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Römisches Toilettgerät und medizinische Instrumente aus Augst ...

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Kämme<br />

(Taf. i <strong>und</strong> 5)<br />

Wie in den meisten provinzialrömischen F<strong>und</strong>stätten<br />

fehlen auch in der Zivilstadt Augusta Rauricorum<br />

Kämme <strong>aus</strong> den früheren römischen Perioden vor dem<br />

späten 3. Jahrh<strong>und</strong>ert n. Chr. Als eine Erklärung<br />

dafür wird die Vergänglichkeit von dem für die früheren<br />

Kämme benützten Material angegeben, nämlich<br />

Holz. E i n vereinzeltes F<strong>und</strong>stück ist ein Kamm <strong>aus</strong><br />

Holz des 1. Jh.s n. Chr., das sich im konservierungsgünstigen<br />

Schutthügel von Vindonissa erhalten hat 17 .<br />

Kämme gehörten zu den üblichsten <strong>Toilettgerät</strong>en<br />

<strong>und</strong> <strong>aus</strong>serdem zur Ausstattung der Barbiere. A uf den<br />

frühchristlichen Loculusplatten in Rom sind Barbierbestecke<br />

mit zweizeiligen Kämmen, Griffspiegeln <strong>und</strong><br />

Rasiermessern dargestellt 18 . Kämme wurden häufig als<br />

Beigaben den Verstorbenen mitgegeben (60% der<br />

F<strong>und</strong>stücke in <strong>Augst</strong>/Kaiseraugst).<br />

Material <strong>und</strong> Herstellungstechniken<br />

Alle Kämme <strong>aus</strong> <strong>Augst</strong> sind <strong>aus</strong> Hirschgeweih geschnitzt<br />

(vgl. den Beitrag von J. Schibier, S. 22f.)!<br />

Hirschgeweih bedingte eine komplizierte Herstellungstechnik<br />

<strong>aus</strong> den folgenden Gründen: erstens, weil das<br />

Geweih verhältnismässig schmal ist <strong>und</strong> zweitens, weil<br />

die Zähne des Kammes nur in der Faserrichtung der<br />

Beinstruktur eingesägt werden konnten. Wollte man<br />

eine grössere Länge des Kammes erreichen, wurden<br />

mehrere längsgefaserte Geweihplättchen (acht Stück<br />

bei i p) nebeneinandergelegt <strong>und</strong> durch zwei quergefaserte<br />

Deckplatten bzw. -leisten mittels Eisen- oder<br />

Bronzenieten fest zusammengefügt (daher der Name<br />

Dreilagenkämme). Diesem komplizierten Vorgang bei<br />

der Herstellung wurden mehrere Aufsätze gewidmet,<br />

zuletzt der von S. Thomas 19 .<br />

Die Griffplatten bei den einzeiligen <strong>und</strong> die Verbindungsleisten<br />

bei den zweizeiligen Kämmen hatten ihre<br />

Form <strong>und</strong> Verzierung erhalten, bevor sie mit der mittleren<br />

Platte fest verb<strong>und</strong>en wurden. Bei den einzeiligen<br />

Kämmen wurde zwischen die beiden Griffplatten noch<br />

ein Keilstück mit waagrechter Faserung am oberen Teil<br />

des Rückens eingeschoben (vgl. Taf. i , i p), um dem<br />

Kamm mehr Halt zu geben. Erst zum Schluss wurden<br />

dann die Zähne in die kleinen Plättchen eingesägt (vgl.<br />

die angesägten Griffplatten <strong>und</strong> Verbindungsleisten<br />

Taf. 5, l l .l m.l p, wo die Einschnitte bis in die Platten<br />

reichen). Zur Bildung der Spalte bei Futteralen wurden<br />

seitlich Keilstücke eingeschoben <strong>und</strong> mit Nieten verb<strong>und</strong>en.<br />

