1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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26 Konrad Kraft stoteles beizubringen. Daß Orsini seine Aristotelesbenennung für den unbärtigen Kopf nicht aus der Luft gegriffen hat, ist sicher, da ja vor ihm Aristoteles schon als bärtig galt, was am schönsten der Aristoteles in Raffaels Schule von Athen zeigt. Eben deshalb hatte Orsini zuerst ein bärtiges Porträt mit der Namensaufschrift Aristoteles versehen lassen. Wenn Orsini sich aber dann entschloß, gegen die bis zu seiner Zeit vorliegende Übung ein unbärtiges Porträt als Aristoteles zu bezeichnen, so muß ein besonderer Grund dafür vorgelegen haben. Man würde a priori vermuten, daß damals durch eine beschriftete Kopie des unbärtigen Typs der Name Aristoteles bekannt wurde. Genau das ist aber, wenn man der Interpretation von Jongkees folgt, in den Imagines auch zu lesen. Natürlich ist aber diese Richtigstellung noch kein Beweis für die Richtigkeit der Orsini'schen Aristotelesbenennung des unbärtigen Typs (Taf. VI 4). Denn auch hier können Fälschung des Namens oder auch Verlesung eines undeutlichen Namens zunächst nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, wie ja auch umgekehrt dem Verfasser das entscheidende Moment für die Fragwürdigkeit eines bärtigen Aristoteles natürlich darin besteht, daß, wie oben gesagt, die Beschriftung der Zeichnung (Taf. IV 5) als solche weder eine Garantie für die antike Anbringung noch für die sachliche Richtigkeit enthält, sondern ebensogut Zutat des 16. Jh. sein kann. Hier dürfen nun als Hilfe wieder die Glaspasten eingeschaltet werden. Wir kamen durch dieses von allem Verdacht der Fälschung freie Material, vor allem durch die in ihm gegebenen Häufigkeitsverhältnisse zu dem Ergebnis, daß der sog. Menandertyp in Wirklichkeit ein hochberühmter griechischer Philosoph sein müßte. Weiter kann man sagen, daß von allen berühmten griechischen Philosophen, nach dem, was wir überhaupt an Beschreibungen besitzen, nur für einen einzigen Unbärtigkeit angenommen werden kann, eben für Aristoteles. Das heißt die Vermutung, daß Orsini für seine Aristotelesbenennung eines u n bärtigen Porträts tatsächlich eine antike Beschriftung als Ausgangspunkt hatte, erhält durch den Befund der Glaspasten eine wesentliche Stütze. Die Identifizierung wird sodann entscheidend bekräftigt bei einem Vergleich mit weiteren Details der antiken Aristotelesbeschreibungen. Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß für unser unbärtiges Glaspastenporträt das wynötv xE1Q4evog zutrifft. Ebenso ist das cpaitaxQ6C, die beginnende Glatze, sichtbar angedeutet. Daß dies bald mehr, bald weniger deutlich geschieht, braucht gewiß nicht zu stören. Dazu kommt aber noch Weiteres. Sidonius Apollinaris gibt kurz nach Mitte des 5. Jh. n. Chr. in einem Brief Merkmale an, an welchen man die an den Wänden aufgemalten Philosophen erkennen könne. Was er an Besonderheiten anführt, läßt vermuten, daß er Medaillons mit Brust- 90 11, 509 c.

Cher die Bildnisse des Aristoteles und des Platon 27 bildern im Auge hat. Unter anderem erkennt man nach seinen Angaben den Zenon an seinen Stirnfalten, den Diogenes an seinem langen Bart, den Sokrates an seiner Glatze, den Heraklit an seinem im Weinen geschlossenen Augen, den Demokrit an seinen zum Lachen geöffneten Lippen, den Chrysipp an seinen zum Zählen zusammengezogenen Fingern (vgl. Taf. I 3) und den Aristoteles an seinem nackten Arm (bracchio exserto) 41. Es ist klar, daß die nackte Schulter an sich weit verbreitet ist und keineswegs auf Aristoteles allein beschränkt gewesen sein kann, es muß sich aber jedenfalls um eine besonders ausgeprägte Fassung des Motivs handeln bzw. um die Gewohnheit, gerade bei Aristoteles dies als Erkennungszeichen sichtbar zu machen. Blicken wir auf die Glaspasten (Taf. II 1.4), so fällt sofort auf, daß auch dort bei dem strittigen unbärtigen Philosophen die nackte Schulter ein charakteristisches Merkmal ist. Mit den Angaben des Sidonius Apollinaris ausgerüstet hätte ein antiker Mensch ohne Zweifel eben diese Glaspaste als Aristoteles erkennen müssen, und auch wir können uns kaum der gleichen Folgerung entziehen. Man beachte, daß der einfache Betrachter der Antike so wie heute sich weniger an den Porträtzügen selbst als an kleinen äußerlichen Details zur Identifizierung orientierte. Im übrigen besteht kein Grund zu der Annahme, daß etwa diese Kennzeichnung des Aristoteles mit exserto bracchio erst in der Zeit des Sidonius Apollinaris aufkam, sie ist sicher schon alte Tradition. Wenden wir uns dem rundplastischen Pendant des sogenannten Menander zu (Taf. II 3. 7. 8), so bedarf das 2,t0VQÖCV XELMisvog wiederum keines weiteren Wortes mehr. Daß auch eine beginnende Glatze vorliegt, die nur durch einige nach vorn gezogenen langen Haarsträhnen verdeckt wird, kann man ebenfalls kaum bezweifeln. Im übrigen ist es natürlich ein Unterschied, ob Aristoteles in einem abfälligen Katalog von Körperfehlern als cpalanag bezeichnet oder in einer sicher nicht tadelnd gemeinten Rundplastik vorgestellt wird. Merkwürdig ist sodann, daß auf den Glaspasten wie bei der rundplastischen Fassung von Venedig das Gewand auf der linken Schulter stark hochgebauscht ist (Taf. I13). Anzunehmen, daß sich darin das gcsed 1-' brunip,q), nthilEvog spiegelt, wäre eine zu gewagte Vermutung. Die Rundplastik drückt zwar nur insofern einen freien Arm aus, als das Obergewand allein auf der linken Schulter liegt, immerhin ist aber das Untergewand an der rechten Schulter ziemlich stark nach außen gezogen (Taf. II 8) 41'. 41 Apollinaris Sidonius, ep. 9, 9, 14: quod per gymnasia pingantur Areopagitica vel prytanea curva cervice Speusippus, Aratus Panda, Zenon fronte contracta, Epicurus tute distenta, Diogenes barba comante, Socrates coma cadente, Aristoteles bracchio exerto, Xenocrates crure collecto, Heraclitus fletu oculis clausis, Democritus risu labris apertis, Chrysippus digitis propter numerorum indicia constrictis, Euclides propter mensurarum spatia laxatis, Cleanthes propter utrumque corrosis. 41° Was indes auch sonst häufiger vorkommt.

