1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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40 Konrad Kraft lichkeit wäre geradezu dann am besten erklärbar, wenn die beschriftete Büste mit den Trümmern eines Verfalles in den Boden gelangte und daraus nach Jahrhunderten wieder geborgen wurde. Wenn man alle Namensinschriften von ähnlicher Beschaffenheit wie die Zenoninschrift wegen der angegebenen Merkmale als moderne Fälschung entlarvt ansehen wollte, dann bliebe nicht mehr viel von Inschriften auf Bildwerken, ja überhaupt an Inschriften übrig. In Wirklichkeit reichen die fünf Buchstaben des Namens Zenon einfach nicht aus, um mit auch nur halbwegs ausreichender Sicherheit zu sagen, daß es sich um eine moderne Fälschung handele. Es ist daher kaum der Verdacht abzuwehren, daß die Zenoninschrift des Vatikan nicht so sehr wegen der in ihr selbst tatsächlich gegebenen Kriterien für falsch erklärt wurde, sondern weil und nachdem man a priori die Inschrift Platon auf der von Berlin erworbenen Castellaniherme als die richtige Bezeichnung für das Porträt erklärt hatte. Bei Bernoulli kommt der Sachverhalt deutlich zum Vorschein, wenn er zu dem Kopf im Musensaal des Vatikan bemerkt: „Kopf . . . mit der, wie jetzt [nämlich nach der Publikation der Castellaniherme durch Helbig ] angenommen werden muß, modernen Aufschrift" 69. Die Fragwürdigkeit dieser Methode ist offenkundig. Selbst wenn aber die Inschrift in Berlin antik, d. h. im 3. Jh. n. Chr. einem sehr mäßigen Machwerk aufgeschrieben wäre, so beweist das für sich allein noch sehr wenig für das, worauf es eigentlich ankommt, nämlich die Richtigkeit der Benennung, denn selbstverständlich besteht auch die Möglichkeit, daß schon in der Antike ein Porträt mit einem unzutreffenden Namen beschriftet wurde, gar nicht zu reden von der Möglichkeit, daß natürlich auch umgekehrt in moderner Zeit einem Porträt auf Grund anderweitig beschaffter Kenntnisse ein richtiger Name aufgeschrieben werden kann. Daß schon in der Antike nicht eben selten falsche Benennung beigesetzt wurde, ist sicher. Wir dürfen auf die Kontorniaten des 4. Jh. n. Chr. verweisen, wo ein Bärtiger als Sallust erscheinen kann". Man kann die hübschen Stellen des Dio Chrysostomos aus dem 1. Jh. n. Chr. (Orat. XXXI) zitieren, wo für Rhodos geschildert wird, daß man bei Ehrungen einfach aus den alten Ehrenstatuen eine auswählte und mit einem neuen Namen versah. Allbekannt sind Ciceros Auslassungen über die falschen Beschriftungen des Bildes des Scipio Africanus 71. Falsche Benennungen von Philosophen findet man auf dem Mosaik in Köln". Es dürfte kaum bestritten werden können, daß gewiß nicht selten und ohne große Be- 69 Bernoulli, Griech. Ikonogr. II, 28. 7° Schefold, Bildnisse 173, 38. 71 Cic., ad Att. 6, 1, 17. Vgl. auch die falsi tituli bei Liv. 4, 16, 4; 8,40, 4, die sich allerdings weniger auf falsche Namengebung als auf unrichtige Angaben über Ämter und Leistungen der Dargestellten beziehen. 73 Schefold, Bildnisse 154, 8.

über die Bildnisse des Aristoteles und des Platon 41 denken schon in der Antike unzutreffende Namen angebracht wurden, wenn man etwa einen Garten mit Hermen von der Art der Castellaniherme schmückte und dies noch dazu im 3. Jh. n. Chr. Es handelt sich also weniger darum, ob die Inschrift ,Platon` in Berlin bzw. ,Zenon` im Vatikan als solche antik sind oder nicht, sondern ob sie richtig angewendet sind. Unter diesen Umständen kann die Platoninschrift der Castellaniherme nicht eine gesicherte Basis für die Ermittlung des richtigen Platonporträts abgeben, wie überhaupt grundsätzlich nicht ein einziges beschriftetes Porträt für sich allein eine ausreichende Grundlage einer Benennung sein kann, sondern der Bestätigung, sei es durch weitere gleiche Beschriftungen des gleichen Porträts oder vor allem durch evidente Übereinstimmungen mit literarisch gesicherten speziellen Eigenheiten der betreffenden Person, bedarf. Die beiden Momente fehlen in unserem Fall sichtlich. Der einzige brauchbare Anhalt der literarischen Beschreibung, die breite Stirn, ist gerade bei dem bisherigen Platon nicht ausgeprägt (dagegen bei dem Studniczka-Aristoteles zu finden); parallele Beschriftungen anderer Kopien des gleichen Porträts fehlen nicht nur, sondern es existiert ein gleiches Porträt mit der Inschrift Zenon, ohne daß man zwingend erweisen könnte, daß diese Inschrift nicht antik wäre bzw., was natürlich viel wichtiger ist, ohne daß man zeigen könnte, daß diese Benennung unrichtig sein müßte. Ganz im Gegenteil fügen sich wieder die literarischen Nachrichten über das Aussehen des Zenon gerade zu diesem Porträt ausgezeichnet. Sidonius Apollinaris erwähnt in dem schon einmal zitierten Brief ep. 9, 9, 14 als das Kennzeichen, an welchem man das Bild des Zenon leicht erkennen könne: fronte contracta, d. i. an der zusammengekniffenen Stirn. Bei Diogenes Laertios (VII 16) findet man, daß Zenon düster und bitter sei und ein zusammengekniffenes Gesicht hatte (airröv crruyvb rVivat xai nixdv xal, to ne6aconov auvecuracritivov). Was diese antiken Beschreibungen des Äußeren des Zenon sagen, findet sich an dem im Vatikan mit dem Namen Zenon bezeichneten Bildnis und noch mehr an den Kopien dieses Kopfes, die man mit Recht für die qualitätsvollsten erklärt hat, sehr deutlich wieder. Vor allem sind die tiefen Falten an der Nasenwurzel und die tiefen Stirnfalten ein unverkennbares Charakteristikum. Bemerkenswert ist auch noch der Bart dieses Zenon-Platon. Er hängt in einer zurückweichenden Linie auf die Brust herab (Taf. V 1)u. Gewöhnlich fand der Verfasser in Diskussionen die Ansicht vertreten, daß das bisher Platon genannte Porträt ganz der Typ eines Atheners sei, wie man sie auf den Grabreliefs des 4. Jh. v. Chr. vorfinde. Aus der Vorderansicht mag man vielleicht noch diesen Eindruck erhalten. Man drehe jedoch den Kopf ins Profil und vergleiche dann mit den attischen Grabreliefs, und man wird wohl sehen, daß unter 20 und mehr Vgl. das weitere Material bei R. Boehringer, Platon.

