1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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54 Jochen Bleicken tus consultum ultimum — die Regel war"; aber ebenso wie beim Notstand die Aushebung auf ordentliche Weise erfolgen konnte, wenn es die Umstände zuließen 17, vermochte umgekehrt der Beamte auch Notaushebungen anzuordnen, ohne daß der Bestand des Staates auf dem Spiele stand. So wurde z. B. den Konsuln des Jahres 181 v. Chr. vom Senat gestattet, daß sie, um schneller in das ligurische Kampfgebiet gelangen zu können, neben den dilectus auf ihrem Wege auch subitarii milites ausheben durften; zwei Prätoren des gleichen Jahres sollten ferner zwei legiones tumultuariae aufstellen". Die Form der Aushebung richtete sich also nach den Umständen, nicht nach der rechtlichen Grundlage, die den Magistrat allgemein zu staatlichen Aktionen ermächtigte. Sie ist nicht abhängig von Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechtes, sondern steht im Ermessen des Beamten bzw. des Senats, der den Beamten instruiert. In welchem Verhältnis steht nun die coniuratio zum Fahneneid? Zur Klärung dieser Frage müssen wir den Blick auf eine ältere Schicht der römischen Geschichte werfen. K. Latte hat gezeigt", daß die coniuratio in der Königszeit Roms der gegenseitigen Verpflichtung zwischen König und Heerbann diente. Sie ist der (vom König den Gemeinen und von den Gemeinen dem König) geleistete Schwur auf gegenseitige Treue für den Heerzug (Beutezug). Diese eidliche Bindung gehört einer Zeit an, in der die obrigkeitliche Macht noch nicht den gesamten Staatskörper durchdrungen und noch fast ausschließlich militärische Aufgaben hatte. Bei den Italikern, Griechen und Germanen gibt es ganz entsprechende Parallelen. Aber nicht nur das Oberhaupt des Stammes, auch die Häupter einzelner Geschlechter, also privati, konnten sich damals auf diese Weise Klienten zur Heeresfolge verpflichten. Der Auszug der Fabier zum Kampf gegen die Vejer und ihr Untergang am Bache Cremera ist eine Erinnerung an solche privaten Unternehmungen". Für Rom fehlt allerdings der Nachweis des gegenseitigen 16 Cic. Phil. 5, 12, 31 ff. betrachtet den tumultus als Teil des Staatsnotstandes: tumultum decerni, iustitium edici, saga sumi dico oportere, dilectum haberi sublatis vacationibus . . . (§ 34) consulibus . . . permittendum, ut . . . provideant, ne quid res publica detrimenti accipiat. Der tumultus verlor seinen Charakter als militärischer Notstand auch nicht in den Bürgerkriegen der späten Republik, da durch das senatus consultum ultimum das Kriegsrecht auf den innerpolitischen Sektor ausgedehnt wurde. 17 Vgl. die vorige Anmerkung (Cic. Phil. 5, 12, 31). 18 Liv. 40, 26, 6-7. Sie wurden aber durch das ordentliche sacramentum verpflichtet. — Der gleiche Vorgang auch bei Liv. 32, 26, 11 (obvios in agris sacramento rogatos arma capere et sequi cogebat [sc. der Prätor L. Cornelius Lentulus; 198 v. Chr.]); 34, 56, 11 (tumultuarius dilectus; 193 v. Chr.); 43, 11, 11 (Erklärung des tumultus durch den Senat; 169 v. Chr.). 19 Zwei Exkurse zum römischen Staatsrecht. 1. Lex curiata und coniuratio, Nachr. Gött. Ges. d. Wiss., phil.-histor. Kl., N. F. Fachgruppe 1, Nr. 3, 1934. 20 Vgl. Serv. Aen. 7, 614: coniuratio, ut inter Fabios fuit. — Es ist wohl

Coniuratio 55 Treueides, der Führer der Gemeinde verpflichtet sich nicht ". Das hat nach einer Vermutung Lattes" seine Ursache in der Ablösung des altlatinischen durch das etruskische Königtum mit seinem ausgeprägten, wahrschcinlich aus dem Osten mitgebrachten Majestätsbegriff, der den König durch eine tiefe Kluft vom Volke trennte. Die weitere Stärkung der magistratischen Amtsgewalt (Imperium) in den Ständekämpfen" hat dann das übrige dazugetan, den Eid des Führers der Gemeinde gänzlich verschwinden zu lassen. Aber auch die coniuratio der Gemeinde zur Treue gegenüber dem Führer des Feldzuges verlor in der Republik immer mehr ihren Sinn. In einem gefestigten Staatswesen hatten nicht nur gefolgschaftliche Bindungen gegenüber Privaten keinen Platz mehr; auch der Eid auf den ordentlichen Vertreter der Gemeinde wurde überflüssig, als dieser nicht mehr nur der Führer des jeweiligen Beute- oder Rachezuges, sondern der allgegenwärtige Wahrer der staatlichen Sicherheit und Ordnung war. Der Wandel von der Geschlechterordnung zu einem Verfassungsmechanismus, der immer weitere Lebensgebiete in seinen Bann zog, verlangte von dem zum ‚Bürger' gewordenen Gefolgsmann der Beutezüge a priori Gehorsam und Treue gegenüber allen staatlichen Gesetzen und Einrichtungen. Die ethisch untermauerten Pflichten des Bürgers ersetzten den — zwar auch durch das Ethos der Gemeinschaft, Verwandtschaft oder Klientel gebundenen, aber bei einer lockeren Form der Staatlichkeit doch nicht mit der Unabänderlichkeit gebundenen — Willen des einzelnen, dem Aufruf zum Kriegsdienst Folge zu leisten. Die gegenseitige Verpflichtung zwischen gesamter Gefolgschaft und dem Führer eines lockeren Staatsverbandes auf Treue und Gehorsam für den einzelnen Heereszug wich darum schließlich dem sacramentum des einzelnen wehrpflichtigen Bürgers gegenüber dem gewählten Oberhaupt der Gemeinde. Aber dieser Eid begründete nicht erst das rechtliche Verhältnis des Bürgers zu dem Vertreter der Staatsgewalt (wie bei der coniuratio); er verpflichtete lediglich den Bürger in einem besonderen Bereich des staatlichen Lebens zu einem rigorosen Gehorsam, er begründete also nur ein besonderes disziplinarisches möglich, daß die alte coniuratio, die in frühester Zeit die Grundlage des Kriegsdienstes gebildet hatte, mit der lex curiata zu identifizieren ist (Latte a. a. 0.); später stellte letztere jedenfalls die — nach der Wahl des Feldherrn eigentlich nicht mehr motivierte — Übertragung des Imperiums dar. Sie war zu einer Farce herabgesunken, weil ihr ursprünglicher Sinn verloren gegangen war, und fungierte nur noch als eine jener zahlreichen erstarrten, sinnlosen Institutionen, die der römische Traditionalismus mit sich schleppte. 21 Der Eid des Magistrats in leges gehört natürlich einer späteren Epoche an und hat mit der coniuratio nichts zu tun. 22 A. a. O. S. 72 f. 23 Vgl. A. Heuß, Zur Entwicklung des Imperiums des römischen Oberbeamten, Ztschr. Sav. Stiftg. 64, 1944, S. 57 ff.

