1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft
1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft
1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Cher die Bildnisse des Aristoteles und des Platon 27<br />
bildern im Auge hat. Unter anderem erkennt man nach seinen Angaben<br />
den Zenon an seinen Stirnfalten, den Diogenes an seinem langen Bart,<br />
den Sokrates an seiner Glatze, den Heraklit an seinem im Weinen geschlossenen<br />
Augen, den Demokrit an seinen zum Lachen geöffneten Lippen,<br />
den Chrysipp an seinen zum Zählen zusammengezogenen Fingern (vgl.<br />
Taf. I 3) und den Aristoteles an seinem nackten Arm (bracchio exserto) 41.<br />
Es ist klar, daß die nackte Schulter an sich weit verbreitet ist und<br />
keineswegs auf Aristoteles allein beschränkt gewesen sein kann, es muß<br />
sich aber jedenfalls um eine besonders ausgeprägte Fassung des Motivs<br />
handeln bzw. um die Gewohnheit, gerade bei Aristoteles dies als Erkennungszeichen<br />
sichtbar zu machen. Blicken wir auf die Glaspasten<br />
(Taf. II 1.4), so fällt sofort auf, daß auch dort bei dem strittigen unbärtigen<br />
Philosophen die nackte Schulter ein charakteristisches Merkmal<br />
ist. Mit den Angaben des Sidonius Apollinaris ausgerüstet hätte ein antiker<br />
Mensch ohne Zweifel eben diese Glaspaste als Aristoteles erkennen<br />
müssen, und auch wir können uns kaum der gleichen Folgerung entziehen.<br />
Man beachte, daß der einfache Betrachter der Antike so wie<br />
heute sich weniger an den Porträtzügen selbst als an kleinen äußerlichen<br />
Details zur Identifizierung orientierte. Im übrigen besteht kein Grund<br />
zu der Annahme, daß etwa diese Kennzeichnung des Aristoteles mit<br />
exserto bracchio erst in der Zeit des Sidonius Apollinaris aufkam, sie<br />
ist sicher schon alte Tradition.<br />
Wenden wir uns dem rundplastischen Pendant des sogenannten Menander<br />
zu (Taf. II 3. 7. 8), so bedarf das 2,t0VQÖCV XELMisvog wiederum keines<br />
weiteren Wortes mehr. Daß auch eine beginnende Glatze vorliegt,<br />
die nur durch einige nach vorn gezogenen langen Haarsträhnen verdeckt<br />
wird, kann man ebenfalls kaum bezweifeln. Im übrigen ist es<br />
natürlich ein Unterschied, ob Aristoteles in einem abfälligen Katalog<br />
von Körperfehlern als cpalanag bezeichnet oder in einer sicher nicht tadelnd<br />
gemeinten Rundplastik vorgestellt wird. Merkwürdig ist sodann,<br />
daß auf den Glaspasten wie bei der rundplastischen Fassung<br />
von Venedig das Gewand auf der linken Schulter stark hochgebauscht<br />
ist (Taf. I13). Anzunehmen, daß sich darin das gcsed 1-' brunip,q), nthilEvog<br />
spiegelt, wäre eine zu gewagte Vermutung. Die Rundplastik drückt<br />
zwar nur insofern einen freien Arm aus, als das Obergewand allein auf<br />
der linken Schulter liegt, immerhin ist aber das Untergewand an der<br />
rechten Schulter ziemlich stark nach außen gezogen (Taf. II 8) 41'.<br />
41 Apollinaris Sidonius, ep. 9, 9, 14: quod per gymnasia pingantur Areopagitica vel<br />
prytanea curva cervice Speusippus, Aratus Panda, Zenon fronte contracta, Epicurus<br />
tute distenta, Diogenes barba comante, Socrates coma cadente, Aristoteles bracchio<br />
exerto, Xenocrates crure collecto, Heraclitus fletu oculis clausis, Democritus risu<br />
labris apertis, Chrysippus digitis propter numerorum indicia constrictis, Euclides<br />
propter mensurarum spatia laxatis, Cleanthes propter utrumque corrosis.<br />
41° Was indes auch sonst häufiger vorkommt.