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Psychotherapie bei chonischen Schmerzen und somatoformen ...

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05.06.2012<br />

<strong>Psychotherapie</strong> <strong>bei</strong> chronischen <strong>Schmerzen</strong> <br />

<strong>und</strong> <strong>somatoformen</strong> Störungen <br />

Warum behandeln Sie keine <br />

Schmerzpa:enten? <br />

Prof. Dr. med. Volker Köllner, <br />

Fachklinik für Psychosoma:sche Medizin <br />

Bliestal Kliniken, 66440 Blieskastel; <br />

koellner@bliestal.mediclin.de <br />

Themen <br />

• Wie funk:oniert Schmerz? <br />

• Wie funk:oniert Chronifizierung? <br />

• Anamnese, Verhaltensanalyse <strong>und</strong> strukturierte Diagnos:k <br />

• Medikamentöse Therapie <br />

• Ausdauertraining <br />

• Entspannungsverfahren <br />

• Psychoeduka:on <br />

• Kogni:ve Verhaltenstherapie <br />

• Specials: Fibromyalgiesyndrom; Schmerz & Trauma <br />

Definition Schmerz<br />

• Schmerz ist ein unangenehmes Sinnesoder<br />

Gefühlserlebnis, das mit aktueller<br />

oder potentieller Gewebeschädigung<br />

verknüpft ist oder mit Begriffen einer<br />

solchen Schädigung beschrieben wird<br />

(International Association for the study of pain 1986)<br />

<strong>Schmerzen</strong> in Deutschland<br />

• Häufigstes Symptom, das zur Arztkonsultation<br />

führt<br />

• Nicht spezifisch, sondern im Rahmen<br />

unterschiedlicher Erkrankungen auftretend<br />

• Ca. 6-8 Millionen chronische Schmerzpatienten<br />

• 1,5-2% schwere oder komplexe<br />

Schmerzprobleme<br />

Wie funk:oniert Schmerz? <br />

• Modell der Alarmanlage <br />

• Sinnvoll zum Verständnis <br />

von Akutschmerz <br />

• Versagt <strong>bei</strong> der Erklärung <br />

chronischer <br />

Schmerzzustände <br />

• Ist in den Köpfen vieler <br />

Pa:enten <strong>und</strong> Ärzte nach <br />

wie vor virulent <br />

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05.06.2012<br />

Die Wirklichkeit ist komplizierter: <br />

• Die Schmerzwahrnehmung wird von <br />

zentralen Prozessen moduliert <br />

• Bei chronischen <strong>Schmerzen</strong> wird <br />

dieser Effekt dominant <br />

• Psychosoziale Faktoren haben einen <br />

relevanten Einfluß auf <br />

Schmerzerleben <strong>und</strong> Lebensqualität <br />

• Chronische <strong>Schmerzen</strong> können auch <br />

psychisch ausgelöst werden <br />

• Therapie chronischer <strong>Schmerzen</strong> <br />

kann nur <strong>bei</strong> mul:modalem <br />

Vorgehen Erfolg haben <br />

Neuroplas:zität <strong>und</strong> Chronifizierung <br />

Bei unbehandelten Schmerzzuständen <br />

kommt es zu <br />

• Vergrößerung des entsprechenden Areals im <br />

sensiblen Homunculus <br />

• Absenkung der Reizschwelle <br />

• Steigerung der Antwort auf überschwellige Reize <br />

• Au_reten von Spontanak:vität <br />

• Ak:vierung par:ell stummer Afferenzen <br />

Schmerzbahnen<br />

Limbisches<br />

System<br />

Assoziationsareale<br />

Thalamus<br />

Mechanismen der Chronifizierung <br />

Schmerzafferenzen<br />

Aδ/C-Fasern<br />

Vegetative Zentren, Schlaf-<br />

