuttgart, Klett-Cotta<br />
> Oerter, Rolf und Montada, Leo (2002): Entwicklungspsychologie. Basel, Beltz<br />
> Rossmann, Peter (1996): Einführung in die Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters.<br />
Bern, Huber<br />
> Zimbardo, Philip (2004): Psychologie. München, Pearson Studium<br />
7 Die „Zone der proximalen Entwicklung“ ist die Distanz zwischen dem aktuellen Entwicklungsstand eines Kindes<br />
und der höheren Ebene als potentielle Fähigkeit, ein Problem unter Anleitung Erwachsener oder anderer Kinder<br />
zu lösen. Dieser Begriff stammt von russischen Psychologen Lew S. Wygotski.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 15
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Kinder wahrnehmen und fördern<br />
Kinder wahrnehmen<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Kriterien zur gezielten Beobachtung<br />
von Kindern werden<br />
vor der eigentlichen<br />
Beobachtung definiert.<br />
<br />
2<br />
<br />
Die Beobachtung einzelner<br />
Kinder ist wertfrei und beinhaltet<br />
keine persönliche<br />
Interpretation.<br />
<br />
3<br />
<br />
Um Einblicke in die Welt von<br />
Kindern zu erhalten, werden<br />
geeignete Wahrnehmungsinstrumente<br />
ausgewählt<br />
und eingesetzt (z.B.<br />
Beobachtungsprotokoll,<br />
vorstrukturiertes Gespräch).<br />
<br />
4<br />
<br />
Die/Der Studierende ist sich<br />
bei der Beobachtung von<br />
Kindern der möglichen Fehlerquellen<br />
bewusst und ist<br />
bestrebt, diese zu minimieren.<br />
<br />
5<br />
<br />
Die Ergebnisse der gezielten<br />
Beobachtung einzelner<br />
Kinder werden interpretiert<br />
und mit den Beobachtungen<br />
der Praxislehrperson verglichen<br />
bzw. ergänzt.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die Interpretation der Beobachtung<br />
von Kindern basiert<br />
auf den theoretischen<br />
Grundlagen der Entwicklungspsychologie.<br />
<br />
7<br />
<br />
Aus den Beobachtungsergebnissen<br />
werden konkrete<br />
und realistische Förderungsvorschläge<br />
abgleitet.<br />
<br />
Studierende/-r: _________________________ Beobachter/-in: ________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 16
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Kinder wahrnehmen und fördern<br />
Kinder fördern<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Die vorgeschlagenen Fördermassnahmen<br />
basieren<br />
auf einer gezielten Beobachtung<br />
und werden klar<br />
begründet.<br />
<br />
2<br />
<br />
Die Fördermassnahmen sind<br />
ressourcenorientiert (was<br />
kann das Kind mit meiner<br />
Hilfe erreichen?) und berücksichtigen<br />
die Interessen<br />
und Fähigkeiten des Kindes.<br />
<br />
3<br />
<br />
Die Fördersequenzen sind<br />
gründlich geplant und sorgfältig<br />
vorbereitet.<br />
<br />
4<br />
<br />
Das eingesetzte Material<br />
unterstützt die Förderaktivität<br />
in sinnvoller Weise. <br />
5<br />
<br />
Während der Fördersequenz<br />
kann das Kind das eigene<br />
Vorwissen einbringen und<br />
sich aktiv beteiligen.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die/Der Studierende erfasst<br />
in der Fördersituation Strategien,<br />
Ressourcen und<br />
Fehler des Kindes.<br />
<br />
7<br />
<br />
Zwischenergebnisse der<br />
Fördersequenz werden auf<br />
adäquate Weise festgehalten.<br />
<br />
8<br />
<br />
Eine sinnvolle Auswertung<br />
der Fördereinheit liefert<br />
Anhaltspunkte für eine<br />
weitere Förderung des Kindes<br />
im ausgewählten Bereich.<br />
<br />
Studierende/-r: _________________________ Beobachter/-in: ________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 17
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Spielen im Unterricht<br />
Einführung<br />
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“<br />
F. Schiller in „Die ästhetische Erziehung des Menschen“.<br />
„Liebt die Kindheit, fördert ihre Spiele, ihre Freuden, ….“<br />
J.-J. Rousseau in „Emile“, S. 55<br />
„Der Unterricht bedarf der Strenge, er darf nicht zum Spiel ausarten.“<br />
Lü Bu We, chin. Philosoph, ca. 300 v. Chr.<br />
Theoretische Perspektive<br />
Spielen ist eine jener natürlichen Lernformen, die das Kind spontan aus sich heraus entwickelt, ähnlich dem<br />
Nachahmen, dem Erkunden und Experimentieren. Im Spiel setzt es sich mannigfaltig mit seiner Umwelt auseinander<br />
und entwickelt grundlegende Verhaltensweisen und Fähigkeiten. Es fällt auf, dass Spiele im institutionalisierten<br />
Lernen in der Primarschule eher selten sind. Das mag daran liegen, dass kognitive Prozesse und<br />
Ziele im Unterricht als vorrangig angesehen werden. Vielleicht kommt hinzu, dass man Spiele als Tätigkeitsform<br />
kleiner Kinder ansieht, sie zuwenig ernst nimmt oder gar nutzlos findet. Mag sein, dass Lehrpersonen<br />
selbst unter den wachsenden Leistungsanforderungen an der Schule verlernt haben zu spielen (vgl. Messner<br />
in Grunder et. al., 2007, S. 193).<br />
Spielen in unserer heutigen Gesellschaft ist nach Meyer (2005) durch folgende Tendenzen gekennzeichnet:<br />
> Spielen wird immer stärker kommerzialisiert. Spiel-Moden sind immer stärker an profitträchtige Medien<br />
und Materialen gebunden. Kindern fällt es immer schwerer, in ihrer Freizeit auch medienunabhängig zu<br />
spielen.<br />
> Spiel erhält eine immer stärker kompensatorische Funktion. Kinder und Erwachsene spielen, um fremdbestimmte<br />
Arbeit besser und länger ertragen zu können.<br />
> Spiele sind immer stärker konkurrenz- und wettkampforientiert. Traditionelle Spiele ohne Sieger haben es<br />
schwer und sind Kindern oft nur schwer schmackhaft zu machen. Lustbetontes, zweckfreies, in Musse<br />
und selbstvergessener Freiwilligkeit stattfindendes Spiel, angesiedelt „zwischen Wirklichkeit und Traum“<br />
(Meyer, S. 344), wird immer seltener.<br />
Lehrerpersonen, die im Unterricht spielen wollen, um das Lernen damit kindgemäss, lebendig und menschlich<br />
zu machen, müssen sich dieser Tendenzen bewusst sein. Dennoch ist gegen eine reflektierte „Verzweckung“<br />
des Spiels im Unterricht nichts einzuwenden, gerade auch, wenn man sich klar macht, welche Argumente<br />
für das Spielen in der Primarschule sprechen, z.B.:<br />
> Das Spiel fördert einen gleitenden Übergang vom Kindergarten in die Primarschule.<br />
> Bestimmte Spiele bieten den Freiraum, neue Wege auszuprobieren, mit originellen Lösungen zu experimentieren<br />
und Phantasie zu wagen.<br />
> Bestimmte Spiele eröffnen Wege zu entspanntem Umgang mit emotionalen Problemen und sozialen<br />
Konflikten.<br />
> Spiele ermöglichen Erfahrungen mit konzentriertem Handeln und verweilendem Tun.<br />
> Das notwendige Üben und Vertiefen kann durch Spiele differenziert und wesentlich motivierender gestaltet<br />
werden.<br />
> Viele Spiele bieten gute Bewegungsanreize und helfen, Anspannungen abzubauen und den „Sitzunterricht“<br />
aufzulösen.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 18
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> Sich aus Alltagserfahrungen und der Alltagssprache heraus darüber klar werden, welches entscheidende<br />
Merkmale von Spiel sind bzw. welches die Gemeinsamkeiten ganz verschiedener Spielformen sind. Was<br />
ist eigentlich ein Spiel?<br />
> Sich mit grundlegenden Gedanken auseinandersetzen zur Bedeutung des Spiels für die menschliche<br />
Entwicklung, zu gesellschaftlichen Tendenzen wie Konkurrenz- und Wettbewerbsorientierung im Spiel,<br />
etc.<br />
> Einen groben Überblick gewinnen über Begriffe und verschiedene Spielformen (z.B. spontane Spiele,<br />
vorstrukturierte Spiele, Spiele zur Förderung sozialer, personaler, kognitiver Kompetenzen, Rollenspiele,<br />
Denkspiele, Interaktionsspiele, Simulationsspiele, etc.)<br />
> Einige konkrete Spielformen kennen lernen, in der Gruppe durchführen, anleiten<br />
> Spiele hinsichtlich ihrer Funktionen analysieren<br />
> Argumente pro und contra Spielen in der Primarschule kennen und diskutieren<br />
im Praktikum:<br />
> Zu Beginn des Praktikums Interaktionsspiele zum gegenseitigen Kennenlernen planen, durchführen und<br />
auswerten<br />
> In verschiedenen Lernbereichen verschiedene Spielsituationen gestalten - im Bewusstsein der Funktion<br />
des Spieles und dessen, was man mit dem Spiel erreichen möchte<br />
> Gruppenbildung für Spiele in Gruppen bewusst und überlegt vornehmen<br />
> Spielstunde oder Spielnachmittag gestalten<br />
> Lernspiele als sinnvolle Zusatzarbeit (z.B. für schnell arbeitende Schülerinnen) auswählen bzw. gestalten,<br />
einsetzen und auswerten<br />
> Erweiterung des persönlichen Spiele-Repertoires, Spielideen sammeln, ordnen, unbekannte Spiele mit<br />
den Kindern erproben und kritisch auswerten<br />
Literatur<br />
> Grunder, H.-U./ Ruthemann, U./ Scherer, S. / Singer, P./ Vettiger, H. (2007): Unterricht verstehen<br />
– planen – gestalten – auswerten. Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren<br />
> Meyer, H. (2005): Unterrichtsmethoden II: Praxisband. Berlin, Cornelsen Scriptor<br />
> Petillon, H. / Valtin R. (Hrsg.) (1999): Spiele in der Grundschule. Grundlagen, Anregungen, Beispiele.<br />
Frankfurt a. M., Grundschulverband<br />
> Bildung Schweiz. Zeitschrift des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH), Nr. 7/8, 2005<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 19
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Spielen im Unterricht<br />
Spielen im Unterricht<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Das Spiel wird sinnvoll in<br />
den Unterricht bzw. den<br />
Lernprozess integriert.<br />
<br />
2<br />
<br />
Gruppeneinteilung (wo<br />
nötig) und Materialeinsatz<br />
sind gut durchdacht.<br />
<br />
3<br />
<br />
Spielsituationen werden im<br />
Bewusstsein der angestrebten<br />
Ziele und Funktionen<br />
des gewählten Spiels geplant.<br />
<br />
4<br />
<br />
Das Spiel wird von der/dem<br />
Studierenden selber beherrscht,<br />
die Regeln werden<br />
den Kindern gut verständlich<br />
erklärt.<br />
<br />
5<br />
<br />
Allfälliger Freiraum für die<br />
Kinder für die Entwicklung<br />
oder Veränderung von Regeln<br />
wird klar kommuniziert,<br />
entsprechende Tätigkeiten<br />
der Kinder unterstützt.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die Rolle als Spielleiter/-in<br />
wird wahrgenommen (z. B.<br />
unterstützen, beobachten,<br />
