Apostelgeschichte 7,44-53 - Verteidigungsrede des Stephanus
Apostelgeschichte 7,44-53 - Verteidigungsrede des Stephanus
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Morgenandacht am Freitag, 7. Juni 2013<br />
in der Mutterhauskapelle der Diakonissen Speyer-Mannheim<br />
<strong>Apostelgeschichte</strong> 7,<strong>44</strong>-<strong>53</strong> - <strong>Verteidigungsrede</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Stephanus</strong><br />
<strong>44</strong> Es hatten unsre Väter die Stiftshütte in der<br />
Wüste, wie der es angeordnet hatte, der zu Mose<br />
redete, dass er sie machen sollte nach dem Vorbild,<br />
das er gesehen hatte.<br />
45 Diese übernahmen unsre Väter und brachten sie<br />
mit Josua in das Land, das die Heiden innehatten,<br />
die Gott vertrieb vor dem Angesicht unsrer Väter, bis<br />
zur Zeit Davids.<br />
46 Der fand Gnade bei Gott und bat darum, dass er<br />
eine Stätte finden möge für das Haus Jakob.<br />
47 Salomo aber baute ihm ein Haus.<br />
48 Aber der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die<br />
mit Händen gemacht sind, wie der Prophet spricht<br />
(Jesaja 66,1-2):<br />
49 »Der Himmel ist mein Thron und die Erde der<br />
Schemel meiner Füße; was wollt ihr mir denn für ein<br />
Haus bauen«, spricht der Herr, »oder was ist die<br />
Stätte meiner Ruhe?<br />
50 Hat nicht meine Hand das alles gemacht?«<br />
51 Ihr Halsstarrigen, mit verstockten Herzen und<br />
tauben Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem heiligen<br />
Geist, wie eure Väter, so auch ihr.<br />
52 Welchen Propheten haben eure Väter nicht<br />
verfolgt? Und sie haben getötet, die zuvor<br />
verkündigten das Kommen <strong>des</strong> Gerechten, <strong>des</strong>sen<br />
Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.<br />
<strong>53</strong> Ihr habt das Gesetz empfangen durch Weisung<br />
von Engeln und habt's nicht gehalten.<br />
Die große <strong>Verteidigungsrede</strong> <strong>des</strong> <strong>Stephanus</strong> kommt<br />
zu ihrem Ende.<br />
Er ist angeklagt, dass er den Tempel lästert und<br />
gegen das jüdische Gesetz redet. Dass er also die<br />
damalige (jüdische) Religion angreift und ihre<br />
Grundfesten unterhöhlt. Und das läßt sich keine<br />
Religion, keine Partei, kein Verein, kein Mensch gern<br />
bieten: dass jemand anderes die heiligsten Dinge,<br />
das eigene Lebensfundament in Frage stellt.<br />
In seiner <strong>Verteidigungsrede</strong> will <strong>Stephanus</strong> sich<br />
rechfertigen. Er beschreibt den Weg zum Tempel,<br />
von der Stiftshütte <strong>des</strong> wandernden Gottesvolkes,<br />
Zeichen für Gott, der das Volk treu begleitet. Den<br />
ganzen langen Weg durchs Leben. Die Hütte,<br />
symbolischer Wohnort Gottes. Schaut man hinein, ist<br />
nichts drin, die Lade vielleicht, der Thronsessel<br />
Gottes, aber auch da kein Standbild, nichts zum<br />
Anfassen, kein Projektionsbild der Anbetung. Aber<br />
man schaut gar nicht erst hinein. Es reicht zu<br />
wissen: Gott ist da, unter uns, mit uns, in unserer<br />
Mitte.<br />
Wenn’s sein muss und nicht anders ist, mitten in der<br />
Wüste. In der Wüste <strong>des</strong> Lebens ist Gott da. Nicht<br />
sichtbar, aber ahnbar, erfahrbar, spürbar.<br />
Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten das Lied<br />
Gerhard Tersteegens, <strong>des</strong> niederrheinischen<br />
Pietisten aus reformierter Tradition, 1697-1769, fängt<br />
etwas von dieser Gegenwart Gottes ein und von der<br />
Anbetung, die unsererseits, seitens der Menschen<br />
allein entsprechen kann.<br />
Gottes Gegenwart, symbolisiert durch die Stiftshütte.<br />
Das Bilderverbot der jüdischen Religion zeigt sich da<br />
und eine frühe Form, alle Darstellung Gottes<br />
zurückzunehmen. Der jüdische Monotheismus findet<br />
seine Entsprechung in einem reduzierten<br />
Symbolismus. Im Islam ist ein Nachklang zu spüren<br />
in dem Verbot, Bilder zu malen, das zu den<br />
prachtvollen Ornamenten in den Moscheen geführt<br />
hat. Im reformierten Protestantismus mit seiner<br />
Reduktion auf die Bibel, das Wort, die nicht einmal<br />
