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1.Der erste Blick Das war die Tageszeit, zu der ich mir ... - Wikia

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„Und jetzt bist du unglückl<strong>ich</strong>,“ murmelte <strong>ich</strong>. Ich könnte n<strong>ich</strong>t damit aufhören meine<br />

Hypothesen laut aus<strong>zu</strong>sprechen in <strong>der</strong> Hoffnung aus ihren Reaktion <strong>zu</strong> lernen. Diese, wie auch<br />

immer, schien n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> weit von <strong>der</strong> Wahrheit entfern <strong>zu</strong> sein.<br />

„Und?“ sagte sie, als wäre das ein Aspekt <strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t berücks<strong>ich</strong>tigt werden müsse.<br />

Ich starrte ihr weiter in <strong>die</strong> Augen und merkte dass <strong>ich</strong> nun endl<strong>ich</strong> meinen <strong>erste</strong>n echten<br />

kleinen Einblick in ihre Seele bekommen hatte. In <strong>die</strong>sem einen Wort sah <strong>ich</strong>, welchen Platz sie s<strong>ich</strong><br />

auf ihrer Prioritätenskala einräumte. An<strong>der</strong>s als bei an<strong>der</strong>en Menschen, standen ihre eigenen<br />

Bedürfnisse ganz weit unten auf <strong>der</strong> Liste.<br />

Sie <strong>war</strong> selbstlos.<br />

Als <strong>mir</strong> das bewusst wurde begann s<strong>ich</strong> das Geheimnis um <strong>die</strong>se Person <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> hinter<br />

stummen Gedanken v<strong>erste</strong>ckte ein wenig <strong>zu</strong> lüften.<br />

„<strong>Das</strong> klingt n<strong>ich</strong>t gerade fair,“ sagte <strong>ich</strong>. Lässig <strong>zu</strong>ckte <strong>ich</strong> mit den Schultern um meine<br />

Neugierde <strong>zu</strong> verbergen.<br />

Sie lachte, aber es klang n<strong>ich</strong>t amüsiert. „Hat dir das noch keiner gesagt? <strong>Das</strong> Leben ist n<strong>ich</strong>t<br />

fair.“<br />

Ich wollte über ihre Worte lachen, obwohl auch <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t amüsiert <strong>war</strong>. Ich wusste ein kleines<br />

bisschen was über <strong>die</strong> Ungerechtigkeit im Leben. „Ich denke, das habe <strong>ich</strong> schon mal irgendwo<br />

gehört.“<br />

Sie starrte m<strong>ich</strong> an und wirkte wie<strong>der</strong> verwirrt. Ihre Augen flackerten und dann trafen sie<br />

meine wie<strong>der</strong>.<br />

„<strong>Das</strong> ist alles,“ sagte sie <strong>mir</strong>.<br />

Aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t bereit, <strong>die</strong>se Unterhaltung <strong>zu</strong> beenden. <strong>Das</strong> kleine V zwischen ihren<br />

Augen, ein Anze<strong>ich</strong>en von Sorge, störte m<strong>ich</strong>. Ich wollte es mit meinen Fingerspitzen glattstre<strong>ich</strong>en.<br />

Aber selbstverständl<strong>ich</strong> konnte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t berühren. Es <strong>war</strong> in so vielerlei Hins<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er.<br />

„Du überspielst das zieml<strong>ich</strong> gut.“ Ich sprach langsam, erwog immer noch <strong>die</strong> nächste<br />

Hypothese. „Aber <strong>ich</strong> wette du leidest mehr als du irgendjemandem zeigst.“<br />

Sie verzog das Ges<strong>ich</strong>t, ihre Augen verengten s<strong>ich</strong>, ihre Lippen formten einen Schmollmund<br />

und sie wandte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> nach vorn <strong>zu</strong>m Lehrerpult. Sie mochte es n<strong>ich</strong>t, wenn <strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig riet. Sie<br />

<strong>war</strong> kein typischer Märtyrer – sie wollte kein Publikum für ihren Schmerz.<br />

„Habe <strong>ich</strong> unrecht?“<br />

Sie w<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>rück, aber tat so als hätte sie m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gehört.<br />

Ich musste lächeln. „Ich denke n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Warum interessiert d<strong>ich</strong> das überhaupt?“ verlangte sie <strong>zu</strong> wissen und starrte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong><br />

an.<br />

„<strong>Das</strong> ist eine gute Frage.“ Gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>, mehr <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> selbst statt als Antwort.<br />

Ihr Urteilsvermögen <strong>war</strong> besser als meins – sie sah den Kern <strong>der</strong> Dinge während <strong>ich</strong> am Rand<br />

herum zappelte und blind <strong>die</strong> Anhaltspunkte durchsiebte. Die Details ihres menschl<strong>ich</strong>en Lebens<br />

sollten m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t interessieren. Es <strong>war</strong> falsch von <strong>mir</strong> m<strong>ich</strong> um ihre Gedanken <strong>zu</strong> sorgen. Abgesehen<br />

vom Schutz meiner Familie <strong>war</strong>en menschl<strong>ich</strong>e Gedanken bedeutungslos.<br />

Ich <strong>war</strong> es n<strong>ich</strong>t gewohnt <strong>der</strong> weniger intuitiver Part einer Beziehung <strong>zu</strong> sein. Ich verließ m<strong>ich</strong><br />

<strong>zu</strong> sehr auf mein beson<strong>der</strong>es Gehör – <strong>ich</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so scharfsinnig wie <strong>ich</strong> immer dachte.<br />

<strong>Das</strong> Mädchen seufzte und blickte wie<strong>der</strong> nach vorne. Irgendetwas an ihrem frustrierten<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>war</strong> belustigend. Die ganze Situation, <strong>die</strong> ganze Unterhaltung <strong>war</strong> belustigend.<br />

Niemand befand s<strong>ich</strong> jemals in größerer Gefahr vor <strong>mir</strong> als <strong>die</strong>se kleine Mädchen – jeden Moment,<br />

abgelenkt von <strong>die</strong>ser lächerl<strong>ich</strong>en Konversation, konnte <strong>ich</strong> durch meine Nase einatmen, <strong>die</strong>

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