führen, intervenieren).<br />
<br />
7<br />
<br />
Mit der Frage der Konkurrenz-<br />
und Wettbewerbsorientierung<br />
beim Spielen wird<br />
bewusst und sorgfältig<br />
umgegangen.<br />
<br />
8<br />
<br />
Das eigene Spiele-<br />
Repertoire wird aktiv, kritisch<br />
und möglichst vielfältig<br />
erweitert.<br />
<br />
9<br />
<br />
Spielsituationen werden<br />
engagiert ausgewertet,<br />
Konsequenzen, Folgerungen<br />
werden festgehalten und<br />
fruchtbar gemacht.<br />
<br />
Studierende/-r:________________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 20
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Grundformen des darbietenden Unterrichts<br />
Einführung<br />
Dienstagnachmittag - die Lehrperson hat Werkplätze für ihre elf Kinder eingerichtet und alles Material für die<br />
Stunde vorbereitet: verschiedene Sägen, Sägenblätter und Schleifpapier. Nachdem die Kinder in vorgängigen<br />
Stunden ihr persönliches Glückssymbol entworfen, als Puzzle aufs Papier gebracht und anschliessend auf die<br />
Holzplatten übertragen haben, gilt es in dieser Stunde, die Handhabung der verschiedenen Sägen und die<br />
Technik des Sägens kennen zu lernen und zu üben. Im Anschluss an diese Einübungsphase sollen die Entwürfe<br />
auf den Holzplatten ausgesägt werden, so dass ein den Fertigkeiten und Fähigkeiten des einzelnen<br />
Kindes entsprechendes exaktes Glückssymbol-Puzzle entsteht.<br />
Erwartungsvoll stehen die Kinder um den Werkplatz und hören aufmerksam zu, worauf es bei der Handhabung<br />
der verschiedenen Sägen ankommt. Die Lehrperson fragt die Kinder nach ihren Vorerfahrungen. Karin,<br />
die oft in der Schreinerei des Vaters ‚mithilft’, darf die Einführung übernehmen und zeigt ihren Klassenkameraden/-innen,<br />
wie es die Säge korrekt zu halten gilt, damit sie nicht immer wieder im Holz stecken<br />
bleibt. Die Lehrperson ergänzt so weit nötig die einzelnen Ausführungen Karins. Danach fordert sie die Kinder<br />
auf, an den Übungsplatten selber auszuprobieren. Sie repetieren gemeinsam die aufgestellten Regeln<br />
und dann beginnen die Kinder mit Eifer zu sägen. Die Lehrperson beobachtet, hilft wo nötig, korrigiert die<br />
Haltung. Karin ist ‚Assistentin’, bis sie ihre Holzplatte mit dem Glücksymbol holt und die einzelnen Teile auszusägen<br />
beginnt.<br />
Nachdem jedes Kind mindestens einen geglückten Sägeversuch vorweisen kann, zeigt die Lehrperson, wie<br />
die Kanten des Holzteils mit dem Schleifpapier ausgearbeitet und verfeinert werden können. Die Kinder ü-<br />
ben wiederum an ihrem Holzstück, bis es dann gilt, die vorbereitete Holzplatte in den Schraubstock einzuspannen.<br />
Theoretische Perspektive<br />
Beim Darbieten geht es darum, den Lernenden einen Inhalt mit geeigneten Mitteln und Formen nahe zu<br />
bringen. Rein äusserlich betrachtet erscheint das Darbieten als ein monologisches Vermitteln von Inhalten.<br />
Die zentrale Position der Lehrperson verweist die Adressaten in eine Empfängerrolle. Die Lehrform „Darbieten“<br />
ist wegen der Sprachlastigkeit, ihrer starken Zentrierung auf die Lehrperson und die Gefahr der Passivität<br />
auf Seiten der Kinder von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Anstelle eines darbietenden Unterrichts<br />
wurde ein selbsttätig-erarbeitender Unterricht gefordert. Die Kontroverse um das „Gegensatzpaar“ Darbieten<br />
und Erarbeiten ist in der Geschichte der Didaktik seit dem 19. Jahrhundert in immer neuen Ausprägungen<br />
geführt worden.<br />
Der Kritik am darbietenden Unterricht gegenüber stehen jedoch Beobachtungen, wie Schülerinnen und<br />
Schüler gebannt einer erzählten Geschichte zuhören, wie sie dem Vortrag einer eingeladenen Fachperson<br />
konzentriert lauschen, wie sie durch Vorzeigen und Nachmachen grundlegende Fertigkeiten effizient lernen,<br />
und nach wie vor gilt gerade bei Schülerinnen und Schülern diejenige als gute Lehrerin, die „gut erklären<br />
kann“. Richtig - das heisst gezielt, bewusst und „gekonnt“ eingesetzt - werden deshalb darbietende<br />
Grundformen ihren Platz in einem methodisch vielfältigen Unterricht auch in Zukunft behalten.<br />
Grundformen des Darbietens sind:<br />
- Vortragen, Referieren<br />
- Vorlesen<br />
- Erzählen<br />
- Erklären<br />
- Vorzeigen – Nachmachen (als Zwischenform zwischen Darbieten und Erarbeiten)<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 21
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> Erarbeiten theoretischer Kenntnisse zum darbietenden Unterricht allgemein (u. a. in Gegenüberstellung<br />
zum erarbeitenden Unterricht), Grundlagenwissen zu den einzelnen Grundformen des Darbietens<br />
> Geschichten zum Vorlesen und Erzählen vorbereiten, Vorlese- und Erzählsituationen gestalten bzw.<br />
durchführen (erste „Auftritte“ in der Gruppen von Studierenden und in Schulklassen im Rahmen der<br />
Ateliers). Studierende erhalten Feedbacks und werten Erfahrungen und Beobachtungen aus<br />
> Auseinandersetzung mit dem Bildungsgehalt von (vorgelesenen oder erzählten) Geschichten<br />
> Diskussion von Erfahrungen von Experten (Atelier-Praxislehrpersonen) mit den verschiedenen darbietenden<br />
Grundformen<br />
> Versuche und Übungen rings um „Sich-Exponieren“, „In-den-Vordergrund-treten“. Arbeit an der persönlichen<br />
„Auftrittskompetenz“ (z.B. Blickkontakt, Stimme, Körpersprache)<br />
> Durchführen einer Lernsituation zum Vorzeigen – Nachmachen in einer Gruppe von Studierenden und<br />
Erarbeiten wichtiger Gesichtspunkte für Planung, Durchführung und Auswertung dieser Grundform<br />
> Versuche mit klaren und adressatengerechten Erklärungen und Kurzvorträgen in der Studierendengruppe<br />
und z. T. in Schulklassen der Zielstufe, Herausarbeiten von Merkmalen guter Erklärungen bzw. Mittel<br />
zur Gestaltung verständlicher Erklärungen<br />
> Auseinandersetzung mit dem Problem des Verstehens: Unter welchen Umständen werden „vermittelte“<br />
Informationen verstanden? Bedeutung von Transformationen zwischen den verschiedenen Medien des<br />
Denkens (nach Bruner: enaktiv, ikonisch, symbolisch)<br />
im Praktikum:<br />
> Studierende setzen die verschiedenen darbietenden Grundformen bewusst und gezielt in eigenen Unterrichtssequenzen<br />
ein<br />
> Studierende geben Praxislehrperson und Praktikumspartnerin klare Beobachtungsaufträge, erhalten<br />
Feedbacks zu ihren darbietenden Unterrichtsversuchen und holen in geeigneter Form auch Rückmeldungen<br />
der Kindern ein<br />
> Studierende experimentieren mit verschiedenen Graden des Sich-Exponierens vor der Klasse und werten<br />
ihre Erfahrungen aus<br />
> Am Modell der Praxislehrperson lernen: Erzählsequenzen, Kurzreferate, Erklärungen etc. der Praxislehrperson<br />
kriteriengeleitet beobachten und auswerten<br />
> In Lernsituationen, in denen auf Verstehen gezielt wird (v. a. Erklären, Vortragen) bewusst Transformationen<br />
zwischen den drei Repräsentationsmodi einsetzen<br />
> Darbietende Grundformen in Abhängigkeit von den Zielen, die man erreichen will, auswählen und einsetzen<br />
Literatur<br />
> Bucher, R.: Geschichten erzählen. In: Ueli Aeschlimann / Hans Christoph Berg. Berner Lehrkunstwerkstatt.<br />
Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Zentralstelle für Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung<br />
> Gasser, Peter (2003): Lehrbuch Didaktik. Bern, h.e.p.verlag, Kap. 5, 6, 7, 8, 12<br />
> Grunder, H.-U./ Ruthemann, U./ Scherer, S. / Singer, P./ Vettiger, H. (2007): Unterricht verstehen<br />
– planen – gestalten – auswerten. Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren<br />
> Meyer, H. (2005): Unterrichtsmethoden II: Praxisband. Berlin, Cornelsen Scriptor<br />
> Schami, R. (1995): Erzähler der Nacht. München, Deutscher Taschenbuch Verlag<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 22
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Grundformen des darbietenden Unterrichts<br />
Erzählen<br />
1<br />
<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
Die/Der Studierende hat<br />
den Inhalt der erzählten<br />
Geschichte zum Voraus<br />
sorgfältig analysiert (z. B.<br />
Sinngehalt, Gefühle, Stimmungen,<br />
Wertungen, Gliederung,<br />
Dynamik).<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
2<br />
<br />
3<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
Der/Die Studierende wählt<br />
eine Geschichte aus, die<br />
sich fürs Erzählen eignet<br />
(Identifikationsmöglichkeiten,<br />
Gelegenheit, Bilder und<br />
Emotionen zu entwickeln,<br />
Spannung, etc.).<br />
Der/Die Studierende spricht<br />
frei und verwendet eine<br />
Erzählsprache, die sich von<br />
der Sprache blosser Mitteilung<br />
abhebt (bild- und emotionsstiftende<br />
Sprache, z.B.<br />
verzaubern, Zorn, Freude,<br />
Trauer hervorbringen, Bilder<br />
und Vorstellungen im Zuhörenden<br />
hervorrufen).<br />
Die/Der Studierende gestaltet<br />
die Erzählsituation so<br />
(Sitzordnung, Konzentration,<br />
Zeit, etc.), dass die<br />
Klasse als Ganzes angesprochen<br />
wird und ein gemeinsames<br />
Erlebnis möglich<br />
wird.<br />
Sprachmelodie /-rhythmus,<br />
nichtsprachliche Ausdrucksformen<br />
(Gestik, Mimik,<br />
Blickkontakt) unterstützen<br />
die Kommunikation mit den<br />
Zuhörenden.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
6<br />
<br />
Einstieg in die Geschichte<br />
und Abschluss sind gut<br />
durchdacht. <br />
7<br />
<br />
Die Kinder haben Gelegenheit,<br />
Ihre Emotionen und<br />
aufgebauten Bilder auszudrücken.<br />
<br />
Studierende/-r:______________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 23
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Grundformen des darbietenden Unterrichts<br />
Vorzeigen – Nachmachen<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Der/Die Studierende beherrscht<br />
den vorgezeigten Handlungsablauf.<br />
<br />
2<br />
<br />
Die/Der Studierende hat organisatorische<br />
Fragen im Voraus gut<br />
durchdacht (z. B. Material, Gestaltung<br />
der Arbeitsplätze, Abläufe).<br />
<br />
3<br />
<br />
Den Kindern sind Sinn und Bedeutung<br />
des zu Lernenden bekannt,<br />
sie haben eine klare<br />
Vorstellung vom Handlungsziel.<br />
<br />
4<br />
<br />
Der/Die Studierende achtet auf<br />
Sichtkontakt und sorgt für Aufmerksamkeit.<br />
<br />
5<br />
<br />
Der Lerninhalt wird sinnvoll in<br />
