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Redemanusskript Dr. Wolfgang Dorow

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Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 1<br />

Zoologische Forschung in hessischen<br />

Naturwaldreservaten<br />

<strong>Wolfgang</strong> H. O. <strong>Dorow</strong><br />

(grau unterlegt sind erläuternde Passagen, die nicht vorgetragen wurden)<br />

Einleitung<br />

Da sich für Sie die Frage stellt, was Sie von unseren Methoden für Ihr Monitoring-Projekt<br />

übertragen können, möchte ich Ihnen zuerst darstellen, welche Ziele zur Ausweisung von<br />

Naturwaldreservaten führten und dann, wie unser Untersuchungskonzept aussieht. Anschließend<br />

möchte ich Ihnen schlaglichtartig die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchung präsentieren und<br />

auf Problembereiche hinweisen. Abschließend stelle ich Ihnen noch einige Vorschläge für Ihr<br />

Monitoring-Projekt vor. Die detaillierten wissenschaftlichen Ergebnisse sind ja für Sie von<br />

untergeordneter Bedeutung, so daß ich diese hier aus Zeitgründen weglassen werde. Sie können sie<br />

in den Mitteilungen der Hessischen Landesforstverwaltung nachlesen.<br />

Was sind Naturwaldreservate - Welche Aufgaben haben sie?<br />

Seit etwa 30 Jahren werden in ganz Deutschland sogenannte Naturwaldreservate ausgewiesen. Dies<br />

geschieht, um eine Palette an Totalreservaten zu erhalten, die eine ungestörte Entwicklung von<br />

Waldlebensgemeinschaften zulassen und deren Erforschung ermöglichen. Innerhalb dieses groben<br />

Rahmens arbeiten die einzelnen Bundesländer mit unterschiedlichen Zielsetzungen und<br />

unterschiedlicher Intensität.<br />

Im Einzelnen werden in Hessen folgende 4 Ziele angestrebt:<br />

Naturwaldreservate in Hessen dienen (gemäß Erlaß vom 13.3.2002)<br />

1.• der Erforschung sich selbst entwickelnder Waldlebensgemeinschaften, ihrer Böden, ihrer<br />

Vegetation, Waldstruktur und Fauna<br />

2.• als lokale und regionale Weiserflächen für den Waldbau. Aus den Forschungsergebnissen<br />

können für vergleichbare Wirtschaftswaldstandorte gesicherte Erkenntnisse abgeleitet werden - zu


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 2<br />

Fragen der Waldverjüngung (Baumartenwahl, naturnahe Verjüngungsverfahren, Produktionsdauer,<br />

Konkurrenzsteuerung)<br />

- und der Waldpflege (Bestandesstruktur, Auslese, Differenzierung usw.)<br />

3.• als Weiserflächen für Naturnähe,<br />

- an denen das Funktionieren des Naturhaushalts und der Grad seiner Beeinträchtigung gegenüber<br />

der genutzten Landschaft gemessen werden kann<br />

- die als Maßstäbe für Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Biotopbewertungen dienen können<br />

- die als Eichflächen für die forstliche Standortskartierungen verwendet werden können.<br />

4.• der Erhaltung, dem Schutz und der Wiederherstellung natürlicher Waldlebensgemeinschaften in<br />

ihrer für den Lebensraum typischen Arten- und Formenvielfalt.<br />

Hessische Naturwaldreservate sind also vorrangig Forschungsflächen.<br />

Die Situation in Hessen<br />

Der Hessische Landtag beschloß im Jahre 1988 die Einrichtung von Naturwaldreservaten. Zuständig<br />

ist bei der Landesregierung das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten. Die<br />

Naturwaldforschung ist dem Landesbetrieb Hessen Forst unterstellt, wo sie in der Servicestelle<br />

"Forsteinrichtung, Information, Versuchswesen - FIV" (vormals Hessische Landesanstalt für<br />

Forsteinrichtung, Waldforschung und Waldökologie [HLFWW] oder Forsteinrichtungsanstalt<br />

[FEA]) in Gießen angesiedelt ist. Heute existieren über ganz Hessen verteilt 30 Gebiete mit 1228<br />

Hektar Fläche (KEITEL & HOCKE 1997), die vollständig aus der Nutzung genommen wurden (Folie<br />

1). Zu 22 dieser Kernflächen wurden in Hessen meist direkt angrenzend Vergleichsflächen<br />

eingerichtet, die naturnah weiterbewirtschaftet werden und zusammen 763,3 ha umfassen. Eine<br />

durchschnittliche Kernfläche umfaßt demnach rund 40 ha (mit einer Spanne von 7,7-140,2 ha), eine<br />

Vergleichsfläche rund 35 ha (4,6-113,3 ha). Das Spektrum der Naturwaldreservate in Hessen soll -<br />

verteilt über alle Höhenzonen und geologischen Landschaften - die Standortspalette des Waldes in<br />

unserem Bundesland möglichst gut wiedergeben. Somit wurden nicht - wie in einigen anderen<br />