Kerzen und Kreuze oder gar Kruzifixe in Kirchen und<br />
Wohnhäusern zugelassen hat.<br />
2<br />
David, als er dann das Land erobert und Israel<br />
sesshaft gemacht und zu großer Macht geführt hat,<br />
will seinem Gott einen Tempel bauen. Er soll<br />
mithalten können mit den Göttern ringsum. (Oder ist<br />
es David, der mithalten will mit den Machthabern<br />
ringsum?) Und die Menschen sollten einen Platz<br />
haben zur Anbetung. Selbst wenn dann erst sein<br />
Sohn Salomo den Tempel hat bauen können.<br />
Doch <strong>Stephanus</strong> steht wie die frühe Kirche, wie<br />
Jesus ganz auf der anderen Seite der Tradition. Es<br />
gibt eben beide Seiten dieser Tradition, die<br />
Tempelseite und die Hüttenseite, die Bilderseite und<br />
die Bildvermeidungsseite.<br />
… der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die mit<br />
Händen gemacht sind, wie der Prophet spricht<br />
(Jesaja 66,1-2): »Der Himmel ist mein Thron und die<br />
Erde der Schemel meiner Füße; was wollt ihr mir<br />
denn für ein Haus bauen«, spricht der Herr, »oder<br />
was ist die Stätte meiner Ruhe? Hat nicht meine<br />
Hand das alles gemacht? «<br />
Er hat nicht die Großmut zu sagen: Man kann so<br />
oder so glauben, Bilder haben oder nicht, Tempel<br />
bauen oder Hütten mitziehen. Er hat sich<br />
entschieden für die eine Seite.<br />
Und hat er nicht recht, Gottes Größe anzudeuten,<br />
indem er den Himmel als Thron und die Erde als<br />
Fußschemel Gottes beschreibt? Der große Gott, den<br />
die Himmel nicht fassen können – entgegen allen<br />
menschlichen Versuchen, etwas handgreiflich<br />
werden zu lassen von Gott, ihn dingfest zu machen,
ihn einzusperren in eine Kirche, in einen Herrgottswinkel,<br />
so verständlich diese Wünsche sind.<br />
Hat er nicht recht? Gott ist größer. Und alle<br />
Versuche, ihn festzuhalten und festzumachen,<br />
werden letztlich nicht gelingen. Gott ist nicht da. Er<br />
geht mit.<br />
Er hat alles geschaffen, seine Hand hat alles<br />
gemacht –deutet das sogar an, dass Gott in allem<br />
auch ist? In der Luft, die alles füllet, und im Meer ohn<br />
Grund und Ende. Die mystische Versenkung <strong>des</strong><br />
Gerhard Tersteegen scheint die angemessenere<br />
Weise sein, sich diesem Gott zu nähern, mehr als<br />
Rauch- und Brandopfer, die auch die Verehrung<br />
Gottes verdinglichen.<br />
3<br />
Als kleiner Mensch den großen Gott anbeten und<br />
verehren, nicht mit äußeren Bildern, nicht an heiligen<br />
Orten, nicht mit religiösen Ritualen, nein mit<br />
ehrfürchtiger Gotteserkenntnis, mit Gottesfurcht, mit<br />
der Offenheit für Gottes Geist. Und – ein Hinweis<br />
noch – mit dem Halten der Gebote.<br />
Ich weiß, das klingt sehr reduziert, sehr puristisch,<br />
sehr abgehoben von allem Dinglichen. Aber es ist<br />
eben die eine Tradition in unserer Überlieferung,<br />
unserem Glauben, die immer wieder an die<br />
Oberfläche drängt. Von der Anschauung zurückgenommen<br />
ins Geistige, Abstrakte, Symbolische.<br />
Von dem Kult, der Liturgie ins Spüren, Fühlen, ins<br />
Mystische.<br />
Ich weiß auch, wer so redet, schafft sich nicht nur<br />
Freunde. Der riskiert das Naserümpfen derer, die<br />
Religion und Glaube ein bisschen sinnfälliger haben<br />
möchten, ein bisschen raumfüllender, in Licht und<br />
Klang, ein bisschen gefälliger auch, begreifbarer.<br />
Dagegen steht hier die Vergeistigung der Religion,<br />
die Rücknahme ins Symbolische – und ins Ethische,<br />
ins Tun, gut, gerecht und hilfreich für andere.<br />
Bei aller Gewöhnung an unsere Formen der<br />
Frömmigkeit – sind das nicht auch wichtige, gute<br />
Traditionen unseres Glaubens?<br />
Und liegen sie nicht – all unserer menschlichen<br />
Neigung zur Verdinglichung und Liturgisierung zum<br />
Trotz – im Gefälle der Botschaft Gottes in Jesus<br />
Christus, in <strong>des</strong>sen Nachfolge <strong>Stephanus</strong> sogar den<br />
Tod riskiert?<br />
So oder so – öffnen wir uns Gottes Geist, lassen wir<br />
zu, dass er uns durchdringt und in uns wirkt. Damit<br />
unser Leben den Anschluss hat an Gott und gelingt.<br />
Werner Schwartz,<br />
Diakonissen Speyer-Mannheim