Teilschritte aufgeteilt, die Lernenden<br />
können dem Ablauf<br />
folgen.<br />
<br />
6<br />
<br />
Das Vorzeigen wird begleitet<br />
durch einen präzisen Kommentar<br />
bzw. angemessene Hinweise<br />
bezüglich Schwierigkeiten und<br />
Handlungsresultat.<br />
<br />
7<br />
<br />
Die/Der Studierende unterstützt<br />
die Kinder durch angemessene<br />
Kontrolle, Impulse, Korrektur<br />
und Lob. Das Prinzip der minimalen<br />
Hilfe wird beachtet.<br />
<br />
8<br />
<br />
Die Endergebnisse werden präsentiert,<br />
vorgestellt oder Lernerfahrungen<br />
mitgeteilt.<br />
<br />
9<br />
<br />
Die/Der Studierende gibt Impulse<br />
für das Variieren und Perfektionieren<br />
der neu erworbenen<br />
Fähigkeit.<br />
<br />
Studierende/-r:______________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 24
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Grundformen des darbietenden Unterrichts<br />
Vorlesen<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Die/Der Studierende wählt<br />
eine Geschichte oder einen<br />
Text aus, der sich zum Vorlesen<br />
eignet (z.B. Spannung,<br />
Thematik) und den<br />
Kindern und den Zielen<br />
angepasst ist.<br />
<br />
2<br />
<br />
Das Vorlesen wird sorgfältig<br />
vorbereitet (Überlegungen<br />
punkto Stimmungen,<br />
Sprechtempo, Stimmlage,<br />
Lautstärke, Pausen, Betonung,<br />
Mimik, Gestik etc.)<br />
und geübt.<br />
<br />
3<br />
<br />
Für die Kinder (zu) schwierige<br />
Satzkonstruktionen,<br />
Ausdrücke oder Wendungen<br />
werden ersetzt oder zusätzlich<br />
umschrieben. Die Darbietung<br />
ist verständlich.<br />
<br />
4<br />
<br />
Die/Der Studierende gestaltet<br />
die Rahmenbedingungen<br />
der Vorlesesituation bewusst<br />
(z.B. Einleitung, Sitzordnung,<br />
Dauer, Veranschaulichungen).<br />
<br />
5<br />
<br />
Das Vorlesen ist modellhaft,<br />
flüssig, fehlerfrei, artikuliert<br />
und dient den Kindern als<br />
Sprachvorbild.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die/Der Studierende löst<br />
sich so weit vom Vorlesetext,<br />
dass Blickkontakt und<br />
Interaktion mit den Zuhörenden<br />
zustande kommt.<br />
<br />
7<br />
<br />
Die Kinder erhalten während<br />
der Darbietung<br />
und/oder im Anschluss daran<br />
die Gelegenheit zu sinnvoller<br />
Aktivität.<br />
<br />
Studierende/-r: ______________________ Beobachter/-in: _________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 25
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Grundformen des darbietenden Unterrichts<br />
Erklären und Vortragen/Referieren<br />
1<br />
<br />
2<br />
<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
Das Dargebotene ist inhaltlich<br />
korrekt.<br />
<br />
Die Dauer der Darbietung<br />
ist der Aufmerksamkeitsund<br />
Konzentrationsfähigkeit<br />
der Kinder angepasst.<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
3<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
6<br />
<br />
7<br />
<br />
8<br />
<br />
Die Stimme der/des Studierenden<br />
ist in Lautstärke,<br />
Sprechtempo, Betonung<br />
usw. der Situation, und der<br />
Sache angepasst.<br />
Der/Die Studierende passt<br />
Wortwahl und Satzstrukturen<br />
den Voraussetzungen<br />
der Zuhörenden an. Unbekannte<br />
oder schwierige<br />
Wörter und Wendungen<br />
werden sinnvoll ersetzt oder<br />
umschrieben.<br />
Das nonverbale Verhalten<br />
der/des Studierenden (Gestik,<br />
Mimik, Blickkontakt,<br />
Bewegung im Raum, Körpersprache)<br />
drückt Präsenz<br />
aus und ist dem Inhalt und<br />
den Zuhörenden angepasst.<br />
In der Darbietung bewegt<br />
sich der/die Studierende<br />
sinnvoll zwischen den verschiedenen<br />
Repräsentationsmodi<br />
(ikonisch – enaktiv<br />
– symbolisch).<br />
Mittel wie Personifizieren,<br />
Konkretisieren, Visualisieren,<br />
Dramatisieren etc.<br />
werden geschickt eingesetzt.<br />
Die Kinder werden in angemessener<br />
Weise in die<br />
Darbietung einbezogen<br />
und/oder werden zu einer<br />
sinnvollen Verarbeitung der<br />
Information angeleitet.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Studierende/-r:______________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 26
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Gesprächsformen im Unterricht<br />
Einführung<br />
Aus einem Unterrichtsgespräch zum Phänomen des Schalls (4. Klasse):<br />
Lehrer: Weiss jeder noch, wie ein Ton entsteht?<br />
Dietmar: Da muss man wo draufschlagen, dann gibt’s einen Ton.<br />
Lehrer: Ich denke, der Dietmar hat dazwischen was vergessen!<br />
Wolfgang: Der Dietmar hat des vergessen, was da in der Mitte passiert. Da, durch den Schlag, da muss das<br />
Fell von der Trommel da, des muss wackeln, und wenn was wackelt, so zittert, so hin und her,<br />
dann ist’s meistens ein Ton.<br />
Rainer: Beim Xylophon und so, bei der Geige, da zittert’s auch.<br />
Thomas: Das ham wir letztes Mal rauskriegt, einen Ton gibt’s, wenn man etwas wackeln oder zittern<br />
macht.<br />
Toni: Des Wackeln kann ma aber nicht immer sehen, nur wenn man ganz genau hinguckt.<br />
Stephan I: …Da, wenn ein Düsenjäger übers Haus fliegt, da wackelt auch’s Fenster, und das gibt dann<br />
auch einen Ton….Wie kommt das?<br />
Stephan II: Der Schall, das Geräusch da von dem Düsenjäger, das prallt da an das Fenster, und da wackelt<br />
des, weil’s dranprallt. Wenn man in die Hand schreit, da tut auch der Schall auf die Hand drücken.<br />
Lehrer: Ich will euch etwas Ähnliches zeigen. Jeder darf einmal das Tamburin in die Hand nehmen und<br />
ich schreie etwas in die Richtung des Tamburins. Jeder soll dabei die Hand auf das Tamburinfell<br />
legen und dann berichten….<br />
Versuch<br />
Thomas: Das wackelt.<br />
Stephan: Da stösst der Schall dran, das stösst so ruckartig.<br />
Rainer: …Da kommt der Ton durch die Luft, und da spürt man’s so, wie der Ton dranstösst…<br />
Wolfgang: Im Ohr, da haben wir auch ein Trommelfell, und da wackelt des auch, wenn da der Schall da ins<br />
Ohr kommt. Stimmt des, Herr Thiel?<br />
Lehrer: Ja, Wolfgang, da haben wir genauso ein Fell. Wenn ein Schall oder ein Geräusch an unser Ohr<br />
dringt, so gelangt er durch das Loch im Ohr an das Trommelfell und lässt es hin und her<br />
schwingen. Diese Schwingungen werden dann ins Gehirn übertragen, und wir hören.<br />
Thomas: Das ist toll! Da wackelt’s auch im Ohr.<br />
Lehrer: Nun können wir auch etwas darüber aussagen, wie ein Schall zum Beispiel von Dietmar zu Toni<br />
kommt!<br />
…. ….<br />
Aus: Wagenschein, M. (1997): Kinder auf dem Wege zur Physik, S. 134/135. Basel, Beltz<br />
Theoretische Perspektive<br />
Trotz des Einzugs verschiedenster Medien in den Schulalltag bleiben Gespräche im Unterricht eine zentrale<br />
Lehr- und Lernform. Allerdings birgt wohl kein anderes Handlungsmuster ein derart hohes Potential, angehende<br />
Lehrpersonen in die „Vertrautheitsfalle“ tappen zu lassen: Durch die grosse Vertrautheit mit Unterrichtsgesprächen,<br />
die man während der eigenen Schulzeit durch unzählige Stunden 8 „fragendentwickelnden<br />
Unterrichts“ erlangt hat, liegt die Gefahr nahe, dass das bekannte und internalisierte Muster,<br />
sozusagen das „Urbild“ von Unterricht, in der eigenen Unterrichtstätigkeit spontan, oft ungezielt und unreflektiert<br />
angewendet wird. Gespräche im Unterricht erscheinen denn auch oftmals als bequeme und einfache<br />
Lehrform, und es wird gerade von Anfängern häufig übersehen, dass es sich in Wirklichkeit um eine sehr<br />
schwierige und anspruchsvolle Unterrichtsmethode handelt - vielleicht sogar um die schwierigste und anspruchsvollste<br />
überhaupt.<br />
8 Meyer formuliert, mit Bezug auf empirische Untersuchungen die These „Das gelenkte Gespräch ist, rein quantitativ<br />
gesehen, das wichtigste Handlungsmuster der Schule. Es macht die Hälfte des gesamten und zwei Drittel des<br />
Frontalunterrichts aus.“ (Meyer, 2005, S. 283).<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 27
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Je nach Funktion und Ziel des Gesprächs und je nach Ausmass der Lenkung durch die Lehrperson kann<br />
man verschiedene Gesprächsformen unterscheiden. In der Ausbildung im <strong>1.</strong> Studienjahr werden exemplarisch<br />
zwei Formen genauer betrachtet: Das Lehrgespräch als gelenkte Form (auch als fragend-entwickelndes<br />
Gespräch bekannt) und die Diskussion als offenere Form (zum Teil auch als freies Unterrichtsgespräch bezeichnet).<br />
Das Lehrgespräch kann man als eine Grundform des Unterrichtens betrachten, die zwischen einem darbietenden<br />
und einem selbstständig erarbeitenden Unterricht steht. Beim Lehrgespräch erfolgt die Vermittlung<br />
von Inhalten „in einem fruchtbaren Wechselspiel von Erklärungen und Impulsen der Lehrperson und Beiträgen<br />
der Lernenden“ (Grunder, S. 158). Als „Bestimmungsstücke“ für die Grundform Lehrgespräch können<br />
gelten:<br />
> Mündliche Anteile der Lehrperson und der Kinder wechseln sich ab<br />
> Auf der Seite der Lehrperson sind Impulse (z.B. Aufgabenstellungen, Aufforderungen), Fragen, wie<br />
auch kurze Erklärungen bestimmend, wobei der Sprechanteil der Lehrperson möglichst gering ausfällt<br />
> Auf der Seite der Schülerinnen und Schüler sind möglichst anspruchsvolle Denkleistungen gefordert und<br />
erkennbar<br />
> Das Gespräch zielt und führt auf eine gedankliche Spitze. Ziele des Lehrgesprächs sind entsprechend,<br />
gemeinsam einen Begriff aufzubauen, einen Zusammenhang zu erkennen, die Struktur einer Sache<br />
nachzuvollziehen oder zu entdecken, ein Problem zu klären, einen Lösungsweg oder eine Regel zu erarbeiten<br />
o. Ä.<br />
Lehrgespräche sind didaktisch nur sinnvoll, wenn die Schülerinnen und Schüler etwas beizutragen haben,<br />
Vorwissen oder Erfahrungen besitzen, mit anderen Worten, wenn die Lernenden über das „Baumaterial“<br />
verfügen, mit dem sie eine neue Erkenntnis aufbauen können: „Das fragend-entwickelnde Verfahren<br />
kann…nützlich sein, und zwar dann, wenn die Schüler eine gute Informationsgrundlage haben und nun<br />
diese Informationen von allen Seiten abklopfen, prüfen, befragen oder bewerten. Als Methode der Informationsbereitstellung<br />
ist die …Methode jedoch ungeeignet…“ (Grell & Grell, S. 59). Damit Lehrgespräche keine<br />