Wachzentrum<br />

Vorderseitenstrang<br />

Sympathische <strong>und</strong> motorische Efferenzen<br />

Schmerz<br />

Akuter Schmerz =><br />

biologische Warnfunktion des Körpers<br />

Chronischer Schmerz =><br />

Schmerz, der seine Warnfunktion<br />

verloren hat <strong>und</strong> zunehmend die<br />

Lebensgestaltung übernimmt<br />

Chronischer Schmerz<br />

• Definition: eine über 3-6 Monate bestehende<br />

Schmerzsymptomatik, die über die normale<br />

Heilungszeit hinaus anhält<br />

• Keine aktuelle Gewebeschädigung<br />

• Eigenständige Schmerzkrankheit<br />

• Akzeptanz <strong>bei</strong> den Mitmenschen oft gering<br />

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Mechanismen der Chronifizierung<br />

• Insuffiziente Schmerztherapie<br />

• Periphere Sensibilisierung der Nozizeptoren<br />

• Zentrale Sensibilisierung<br />

• Psychische Faktoren, z. B.<br />

- operante Mechanismen<br />

- dysfunktionale Kognitionen<br />

- Komorbidität (V. a. Depression, Angststörung)<br />

• Soziale Faktoren<br />

- Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

- Unzufriedenheit im Beruf<br />

Periphere Sensibilisierung<br />

• Gewebeschaden führt zur Freisetzung von<br />

Entzündungsmediatoren<br />

• Freisetzung proentzündlicher Neuropeptide<br />

• Rekrutierung stummer Nozizeptoren<br />

• Sensibilisierung von Nozizeptoren mit<br />

– Erniedrigung der Erregbarkeitsschwelle<br />

– Erhöhung der Zahl der neuronalen Entladungen<br />

– Entwicklung von Spontanaktivität<br />

Zentrale Sensibilisierung<br />

• Aktivitätsänderung der deszendierenden,<br />

schmerzhemmenden Bahnen von den großen Raphe-<br />

Kernen <strong>und</strong> dem periaquäduktalen Grau zu den<br />

Rückenmarkssegmenten<br />

Wege der Chronifizierung <br />

Avoidance/Endurance-­‐Konzept <br />

akute Rückenschmerz-<br />

Episode<br />

• Plastizität der kortikalenRepräsentation/<br />

Verschiebung im Homunculus<br />

• Sensibilisierung von nozizeptiven Neuronen im<br />

Hinterhorn durch vermehrten Zustrom aus der Peripherie<br />

fröhliche oder<br />

verbissene<br />

Durchhalter <br />

(etwa 20%) <br />

Ärztliche Beratung <br />

• gute Spontanprognose <br />

• normale Aktivität fortsetzen, KEINE<br />

Bettruhe <br />

• ggf. Wärme, NSAR <br />

• Prävention: Aerobes Training,<br />

Muskelaufbautraining <br />

ängstliche<br />

Vermeider <br />

(etwa 80%) <br />

Chronifizierung <br />

schneller<br />

Beschwerderückgang<br />

Chronifizierung <br />

Beispiel Rückenschmerz <br />

aber: <br />

• Etwa 90% der Bevölkerung haben 1x im Leben <br />

klinisch relevanten Rückenschmerz. <br />

• In Risikoberufen <strong>bei</strong> 75% 1x/Jahr <br />

• Bei 80% der Betroffenen keine kausalen organpath. <br />

Veränderungen (unspezifischer RS) <br />

• 90% dieser Pa:enten sind binnen 6 Wochen wieder <br />

ar<strong>bei</strong>tsfähig <strong>und</strong> Beschwerdefrei. <br />

• die übrigen 10% verursachen 90% der Kosten, die für <br />

RS ausgegeben werden. <br />

• Chron. RS verursacht 12,3% aller AU-­‐Tage in <br />

Deutschland <strong>und</strong> sind häufigster gr<strong>und</strong> für <br />

