1963 Band XIII - Bayerische Numismatische Gesellschaft

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92 Maria R. Alföldi daß der Verkehr innerhalb der Provinz sich wieder einigermaßen normalisierte. Der oben geschilderte Sachverhalt erklärt, daß die vielen Varianten der S-Punkt-Centenionales die westliche Partie Pannoniens (Lupoglav, Szökedencs, Jabing) und den Donaulimes im Norden (Wien-Krottenbach, °regesem) schlecht erreichen konnten. Dafür sind sie in den über 374 hinausreichenden Komplexen von Vinkovci, Arpäs und Veszprem reichlich vorhanden. Man wird annehmen müssen, daß sie unter Umständen in der Ruhepause im Winter 374 vom Süden der Provinz aus zu den Schätzen der befestigten Orte gestoßen sind. Centenionales der S-Punkt-Serie kommen in den Funden von Vinkovci, Arpäs und Veszprem für alle Kaiser und in allen möglichen Abwandlungen vor. Für die Fundzusammensetzung ist hier die Stückzahl der an und für sich schon großen Schätze 44 nicht entscheidend, selbst wenn die anderen zahlenmäßig kleiner sind"; ausschlaggebend dafür, daß die besagte Serie in Pannonien noch kräftiger kursiert hat, ist vielmehr die Tatsache, daß hier wie dort alle möglichen Varianten der Serie — wenn auch stellenweise sporadisch — vertreten sind. Die Serien Abb. 2 Nr. 17 und 18 fehlen in allen Schatzfunden in- und außerhalb Pannoniens 45., selbst in denen, die noch Stücke von Valentinian II. und später aufweisen. Interessant ist es zu vermerken, daß in den Funden von Arpäs und Vinkovci auch die Serien um den Tod Valentinians (unsere Nr. 20 und 21 auf Abb. 2) fehlen". Allein der viel größere Schatz von Veszprem bringt vereinzelt auch diese; der noch bis in die Periode 384-387 hinunterreicht". Aus alldem ergibt sich, daß die F-Serien die letzten vor dem Einbruch 374 waren, die das ganze pannonische Gebiet im Zuge des gewöhnlichen Münzverkehrs ordnungsgemäß erreichen konnten. Die auf diese folgenden S-Punkt-Serien kursierten offensichtlich in ausreichenden Mengen, ihre späteren Varianten erreichten aber westpannonisches und das nörd• liehe Limesgebiet nicht mehr. Wie läßt sich nun der Ablauf der historischen Ereignisse auf Grund der Münzfunde ergänzen? 48 Wir sind im großen und ganzen gut darüber " Vinkovci: 1957 St.; Arpäs: 4872 St.; Veszprem: 8681 St., 2881 bestimmt, allerdings legte Voetter besonderen Wert auf die Bearbeitung der Münzen valentinianischer Zeit. Vgl. jedoch den Nachtrag S. 104. " Lupoglav: 312 St.; Szökedencs: 567 St.; Jabing 1426 St.; Wien-Krottenbach 179 St.; Oregcsem: 1313 St. — In beiden Gruppen stammt der weit größere Teil der Münzen aus valentinianischer Zeit, die Münzserien beginnen allgemein sporadisch mit den letzten Folles Constantins und führen nur in kleinen Mengen Centenionales der Zeit von 346 bis 364. Vgl. bes. D. Voetter, NumZ 42, 1909, 119. 45. Nr. 17 ist nun laut Neubearbeitung (vgl. S. 104) in Veszpr6m mit einem Stück vertreten; bei der Gesamtzahl ein Zeichen der Seltenheit. 46 Vinkovci: Valentinian II., 2 St. Aquileia; Arpäs: Valentinian II., 1 St. Aquileia. 47 Valentinian II., 2 St. Aquileia; 2 St. Siscia; 8 St. aus der RIC-Periode 384-387 Siscia. 48 Ein gewisses Maß an Unsicherheit ist freilich bei allen nachstehenden Überlegungen

