1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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38 Konrad Kraft den Namen Platon vermuteten. Diese Vermutung wird also durch die antike Beschreibung des Platonbildnisses stärkstens befürwortet. Wenn aber auf solche Weise der bisherige Aristoteles-Studniczka richtig in Platon umbenannt werden darf, so erhebt sich natürlich sofort die Frage, was mit dem bisherigen Platonporträt geschehen soll, insbesondere, ob ihm tatsächlich der Name Platon abgesprochen werden darf und wie es nun heißen sollte. ,Zenon` statt ,Platon` Daß der bisher Aristoteles genannte Kopf in seiner erhabenen Würde und leuchtenden Geistigkeit sehr wohl zu der Neubenennung Platon passen bzw. zu der Vorstellung sich fügen würde, die man aus dem Werk des Philosophen für dessen Äußeres sich zu machen geneigt ist, bedarf kaum weiterer Darlegungen. Nicht das gleiche kann man von dem bisherigen Platonbildnis (Taf. V 1-3) sagen. Glücklicherweise brauchen wir uns für diese Feststellung nicht auf eigene subjektive Eindrücke zu berufen, sondern können andere zitieren. Man kann ruhig sagen, daß die wissenschaftliche Welt tief enttäuscht war, als man ihr das heute übliche Porträt als Platonbildnis präsentierte. Selbst Helbig, der an der Umbenennung aus bestimmten Gründen besonders interessiert war, muß daher schreiben: „Mancher moderne Betrachter wird sich schwer dazu entschließen, in der Berliner Herme und den ihr entsprechenden Kopien Platon zu erkennen. Er wird erwarten, daß die olympische Heiterkeit, welche in den Schriften des großen Philosophen herrscht, auch in dessen Antlitz zum Ausdruck kommt. Statt dessen zeigen alle diese Porträts, namentlich in den Augenbrauen, die in der Mitte hochreichen und nach der Nase zu herabgezogen sind, und in der etwas vorgeschobenen Unterlippe, einen verdrießlichen oder gar finsteren Zug"". Winter (1894) spricht von „einer starken Enttäuschung" ... „Seinem (d. i. Platons) Äußerem, scheint es, hat man den göttlichen Drang, der ihn beseelte, nicht ansehen können". Furtwängler-Urlichs (1898) sprachen von dem „schwunglosen Porträt Platos". Heckler (1912) von „diesem nichtssagenden öden Bild" und später (1934) von „dem mürrisch-abweisenden trockenen Ernst der Gesichtszüge". Wilamowitz schreibt: „Es war eine schöne Entdeckung, als Helbig den Zenon in einen Platon verwandeln konnte, aber eine Enttäuschung war es auch"". Im Laufe der Zeit bringt man aber doch die düsteren Züge mit der Platonvorstellung in Einklang und findet zwar das Porträt zu einem „leidenschaftlich düsteren Charakterbild gesteigert", aber: „doch vereinigt sich die Stimmung der Zeit, in der die drückende Sorge aus so 63 JdI 1, 1886, 72 f. Weitere Zitate zum Folgenden bei R. Boehringer, Platon 10-12. 64 Wilamowitz, Platon I (1919) 703.

Ober die Bildnisse des Aristoteles und des Platon 39 manchen Bildnissen zu uns spricht, mit der Vorstellung, die man sich jetzt von dem Philosophen macht: er ist ein Mensch, der nicht lacht, dem der schwere Ernst des Denkens alle seine Tage ausfülle"'. Schließlich kann man dann, von der allmählichen Gewöhnung an das Porträt unterstützt, die Worte finden: „So sehen Weise aus, wenn sie lange genug auf der Erde verharren. Platon sah das Tiefste aus der Kraft klassischen Wesens, als die Zeitgenossen seinen Weg schon nicht mehr mitgehen konnten, den letzten Weg des klassischen Griechentums. In seiner Schau ist kein Verzicht, wie später in der des Aristoteles, wohl aber in seinem Wirken. Davon zeugt auch dieses Bildnis, und so nennt ihn Goethe den ,seligen Geist, dem es beliebte, einige Zeit auf der Welt zu herberged." 66. So sehr man den schönen Worten für Platon als Persönlichkeit zustimmen kann, so wenig vermag man sich mit der Auffassung zu befreunden, daß das bisher gültige Platonporträt dies wirklich bezeuge. Es ist nun einmal ein etwas mürrisches und aufgewühltes, um nicht zu sagen verkniffenes Gesicht. Es besteht daher noch mehr Anlaß nachzuprüfen, wie dieses Porträt zu der Benennung Platon kam. Auch hier stellt sich heraus, daß die Benennung erst jüngeren Datums ist. Das Porträt führte früher die Bezeichnung Zenon, welche auch auf der Kopie im Vatikan (Taf. V 3) aufgeschrieben ist. Ausgangspunkt für die Änderung der Namengebung war, daß die Berliner Museen die sog. Castellaniherme erwarben, die das gleiche Porträt zeigt wie das Stück des Vatikans, darunter aber den eingemeißelten Namen ,Platon' trägt. Nach dieser Erwerbung ging begreiflicherweise von Berlin das Bemühen aus, von den zwei durch Inschriften überlieferten Namen demjenigen der in Berliner Besitz befindlichen Büste, also ,Platon' Geltung zu verschaffen. Dazu mußte die Inschrift des Berliner Stückes als antik, die des vatikanischen Porträts als modern erwiesen werden. Helbig erklärte denn auch, als er die Castellaniherme als Neu. erwerbung Berlins vorstellte: „die auf der Büste [des Vatikans] nicht so sehr eingemeißelte wie eingeritzte Inschrift ZHNS2N (Taf. V 3) ist durch die unsicheren Züge der Buchstaben deutlich als moderne Fälschung erkennbar" 87. Im Ernst sind weder diese Kriterien so eindeutig ausgeprägt noch wären eben überhaupt schwache Einritzung der Inschrift oder unsichere Führung der Buchstaben brauchbare Kennzeichen moderner Fälschung. Die Behauptung unsicherer Führung der Buchstaben ist überdies reichlich subjektiv; man vergleiche nur die Zenon- Inschriften Taf. V 3 und V 4; die letztere angeblich allein echte Inschrift ist nicht anders beschaffen als die erstere 68. Die geringere Deut- 66 Ed. Schmidt, JdI 47, 1932, 248. 66 Schefold, Bildnisse 74. 67 JdI 1, 1886, 70-78. 68 Sonst wird natürlich im allgemeinen bei Abbildungen der untere Teil der Herme des Vatikan mit dem Namen regelmäßig fortgelassen.