Frühberentung. <br />

• Gesamtkosten 2000: 34 Mrd. DM/Jahr, davon nur <br />

30% Behandlungskosten. <br />

• Nach 6 Monaten kehren 30%-­‐40%, nach 12 Monaten <br />

noch 8% der Betroffenen ins Erwerbsleben zurück! <br />

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05.06.2012<br />

Schmerz <strong>und</strong> Psyche <br />

Somatische Erkrankung, gute<br />

Krankheitsverar<strong>bei</strong>tung<br />

(z. B. Krebs, gute KV)<br />

Somatische Erkrankung,<br />

problematische Verar<strong>bei</strong>tung<br />

(z. B. Krebs <strong>und</strong> depressive Reaktion)<br />

Komorbidität körperlicher<br />

<strong>und</strong> psychischer Erkrankung<br />

(z. B. PCP & Alkoholabhängigkeit)<br />

Psychosomatische<br />

Schmerzsyndrome<br />

(z. B. Spannungskopfschmerz,<br />

chron. unspez. Rückenschmerz) <br />

Psychogene Schmerzauslösung<br />

(z. B.Konversion)<br />

Diagnosen <br />

• Somatoforme Schmerzstörung (F45.40) <br />

• Chronisches Schmerzsyndrom mit soma:schen <strong>und</strong> <br />

psychischen Anteilen (F45.41) <br />

• Psychische Faktoren <strong>bei</strong> soma:schen Erkrankungen <br />

(z. B. dysfunk:onale Schmerzverar<strong>bei</strong>tung, F54) <br />

• Anpassungsstörung (F43.2) <br />

• Posqrauma:sche Belastungsstörung (F43.1) <br />

• Medikamentenabusus <br />

Somatoforme Störungen: Wie es <br />

nicht laufen sollte: <br />

Einteilung Somatoforme Störungen (nach <br />

Timmer & Rief, 2005) <br />

• Sozialisation <strong>und</strong> Lerngeschichte<br />

- Körper als Quelle von Unlust<br />

oder Angst<br />

- Zuwendung nur <strong>bei</strong><br />

Körpersymptomen<br />

häufig Vorgeschichte von<br />

Vernachlässigung/ sexueller oder<br />

gewalttätiger Mißhandlung<br />

• Einstellungen <strong>und</strong> Bewertungen<br />

• Aufmerksamkeitsfokussierung<br />

• chronisches Krankheitsverhalten<br />

• operante Verstärkung von<br />

Rückversicherung<br />

• psychophysiologische<br />

Rückkoppelung<br />

Erklärungsmodelle <br />

Risikofaktoren für somatoforme Störung <br />

• Sexuelle oder gewalqä:ge Mißhandlung in <br />

der Kindheit <br />

• Vernachlässigung in der Kindheit <br />

• Früher Verlust eines Elternteils <br />

• chronisch krankes Elternteil <br />

• beruflich sehr eingespannte Eltern in der <br />

frühen Kindheit. <br />

(Henningsen et al., Lancet, 2007) <br />

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05.06.2012<br />

Teufelskreise <strong>bei</strong> <strong>somatoformen</strong> Störungen <br />

Problem nicht gestellter Diagnosen: <br />

Pa:ent kommt mit körperlichen Symtomen eines <br />

Panikanfalls oder einer <strong>somatoformen</strong> Störung zur <br />

Diagnos:k <br />

⇓ <br />

Organmedizinische Diagnos:k o. B. <br />

⇓ <br />

Arzt: „Sie sind ges<strong>und</strong>!“ <br />

⇓ <br />

Pa:ent hat keine Erklärung für seine Beschwerden <br />

erhalten, fühlt sich unverstanden <strong>und</strong> sucht <strong>bei</strong> neuen <br />

