1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft 1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

24.11.2013 Aufrufe

36 Konrad Kraft ergänzte Nasen haben, während das Ursinus-Büstchen noch die ursprüngliche Nase gehabt haben dürfte. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, daß Orsinis Entschluß, das in den Zeichnungen uns bekannte Büstchen von der Publikation auszuschließen, zunächst nur darauf hinweist, daß dem Orsini die Benennung d. h. die angebrachte Inschrift ‚Aristoteles' verdächtig erschienen sein muß und daß er das Büstchen primär deswegen ausschloß. Ob das Bildwerk selbst antik oder wenigstens nach einem antiken Original nachgearbeitet war, ist damit noch nicht entschieden. Daß es überhaupt eine bloße moderne Erfindung war, ist durch die enge Übereinstimmung der Zeichnung des Galle (Taf. IV 5) mit dem Wiener Kopf, die man an der Gegenüberstellung bei Studniczka, Aristoteles, Taf. II 2-3 besonders gut nachprüfen kann, geradezu ausgeschlossen. Eine solche Übereinstimmung kann nicht zufällig zustandegekommen sein. Man braucht in der Tat nur dem Wiener Kopf (Taf. IV 1) statt der jetzt dort angebrachten geraden Nase eine mehr adlerförmige aufzusetzen und man hat die völlige Übereinstimmung mit der Zeichnung des Galle (Taf. IV 5). Daß eine solche Ergänzung erlaubt ist, weil bisher die Nase noch gar nicht durch ein erhaltenes antikes Beispiel bekannt ist, wurde vorher skizziert. Vergleicht man unter diesen Voraussetzungen d. h. mit ergänzter Adlernase den Wiener Kopf (Taf. IV 1) nochmals mit unserem Glaspastenporträt (Taf. IV 3), so wird man eine Identifizierung wohl akzeptieren können. Diese wird nicht zuletzt dadurch noch bestärkt, daß es nicht möglich ist, aus dem Vorrat antiker Porträts ein anderes, besser resp. auch nur halbwegs so gut passendes rundplastisches Pendant zu unserem so häufigen Glaspastenporträt beizubringen, und es andererseits ziemlich unvorstellbar bliebe, daß das beliebte Glaspastenporträt kein Gegenstück in der Rundplastik haben sollte. Wir haben damit zu dem dritten Porträt der besonders häufigen Glaspasten-Dreiergruppe zwar das rundplastische Pendant, aber noch nicht den Namen; denn die Rundplastik hat nach den früheren Darlegungen zunächst keine Benennung mehr, da Studniczkas Vorschlag ‚Aristoteles' sich als unhaltbar herausstellte, der Name Aristoteles vielmehr dem sog. Menander zugewiesen werden mußte. Bedenkt man nun, daß in der durch ihre auffällige Häufigkeit klar heraustretenden Dreiergruppe der Glaspastenporträts bereits Sokrates und Aristoteles feststehen, so liegt der Gedanke nahe, in dem dritten Porträt Platon zu vermuten. Stellt man freilich diesem Glaspastenporträt (Taf. IV 3) das rundplastische Porträt gegenüber, das heute allgegemein als Platon gilt (Taf. V 1), so wird man recht wenig von überzeugender Übereinstimmung entdecken. Der lang herabhängende Bart und das dahinter steckende zurückfliehende Kinn der Rundplastik schließen jeden Versuch der Identifizierung von vorneherein aus. Damit scheint die vorher ausgesprochene Vermutung für die Platonbenennung

Ober die Bildnisse des Aristoteles und des Platon 37 der Glaspaste erledigt und man müßte einen anderen Namen suchen — oder aber das bisherige Platonporträt wäre falsch benannt. Diese zweite Möglichkeit ist nicht so einfach von der Hand zu weisen, wie man auf Anhieb meinen möchte. Bei näherem Zusehen stellt sich vielmehr heraus, daß die bisherige Benennung des Platonporträts keineswegs auf sehr festen Füßen steht. Sie beruht auf der Ausdeutung von Beschriftungen, deren Problematik sich später noch zeigen wird. Was wir an antiken Beschreibungen Platons besitzen, paßt ebenfalls nicht zu dem bisher als Platon geltenden Kopf. Mit den bei Diogenes Laertios III 28 vorzufindenden Versen des Komödiendichters Amphis, eines Zeitgenossen Platons: „Platon, der du nichts verstehst als ernst (düster, unlustig) dreinzuschauen, nachdem du wie eine Schnecke würdig die Augenbrauen gehoben hast"60, ist praktisch wenig anzufangen, da der Vorwurf in der Manier des Aristophanes, ganz abgesehen von der Frage der Glaubwürdigkeit, mehr die Verhaltensweise als die Physiognomie kennzeichnen soll und überdies als allgemeiner Topos schlechthin zur Charakteristik von Philosophen verwendet wird. Etwas mehr läßt sich aber Olympiodors Vita Platonis entnehmen, wo es heißt: „Platon wurde so genannt, weil zwei Teile seines Körpers von ungewöhnlicher Breite waren, die Brust und die Stirne, wie man aus seinen überall aufgestellten Bildnissen sehen kann" 81. Die Angabe ist deswegen besonders wertvoll, weil sie sich ausdrücklich auf die damals vorhandenen Bildwerke bezieht. Ein Blick auf das bisher als Platon geltende Porträt (Taf. V 2. 3, VI 2; dazu die Kopien Boehringer Taf. 6. 18. 40. 43. 70) zeigt wenig von einer extrem breiten Stirn. Hingegen weist der bisherige Aristoteles-Studniczka (Taf. IV 2) ein ganz auffällig breites Oberteil auf, welches geradezu abnorm über den Ohren ausbuchtet, und ebenso auffällig wölbt sich die Stirne stark empor". Dieser Kopf paßt ohne Zweifel ganz ausgezeichnet zu der von Olympiodor gegebenen Charakterisierung, sicher viel besser als das bisher Platon genannte Porträt. Das kleinglyptische Pendant zu der Rundplastik des bisherigen Aristoteles-Studniczka ist aber, wie vorher gezeigt, jenes sehr häufige Glaspastenporträt (Taf. IV 3. 4), für welches wir aus der Dreierkombination mit Sokrates und Aristoteles 6° Diog. Laert. III 28: •g2 Inciuov, eog oi,8ev oToect 3tkir CSXUOQW7T«EI,V u6vov, eticritee xoxMct; crEuviiic gnioxiog Tag öfflig. Das Ernst-Dreinblicken und das würdige Hochziehen der Augenbrauen ist ein allgemeines Topos in der Polemik gegen die Philosophen; vgl. R. Helm, Lucian und Menipp (1906) 377 mit den dort in Anm. 4 angegebenen Belegstellen. 61 Olympiodor, vita Platonis 2: ixt .18'ofrrw 0 ötä. th 815o I.LÖQLOC TOÜ acüuccrog gxetv 7d.crrkirata, t6 TE cri,ovov xai TÖ IIETWX0V, (7); naVTC4X0ii ai ävuxsiusvat airroi," Eix6ve5 ovtw cputvousvcu. 62 Vgl. R. Boehringer, Platon, Bildnisse und Nachweise (1935) 5: [vom bisherigen Platon] „Haupt, dessen Oberkopf nicht wie die Aristotelische Kuppel des Nous unverhältnismäßig über die Schläfen hinausdrängt".