38 Konrad Kraft<br />

den Namen Platon vermuteten. Diese Vermutung wird also durch die<br />

antike Beschreibung des Platonbildnisses stärkstens befürwortet. Wenn<br />

aber auf solche Weise der bisherige Aristoteles-Studniczka richtig in<br />

Platon umbenannt werden darf, so erhebt sich natürlich sofort die Frage,<br />

was mit dem bisherigen Platonporträt geschehen soll, insbesondere, ob<br />

ihm tatsächlich der Name Platon abgesprochen werden darf und wie<br />

es nun heißen sollte.<br />

,Zenon` statt ,Platon`<br />

Daß der bisher Aristoteles genannte Kopf in seiner erhabenen Würde<br />

und leuchtenden Geistigkeit sehr wohl zu der Neubenennung Platon<br />

passen bzw. zu der Vorstellung sich fügen würde, die man aus dem<br />

Werk des Philosophen für dessen Äußeres sich zu machen geneigt ist,<br />

bedarf kaum weiterer Darlegungen. Nicht das gleiche kann man von<br />

dem bisherigen Platonbildnis (Taf. V 1-3) sagen. Glücklicherweise<br />

brauchen wir uns für diese Feststellung nicht auf eigene subjektive Eindrücke<br />

zu berufen, sondern können andere zitieren. Man kann ruhig<br />

sagen, daß die wissenschaftliche Welt tief enttäuscht war, als man ihr<br />

das heute übliche Porträt als Platonbildnis präsentierte. Selbst Helbig,<br />

der an der Umbenennung aus bestimmten Gründen besonders interessiert<br />

war, muß daher schreiben: „Mancher moderne Betrachter wird<br />

sich schwer dazu entschließen, in der Berliner Herme und den ihr entsprechenden<br />

Kopien Platon zu erkennen. Er wird erwarten, daß die<br />

olympische Heiterkeit, welche in den Schriften des großen Philosophen<br />

herrscht, auch in dessen Antlitz zum Ausdruck kommt. Statt dessen<br />

zeigen alle diese Porträts, namentlich in den Augenbrauen, die in der<br />

Mitte hochreichen und nach der Nase zu herabgezogen sind, und in der<br />

etwas vorgeschobenen Unterlippe, einen verdrießlichen oder gar finsteren<br />

Zug"". Winter (1894) spricht von „einer starken Enttäuschung" ...<br />

„Seinem (d. i. Platons) Äußerem, scheint es, hat man den göttlichen<br />

Drang, der ihn beseelte, nicht ansehen können". Furtwängler-Urlichs<br />

(1898) sprachen von dem „schwunglosen Porträt Platos". Heckler (1912)<br />

von „diesem nichtssagenden öden Bild" und später (1934) von „dem<br />

mürrisch-abweisenden trockenen Ernst der Gesichtszüge". Wilamowitz<br />

schreibt: „Es war eine schöne Entdeckung, als Helbig den Zenon in<br />

einen Platon verwandeln konnte, aber eine Enttäuschung war es auch"".<br />

Im Laufe der Zeit bringt man aber doch die düsteren Züge mit der<br />

Platonvorstellung in Einklang und findet zwar das Porträt zu einem<br />

„leidenschaftlich düsteren Charakterbild gesteigert", aber: „doch vereinigt<br />

sich die Stimmung der Zeit, in der die drückende Sorge aus so<br />

63 JdI 1, 1886, 72 f. Weitere Zitate zum Folgenden bei R. Boehringer, Platon 10-12.<br />

64 Wilamowitz, Platon I (1919) 703.

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