„Leergespräche“ werden, ist es zudem wichtig, dass die Lehrperson sich im Klaren darüber ist, wohin sie<br />
die Kinder mit dem Gespräch überhaupt führen will, dass sie entsprechende Fragen und Impulse sorgfältig<br />
vorbereitet, das Gespräch nicht zu stark dominiert oder auch angemessen auf die Beiträge der Kinder reagiert.<br />
Die Diskussion lässt sich innerhalb den beiden grossen „Kategorien“ des Unterrichtens, dem darbietenden<br />
und dem erarbeitenden Unterricht, aufgrund der Rollen der Beteiligten, eher auf der Seite des erarbeitenden<br />
Unterrichts ansiedeln. Merkmale dieser Gesprächsform sind:<br />
> Die Diskussion ist offen bezüglich Verlauf und Ergebnis.<br />
> Die Interessen der Lernenden bestimmen das Gespräch. Die Schülerinnen und Schüler äussern sich möglichst<br />
differenziert über ihre eigenen Erfahrungen, Bedürfnisse, Ideen, Meinungen, Standpunkte oder<br />
Phantasien, verarbeiten und bewerten sie. Das Bewusstmachen eigener Erfahrungen und ihre Weiterentwicklung<br />
durch Reflexion sind die Grundelemente der Diskussion.<br />
> Die Lehrperson hält sich weitgehend im Hintergrund und beschränkt die Lenkung auf das nötige Minimum,<br />
so dass sich die Schüler und Schülerinnen ohne permanentes Eingreifen der Lehrerin oder des<br />
Lehrers mit ihrem Thema beschäftigen können.<br />
Auch wenn in der Diskussion die Lehrperson nicht im Zentrum steht, sind die Anforderungen an sie trotzdem<br />
hoch, angefangen bei einer klaren Problemstellung bis zur Klärung und Durchsetzung von Gesprächsregeln,<br />
dem Geben von fruchtbaren Impulsen oder dem zusammenfassenden Abschluss.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 28
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> Exemplarisch die zwei Gesprächsformen Lehrgespräch und Diskussion in ihren Erscheinungsformen kennen<br />
lernen und von anderen Gesprächssituationen abgrenzen<br />
> Auseinandersetzung mit häufigen Problempunkten und „Zerrformen“ von Lehrgesprächen und Diskussionen,<br />
und dadurch Bewusstsein schaffen, dass Unterrichtsgespräche keine simplen Handlungsmuster<br />
sind, die „man sowieso kann“, sondern dass es sich im Gegenteil um sehr anspruchsvolle Lehr-<br />
Lernformen handelt<br />
> Ein Lehrgespräch an der PH (z.B. ein Lehrgespräch über das Lehrgespräch) durchführen und kritisch<br />
auswerten<br />
> Eine Unterrichtssequenz an der Primarschule auf Video und/oder in Form eines Unterrichtsprotokolls unter<br />
dem Aspekt der Zielgerichtetheit bzw. des Lernertrags, der Impulsgebung und Fragetechnik durch die<br />
Lehrperson analysieren<br />
> Impulse und Fragen nach ihrem Anspruchsniveau (z.B. Komplexitätsstufen nach Bloom) kategorisieren<br />
> Schriftliche Planungen von Unterrichtsgesprächen kritisch betrachten, z.B. mit Blick auf Begründungen,<br />
angestrebte Ziele usw.<br />
im Praktikum:<br />
> Lehrgespräche der Praxislehrperson oder der Praktikumspartnerin gezielt beobachten, z.B. Fragen und<br />
Impulse wörtlich protokollieren und anschliessend die Fragetechnik und das Anspruchsniveau der Fragen<br />
analysieren, oder Sprechanteile von Lehrperson und Schüler/-innen in Gesprächssituationen ermitteln<br />
und analysieren<br />
> Lehrgespräche oder Diskussionen im Unterricht bewusst als spezifische Handlungsmuster einsetzen und<br />
sorgfältig planen (z.B. zentrale Impulse und Fragen zum Voraus schriftlich festhalten, Umgang mit Beiträgen<br />
der Kinder planen, etc.)<br />
> Klärung eines thematischen Sachverhaltens bzw. Wissensaufbau mit der einen Halbklasse durch einen<br />
Lehrervortrag (Darbieten) realisieren, in der anderen Halbklasse mit der Lernform Lehrgespräch, Ergebnisse<br />
beider Gruppen vergleichen.<br />
> In der Praktikumsklasse eine Diskussion (bzw. ein Streitgespräch) zu einem Thema leiten, das in der Klasse<br />
vermutlich kontrovers beurteilt wird<br />
Literatur<br />
> Gasser, Peter (2003): Lehrbuch Didaktik. Bern, h.e.p. verlag, Kap. 8<br />
> Grell, J. / Grell, M. (1990): Unterrichtsrezepte. Basel, Beltz, Kap. 2<br />
> Grunder, H.-U./ Ruthemann, U./ Scherer, S. / Singer, P./ Vettiger, H. (2007): Unterricht verstehen<br />
– planen – gestalten – auswerten. Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren<br />
> Meyer, H. (2005): Unterrichtsmethoden II: Praxisband. Berlin, Cornelsen Scriptor, S. 280 ff.<br />
> Wagenschein, M. (1997): Kinder auf dem Wege zur Physik. Basel, Beltz<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 29
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Gesprächsformen im Unterricht<br />
Lehrgespräch<br />
1<br />
<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
Das Lehrgespräch wird in<br />
geeigneten Situationen<br />
dosiert, bewusst und begründet<br />
als spezifische Lehrund<br />
Lernform eingesetzt.<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
2<br />
<br />
3<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
6<br />
<br />
7<br />
<br />
8<br />
<br />
Mit dem Lehrgespräch wird<br />
erkennbar das Ziel verfolgt,<br />
eine gedankliche Spitze zu<br />
erreichen: Das Gespräch<br />
verhilft den Kindern zu einer<br />
Erkenntnis, zur Klärung<br />
eines Sachverhaltes, zum<br />
Aufbau eines Begriffs, zur<br />
Lösung eines Problems, etc.<br />
Der/Die Studierende verfügt<br />
über ein Repertoire, Fragen<br />
zu stellen und Impulse zu<br />
geben, die das Denken der<br />
Kinder herausfordern und<br />
im Dienste des Ziels stehen.<br />
Zentrale Fragen und Impulse<br />
sind zum Voraus formuliert.<br />
Der/Die Studierende verfügt<br />
über Strategien, um möglichst<br />
viele Kinder aktiv am<br />
Gespräch zu beteiligen.<br />
Die/Der Studierende reagiert<br />
angemessen auf die<br />
Beiträge der Kinder (z. B.<br />
Lehrerecho vermeiden,<br />
zurückfragen, etc.).<br />
Es ist Sprechmotivation<br />
vorhanden: Die Kinder sind<br />
durch das Thema bzw. die<br />
Problemstellung herausgefordert,<br />
sie verfügen über<br />
genügend Vorwissen, um<br />
sich am Gespräch beteiligen<br />
zu können.<br />
Die Sprechanteile von Kindern<br />
und Lehrperson stehen<br />
in einem für diese Lehr-<br />
Lernform sinnvollen Verhältnis.<br />
Die Studentin/Der Student<br />
sorgt für Verbindlichkeit,<br />
z.B. indem das im Gespräch<br />
Erarbeitete auf sinnvolle<br />
Weise festgehalten, genutzt<br />
und/oder weiter verarbeitet<br />
wird.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Studierende/-r:___________________________<br />
Beobachter/-in:__________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 30
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Gesprächsformen im Unterricht<br />
Diskussion/Freies Unterrichtsgespräch<br />
1<br />
<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
Die Diskussion als spezifische<br />
Lehr- und Lernform<br />
wird dosiert, begründet und<br />
im Bewusstsein der angestrebten<br />
Ziele eingesetzt.<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
2<br />
<br />
3<br />
<br />
In der Planung werden die<br />
kommunikativen Voraussetzungen<br />
der Kinder sorgfältig<br />
abgeklärt und die zu fördernden<br />
kommunikativen<br />
Kompetenzen bestimmt.<br />
Das Gespräch wird klar<br />
eröffnet (z.B. Ziel, Problemstellung).<br />
Eingesetzte Medien<br />
eignen sich als Anstoss<br />
bzw. Einstieg.<br />
<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
6<br />
<br />
7<br />
<br />
Zentrale Fragen und Impulse<br />
sind schriftlich formuliert<br />
und werden in der Diskussion<br />
situationsgerecht und<br />
flexibel eingesetzt.<br />
Die/Der Studierende nimmt<br />
auf den Verlauf des Gesprächs<br />
mit geeigneten<br />
Interventionen Einfluss (z.B.<br />
Sitzordnung, Gesprächsregeln<br />
klären, lenken, aktivieren,<br />
kontrollieren, etc.)<br />
Die Lehrperson tritt in den<br />
Hintergrund und lässt den<br />
Interessen, Erfahrungen,<br />
Bedürfnissen, Meinungen,<br />
etc. der Schüler/-innen<br />
angemessenen Raum.<br />
Die Diskussion wird mit<br />
einer Zusammenfassung in<br />
geeigneter Form abgeschlossen.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Studierende/-r:___________________________<br />
Beobachter/-in:__________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 31
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Grundformen des erarbeitenden Unterrichts<br />
Einführung<br />
„Der Schüler soll nicht - und will nicht - sich etwas einfüllen lassen, sondern er soll sich etwas einfallen lassen<br />
können.“<br />
(M. Wagenschein in: Verstehen lehren)<br />
„Über das Problemlösen finden wir dutzendweise Bücher. Das Problemlösen muss etwas Wichtiges sein, nur<br />
sagt uns selten jemand, warum das so ist und woher diese Hochschätzung kommt…Viele Menschen sind<br />
tagtäglich daran, mehr oder weniger anspruchsvolle Probleme zu lösen, Alltagsprobleme, Verkehrsprobleme,<br />
Lebensprobleme, Wirtschaftsprobleme, politische, medizinische, ökologische, technische Probleme. Denkt<br />
man an Aids, Klimaschock, Hungersnöte, Kriege, Kriminalität, Abfall, Atommüll usw., wird klar, dass Problemlösen<br />
eine globale, die ganze Menschheit betreffende Dimension hat. Problemlösen hat aber auch eine<br />
individuelle Qualität: Wir lernen in unserer geistigen Entwicklung, Probleme zu lösen. Um die Problemlösefähigkeit<br />
aller zu sichern, hat man die Schule erfunden…Problemlösen, problemorientiertes Lernen und problemorientierter<br />
Unterricht sind demnach nicht didaktische Modeerscheinungen…“<br />
(Gasser, 2000, S. 301, 327)<br />
Theoretische Perspektive<br />
Erarbeitender Unterricht kann als „Gegenstück“ zu einem darbietenden Unterricht (vgl. Baustein Grundformen<br />
des darbietenden Unterrichts) betrachtet werden. Auch innerhalb der Kategorie des erarbeitenden Unterrichts<br />
kann man verschiedene Grundformen unterscheiden. Allerdings sind die Begrifflichkeiten relativ unscharf<br />
und die Bezeichnungen vielfältig und z.T. verwirrend: Begriffe wie problemorientiertes Lernen, problemlösendes<br />
Lernen, handelndes Lernen, Erfahrungslernen, entdeckendes Lernen, usw. werden einmal synonym<br />
verwendet, ein anderes Mal voneinander abgegrenzt und ein weiteres Mal als Ober- und Unterbegriffe<br />
gebraucht.<br />
In der Allgemeinen Didaktik an der PHGR halten wir uns in der Verwendung der Begriffe an Grunder et al.<br />
(2007), wo handelndes und entdeckendes Lernen als zwei verschiedene Grundformen beschrieben werden:<br />