Fragen des Münzumlaufs im 4. Jahrhundert n. Chr. 93 unterrichtet, was 374 und 375 in den Donauländern vor sich ging. Ammianus Marcellinus beschreibt im 29. und 30. Buch seines Werkes die Vorgänge ziemlich ausführlich. Valentinianus war schon seit Anfang seiner Regierung bemüht, die Limites an Rhein und Donau wieder in Ordnung zu bringen. Er befahl auch, vorgeschobene Posten am linken Ufer im Feindgebiet zu errichten 49, was freilich bald zu Unzufriedenheit unter den Quaden führte. Hinzu kam ein in der gegebenen Lage kaum entschuldbarer Fehler: Gabinius, der König der Quaden, wurde von den Römern unter Mißachtung des Gastrechtes ermordet. Dies gab den ohnehin schon Unzufriedenen den letzten Anstoß: die Quaden und die Nachbarvölker" taten sich zum Angriff gegen Rom zusammen. Daß die Mitangreifer vor allem die Sarmaten waren, ersieht man aus dem weiteren Bericht Ammians". Der Angriff traf, zur Erntezeit 52, die römischen Gebiete vollends unvorbereitet. Die Richtung, die die Quaden und Sarmaten einschlugen, wird durch folgende berühmte Episode klar: die Tochter des Constantius II. wurde zur selben Zeit von Constantinopolis nach Trier gebracht, um dort mit Gratian vermählt zu werden. Sie saß in einer villa publica namens Pistrensis gerade beim Essen und wäre fast von den Feinden gefangengenommen worden, wenn es ihrer Begleitung nicht gelungen wäre, sie in die bloß 16 Meilen entfernte Stadt Sirmium zu retten". Die Episode zeigt eindeutig, daß entgegen den seit jeher gewohnten Angriffszielen der Quaden und Sarmaten, nämlich der west-östlichen Partie der Donau zwischen Wien und Budapest, oder aber irgendwo am Nord-Süd-Lauf des Flusses, an der Ostgrenze der Valeria, nun direkt ins Sirmische (Pannonia Secunda) eingebrochen wurde". mit in Kauf zu nehmen. Man bedenke, daß das Fehlen gewisser Serien in einem Funde immerhin auch zufällig sein kann. Wir versuchen freilich stets mit denjenigen Eigenschaften der einzelnen Schätze zu argumentieren, die auch anderen Funden eigen sind. Eigenarten der Zusammensetzung, die sich öfter wiederholen, sind keine Zufälle mehr. 49 Amm. Marc. 29, 6, 2: . . . (Valentinianus) trans flumen Histrum in ipsis Quadorum terris quasi Romano iuri iam vindicatis, aedificari praesidiaria castra mandavit . . . 5° Amm. Marc. sagt 29, 6, 6 ausdrücklich, daß das Geschehene . . . et Quados et gentes circumsitas efferavit, vgl. dazu auch unten Anm. 54. 51 Vgl. Amm. Marc. 29, 6, 8; 14; bes. 15 sq. Dazu und für die weitere Schilderung vgl. C. Patsch, Beiträge zur Völkerkunde v. Südosteuropa IV; WASB, Phil.-Hist. KI. 209/5, 1 ff. Ebenda Anm. 13 die Zusammenfassung der früheren Literatur. S. auch A. Alföldi, Geschichte von Budapest im Altertum (1942, ungarisch) 685 f.; RE VII A (1948) Sp. 2184 ff. (A. Nagl); E. Stein, Hist. du Bas-Empire I (1959) 181 ff. 52 Amm. Marc. 29, 6, 6: circa messem agrestem. 53 Messala, der Verantwortliche der Rettungsaktion, war freilich kein praefectus Pannoniae (so A. Nagl, RE VII A (1948) Sp. 2185), sondern der rector provinciae, Amm. Marc. 29, 6, 6. 54 In jüngster Zeit wurde diese im Wesentlichen auf dem Bericht des Ammianus Marcellinus fußende Erkenntnis, die auch durch die Aussage unserer Münzfunde be-

