1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft 1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

24.11.2013 Aufrufe

52 Jochen Bleicken einem subitum bellum 5, aber sie scheint bei Servius durch den Einsatz von Musterungsoffizieren, welche die Soldaten in ihren Heimatbezirken aufsuchten', doch einen weniger irregulären Charakter zu haben als die coniuratio. Aus diesen Stellen sind durch schematische Anlehnung an Servius zu Unrecht drei Kategorien der Aushebung gemacht worden tatsächlich ist die evocatio erst später zu den zwei anderen militiae hinzugetreten. Den Beweis liefert schon Servius selbst. Es macht ihm nämlich Mühe, die beiden irregulären Aushebungsformen, coniuratio und evocatio, scharf zu trennen. Beide sind nach Servius beim tumultus üblich (7, 614; 8, 1) 8, und der Ausruf des Konsuls „qui rem publicam salvam esse vult, me sequatur" soll nach 7, 614 9 bei der evocatio, nach 8, 1 dagegen bei der coniuratio erfolgt sein. Ferner braucht er den Terminus evocare ausgerechnet bei der Schilderung der coniuratio 1o. Das einzige Merkmal, durch das sich bei Servius die evocatio von der coniuratio unterscheidet, ist der Umstand, daß bei ihr die Soldaten durch Musterungsoffiziere ausgehoben werden. Aber das ist ja gar kein Distinktiv der militia im Sinne des Servius: Er bestimmt sie durch den Anlaß zu der Aushebung und durch die (durch diesen Anlaß bedingte) Form der Verpflichtung. Es ist klar, daß die evocatio hier gar nicht hineingehört (es sei denn, man sagt, sie wäre ein anderer Ausdruck für die coniuratio). Sie ist nur hineingekommen, weil man diese in der späten Republik und in der Kaiserzeit bekannte Sonderform der Aushebung (als Wiedereinberufung ausgedienter Soldaten) schon in der frühen Republik anzusiedeln und ihren Ursprung damit zu erklären suchte". Da ist dann einem findigen Antiquar eingefallen, daß der Staatsnotstand so etwas war wie ein Aufruf an alle, dem Konsul zu folgen, also eine 2, 157: haec tria genera tangit Vergilius: sacramenti hoc loco (2, 157), tumultuarii illo (8, 4) „simul omne tumultu coniurat trepido Latium", evocationis (8, 9) „mittitur et magni Venulus Diomedis ad urbem." 5 Serv. Aen. 7, 614 (= Isid. orig. 9, 3, 54). 8 Serv. Aen. 8, 1. So von Johannes Schmidt, Die evocati, Hermes 14, 1879, S. 323 ff.; dagegen mit Recht bereits Mommsen, Evocati Augusti, Ephemeris Epigraphica 5, 1885, S. 142 ff. 8 Serv. Aen. 7, 614: evocatio, . . . nam ad subitum bellum evocabantur; 8, 1: coniuratio et evocatio, quippe in tumultu; 2, 157: evocati . . . tumultuarii, hoc est qui ad unum militant bellum. An der o. S. 51 Anm. 4 aus Serv. Aen. 2, 157 zitierten Stelle nennt Servius nur die Soldaten der coniuratio tumultuarii und erklärt das: hoc est qui ad unum militant bellum. Hier hat er die evocatio nicht hineinkontaminiert, weil er durch das Zitat aus Sallust, das er gerade anführt (vgl. u. Anm. 11), die spätere evocatio scharf im Auge hat. Vgl. ferner auch Donat. ad Ter. Eun. 4, 7, 2: huiusmodi militia per tumultum repente suscipitur et dicitur evocatio. 9 = Isid. orig. 9, 3, 54; ebenso Donat. ad Ter. Eun. 4, 7, 2. 10 Vgl. Anm. 4. 11 Auf diese späte evocatio beziehen sich wohl auch die bei Serv. Aen. 2, 157 mit Bezug auf die evocatio zitierten Fetzen aus Sallust ( „neu quis miles neve pro milite"; „ab his omnes evocatos et centuriones").