Handelndes Lernen bezieht sich auf Probleme, die durch tätig-einsichtigen Vollzug von Handlungen gelöst<br />
werden: „Im Zentrum des handelnden Lernens steht der tätige Umgang mit realen Gegenständen.“ (Grunder,<br />
S. 179). Wesentlich ist dabei, dass handelndes Lernen nicht als „bewusstloses Hantieren“ missverstanden<br />
wird, sondern dass das Handeln an Objekten zu Einsicht und Begreifen im Sinne einsichtigen Operierens<br />
führt. Handelndes Lernen definiert sich als Verbindung von Handeln und Denken.<br />
Entdeckendes Lernen bezieht sich stark auf anschaulich und sprachlich gefasste Probleme und der/die<br />
Lernende bewegt sich entsprechend vor allem im symbolischen Medium: „Mit entdeckendem Lernen bezeichnen<br />
wir das selbstständige Suchen, Finden und Überprüfen von Annahmen und Lösungen. Im Unterschied<br />
zum handelnden Lernen geschieht das Lernen bei dieser Form vorwiegend auf der gedanklichsymbolischen<br />
Ebene.“ (Grunder, S. 185).<br />
Beim entdeckenden wie auch beim handelnden Lernen geht es oft um eigentliche Probleme, insofern kann<br />
oft auch oft von problemorientiertem oder problemlösendem Lernen gesprochen werden. Warum Lernen<br />
und Unterrichten möglichst oft problembezogen sein soll und warum man die Forderung nach problemorientiertem<br />
Lernen an der Schule nicht als Modeerscheinung abtun sollte, beschreibt Gasser eindrücklich (siehe<br />
Einführung in den Baustein).<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 32
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Wenn man sich als Lehrperson mitverantwortlich dafür fühlt, dass Kinder während ihrer Schulzeit einerseits<br />
Problemlösefähigkeiten aufbauen und andererseits zu selbstständigen Lernerinnen und Lernern werden, so<br />
muss man bereit sein, in den Hintergrund zu treten und die Verantwortung und die direkte Lenkung teilweise<br />
abzugeben. Ein wichtiges Element um indirekt zu lenken und Freiräume für Selbstständigkeit zu gewähren,<br />
sind Arbeitsaufträge oder Lernaufgaben. Mit einer Lernaufgabe erhalten die Lernenden Raum<br />
und Zeit für die eigenständige, denkintensive bzw. handlungsorientierte und vertiefte Auseinandersetzung<br />
mit dem Stoff. Insofern ist also nicht jeder Auftrag, der den Kindern im Schulalltag erteilt wird, eine Lernaufgabe<br />
(z.B. handelt es sich beim Auftrag, zehn Wörter von der Wandtafel anzuschreiben, nicht um eine Lernaufgabe)!<br />
Wer es als Lehrerin oder Lehrer versteht, den Kindern prägnant formulierte und anregende Lernaufgaben<br />
zu stellen, die oder der verfügt über eine zentrale Handlungskompetenz im Bereich des erarbeitenden<br />
Unterrichts und ist zugleich gut gerüstet, um auch mit den so genannten erweiterten Lehr- und Lernformen<br />
zu arbeiten. Dass die Lernaufgabe der Grundbaustein vieler „ELF“ ist, zeigt unter anderem Gasser<br />
(2001) im Kapitel „Von der Lernaufgabe zu den erweiterten Lernformen“.<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
Die Studierenden<br />
> gestalten im Rahmen der Ateliers (<strong>1.</strong> Semester) erste kurze Unterrichtssequenzen, in denen die Lehrperson<br />
„in den Hintergrund“ tritt und den Kindern anhand von Posten selbstständiges Lernen ermöglicht<br />
wird<br />
> erleben zwei Lernsituationen (handelndes Lernen und entdeckendes Lernen) und entwickeln daraus<br />
eine Begriffsdefinition<br />
> sammeln schulische Beispiele zu den beiden Grundformen eines erarbeitenden Unterrichts und bauen<br />
die Erkenntnis auf, dass handelndes, entdeckendes, problemlösendes Lernen sowohl im Rahmen einzelner<br />
Lektionen wie auch im Rahmen spezifischer Unterrichtsarrangements wie Werkstatt- , Wochenplan-<br />
, Projektunterricht etc. vorkommen kann<br />
> arbeiten an einem exemplarischen und konkreten Unterrichtsbeispiel (Primarschule, Fachbereich Mensch<br />
& Umwelt) und versuchen, eine mögliche Lernsituation zum handelnden Lernen zu entwerfen.<br />
> entwickeln und kennen zentrale Merkmale erarbeitender Grundformen (vgl. Kriterienblatt)<br />
> erhalten eine Lernaufgabe zum Thema „Lernaufgabe“ und erarbeiten sich aus der Erfahrung heraus<br />
Kriterien für gute Lernaufgaben<br />
> arbeiten selbstständig in einer „Problemlösewerkstatt“, erproben dadurch das eigene Problemlöseverhalten<br />
und erarbeiten sich Grundkenntnisse zum Stellenwert des Problemlösens in der Primarschule wie<br />
auch zum spezifischen Unterrichtsarrangement „Werkstattunterricht“<br />
> erkennen die Lernaufgabe als Grundelement von erweiterten Lehr- und Lernformen und benutzen das<br />
Bloom’sche Taxonomiemodell als Hilfe, um unterschiedlich anspruchsvolle und komplexe Arbeitsaufträge<br />
bzw. Lernaufgaben zu kreieren.<br />
> verfügen über Grundkenntnisse der wichtigsten Unterrichtsarrangements wie Werkstattunterricht, Leitprogramm,<br />
Planspiel, etc. und können diese unter dem Aspekt Fremdbestimmung/Selbstbestimmung<br />
beurteilen<br />
im Praktikum:<br />
> Eine Regel (z.B. ck-Regel) einmal darbietend in die Klasse einführen, einmal durch selbstständiges Entdecken<br />
(z.B. mit zwei verschiedenen Gruppen)<br />
> Im Unterricht der Praxislehrperson erarbeitende Elemente/Grundformen erkennen und beobachten<br />
> Einen Postenlauf entwerfen, die Arbeit der Kinder beobachten und mit der Klasse ein Auswertungsgespräch<br />
führen<br />
> Lernaufgaben, die im eigenen Unterricht, im Unterricht der Praxislehrperson oder der Praxispartnerin vorkommen<br />
mit Hilfe des Bloom’schen Taxonomiemodells bezüglich Komplexität und Anspruchsniveau analysieren<br />
> Mit der Praxislehrperson ein Gespräch führen zur Frage nach erweiterten Lehr-Lernformen in ihren Unterricht<br />
oder die Praxislehrperson bitten, modellhaft eine erarbeitende Grundform oder ein bestimmtes Unterrichtsarrangement<br />
(wie Werkstattunterricht etc.) zu zeigen<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 33
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
> Lernaufgaben in der einen Halbklasse mündlich, in der anderen schriftlich präsentieren und beide Situationen<br />
vergleichen<br />
> Lernaufgaben mit differenzierenden Angeboten (leichter/schwieriger) bereitstellen und/oder Wahlmöglichkeiten<br />
einbauen<br />
> Mit Kindern eine Lernsituation, die selbstständiges Lernen verlangt und fördert, auswerten (übers Lernen<br />
nachdenken)<br />
Literatur<br />
> Gasser, P. (2000): Lernpsychologie für eine wandelbare Praxis. Aarau, Sauerländer<br />
> Gasser, P. (2001): Lehrbuch Didaktik. Bern, h.e.p.verlag (insbesondere Kapitel 18: Von der Lernaufgabe<br />
zu den erweiterten Lernformen)<br />
> Grell, J. & Grell, M. (2000): Unterrichtsrezepte. Weinheim, Beltz (insbesondere Kapitel „Das Rezept Lernaufgaben“)<br />
> Grunder, H.-U./ Ruthemann, U./ Scherer, S. / Singer, P./ Vettiger, H. (2007): Unterricht verstehen<br />
– planen – gestalten – auswerten. Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 34
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Grundformen des erarbeitenden Unterrichts<br />
Handelndes, entdeckendes, problemlösendes Lernen<br />
1<br />
<br />
2<br />
<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
Das Interesse der Schülerinnen<br />
und Schüler am Problem<br />
wird geweckt (der<br />
Sachverhalt wird den Lernenden<br />
zum Problem; fordert<br />
Tun und/oder Nachdenken<br />
heraus).<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
Die gestaltete Lernsituation<br />
ist an die Methodenkompetenz<br />
der Schüler und Schülerinnen<br />
angepasst. <br />
3<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
6<br />
<br />
7<br />
<br />
Die Lernsituation erlaubt<br />
den Kindern, Vermutungen<br />
und Hypothesen zu äussern<br />
und diese aktiv zu überprüfen.<br />
Die/der Studierende übergibt<br />
den Kindern in angemessenem<br />
Mass Verantwortung<br />
für ihren eigenen Lernprozess.<br />
Das Nachdenken bzw. die<br />
Verbindung von Handeln<br />
und Denken führt bei den<br />
Lernenden zu einer Erkenntnis<br />
bzw. zu Verstehen.<br />
Die Lehrperson tritt in den<br />
Hintergrund, beobachtet die<br />
Kinder, beachtet das Prinzip<br />
der minimalen Hilfe und<br />
verzichtet auf die Rolle der<br />
Wissensvermittler/-in.<br />
Die Organisation ist durchdacht,<br />
sinnvolle Hilfsmittel<br />
und Materialien sind in<br />
ausreichendem Ausmasse<br />
vorhanden.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
8<br />
<br />
Die Lehrperson regt zu<br />
Vergleichen und Selbstkontrolle<br />
an. <br />
9<br />
<br />
Die Kinder halten die Ergebnisse<br />
des eigenen Tuns,<br />
Nachdenkens, Ausprobierens<br />
etc. in geeigneter Form<br />
fest.<br />
<br />
Studierende/-r___________________________ Beobachter/-in:______________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 35
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Grundformen des erarbeitenden Unterrichts<br />
Lernaufgaben<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Die Lernaufgabe regt zu<br />
„lehrerbefreitem“, intensivem<br />
Arbeiten an.<br />
<br />
2<br />
<br />
Der Auftrag ist vollständig<br />
und klar formuliert, die<br />
Kinder wissen, was in welchem<br />
Rahmen zu tun ist<br />
(Was? Warum? Womit? Wie<br />
lange? Mit wem? Was danach?<br />
Welches Ergebnis?).<br />
<br />
3<br />
<br />
Die Lernaufgabe ist lebensnah,<br />
das Lernergebnis für<br />
die Kinder bedeutsam.<br />
<br />
4<br />
<br />
Die Aufgabe ist punkto<br />
Komplexität und Anspruchsniveau<br />
den Kindern, der<br />
Sache und dem Ziel angepasst.<br />
<br />
5<br />
<br />
Die Lernaufgabe erlaubt<br />
den Kindern in einem abgesteckten<br />
Rahmen auch<br />
selber zu entscheiden bzw.<br />
auszuwählen.<br />
<br />
6<br />
<br />
Die Lernaufgabe ermöglicht<br />
jedem Kind, Erfolg zu haben.<br />
<br />
7<br />
<br />
Die Lernaufgabe ist so formuliert<br />
bzw. gewählt, dass<br />
sichtbare Fortschritte erzielt<br />
werden.<br />
<br />
8<br />
<br />
Die Arbeitsergebnisse der<br />
Kinder werden auf sinnvolle<br />
Weise aufgenommen und<br />
weiter verwendet bzw. der<br />
Arbeitsprozess wird auf<br />
sinnvolle Weise ausgewertet.<br />
<br />
Studierende/-r___________________________ Beobachter/-in:______________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 36
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Unterricht planen, gestalten, auswerten<br />
Einführung<br />