Fragen des Münzumlaufs im 4. Jahrhundert n. Chr. 93<br />

unterrichtet, was 374 und 375 in den Donauländern vor sich ging. Ammianus<br />

Marcellinus beschreibt im 29. und 30. Buch seines Werkes die<br />

Vorgänge ziemlich ausführlich. Valentinianus war schon seit Anfang<br />

seiner Regierung bemüht, die Limites an Rhein und Donau wieder in<br />

Ordnung zu bringen. Er befahl auch, vorgeschobene Posten am linken<br />

Ufer im Feindgebiet zu errichten 49, was freilich bald zu Unzufriedenheit<br />

unter den Quaden führte. Hinzu kam ein in der gegebenen Lage kaum<br />

entschuldbarer Fehler: Gabinius, der König der Quaden, wurde von den<br />

Römern unter Mißachtung des Gastrechtes ermordet. Dies gab den<br />

ohnehin schon Unzufriedenen den letzten Anstoß: die Quaden und die<br />

Nachbarvölker" taten sich zum Angriff gegen Rom zusammen. Daß die<br />

Mitangreifer vor allem die Sarmaten waren, ersieht man aus dem weiteren<br />

Bericht Ammians".<br />

Der Angriff traf, zur Erntezeit 52, die römischen Gebiete vollends unvorbereitet.<br />

Die Richtung, die die Quaden und Sarmaten einschlugen,<br />

wird durch folgende berühmte Episode klar: die Tochter des Constantius<br />

II. wurde zur selben Zeit von Constantinopolis nach Trier gebracht,<br />

um dort mit Gratian vermählt zu werden. Sie saß in einer villa publica<br />

namens Pistrensis gerade beim Essen und wäre fast von den Feinden<br />

gefangengenommen worden, wenn es ihrer Begleitung nicht gelungen<br />

wäre, sie in die bloß 16 Meilen entfernte Stadt Sirmium zu retten".<br />

Die Episode zeigt eindeutig, daß entgegen den seit jeher gewohnten Angriffszielen<br />

der Quaden und Sarmaten, nämlich der west-östlichen Partie<br />

der Donau zwischen Wien und Budapest, oder aber irgendwo am<br />

Nord-Süd-Lauf des Flusses, an der Ostgrenze der Valeria, nun direkt<br />

ins Sirmische (Pannonia Secunda) eingebrochen wurde".<br />

mit in Kauf zu nehmen. Man bedenke, daß das Fehlen gewisser Serien in einem<br />

Funde immerhin auch zufällig sein kann. Wir versuchen freilich stets mit denjenigen<br />

Eigenschaften der einzelnen Schätze zu argumentieren, die auch anderen<br />

Funden eigen sind. Eigenarten der Zusammensetzung, die sich öfter wiederholen,<br />

sind keine Zufälle mehr.<br />

49 Amm. Marc. 29, 6, 2: . . . (Valentinianus) trans flumen Histrum in ipsis Quadorum<br />

terris quasi Romano iuri iam vindicatis, aedificari praesidiaria castra mandavit<br />

. . .<br />

5° Amm. Marc. sagt 29, 6, 6 ausdrücklich, daß das Geschehene . . . et Quados et<br />

gentes circumsitas efferavit, vgl. dazu auch unten Anm. 54.<br />

51 Vgl. Amm. Marc. 29, 6, 8; 14; bes. 15 sq. Dazu und für die weitere Schilderung<br />

vgl. C. Patsch, Beiträge zur Völkerkunde v. Südosteuropa IV; WASB, Phil.-Hist.<br />

KI. 209/5, 1 ff. Ebenda Anm. 13 die Zusammenfassung der früheren Literatur.<br />

S. auch A. Alföldi, Geschichte von Budapest im Altertum (1942, ungarisch) 685 f.;<br />

RE VII A (1948) Sp. 2184 ff. (A. Nagl); E. Stein, Hist. du Bas-Empire I (1959) 181 ff.<br />

52 Amm. Marc. 29, 6, 6: circa messem agrestem.<br />

53 Messala, der Verantwortliche der Rettungsaktion, war freilich kein praefectus<br />

Pannoniae (so A. Nagl, RE VII A (1948) Sp. 2185), sondern der rector provinciae,<br />

Amm. Marc. 29, 6, 6.<br />

54 In jüngster Zeit wurde diese im Wesentlichen auf dem Bericht des Ammianus Marcellinus<br />

fußende Erkenntnis, die auch durch die Aussage unserer Münzfunde be-

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