Coniuratio 53 evocatio im eigentlichen Wortsinn". Diese evocatio stellte er dann neben die coniuratio, die er als irreguläre militia der frühen Zeit kannte, ohne sie aber recht von der evocatio scheiden zu können". Als einziges Distinktiv konnte er ihr beilegen, daß bei ihr die Werbung der Soldaten durch conquisitores erfolge. Das hatte er aus den Verhältnissen abgelesen, die das Werden der späteren evocatio kennzeichnen: Das Werben um die Gunst ausgedienter Soldaten ist charakteristisch für die Zeit, da die großen Gestalten der ausgehenden Republik das Militär als wichtigen Faktor in die Politik einführten und so mit dem Freistaat auch das Milizwesen begruben". Was nach der Ausscheidung der evocatio bei Servius bleibt, sind zwei durch klare Definitionen getrennte Formen der militia: Die legitima militia, d. h. die ordentliche Aushebung, bei welcher die Soldaten einzeln durch Eid (sacramentum) vor dem kompetenten Magistrat mit Imperium verpflichtet wurden, und die coniuratio, die schnelle Aushebung bei drängender Gefahr, bei der die Soldaten einen Masseneid leisteten. Dieser Eid brauchte also nicht vor dem kompetenten Magistrat abgelegt zu werden 15, und das ist auch sein eigentlicher Sinn: Die Gefahr verlangte, daß die Wehrfähigen sich mancherorts sammelten, formierten und sich sofort den feindlichen Truppen entgegenwarfen; als Führer fand sich, wer gerade geeignet war, und da dieser das sacramentum abzunehmen nicht kompetent war, mußte der Masseneid der Soldaten untereinander an die Stelle des sacramentum treten. Wir haben es also nur mit zwei Formen der Aushebung zu tun, mit der regulären (dilectus) und mit der außerordentlichen (coniztratio). In diesem Zusammenhang interessiert uns nur die zweite Form der Rekrutierung. Da nach Ausweis der genannten Berichte die coniuratio mit dem tumultus in Zusammenhang steht, müssen wir uns mit letzterem etwas näher befassen. Der tumultus ist der rein militärische Notstand und kann als solcher jederzeit nach Ermessen des Magistrats verkünddet werden; es liegt in der Natur der Dinge, daß er besonders bei der Verkündung des allgemeinen Staatsnotstandes — in älterer Zeit durch die Ernennung eines Diktators, später durch die Verkündung des sena- 12 Da der Aufruf sich vornehmlich an die richtete, die schon gedient hatten, hat vielleicht der evocatus der späten Republik und der Kaiserzeit seine Benennung aus der coniuratio der militia extraordinaria der Frühzeit erhalten. 13 Serv. Aen. 7, 614 (= Isid. orig. 9, 3, 53-55) stellt vielleicht die Skizzierung der genera dar, nachdem die evocatio hineingesetzt ist, Aen. 8, 1 ist dann die Konfusion eingetreten. 14 Marius war der erste: Sall. b. Jug. 84, 2: paucos Fama cognitos accire et ambiundo cogere homines emeritis stipendiis secum proficisci. Ihm folgten beinahe alle großen Machtpolitiker der Republik (vgl. Fiebiger, RE VI 2 [1907] s. v. evocatio S. 1146). 15 Der Magistrat, der den Aufruf` bei der coniuratio (und evocatio) macht, ist, wie wir sahen, ja auch erst später hineininterpretiert.

Coniuratio 53<br />

evocatio im eigentlichen Wortsinn". Diese evocatio stellte er dann neben<br />

die coniuratio, die er als irreguläre militia der frühen Zeit kannte, ohne<br />

sie aber recht von der evocatio scheiden zu können". Als einziges Distinktiv<br />

konnte er ihr beilegen, daß bei ihr die Werbung der Soldaten<br />

durch conquisitores erfolge. Das hatte er aus den Verhältnissen abgelesen,<br />

die das Werden der späteren evocatio kennzeichnen: Das Werben<br />

um die Gunst ausgedienter Soldaten ist charakteristisch für die Zeit, da<br />

die großen Gestalten der ausgehenden Republik das Militär als wichtigen<br />

Faktor in die Politik einführten und so mit dem Freistaat auch das<br />

Milizwesen begruben".<br />

Was nach der Ausscheidung der evocatio bei Servius bleibt, sind zwei<br />

durch klare Definitionen getrennte Formen der militia: Die legitima<br />

militia, d. h. die ordentliche Aushebung, bei welcher die Soldaten einzeln<br />

durch Eid (sacramentum) vor dem kompetenten Magistrat mit Imperium<br />

verpflichtet wurden, und die coniuratio, die schnelle Aushebung bei<br />

drängender Gefahr, bei der die Soldaten einen Masseneid leisteten. Dieser<br />

Eid brauchte also nicht vor dem kompetenten Magistrat abgelegt<br />

zu werden 15, und das ist auch sein eigentlicher Sinn: Die Gefahr verlangte,<br />

daß die Wehrfähigen sich mancherorts sammelten, formierten<br />

und sich sofort den feindlichen Truppen entgegenwarfen; als Führer fand<br />

sich, wer gerade geeignet war, und da dieser das sacramentum abzunehmen<br />

nicht kompetent war, mußte der Masseneid der Soldaten untereinander<br />

an die Stelle des sacramentum treten.<br />

Wir haben es also nur mit zwei Formen der Aushebung zu tun, mit<br />

der regulären (dilectus) und mit der außerordentlichen (coniztratio). In<br />

diesem Zusammenhang interessiert uns nur die zweite Form der Rekrutierung.<br />

Da nach Ausweis der genannten Berichte die coniuratio mit<br />

dem tumultus in Zusammenhang steht, müssen wir uns mit letzterem<br />

etwas näher befassen. Der tumultus ist der rein militärische Notstand<br />

und kann als solcher jederzeit nach Ermessen des Magistrats verkünddet<br />

werden; es liegt in der Natur der Dinge, daß er besonders bei der<br />

Verkündung des allgemeinen Staatsnotstandes — in älterer Zeit durch<br />

die Ernennung eines Diktators, später durch die Verkündung des sena-<br />

12 Da der Aufruf sich vornehmlich an die richtete, die schon gedient hatten, hat vielleicht<br />

der evocatus der späten Republik und der Kaiserzeit seine Benennung aus<br />

der coniuratio der militia extraordinaria der Frühzeit erhalten.<br />

13<br />

Serv. Aen. 7, 614 (= Isid. orig. 9, 3, 53-55) stellt vielleicht die Skizzierung der<br />

genera dar, nachdem die evocatio hineingesetzt ist, Aen. 8, 1 ist dann die Konfusion<br />

eingetreten.<br />

14 Marius war der erste: Sall. b. Jug. 84, 2: paucos Fama cognitos accire et ambiundo<br />

cogere homines emeritis stipendiis secum proficisci. Ihm folgten beinahe alle großen<br />

Machtpolitiker der Republik (vgl. Fiebiger, RE VI 2 [1907] s. v. evocatio S. 1146).<br />

15 Der Magistrat, der den Aufruf` bei der coniuratio (und evocatio) macht, ist, wie<br />

wir sahen, ja auch erst später hineininterpretiert.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!