Beschwerden weiterführende Diagnos:k. <br />

Schmerzanamnese<br />

Diagnos:k <br />

• Lokalisation: Wo tut es weh?<br />

• Dauer: Wann tut es weh?<br />

• Qualität: Wie ist der Schmerz?<br />

• Auslöser: Was kann die <strong>Schmerzen</strong><br />

beeinflussen?<br />

• Intensität: Wie stark tut es weh (0-10)?<br />

- geringster Schmerz<br />

- Schmerzspitzen<br />

- Durchschnitt <br />

Visuelle Analogskala<br />

Schmerzskizze <br />

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05.06.2012<br />

Verhaltensanalyse <br />

• Auslösende/ verstärkende Bedingungen <br />

(Tagebuch, Spaltentechnik) <br />

• Kogni:ve Bewertung <br />

• Schmerzverhalten <br />

• Reak:on der Umwelt <br />

• <strong>Schmerzen</strong>twicklung <strong>und</strong> Biographie <br />

• Ausnahmen: Wann stört der Schmerz nicht? <br />

Dysfunk:onale Kogni:onen <br />

• Wenn es weh tut, muß etwas gefährliches im Körper <br />

ablaufen... <br />

• Es wird immer schlimmer / ich halte das bald nicht <br />

mehr aus... <br />

• Der Schmerz bes:mmt, wie der Tag wird <br />

• Mit <strong>Schmerzen</strong> kann ich nichts machen / genießen <br />

• Ich bin den Schmerz hilflos ausgeliefert <br />

• Nur Schonung hil_ <br />

• Medikamente sind die einzige Hilfe / pures Gi_ <br />

Fragebögen <br />

• Pain Disability Index (PDI) <br />

• Semerzempfindungsskala (SES) <br />

• Deutscher Schmerzfragebogen <br />

www.schmerz-­‐zentrum.de <br />

• Kieler Schmerzinventar (KSI) <strong>und</strong> andere <br />

Coping-­‐Fragebögen (z. B. CSQ) <br />

• Fragebögen zur Komorbidität (z. B. HADS, ADS, <br />

SCL-­‐90...) <br />

Schmerztherapie <br />

Multimodale Schmerztherapie<br />

• Pharmakotherapie<br />

– Medikamentös<br />

– Interventionell/invasiv<br />

• Physikalische Therapie/Krankengymnastik<br />

• Ausdauertraining<br />

• Zusammenar<strong>bei</strong>t mit verschiedenen medizinischen<br />

Fachrichtungen<br />

• <strong>Psychotherapie</strong><br />

• Ergänzende Verfahren<br />

Medikamentöse Therapie des<br />

chronischen Schmerzes<br />

• Medikamenteneinnahme nach festem<br />

Zeitschema<br />

• Basismedikation über retardierte<br />

Präparate<br />

• WHO-Stufenschema<br />

• Begleittherapie<br />

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05.06.2012<br />

Nicht medikamentöse Therapie<br />

• Krankengymnastik<br />

• Aktivitätssteigerung<br />

• Applikation von Kälte oder Wärme<br />

• Elektrotherapie<br />

• <strong>Psychotherapie</strong><br />

• Akupunktur<br />

• Neuraltherapie<br />

• Homöopathie<br />

• Ausleitende Verfahren<br />

• TCM<br />

Alternative Verfahren<br />

<strong>Psychotherapie</strong> <strong>bei</strong> chronischen <br />

<strong>Schmerzen</strong> <br />

• Entspannungsverfahren (PMR, AT)<br />

• Biofeedback<br />

• Hypnotherapie<br />

• Körpertherapie (Feldenkrais, konzentrative Entspannung,<br />

konzentrative Bewegungstherapie)<br />

• Schmerzbewältigungstraining (VT), etwa 10 Doppelst<strong>und</strong>en<br />

als Gruppe, manualisiert.<br />

• individualisierte kognitive Verhaltenstherapie<br />

• psychodynamische <strong>Psychotherapie</strong><br />

• stationäre <strong>Psychotherapie</strong> mit multimodalem Angebot.<br />

Kogni:ve Verhaltenstherapie <br />

• Psychoeduka:on <br />

• Kogni:ves Umstrukturieren <br />

• Aufmerksamkeitslenkung <br />

• Ak:vitätsauvau <br />

• Selbstkontrolle stärken <br />

• Operante Schmerztherapie <br />

-­‐ Keine Belohnung für Schmerzverhalten <br />

-­‐ Tagesstruktur möglichst schmerzunabhängig <br />

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