54 Jochen Bleicken<br />

tus consultum ultimum — die Regel war"; aber ebenso wie beim Notstand<br />

die Aushebung auf ordentliche Weise erfolgen konnte, wenn es<br />

die Umstände zuließen 17, vermochte umgekehrt der Beamte auch Notaushebungen<br />

anzuordnen, ohne daß der Bestand des Staates auf dem<br />

Spiele stand. So wurde z. B. den Konsuln des Jahres 181 v. Chr. vom<br />

Senat gestattet, daß sie, um schneller in das ligurische Kampfgebiet gelangen<br />

zu können, neben den dilectus auf ihrem Wege auch subitarii<br />

milites ausheben durften; zwei Prätoren des gleichen Jahres sollten ferner<br />

zwei legiones tumultuariae aufstellen". Die Form der Aushebung<br />

richtete sich also nach den Umständen, nicht nach der rechtlichen<br />

Grundlage, die den Magistrat allgemein zu staatlichen Aktionen ermächtigte.<br />

Sie ist nicht abhängig von Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechtes,<br />

sondern steht im Ermessen des Beamten bzw. des Senats,<br />

der den Beamten instruiert.<br />

In welchem Verhältnis steht nun die coniuratio zum Fahneneid? Zur<br />

Klärung dieser Frage müssen wir den Blick auf eine ältere Schicht der<br />

römischen Geschichte werfen. K. Latte hat gezeigt", daß die coniuratio<br />

in der Königszeit Roms der gegenseitigen Verpflichtung zwischen König<br />

und Heerbann diente. Sie ist der (vom König den Gemeinen und von<br />

den Gemeinen dem König) geleistete Schwur auf gegenseitige Treue<br />

für den Heerzug (Beutezug). Diese eidliche Bindung gehört einer Zeit<br />

an, in der die obrigkeitliche Macht noch nicht den gesamten Staatskörper<br />

durchdrungen und noch fast ausschließlich militärische Aufgaben<br />

hatte. Bei den Italikern, Griechen und Germanen gibt es ganz<br />

entsprechende Parallelen. Aber nicht nur das Oberhaupt des Stammes,<br />

auch die Häupter einzelner Geschlechter, also privati, konnten sich damals<br />

auf diese Weise Klienten zur Heeresfolge verpflichten. Der Auszug<br />

der Fabier zum Kampf gegen die Vejer und ihr Untergang am<br />

Bache Cremera ist eine Erinnerung an solche privaten Unternehmungen".<br />

Für Rom fehlt allerdings der Nachweis des gegenseitigen<br />

16 Cic. Phil. 5, 12, 31 ff. betrachtet den tumultus als Teil des Staatsnotstandes: tumultum<br />

decerni, iustitium edici, saga sumi dico oportere, dilectum haberi sublatis<br />

vacationibus . . . (§ 34) consulibus . . . permittendum, ut . . . provideant, ne<br />

quid res publica detrimenti accipiat. Der tumultus verlor seinen Charakter als<br />

militärischer Notstand auch nicht in den Bürgerkriegen der späten Republik, da<br />

durch das senatus consultum ultimum das Kriegsrecht auf den innerpolitischen<br />

Sektor ausgedehnt wurde.<br />

17 Vgl. die vorige Anmerkung (Cic. Phil. 5, 12, 31).<br />

18 Liv. 40, 26, 6-7. Sie wurden aber durch das ordentliche sacramentum verpflichtet.<br />

— Der gleiche Vorgang auch bei Liv. 32, 26, 11 (obvios in agris sacramento rogatos<br />

arma capere et sequi cogebat [sc. der Prätor L. Cornelius Lentulus; 198 v. Chr.]);<br />

34, 56, 11 (tumultuarius dilectus; 193 v. Chr.); 43, 11, 11 (Erklärung des tumultus<br />

durch den Senat; 169 v. Chr.).<br />

19 Zwei Exkurse zum römischen Staatsrecht. 1. Lex curiata und coniuratio, Nachr.<br />

Gött. Ges. d. Wiss., phil.-histor. Kl., N. F. Fachgruppe 1, Nr. 3, 1934.<br />

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