40 Konrad Kraft<br />

lichkeit wäre geradezu dann am besten erklärbar, wenn die beschriftete<br />

Büste mit den Trümmern eines Verfalles in den Boden gelangte und<br />

daraus nach Jahrhunderten wieder geborgen wurde. Wenn man alle<br />

Namensinschriften von ähnlicher Beschaffenheit wie die Zenoninschrift<br />

wegen der angegebenen Merkmale als moderne Fälschung entlarvt ansehen<br />

wollte, dann bliebe nicht mehr viel von Inschriften auf Bildwerken,<br />

ja überhaupt an Inschriften übrig. In Wirklichkeit reichen die fünf<br />

Buchstaben des Namens Zenon einfach nicht aus, um mit auch nur halbwegs<br />

ausreichender Sicherheit zu sagen, daß es sich um eine moderne<br />

Fälschung handele. Es ist daher kaum der Verdacht abzuwehren, daß<br />

die Zenoninschrift des Vatikan nicht so sehr wegen der in ihr selbst<br />

tatsächlich gegebenen Kriterien für falsch erklärt wurde, sondern weil<br />

und nachdem man a priori die Inschrift Platon auf der von Berlin erworbenen<br />

Castellaniherme als die richtige Bezeichnung für das Porträt<br />

erklärt hatte. Bei Bernoulli kommt der Sachverhalt deutlich zum Vorschein,<br />

wenn er zu dem Kopf im Musensaal des Vatikan bemerkt: „Kopf<br />

. . . mit der, wie jetzt [nämlich nach der Publikation der Castellaniherme<br />

durch Helbig ] angenommen werden muß, modernen Aufschrift" 69.<br />

Die Fragwürdigkeit dieser Methode ist offenkundig. Selbst wenn aber<br />

die Inschrift in Berlin antik, d. h. im 3. Jh. n. Chr. einem sehr mäßigen<br />

Machwerk aufgeschrieben wäre, so beweist das für sich allein noch sehr<br />

wenig für das, worauf es eigentlich ankommt, nämlich die Richtigkeit<br />

der Benennung, denn selbstverständlich besteht auch die Möglichkeit,<br />

daß schon in der Antike ein Porträt mit einem unzutreffenden<br />

Namen beschriftet wurde, gar nicht zu reden von der Möglichkeit, daß<br />

natürlich auch umgekehrt in moderner Zeit einem Porträt auf Grund<br />

anderweitig beschaffter Kenntnisse ein richtiger Name aufgeschrieben<br />

werden kann.<br />

Daß schon in der Antike nicht eben selten falsche Benennung beigesetzt<br />

wurde, ist sicher. Wir dürfen auf die Kontorniaten des 4. Jh. n. Chr.<br />

verweisen, wo ein Bärtiger als Sallust erscheinen kann". Man kann die<br />

hübschen Stellen des Dio Chrysostomos aus dem 1. Jh. n. Chr. (Orat.<br />

XXXI) zitieren, wo für Rhodos geschildert wird, daß man bei Ehrungen<br />

einfach aus den alten Ehrenstatuen eine auswählte und mit einem neuen<br />

Namen versah. Allbekannt sind Ciceros Auslassungen über die falschen<br />

Beschriftungen des Bildes des Scipio Africanus 71. Falsche Benennungen<br />

von Philosophen findet man auf dem Mosaik in Köln". Es dürfte kaum<br />

bestritten werden können, daß gewiß nicht selten und ohne große Be-<br />

69 Bernoulli, Griech. Ikonogr. II, 28.<br />

7° Schefold, Bildnisse 173, 38.<br />

71 Cic., ad Att. 6, 1, 17. Vgl. auch die falsi tituli bei Liv. 4, 16, 4; 8,40, 4, die sich<br />

allerdings weniger auf falsche Namengebung als auf unrichtige Angaben über Ämter<br />

und Leistungen der Dargestellten beziehen.<br />

73 Schefold, Bildnisse 154, 8.

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