26 Konrad Kraft<br />

stoteles beizubringen. Daß Orsini seine Aristotelesbenennung für den<br />

unbärtigen Kopf nicht aus der Luft gegriffen hat, ist sicher, da ja vor<br />

ihm Aristoteles schon als bärtig galt, was am schönsten der Aristoteles<br />

in Raffaels Schule von Athen zeigt. Eben deshalb hatte Orsini zuerst<br />

ein bärtiges Porträt mit der Namensaufschrift Aristoteles versehen lassen.<br />

Wenn Orsini sich aber dann entschloß, gegen die bis zu seiner Zeit<br />

vorliegende Übung ein unbärtiges Porträt als Aristoteles zu bezeichnen,<br />

so muß ein besonderer Grund dafür vorgelegen haben. Man würde<br />

a priori vermuten, daß damals durch eine beschriftete Kopie des unbärtigen<br />

Typs der Name Aristoteles bekannt wurde. Genau das ist aber,<br />

wenn man der Interpretation von Jongkees folgt, in den Imagines auch<br />

zu lesen. Natürlich ist aber diese Richtigstellung noch kein Beweis für<br />

die Richtigkeit der Orsini'schen Aristotelesbenennung des unbärtigen<br />

Typs (Taf. VI 4). Denn auch hier können Fälschung des Namens oder auch<br />

Verlesung eines undeutlichen Namens zunächst nicht mit Sicherheit ausgeschlossen<br />

werden, wie ja auch umgekehrt dem Verfasser das entscheidende<br />

Moment für die Fragwürdigkeit eines bärtigen Aristoteles natürlich<br />

darin besteht, daß, wie oben gesagt, die Beschriftung der Zeichnung<br />

(Taf. IV 5) als solche weder eine Garantie für die antike Anbringung<br />

noch für die sachliche Richtigkeit enthält, sondern ebensogut Zutat des<br />

16. Jh. sein kann.<br />

Hier dürfen nun als Hilfe wieder die Glaspasten eingeschaltet werden.<br />

Wir kamen durch dieses von allem Verdacht der Fälschung freie Material,<br />

vor allem durch die in ihm gegebenen Häufigkeitsverhältnisse zu<br />

dem Ergebnis, daß der sog. Menandertyp in Wirklichkeit ein hochberühmter<br />

griechischer Philosoph sein müßte. Weiter kann man sagen,<br />

daß von allen berühmten griechischen Philosophen, nach dem, was wir<br />

überhaupt an Beschreibungen besitzen, nur für einen einzigen Unbärtigkeit<br />

angenommen werden kann, eben für Aristoteles. Das heißt die Vermutung,<br />

daß Orsini für seine Aristotelesbenennung eines u n bärtigen<br />

Porträts tatsächlich eine antike Beschriftung als Ausgangspunkt hatte,<br />

erhält durch den Befund der Glaspasten eine wesentliche Stütze.<br />

Die Identifizierung wird sodann entscheidend bekräftigt bei einem<br />

Vergleich mit weiteren Details der antiken Aristotelesbeschreibungen.<br />

Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß für unser unbärtiges Glaspastenporträt<br />

das wynötv xE1Q4evog zutrifft. Ebenso ist das cpaitaxQ6C,<br />

die beginnende Glatze, sichtbar angedeutet. Daß dies bald mehr, bald<br />

weniger deutlich geschieht, braucht gewiß nicht zu stören.<br />

Dazu kommt aber noch Weiteres. Sidonius Apollinaris gibt kurz nach<br />

Mitte des 5. Jh. n. Chr. in einem Brief Merkmale an, an welchen man<br />

die an den Wänden aufgemalten Philosophen erkennen könne. Was er<br />

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90 11, 509 c.

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