1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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66 Jochen Bleicken satz der Münze richtig getroffen sein dürfte (s. u. S. 67 f.), liegt auch bei dieser Deutung der Schwurszene die Vertragstheorie zugrunde, weil auf die Verträge Bezug genommen ist, welche die Eidgenossenschaft begründeten. Es scheint mir vielmehr die Szene der Denare und Gemmen auf die militärische coniuratio Bezug zu nehmen. Daß wir es mit einem Soldateneid zu tun haben, ist gewiß deutlich: Es stehen jeweils ein oder mehrere Soldaten einander gegenüber, die geschlossen ihre Schwerter auf das Ferkel senken und es mit der Schwertspitze berühren. Die Soldaten sind gregarii; auf den älteren Stücken sind sie in Bewaffnung und Kleidung unterschieden: Auf dem Janus-Gold ist der ungepanzerte Krieger mit langer Lanze möglicherweise ein triarius (vgl. o. S. 63), der gepanzerte Soldat vielleicht ein princeps, also einer, der im zweiten Treffen der Legion steht (bewaffnet mit Schwert und pilum), oder aber ein abgesessener Reiter. Auf den späteren, schematischen Darstellungen des ersten Jahrhunderts ist die Differenzierung des einzelnen Soldaten der Darstellung der Masse gewichen. Der Charakter der Szene als Verpflichtung der Soldaten untereinander ist dadurch gesteigert worden; auf einigen italischen Prägungen (Nr. 5 d) ist zur Verdeutlichung des dargestellten Aktes noch die Standarte hinzugefügt, unter der die Soldaten sich verpflichten. — Dieser Soldateneid kann nun nur die coniuratio sein, denn sie ist der einzige neben dem sacramentum existierende Soldateneid. Das sacramentum scheidet aber als Gegenstand der Abbildung aus: Es war der Eid des einzelnen Soldaten vor dem Konsul, und er erforderte unseres Wissens keine besonderen religiösen Zeremonien. Die coniuratio hingegen konnte die religiöse Bindung nicht entbehren, sie war der Ersatz für die bei der coniuratio fehlende Verpflichtung gegenüber der staatlichen Autorität. Diese religiöse Zeremonie ist nun das Ferkelopfer. Wie der genaue Ritus war, wissen wir nicht. Die Darstellung der Eidszene auf den Münzen und Gemmen, auf denen die Soldaten mit ihrem Schwert alle auf das Ferkel weisen, zielt nur darauf ab, ihre gemeinsame Bindung unter dem Zeichen des Ferkelopfers zur Abbildung zu bringen. Einen klaren Hinweis auf die Zeremonie aber liefert Livius, der die zum Jahre 216 v. Chr. überlieferte coniuratio von Soldaten ein voluntarium foedus nennt (s. o. S. 56). Die Verwendung dieses Terminus weist auf den bei dem Vertragsabschluß angewandten Opferritus hin, zu dem ja desgleichen ein Ferkelopfer sie also damit auf die erste Hälfte des Hannibalkrieges. Allerdings stimmt die von ihm gegebene Erklärung nicht zu dem von Liv. a. a. 0. beschriebenen Vorgang: Bei Livius geht es um den konkreten Fall einer Aushebung, Thomsen aber versteht die Szene der Münze als die Abstraktion einer gesamtitalischen Waffengemeinschaft (,common pact`), deren Basis der Vertrag zwischen Rom und seinen Bündnern ist. Trotzdem steht Thomsen meinem u. S. 66 f. gegebenen Deutungsversuch am nächsten.

Coniuratio 67 gehört (s. o. S. 58 ff.). Es liegt daher die Annahme nahe, daß der Schwur der Soldaten, sich selbst zu Truppeneinheiten zu formieren, nicht aus der Schlachtordnung zu weichen, es sei denn, um ein Geschoß aufzuheben oder um einen Bürger zu retten, bei diesem Ritus der coniuratio mit einer Selbstverfluchung für den Fall des Eidbruchs verbunden war, entsprechend der Formel bei dem Vertragsschluß, die nach der Tötung des Ferkels durch den silex ausgesprochen wurde: si sciens f allo, tum me Dispiter salva urbe arceque bonis eiciat ut ego Nunc lapidem (s. o. S. 58). Es kann auch nicht überraschen, daß der Ritus der Fetialen hier auf die coniuratio übertragen ist. Wir sahen (s. S. 59 f.), daß dieser Eidesritus nicht auf das ius fetiale beschränkt war, sondern auch dem ius civile angehörte, und daß er gelegentlich zur Schaffung bestimmter persönlicher Bindungen außerhalb des ius fetiale auch angewandt wurde. Mit diesem Eid wurde nun in einem Notverfahren die Truppe konstituiert. Wer sie führte, ergab sich aus der Situation. Im Jahre 216 v. Chr. waren es tribuni militum, welche vielleicht die Konsuln für diese provisorische Truppenbildung gesandt hatten; bei den Italikern des Bundesgenossenkrieges haben die Soldaten ihre Führer z. T. gewiß formlos durch Zuruf bestimmt. Die Prägedaten der Münzen und Gemmen mit Schwurszenen entsprechen auch ganz dem Bild, das wir uns oben im Abschnitt I von dem Vorkommen der coniurationes gemacht haben. Die Prägungen erfolgten sämtlich in Zeiten großer Unruhe. Es ist natürlich die Darstellung der Schwurszene an keine feste Datierung geknüpft. Zeiten der Not gab es oft, und es lassen sich daher die entsprechenden Münzen mit mancher Datierung der Numismatiker vereinbaren. Es ist auch möglich, daß dieser oder jener Denar mit Schwurszene kommemorativen Charakter hat, daß er also an eine früher stattgefundene coniuratio erinnern soll. Trotzdem möchte ich meinen, daß die nachweislich erste Darstellung des Eides, die auf dem Janus-Gold, einen aktuellen Bezug hat, und daß hier der Bezug auf den Hannibalischen Krieg den Vorrang verdient, einmal weil dies eine Zeit besonderer Not war, und gerade damals die coniuratio — nach Livius die erste überhaupt — als Aushebungsform auch ausdrücklich überliefert ist, vor allem aber, weil auch numismatische Gründe auf die Richtigkeit der späten Datierung zu verweisen scheinen. Das Janus-Gold wird jetzt allgemein in die Zeit des Hannibalkrieges gesetzt, und zwar entweder in den Anfang des Krieges oder wegen Liv. 27, 10, 11-12 (s. die folgende Seite) in das Jahr 209 v. Chr.". Sydenham (218/217) und Thomsen (218-214) entscheiden sich für die schweren ersten Jahre des Hannibalkrieges, für die genau auch Livius von solchen ui Zur Datierung vgl. o. S. 61 Anm. 41. Die Datierung von Thomsen (218-214 v. Chr.) erfolgt — unabhängig von seinem, von mir o. S. 65 Anm. 59 referierten Erklärungsversuch der Szene — aus mannigfachen Gründen numismatischer Natur. 5.