Praktikantin Grundschule: "Eine Schwierigkeit des Unterrichtens, die ich bei meinem ersten und zeitweise<br />
auch bei diesem Praktikum bemerke ist, dass ich mich häufig durch die vielen im Unterricht auf mich einströmenden<br />
Eindrücke überfordert fühle, was zur Folge hat, dass ich beim Unterrichten mitunter für kurze Zeit<br />
'den Faden verliere'."<br />
Praktikantin Gymnasium: "Mir ist in dieser Zeit klar geworden, welch ein komplexes Geschehen das Unterrichten<br />
eigentlich ist, wie viel Reaktionsvermögen es mir abfordert, wie viel Dinge ich gleichzeitig im Blick haben<br />
muss. Z.B. fiel es mir oft schwer, am Anfang besonders, die Klasse im Blick zu haben, die Äusserungen<br />
der Schülerinnen aufzunehmen und parallel dazu Notizen an der Tafel zu machen."<br />
(aus: Kretschmer/Stary (1998): Schulpraktikum. Eine Orientierungshilfe zum Lernen und Lehren. Berlin, Cornelsen,<br />
S. 44)<br />
Theoretische Perspektive<br />
"Sinn von Planung ist es, mit mehr Bewusstheit zu leben: Ich mache mir klar, wovon ich ausgehe; ich versuche,<br />
die Situation realistisch einzuschätzen; ich nehme mich und andere bewusst wahr; ich gehe offen damit<br />
um, aufgrund welcher Bedingungen ich mich so entscheide und verhalte; ich werde mir klar über meine<br />
Ziele und Wege, usw.<br />
Im Gegensatz zu diesem Vorgehen steht das ungeplante, zufällige aus verschiedenen Gefühlen, Interessen<br />
und Impulsen heraus 'einfach gewordene' Vorgehen. Ich kenne Zusammenhänge nicht; ich reagiere (…).<br />
So verstehe ich Planung/bewusste Entscheidung geradezu als Voraussetzung für Flexibilität und Offenheit: Je<br />
sicherer ich meiner selbst bin, meiner Gedanken, Bedürfnisse und Gefühle, desto klarer kann ich Situationen<br />
wahrnehmen, desto freier werde ich sein im Handeln. Ich höre dann auf, alles zu vermischen: meine (unbewussten)<br />
Wünsche, und Interessen und die anderer; meine Gefühle und die der anderen; die Inhalts- und<br />
Beziehungsebene, usw.<br />
So verstanden ist Planung allerdings immer nur vorläufig; sie gilt so lange, bis neue Informationen und Situationen<br />
eine neue Entscheidung nötig machen."<br />
(aus: Klein, I. (1989): Gruppenleiten ohne Angst. München, Pfeiffer, S. 172)<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> Auseinandersetzung mit dem Anspruch, dass Unterricht zur Bildung der Kinder beizutragen hat und<br />
somit professioneller Unterricht mit Blick auf seinen Bildungsgehalt begründet werden muss<br />
> Auseinandersetzung mit der Komplexität von Unterricht und der Notwendigkeit, bei der Gestaltung von<br />
Lernsituationen von den vorgefundenen und analysierten Bedingungen auszugehen<br />
> Auseinandersetzung mit zwei grundlegenden Kategorien von Unterricht: „Als Lehrperson in den Vordergrund<br />
treten“ und „als Lehrperson in den Hintergrund treten“ und entsprechende erste Versuche<br />
und Erfahrungen in Schulklassen<br />
> Auseinandersetzung mit Lernzielen: Bedeutung von Lernzielen; Ebenen von Lernzielen (Richtziele, Grobziele,<br />
Feinziele); Lernzielbereiche (kognitive, affektive, soziale, psychomotorisch/pragmatische Lernziele<br />
bzw. Kopf, Herz, Hand); verschiedene Komplexitätsgrade von Lernzielen (Bloom’sches Taxonomie-<br />
Modell); Lernziele als Ausdruck von angestrebten Veränderungen;<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 37
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
> Auswertung von eigenen Erfahrungen des Lernens in verschiedenen Sozialformen und mit verschiedenen<br />
Medien, Erarbeitung von entsprechendem Grundlagenwissen<br />
> Einführung in die Arbeit mit dem Planungsschema für Lehr-Lern-Einheiten (Lektionen) und erste Versuche,<br />
eine Lektion unter Beachtung der vorgegebenen Strukturen schriftlich zu planen und auf dieser<br />
Grundlage durchzuführen.<br />
> Gegenlesen und kritische Beurteilung von schriftlichen Lektionsplanungen anderer<br />
> Auseinandersetzung mit ausgewählten didaktischen Theorien und Modellen (z.B. Aeblis „PADUA“:<br />
Problemstellung, Aufbau, Durcharbeiten, Ueben, Anwenden)<br />
> Einführung in die Planung von Lektionsreihen (Unterrichtseinheiten) mit Hilfe des Perspektivenschemas<br />
zur Unterrichtsplanung nach W. Klafki. Planung einer konkreten Unterrichteinheit im Bereich Mensch<br />
und Umwelt für das Praktikum Unterrichten<br />
> Erwerb von Grundlagenwissen zu Unterrichtsauswertung und erste Erfahrungen mit den drei Schritten<br />
(siehe Planungsschema)<br />
im Praktikum:<br />
> Lehr-Lern-Einheiten (Lektionen) mit Hilfe des Planungsschemas seriös planen, durchführen und reflektieren<br />
(Qualität vor Quantität), eine gewisse „Routine“ in der Handhabung des Planungsinstrumentes erlangen<br />
> Das Planungsschema als Instrument der Kommunikation einsetzen (z.B. als wichtige Grundlage für Unterrichtsvor-<br />
und Nachbesprechungen zwischen Studierenden und Praxislehrperson), klare Form anstreben.<br />
> Aus gemachten Beobachtungen, Erfahrungen und Analysen sinnvolle Konsequenzen für weiteren Unterricht<br />
bzw. weitere Planungen ableiten, diese schriftlich festhalten<br />
> Praxisnahe Auseinandersetzung mit Lernzielen: Lernziele in Lektionen der Studierenden und der Praxislehrperson<br />
analysieren, Fokus bei Beobachtung und Besprechung auf klare Formulierung von Lernzielen,<br />
Kongruenz von Zielen, Inhalten, Verfahren und Mittel, auf Zielerreichung und Lernkontrollen legen<br />
> In der Planung von Unterricht bewusst die zwei Kategorien bzw. Inszenierungsformen „als Lehrperson in<br />
den Vordergrund treten“ / „als Lehrperson in den Hintergrund treten“ einsetzen<br />
> Bildungsgehalt von geplantem, erteiltem oder beobachtetem Unterricht thematisieren<br />
> Fokus bei Planung, Beobachtung, Unterrichtsauswertung auf Medieneinsatz und Sozialformen legen<br />
> Verschiedene Planungsunterlagen der Praxislehrperson anschauen und diskutieren<br />
> Unterricht gemäss den drei Schritten (Planungsschema) auswerten<br />
Literatur<br />
> Berner, H. (1999): Didaktische Kompetenz. Bern, Verlag Paul Haupt.<br />
> Gasser, P. (2001): Lehrbuch Didaktik. Bern, h.e.p.verlag<br />
> Grunder, H.-U. et al. (2007): Unterricht verstehen – planen – gestalten – auswerten. Baltmannsweiler,<br />
Schneider Verlag Hohengehren<br />
> Gudjons, H./Winkel, R. (Hrsg.) (1999): Didaktische Theorien. Hamburg, Bergmann + Helbig<br />
> Meyer, H. (2005): Unterrichtsmethoden II: Praxisband. Berlin, Cornelsen Scriptor<br />
> Meyer, H. (1993): Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung. Berlin, Cornelsen Scriptor<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 38
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Unterricht planen, gestalten, auswerten<br />
Lektionen planen<br />
1<br />
<br />
2<br />
<br />
Kriterien Kommentar ja<br />
Das Teilthema wird zweckmässig<br />
aus dem Thema abgeleitet. <br />
Für die Planung der Lektion werden<br />
bedeutsame Voraussetzungen<br />
(Kinder, Lehrperson, Klasse, Lernstand,<br />
räumliche Bedingungen<br />
etc.) erfasst und analysiert.<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
3<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
6<br />
<br />
Es werden konkrete, situationsadäquate<br />
und erreichbare Ziele<br />
formuliert. Die Zielformulierungen<br />
bringen zum Ausdruck, welcher<br />
Lernzuwachs angestrebt wird.<br />
Lerninhalte, Lernziele und Vorgehensweise<br />
werden sinnvoll, theoretisch<br />
fundiert und nachvollziehbar<br />
begründet.<br />
Die Lerninhalte werden klar gegliedert,<br />
logisch und sinnvoll aufgebaut,<br />
z.B. mit Blick auf die Phasen<br />
von „PADUA“ (Problemstellung,<br />
Aufbau, Durcharbeiten,<br />
Üben, Anwenden).<br />
Die Vorgehensweise beinhaltet<br />
einen adäquaten Einsatz von Lehr-<br />
, Lern- und Sozialformen, unterstützenden<br />
Materialien und Medien.<br />
Die Tätigkeiten der Kinder<br />
und Lehrperson sind nachvollziehbar,<br />
Organisation und Übergänge<br />
gut durchdacht, der Unterricht ist<br />
angemessen rhythmisiert.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
7<br />
<br />
8<br />
<br />
9<br />
<br />
1<br />
0<br />
<br />
Lernkontrollen sind auf die Zielsetzungen<br />
abgestimmt und erfassen<br />
Lernfortschritt und Lernstand. <br />
Der Materialeinsatz ist durchdacht,<br />
unterstützend, vielseitig und originell.<br />
<br />
Das Zeitbudget ist realistisch und<br />
erlaubt, die angestrebten Lernziele<br />
zu erreichen. <br />
Die Hausaufgaben sind sinnvoll<br />
und auf die Lernziele bezogen.<br />
<br />
Studierende/-r:______________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 39
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Unterricht planen, gestalten, auswerten<br />
Lektionen durchführen und auswerten<br />
1<br />
<br />
2<br />
<br />
Kriterien Kommentar ja<br />
Der Einstieg erzeugt sachbezogenes<br />
Interesse, Neugier und<br />
Aktivitätsbereitschaft.<br />
<br />
Die Lerninhalte werden der<br />
Planung entsprechend umgesetzt<br />
oder flexibel und zweckmässig<br />
der Situation angepasst.<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
3<br />
<br />
Die Vorgehensweise wird der<br />
Planung entsprechend umgesetzt<br />
oder flexibel und zweckmässig<br />
der Situation angepasst.<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
6<br />
<br />
7<br />
<br />
8<br />
<br />
9<br />
<br />
1<br />
0<br />
<br />
1<br />
1<br />
<br />
1<br />
2<br />
<br />
Der Materialeinsatz ist unterstützend<br />
und hilfreich in Bezug<br />
auf das Erreichen der Lernziele.<br />
Das Unterrichtsklima ist lernfreundlich<br />
und entspannt, die<br />
Kommunikation wertschätzend<br />
(motivierendes, unterstützendes,<br />
anregendes, konstruktives<br />
Eingehen auf die Kinder).<br />
Die/Der Studierende verhält sich<br />
angemessen in unerwarteten<br />
Situationen und nimmt die Führungsrolle<br />
wahr.<br />
<br />
<br />
<br />
Die/Der Studierende zeigt Fachkompetenz.<br />
<br />
Die Sprache der/des Studierenden<br />
ist vorbildhaft, der Stufe<br />
angepasst, verständlich. Die<br />
Stimme wird lebendig und unterstützend<br />
eingesetzt.<br />
<br />
Lernkontrollen werden durchgeführt<br />
und Zielsetzungen erreicht. <br />
Die Ziele, die Methoden, die<br />
Inhalte und die Medien sind<br />
kongruent und entsprechen dem<br />
Entwicklungsstand der Kinder.<br />
<br />
Die Kinder können sich aktiv am<br />