Dass die Verbindung der drei Lagen wohl<br />

nicht nur mit Hilfe der Niete geschah, sondern auch<br />

durch einen Klebstoff, erwähnt S. Thomas 20 .<br />

Theoretisch müsste für jedes gezähnte Plättchen ein<br />

Niet vorhanden sein, so dass man nach Anzahl der<br />

Niete auf die Zahl der Plättchen schliessen könnte, so<br />

zum Beispiel beim Kamm i p, bei dem die eine Deckplatte<br />

zum grössten Teil abgebrochen ist.<br />

Zur Erweichung von Geweih für die Bearbeitung<br />

dienten nach S. Thomas 21 wohl verschiedene chemische<br />

Prozesse: Eintauchen im heissen Wasser oder<br />

siedenden Öl, was erst eine weichere Oberfläche<br />

erzielte, in die die einfachen Ornamente eingeritzt <strong>und</strong><br />

-gedreht werden konnten (Linien, Punktlinien, Kreisaugen).<br />

Typologie der einzeiligen Dreilagenkämme<br />

(nach Thomas 1960)<br />

Variante A: mit kreissegmentförmiger Griffplatte<br />

(Thomas, Typ 1): Taf. i , i p-l e.<br />

Variante B: mit dreieckiger Griffplatte (Thomas, Typ<br />

2): Taf. i , l f .l g; 5, l h-l l .<br />

Variante C: mit erweiterter «glockenförmiger» Griffplatte<br />

(Thomas, Typ 3): Taf. 5, l m.<br />

Die Zahnreihe schliesst entweder parallel ab (rechteckiges<br />

Unterteil), oder sie lädt nach beiden Seiten<br />

mehr oder weniger <strong>aus</strong> (trapezförmiges Unterteil).<br />

Zum Typ der Kämme mit glockenförmiger Griffplatte<br />

ist eine neue Studie mit einer Verbreitungskarte<br />

von M. Kazanski erschienen 22 . Aufgr<strong>und</strong> der Verbreitungskarte<br />

entwickelte sich der Typ im Gebiet der<br />

Cernjakov-Kultur (Ukraine) <strong>und</strong> breitete sich von dort<br />

nach West- <strong>und</strong> Nordeuropa <strong>aus</strong>. Zu den fünf bisher<br />

bekannten Exemplaren <strong>aus</strong> dem Rheingebiet tritt noch<br />

das Exemplar <strong>aus</strong> <strong>Augst</strong> (Taf. 5, l m) hinzu. M. Kazanski<br />

datiert diesen Typ ab dem 2. Drittel des i . Jh.s<br />

bis in die 1. Hälfte 5. Jh., was durch die Mitf<strong>und</strong>e<br />

unseres Exemplares bestätigt wird (s. unten, Katalog<br />

l m).<br />

Zum Schutz der gezähnten Partie dienten bei den<br />

einzeiligen Kämmen verzierte, ebenfalls dreilagige<br />

Futterale <strong>aus</strong> demselben Material.<br />

In <strong>Augst</strong> waren alle einzeiligen Dreilagenkämme <strong>aus</strong><br />

Germanien importiert.<br />

Einzeilige Dreilagenkämme mit kreissegmentförmiger<br />

Griffplatte (Variante A; Thomas, Typ f )<br />

S. Thomas 23 unterscheidet drei Varianten von einzeiligen<br />

Dreilagenkämmen mit kreissegmentförmiger<br />

Griffplatte: Variante 1 mit einer kurzen <strong>und</strong> hochgewölbten<br />

Griffplatte; Variante 2 mit einer gestreckten<br />

leicht geschweiften Griffplatte; Variante 3 mit abgeflachten<br />

Seiten.<br />

17 Simonett 1947, 59, Taf. 17, a.<br />

18 Garrucci (wie Anm. 2).<br />

19 Thomas 1960, 8, 54ff.<br />

20 Thomas 1960, 76.<br />

21 Thomas 1960, 76.<br />

22 M. Kazanski, Le Peigne en os, in: La nécropole mérovingienne<br />

de la Turraque (Beaucaire-sur-Baise), Toulouse 1985, 257ff.<br />

23 Thomas 1960, 92.

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