66 Jochen Bleicken<br />

satz der Münze richtig getroffen sein dürfte (s. u. S. 67 f.), liegt auch<br />

bei dieser Deutung der Schwurszene die Vertragstheorie zugrunde, weil<br />

auf die Verträge Bezug genommen ist, welche die Eidgenossenschaft<br />

begründeten.<br />

Es scheint mir vielmehr die Szene der Denare und Gemmen auf die<br />

militärische coniuratio Bezug zu nehmen. Daß wir es mit einem Soldateneid<br />

zu tun haben, ist gewiß deutlich: Es stehen jeweils ein oder<br />

mehrere Soldaten einander gegenüber, die geschlossen ihre Schwerter auf<br />

das Ferkel senken und es mit der Schwertspitze berühren. Die Soldaten<br />

sind gregarii; auf den älteren Stücken sind sie in Bewaffnung und Kleidung<br />

unterschieden: Auf dem Janus-Gold ist der ungepanzerte Krieger<br />

mit langer Lanze möglicherweise ein triarius (vgl. o. S. 63), der gepanzerte<br />

Soldat vielleicht ein princeps, also einer, der im zweiten Treffen der<br />

Legion steht (bewaffnet mit Schwert und pilum), oder aber ein abgesessener<br />

Reiter. Auf den späteren, schematischen Darstellungen des ersten<br />

Jahrhunderts ist die Differenzierung des einzelnen Soldaten der<br />

Darstellung der Masse gewichen. Der Charakter der Szene als Verpflichtung<br />

der Soldaten untereinander ist dadurch gesteigert worden;<br />

auf einigen italischen Prägungen (Nr. 5 d) ist zur Verdeutlichung des<br />

dargestellten Aktes noch die Standarte hinzugefügt, unter der die Soldaten<br />

sich verpflichten. — Dieser Soldateneid kann nun nur die coniuratio<br />

sein, denn sie ist der einzige neben dem sacramentum existierende<br />

Soldateneid. Das sacramentum scheidet aber als Gegenstand<br />

der Abbildung aus: Es war der Eid des einzelnen Soldaten vor dem<br />

Konsul, und er erforderte unseres Wissens keine besonderen religiösen<br />

Zeremonien. Die coniuratio hingegen konnte die religiöse Bindung nicht<br />

entbehren, sie war der Ersatz für die bei der coniuratio fehlende Verpflichtung<br />

gegenüber der staatlichen Autorität. Diese religiöse Zeremonie<br />

ist nun das Ferkelopfer. Wie der genaue Ritus war, wissen wir nicht.<br />

Die Darstellung der Eidszene auf den Münzen und Gemmen, auf denen<br />

die Soldaten mit ihrem Schwert alle auf das Ferkel weisen, zielt nur<br />

darauf ab, ihre gemeinsame Bindung unter dem Zeichen des Ferkelopfers<br />

zur Abbildung zu bringen. Einen klaren Hinweis auf die Zeremonie<br />

aber liefert Livius, der die zum Jahre 216 v. Chr. überlieferte coniuratio<br />

von Soldaten ein voluntarium foedus nennt (s. o. S. 56). Die Verwendung<br />

dieses Terminus weist auf den bei dem Vertragsabschluß angewandten<br />

Opferritus hin, zu dem ja desgleichen ein Ferkelopfer<br />

sie also damit auf die erste Hälfte des Hannibalkrieges. Allerdings stimmt die<br />

von ihm gegebene Erklärung nicht zu dem von Liv. a. a. 0. beschriebenen Vorgang:<br />

Bei Livius geht es um den konkreten Fall einer Aushebung, Thomsen aber<br />

versteht die Szene der Münze als die Abstraktion einer gesamtitalischen Waffengemeinschaft<br />

(,common pact`), deren Basis der Vertrag zwischen Rom und<br />

seinen Bündnern ist. Trotzdem steht Thomsen meinem u. S. 66 f. gegebenen Deutungsversuch<br />

am nächsten.

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