Unterricht beteiligen und sind<br />
intensiv gefordert.<br />
<br />
Die Einschätzung des Unterrichts<br />
ist realistisch, (selbst)kritisch,<br />
analytisch. Die geleistete Arbeit<br />
wird anhand der drei Schritte<br />
(siehe Planungsschema)<br />
reflektiert und beurteilt, es werden<br />
sinnvolle Konsequenzen<br />
abgeleitet.<br />
<br />
Studierende/-r:______________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 40
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Unterricht planen, gestalten, auswerten<br />
Unterrichtseinheiten/Lektionsreihen planen<br />
Kriterien Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Bedingungsanalyse<br />
Pädagogisch-soziale, stofflichmethodische,<br />
räumliche, zeitliche,<br />
materielle und schulhausspezifische<br />
Voraussetzungen,<br />
die sich auf den zu planenden<br />
Unterricht auswirken können,<br />
werden gründlich erfasst und<br />
analysiert.<br />
<br />
2<br />
<br />
Begründungszusammenhang<br />
Gegenwarts-, Zukunfts- und<br />
exemplarische Bedeutung werden<br />
dargelegt, die Begründungen<br />
zum geplanten Unterricht<br />
sind sinnvoll und nachvollziehbar.<br />
<br />
3<br />
<br />
Thematische Strukturierung<br />
Die didaktische Aufbereitung ist<br />
logisch strukturiert und gewichtet.<br />
Vielseitige Überprüfungsformen<br />
ermöglichen eine Standortbestimmung.<br />
<br />
4<br />
<br />
Zugangs- und Darstellungsmöglichkeiten<br />
Verschiedene Möglichkeiten und<br />
Ideen sind in der Planung ersichtlich,<br />
wie: Situationsadäquate<br />
Einstiege, Versuche, Materialien<br />
usw.<br />
<br />
5<br />
<br />
Methodische Strukturierung<br />
Der Einsatz von Lehr-, Lern- und<br />
Sozialformen und allgemeine<br />
organisatorische Fragen sind in<br />
der Planung gut durchdacht.<br />
<br />
6<br />
<br />
Studierende/-r:______________________ Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 41
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Anhang<br />
Baustein Unterricht planen, gestalten, auswerten<br />
Planungsschema für Lehr-Lern-Einheiten<br />
Name: Praxislehrperson: Praktikumsort:<br />
Klasse: Anzahl Schülerinnen: Datum:<br />
Fach: Anzahl Schüler: Zeit:<br />
Thema:<br />
Teilthema:<br />
Voraussetzungen:<br />
Ziele (kognitive, affektive/soziale, psychomotorische/pragmatische):<br />
Didaktische Grundsatzüberlegungen (Begründungen / WARUM):<br />
a) Begründungen der Lerninhalte und Lernziele:<br />
b) Begründungen der Lehr-Lernverfahren / Vorgehensweise:<br />
Lernkontrolle:<br />
Material:<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 42
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Inhalt (WAS)<br />
Lehr-Lernverfahren (WIE und WOMIT)<br />
(S- und L-Tätigkeit, Grundformen, Organisation,<br />
Sozialformen, Medien, Material, Skizzen,<br />
...)<br />
Zeit<br />
Hausaufgaben<br />
Reflexion<br />
Beobachten / Beschreiben<br />
Wichtigste Ereignisse, “Szenen“, Beobachtungen, Situationen beschreiben<br />
Verstehen / Analysieren<br />
Was steckt hinter diesen Ereignissen? Wie sind diese Situationen entstanden? Was war die Ursache, welches die Wirkung?<br />
Schlussfolgerungen / Konsequenzen<br />
Welche Schlussfolgerungen / Konsequenzen ergeben sich daraus für die Planung bzw. Durchführung der nächsten<br />
Lektion?<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 43
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Anhang<br />
Baustein Unterricht planen, gestalten, auswerten<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 44
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
In den Vordergrund treten<br />
Einführung<br />
Bereit werden, um in den Vordergrund zu treten<br />
Ich konzentriere mich auf die Sache:<br />
Meine Botschaft, die ich vermitteln will,<br />
die Mittel, mit denen ich sie verständlich und anschaulich machen will,<br />
das Material, das ich dazu benötige.<br />
Ich atme tief durch.<br />
Es ist alles bereit!<br />
Ich konzentriere mich auf mich selbst:<br />
Der Ort, wo ich beginnen will,<br />
die Haltung, die ich dort einnehme,<br />
der Ton, mit dem ich ansetze.<br />
Ich atme tief durch.<br />
Ich bin bereit!<br />
Ich konzentriere mich auf die Menschen vor mir:<br />
Mein Blick, der in die Runde schweift,<br />
mein Warten, bis Ruhe einkehrt,<br />
mein Da-sein, das Erwartungen weckt.<br />
Ich atme tief durch.<br />
Seid ihr bereit?<br />
Ich konzentriere mich auf den Weg vor uns:<br />
Meine Begründung, warum ich das vorhabe,<br />
meine Überlegungen, wie ich den Weg wählte,<br />
die Ziele, die angestrebt werden.<br />
Ich atme tief durch.<br />
Jetzt sind wir bereit!<br />
Peter Wanzenried (1997)<br />
Theoretische Perspektive<br />
Die Kunst des Unterrichtens bzw. die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Eltern und im Kollegium verlangt<br />
einen überzeugenden Auftritt. Ob die Lehrperson sich im Zentrum des Unterrichts befindet oder eher in den<br />
Hintergrund tritt, ob sie vor Kindern eine Sache ausführlich darbietet oder kurz einen Auftrag erklärt, ob sie<br />
ein Gespräch führt oder einzelne Kinder berät, ob sie an einem Elternabend sich und einen Inhalt vor Erwachsenen<br />
präsentiert oder sich in Konflikte unter Kindern einschaltet, etc.: Immer geht es um das Vermitteln<br />
einer klaren Botschaft, und dabei spielen viele Dinge eine Rolle. Das einleitende Gedicht spricht einige wichtige<br />
Elemente an: Konzentration, die Wahl geeigneter Darstellungsmittel und -formen, das Spannungsverhältnis<br />
zwischen Ruhe und Bewegung, Körperhaltung, Tonfall, Atemfluss, Blickkontakt zum Publikum, Warten-können,<br />
Pausen aushalten, waches und aufmerksames Da-sein.<br />
Hinstehen, sich exponieren, präsent und aufmerksam sein, dabei führen und spontan reagieren sind Fähigkeiten,<br />
die von Lehrpersonen täglich gefordert sind. Wer seine persönlichen Kommunikationsinstrumente gut<br />
kennt, kann diese in ganz verschiedenen Kommunikationssituationen des Schulalltags auch bewusst, adäquat<br />
und variabel einsetzen.<br />
In ihrer Ausbildung sollen deshalb die angehenden Lehrpersonen Gelegenheit haben, die eigenen verbalen<br />
und nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten zu erkunden, zu schulen und zu entwickeln und damit eine Hilfe<br />
erhalten, um beispielsweise<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 45
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
> in Gesprächssituationen sicher und authentisch auftreten zu können,<br />
> verbale und nonverbale Mittel für Rede und Gespräch sorgfältig einzusetzen,<br />
> zu einem konstruktiven Verlauf der Kommunikation beitragen zu können,<br />
> eigene Stärken zu kennen und bei Auftritten richtig gewichtet einsetzen zu können,<br />
> eigene Schwächen zu kennen und bei Auftritten bewusst und geplant dagegen anzugehen bzw. in<br />
Hinblick auf Auftritte gezielt daran zu arbeiten.<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> In den Ateliers und dem Modul Allgemeine Didaktik im <strong>1.</strong> Studienjahr machen die Studierenden (KG<br />
und <strong>PS</strong>) grundlegende Erfahrungen mit der Wirkung ihrer Auftritte auf andere Personen. Sie treten in<br />
den Vordergrund, erzählen Geschichten vor ihren Kolleginnen und Kollegen, aber auch vor Kindergarten-<br />
und Primarschulkindern, lesen vor, präsentieren etwas oder erteilen und erklären Aufträge. Sie erhalten<br />
von verschiedenen Seiten (KollegInnen, Praxislehrpersonen, Kinder, Dozierende) gezielte Rückmeldungen<br />
zu verschiedenen Aspekten ihrer Auftritte (wie Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung, Sprechtempo,<br />
etc.).<br />
> Im interdisziplinären Modul Kommunikation und Kooperation im 2. Studienjahr (KG und <strong>PS</strong>) lernen die<br />
Studierenden Kommunikation als Phänomen zu verstehen und einzuordnen. Kommunikation im Unterricht<br />
wird dabei auch unter einem genderspezifischen Blickwinkel betrachtet und reflektiert. Die Studierenden<br />
eignen sich verbale und nonverbale Mittel für Rede und Gespräch an, erfahren bewusste kommunikative<br />
Formen der Teamarbeit, setzen sich mit ihrer Führungsaufgabe und verschiedenen Führungsstilen<br />
auseinander und erarbeiten sich Möglichkeiten einer adäquaten Kommunikation in Konfliktsituationen.<br />
> In je einem interdisziplinären Modul im <strong>1.</strong> Studienjahr rings um Stimme, Gesang, Ausdruck und Rhythmik<br />
fördern die Studierenden beider Ausbildungsgänge (KG und <strong>PS</strong>) durch Stimm- und Sprechschulung<br />
ihren eigenen mündlichen Ausdruck. Sie lernen die Regeln der Standardaussprache kennen und einsetzen.<br />
Körperhaltung, Atmung, Resonanzschulung, Artikulations- und Stimmsitzübungen sind dabei wichtige<br />
Modulinhalte für ein klangvolles und optimales Sprechen und Singen in der Schule. Durch Vorlesen,<br />
Vorsingen, Rezitieren und Freie Rede erhalten die Studierenden die Möglichkeit, vor ihren Mitstudierenden<br />
Erfahrungen zu sammeln und aufgrund von Rückmeldungen differenziert an diesen Fähigkeiten<br />
weiter zu arbeiten.<br />
> In den spezifischen Rhythmik-Modulen des Ausbildungsganges Kindergarten (<strong>1.</strong> bis 3. SJ) und im interdisziplinären<br />
Modul Tanz werden verschiedene Aspekte von Auftrittskompetenz geschult, wie z.B.: aufmerksame<br />
Wahrnehmung des eigenen Körpers, Körpersprache ihre Wirkung im Unterricht, Spannung<br />
und Entspannung des eigenen Körpers, Körper und Raum. Über Improvisation wird Aufmerksamkeit für<br />
den Moment gefördert, in Gestaltungsaufgaben und durch Spiel mit Ausdruck und Sprache werden<br />
Blick und Bewusstsein für die Wirkung von Bewegung, Darstellung und Auftritt geschärft.<br />
im Praktikum:<br />
> Gelegenheiten zum Vorlesen, Vorsingen, Rezitieren, Referieren, freien Erzählen etc. im Unterricht bewusst<br />
wahrnehmen und nutzen. Dabei der Praxislehrperson und der Praktikumspartnerin gezielte und konkrete<br />
Beobachtungsaufträge zu Körperhaltung, Blick, Mimik, Ausdruck, etc. (siehe einzelne Kriterien) erteilen,<br />
entsprechende Rückmeldungen entgegen nehmen und reflektieren (auch an die Möglichkeit denken,<br />
Rückmeldungen zur Wirkung des eigenen Auftretens von Seite der Kinder einzuholen!).<br />
> Am Modell der Praxislehrperson als Experte / Expertin lernen: In verschiedenen Situationen (z.B. Unterricht,<br />