36 Konrad Kraft<br />

ergänzte Nasen haben, während das Ursinus-Büstchen noch die ursprüngliche<br />

Nase gehabt haben dürfte. Wir haben schon früher darauf hingewiesen,<br />

daß Orsinis Entschluß, das in den Zeichnungen uns bekannte<br />

Büstchen von der Publikation auszuschließen, zunächst nur darauf hinweist,<br />

daß dem Orsini die Benennung d. h. die angebrachte Inschrift<br />

‚Aristoteles' verdächtig erschienen sein muß und daß er das Büstchen<br />

primär deswegen ausschloß. Ob das Bildwerk selbst antik oder wenigstens<br />

nach einem antiken Original nachgearbeitet war, ist damit noch<br />

nicht entschieden. Daß es überhaupt eine bloße moderne Erfindung war,<br />

ist durch die enge Übereinstimmung der Zeichnung des Galle (Taf. IV 5)<br />

mit dem Wiener Kopf, die man an der Gegenüberstellung bei Studniczka,<br />

Aristoteles, Taf. II 2-3 besonders gut nachprüfen kann, geradezu<br />

ausgeschlossen. Eine solche Übereinstimmung kann nicht zufällig zustandegekommen<br />

sein. Man braucht in der Tat nur dem Wiener Kopf<br />

(Taf. IV 1) statt der jetzt dort angebrachten geraden Nase eine mehr<br />

adlerförmige aufzusetzen und man hat die völlige Übereinstimmung mit<br />

der Zeichnung des Galle (Taf. IV 5). Daß eine solche Ergänzung erlaubt<br />

ist, weil bisher die Nase noch gar nicht durch ein erhaltenes antikes<br />

Beispiel bekannt ist, wurde vorher skizziert. Vergleicht man unter diesen<br />

Voraussetzungen d. h. mit ergänzter Adlernase den Wiener Kopf (Taf.<br />

IV 1) nochmals mit unserem Glaspastenporträt (Taf. IV 3), so wird man<br />

eine Identifizierung wohl akzeptieren können. Diese wird nicht zuletzt<br />

dadurch noch bestärkt, daß es nicht möglich ist, aus dem Vorrat antiker<br />

Porträts ein anderes, besser resp. auch nur halbwegs so gut passendes<br />

rundplastisches Pendant zu unserem so häufigen Glaspastenporträt beizubringen,<br />

und es andererseits ziemlich unvorstellbar bliebe, daß das<br />

beliebte Glaspastenporträt kein Gegenstück in der Rundplastik haben<br />

sollte.<br />

Wir haben damit zu dem dritten Porträt der besonders häufigen Glaspasten-Dreiergruppe<br />

zwar das rundplastische Pendant, aber noch nicht<br />

den Namen; denn die Rundplastik hat nach den früheren Darlegungen<br />

zunächst keine Benennung mehr, da Studniczkas Vorschlag ‚Aristoteles'<br />

sich als unhaltbar herausstellte, der Name Aristoteles vielmehr dem sog.<br />

Menander zugewiesen werden mußte.<br />

Bedenkt man nun, daß in der durch ihre auffällige Häufigkeit klar<br />

heraustretenden Dreiergruppe der Glaspastenporträts bereits Sokrates<br />

und Aristoteles feststehen, so liegt der Gedanke nahe, in dem dritten<br />

Porträt Platon zu vermuten. Stellt man freilich diesem Glaspastenporträt<br />

(Taf. IV 3) das rundplastische Porträt gegenüber, das heute allgegemein<br />

als Platon gilt (Taf. V 1), so wird man recht wenig von überzeugender<br />

Übereinstimmung entdecken. Der lang herabhängende Bart<br />

und das dahinter steckende zurückfliehende Kinn der Rundplastik schließen<br />

jeden Versuch der Identifizierung von vorneherein aus. Damit<br />

scheint die vorher ausgesprochene Vermutung für die Platonbenennung

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!