Elterngespräch, Teamsitzung etc.) die PLP gezielt beobachten und festhalten, wie sie Körpersprache,<br />
Stimme etc. einsetzt bzw. mit welchen Mitteln sie eine bestimmte Kommunikationssituation gestaltet.<br />
> Mit verschiedenen Graden des Sich-Exponierens vor der Klasse experimentieren und Erfahrungen auswerten.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 46
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
> Allfällige Gelegenheiten nutzen, die eigene Auftritts- und Kommunikationskompetenz in Konfliktsituationen<br />
zu erproben.<br />
Literatur<br />
> Berthold, S. (2003): Rhetorische Kommunikation. In: Handbuch Didaktik der deutschen Sprache. utb,<br />
148-159<br />
> Hierhold, E. (1998): Sicher präsentieren – wirksamer vortragen. Ueberreuter, 448.<br />
> Holzheu, H. (1994): Natürliche Rhetorik für Führungskräfte. Schweizerische Volksbank, 56<br />
> Pabst-Weinschenk, M. (2004). Die Sprechwerkstatt. Westermann<br />
> Seifert J. W. (1995): Visualisieren – Präsentieren – Moderieren. GABAL<br />
> Wanzenried, P. (2004): Unterrichten als Kunst. Bausteine zu einer ästhetisch-konstruktivistischen Didaktik.<br />
Verlag Pestalozzianum<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 47
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein In den Vordergrund treten<br />
Auftreten und Kommunizieren<br />
1<br />
<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
Die Körperhaltung ist aufrecht<br />
und offen. Die Lehrperson<br />
strahlt durch ihre<br />
Körperspannung sowie ihre<br />
Art und Weise der Bewegung<br />
im Raum Präsenz und<br />
Energie aus.<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
<br />
2<br />
<br />
3<br />
<br />
Der Blick der Lehrperson ist<br />
freundlich, offen, wach und<br />
aufmerksam. Sie stellt häufig<br />
Blickkontakt zu den Schülerinnen<br />
und Schülern her,<br />
ohne dass einzelne Kinder<br />
übersehen oder übermässig<br />
fixiert werden.<br />
Die Mimik wirkt natürlich und<br />
lebendig.<br />
<br />
<br />
4<br />
<br />
5<br />
<br />
Die Gestik wirkt sinnstiftend<br />
und trägt zur Rhythmisierung<br />
des Gesagten bei. <br />
Das Sprechen der Lehrperson<br />
spiegelt den natürlichen<br />
Atemfluss.<br />
<br />
6<br />
<br />
7<br />
<br />
8<br />
<br />
Der Ausdruck der Sprache<br />
ist dem Inhalt und der Kommunikationssituation<br />
angepasst:<br />
Sprechtempo,<br />
Sprech- bzw. Stimmlage,<br />
Betonungen, Pausen, Lautstärke<br />
und eine klare Artikulation<br />
machen das Gesagte<br />
nachvollziehbar, einprägsam<br />
und lebendig.<br />
Füllwörter und -laute und /<br />
oder Verlegenheitsgesten<br />
beeinträchtigen die Wirkung<br />
der Botschaft bzw. die Verständlichkeit<br />
des Gesagten<br />
nicht.<br />
Das äussere Erscheinungsbild<br />
(Kleidung, Frisur, usw.)<br />
entspricht der Rolle der<br />
Lehrerin/des Lehrers als<br />
„öffentliche Person“ und als<br />
Vorbild.<br />
<br />
<br />
<br />
Studierende/-r:_____________________<br />
Beobachter/-in:___________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 48
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Baustein<br />
Zugänge zu Alltagswelten – Vernetzungen (Mensch und Umwelt )<br />
Einführung<br />
„Der Lehrer nimmt den Bach durch.<br />
Er zeigt ein Bild.<br />
Er zeichnet an die Wandtafel.<br />
Er beschreibt.<br />
Er schildert.<br />
Er erzählt.<br />
Er schreibt auf.<br />
Er diktiert ins Heft.<br />
Er macht eine Prüfung.<br />
Hinter dem Schulhof fliesst munter der Bach vorbei.<br />
Vorbei“<br />
(SCHULMANN (1973) in Schauer (2002))<br />
Die originale Begegnung ist einer der zwölf Grundsätze, die Pit Wiher (vgl. Literaturangabe) für die Unterrichtsgestaltung<br />
im Fachbereich Mensch und Umwelt fordert. Wenn immer möglich sollte die Arbeit im Unterricht<br />
von der direkten Begegnung mit dem Objekt ausgehen und Erlebnisse vermitteln.<br />
Die Schülerinnen und Schüler sollen im Fachbereich Mensch und Umwelt nicht nur Wissen erwerben, sondern<br />
auch Strategien (Fähigkeiten und Fertigkeiten/Handlungskompetenzen) zur Aneignung von Welt entwickeln.<br />
Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, Objekte ihrer Umgebung und des Wohnortes genauer anzusehen<br />
und Bezüge zu ihnen selbst und zur Mitwelt herzustellen. Dazu helfen ihnen alle Wissensbereiche.<br />
Theoretische Perspektive<br />
Der Fachbereich Mensch und Umwelt stellt den Menschen als Teil der Umwelt in den Mittelpunkt. Die Umwelt<br />
umfasst den Lebensraum von Tieren, Pflanzen und des Menschen sowie die Individuen oder Gesellschaften,<br />
die diesen Lebensraum bewohnen, nutzen, gestalten und verändern und ihre Kultur. Jeder<br />
Mensch nimmt in diesem Beziehungsnetz eine Sonderstellung ein, weil er seine natürliche, kulturelle und<br />
gesellschaftliche Umgebung fortwährend verändern kann.<br />
Der Fachbereich Mensch und Umwelt setzt folgende Bezugspunkte in den Mittelpunkt:<br />
> den Menschen mit seinem Bedürfnis, das Leben zu gestalten<br />
> die Auseinandersetzung mit natürlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Erscheinungen und Situationen<br />
> die Auseinandersetzung mit Wechselwirkungen zwischen Natur, Kultur und Gesellschaft<br />
> die Haltung der Menschen gegenüber Natur und Mitmenschen<br />
Das Hauptziel des Fachbereiches Mensch und Umwelt ist, die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Menschen<br />
zu begleiten, welche Bereitschaft für einen verantwortlichen Umgang mit der Umwelt zeigen, die über<br />
die Schulzeit hinaus wirksam bleibt. Der Fachbereich orientiert sich an der unmittelbaren Alltags- und Erfahrungswelt<br />
der Schülerinnen und Schüler. Ausgehend von dieser Alltagswelt führt er zu Fragen wie „Was ist<br />
um uns?“, „Was war um uns?“, „Was wird um uns sein?“<br />
Die Schülerinnen und Schüler werden gefordert und gefördert, vernetzt zu denken. Sie sollen erahnen, wie<br />
das beobachtete Objekt in vielfältiger Beziehung zu anderen Menschen, Dingen und zu ihnen selbst steht.<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 49
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Lernsituationen<br />
an der PH:<br />
> Erschliessung einer Siedlung als Ort originaler Begegnungen für Schülerinnen und Schüler<br />
> Auseinandersetzung mit Lehr- und Lernmaterialien aus dem Fachbereich Mensch und Umwelt, beispielsweise<br />
mit der interkantonalen Lehrmittelreihe Natur-Mensch-Mitwelt .<br />
> Kennen lernen verschiedener Zugangswege in die Welt des Lernens und Lehrens im Fachbereich Mensch<br />
und Umwelt (bildhaft-metaphorischer Zugang, thematisch-strukturierter Zugang, Zugang über Unterrichtsbeispiele<br />
und -erfahrungen, Zugang über Experimente und Erprobungen und auditiver Zugang,<br />
vgl. Müller, H.; Adamina, M. (2002)<br />
> Kennen lernen wichtiger Grundsätze zur Unterrichtsgestaltung im Fachbereich Mensch und Umwelt, z.B.<br />
Sinneswahrnehmung, Originale Begegnung, Exemplarische Auswahl, Aktualität, Lernen lernen, u.a., vgl.<br />
Pit Wiher (1998).<br />
> Auseinandersetzung mit verschiedenen Typen vernetzenden Denkens<br />
> Offenlegen der Verknüpfungen der verschiedenen Objekte<br />
im Praktikum:<br />
Lernsequenzen aus dem Fachbereich Mensch und Umwelt mit Berücksichtigung folgender Punkte planen:<br />
> verschiedene Zugänge zum Lehren und Lernen erproben.<br />
> Einsatz von “Grundsätzen“ (gemäss Pit Wiher) für die Unterrichtsgestaltung<br />
> fachlich abgestützte Lehr- und Lernmittel auswählen<br />
> Adäquate Tätigkeiten und Materialien einsetzen<br />
> Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
> vernetzendes Denken fördern<br />
> kleine Netzwerke offen legen oder rekonstruieren<br />
Literatur<br />
> Müller, Hans; Adamina, Marco (2002): Lernwelten Natur-Mensch-Mitwelt. 2. Auflage. Berner<br />
Lehrmittel und Medienverlag<br />
> Wiher, Pit (1998): Grundlagen „Mensch & Umwelt“. Umsetzungshilfe zu den Themenheften.<br />
Lehrmittelverlag des Kantons Zürich<br />
> Erziehungsdepartement des Kantons Graubünden (Hrsg.) (1992): Lehrplan für die Primarschulen des<br />
Kantons Graubünden. Chur, Kantonaler Lehrmittelverlag Graubünden<br />
> Erziehungsdirektion des Kantons Glarus (Hrsg.) (1988): Lehrplan für die Volksschule Glarus. Glarus, Kantonaler<br />
Lehrmittelverlag Glarus<br />
> Erziehungsdirektion des Kantons Bern (Hrsg.) (1995): Lehrplan für die Volksschule des Kantons Bern.<br />
Bern, Staatlicher Lehrmittelverlag<br />
> Erziehungsdepartement des Kantons Zürich (Hrsg.) (1991): Lehrplan für die Volksschule des Kantons<br />
Zürich. Zürich, Lehrmittelverlag<br />
> Schauer, Monika (2002): Ausserschulische Lernorte<br />
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/9694.html, 27.2.2005<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 50
BAUSTEINHEFT / Primarschule<br />
Kriterienblatt<br />
Baustein Zugänge zu Alltagswelten – Vernetzungen<br />
Zugänge zu Alltagswelten – Vernetzungen (Mensch und Umwelt)<br />
Kriterien Beobachtungsbeispiele / Kommentar ja<br />
teils/<br />
teils<br />
nein<br />
1<br />
<br />
Der/Die Studierende orientiert<br />
sich an der Alltagswelt<br />
der Schülerinnen und Schüler.<br />
<br />
2<br />
<br />
Der/Die Studierende ermöglicht<br />
den Kindern die originale<br />
Begegnung mit dem<br />
Objekt, den Objekten.<br />
<br />
3<br />
<br />
Die/Der Studierende wendet<br />
für die Unterrichtsgestaltung<br />
die verschiedenen Grundsätze<br />
von Wiher sinnvoll an.<br />
<br />
4<br />
<br />
Die/Der Studierende setzt<br />
adäquate Methoden und<br />
Materialien ein.<br />
<br />
5<br />
<br />
Der/Die Studierende setzt<br />
fachlich abgestützte Lehrund<br />
Lernmaterialien ein.<br />
<br />
6<br />
<br />
Der/Die Studierende fördert<br />
bei den Kindern die Entwicklung<br />
von fachspezifischen<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten.<br />
<br />
7<br />
<br />
Die/Der Studierende motiviert<br />
die Schülerinnen und<br />
Schüler eigene Fragen zu<br />
stellen und Lösungen zu<br />
entwickeln und regt positiven<br />
Umgang mit Gefühlen<br />
an.<br />
<br />
8<br />
<br />
Der/Die Studierende führt<br />
die Schülerinnen und Schüler<br />
zu vernetzendem Denken.<br />
Er/Sie legt die in der<br />
Sache liegenden Beziehungen<br />
offen.<br />
<br />
Studierende/-r___________________________ Beobachter/-in:__________________________<br />
PHGR – Abteilung Berufspraktische Ausbildung / Oktober 2008 51