Bundesländern - nur sehr wertvolle Flächen ausgewählt, sondern auch durchschnittliche<br />

repräsentative Wirtschaftswälder. Dem Landescharakter entsprechend handelt es sich vorwiegend<br />

um Buchenwälder, daneben sind aber auch Stiel- und Traubeneichen-, Kiefern- und Fichtenwälder


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 3<br />

repräsentiert. Das Spektrum hessischer Naturwaldreservate reicht vom Fichtenforst und<br />

Hallenbuchenwald bis zum Naturschutzgebiet mit ausgeprägter Totholztradition (z. B. dem<br />

Naturwaldreservat Karlswörth am Kühkopf).<br />

Von uns wurden bislang 7 Gebiete untersucht: Schotten (# 6) und Neuhof (# 3) in der<br />

Konzeptionsphase, Schlüchtern (# 12): bis zum Sommer 2000 fanden 9 Jahre lang<br />

Sonderuntersuchungen zur Beteiligung der Tierwelt an der Holzzersetzung eines flächigen Windwurfs<br />

statt, Hohestein (# 8) Goldbach-Ziebachsrück (# 2), Kinzigaue (# 25) und Haasenblick (# 9). Im<br />

Jahr 2003 wird mit den Untersuchungen in der Rhön begonnen (Stirnberg - # 28).<br />

Sie sehen auf der Folie, daß in der näheren Umgebung des Flughafens keine Naturwaldreservate<br />

liegen, die nächsten sind 21 (Bruchköbel), 25 (Kinzigaue bei Hanau), 11 (Heegbach bei Langen) und<br />

20 (Karlswörth am Kühkopf). Bislang untersucht aber noch nicht ausgewertet ist davon nur die<br />

Kinzigaue.<br />

Die Walduntersuchungen der Trassenvarianten für die Erweiterung des Flughafens samt einem<br />

Umkreis von 1000 m (Auftraggeber FRAPORT und Stadt Frankfurt) wurde nicht von uns<br />

durchgeführt, sondern von einem Team, das ebenfalls im Hause Senckenberg, aber bei der<br />

Stadtbiotopkartierung angesiedelt ist.<br />

Allgemeine Untersuchungsmethodik<br />

Alle Naturwaldreservate werden vom Forst mit einem verpflockten 100x100 m-Raster versehen, an<br />

dessen Schnittpunkten Probekreise mit einem Radius von 20 m liegen. In diesen Probekreisen<br />

werden die Untersuchungen wenn möglich durchgeführt. Erstes Ziel der Studien ist eine möglichst<br />

aussagekräftige Inventur der ausgewiesenen Waldflächen, an der Forstleute, Botaniker und Zoologen<br />

beteiligt sind. Über periodische Wiederholungsuntersuchungen soll es in Zukunft möglich sein, die<br />

Entwicklung der Wälder nachzuzeichnen und Unterschiede zwischen den unbewirtschafteten<br />

„Urwäldern von morgen“ und den Wirtschaftswäldern herauszuarbeiten. Es handelt sich somit um<br />

Dauerbeobachtungen zum Sukzessionsablauf. Die boden-, forstkundlichen und botanischen<br />

Erhebungen werden von Hessen Forst bzw. von Fachbüros durchgeführt. Die Zoologischen<br />

Untersuchungen wurden an das FIS vergeben. Hessen ist das einzige Bundesland, in dem die Fauna


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 4<br />

einen Schwerpunkt der Forschung darstellt. Nur in Bayern laufen auch noch umfangreichere<br />

Untersuchungen (am Lehrstuhl für Landnutzungsplanung und Naturschutz der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München-Freising), in den übrigen Bundesländern werden – wenn überhaupt - eher<br />

sporadisch einzelne Tiergruppen erfaßt.<br />

Vorgaben für die zoologischen Untersuchungen von Seiten des Landes<br />

• Repräsentative qualitative Erfassung eines breiten Spektrums von Tiergruppen,. d. h. das<br />

Artenspektrum soll möglichst vollständig erfaßt werden, wobei die Häufigkeit der Arten nachrangig<br />

ist<br />

• Einsatz reproduzierbarer Methoden<br />

• Untersuchung aller hessischen Naturwaldreservate (Kernflächen und Vergleichsflächen)<br />

• Veröffentlichung umfassender Gebietsmonographien in der Reihe „Hessen Forst - FIV Ergebnisund<br />

Forschungsberichte" (mit ausführlichen Berichten zu den Standard-Tiergruppen (s. u.) und<br />

Kurzgutachten, kompletten Artenlisten oder Stichproben-Artenlisten zu weiteren Tiergruppen) und<br />

Zusammenfassungen in der Reihe „Naturwaldreservate in Hessen“ innerhalb der „Mitteilungen der<br />

Hessischen Landesforstverwaltung“<br />

Untersuchungen des FIS<br />

Die Untersuchungen erfolgen am Forschungsinstitut Senckenberg im Rahmen der Projektgruppe<br />

„Hessische Naturwaldreservate“ durch 2 Projektwissenschaftler (Herrn Flechtner und mich), 5<br />

Gutachter und 2 Zivildienstleistende sowie zeitweilig bis zu 4 studentische Hilfskräfte und eine ABM-<br />

Kraft.<br />

In einer Konzeptionsphase wurden von uns im Vogelsberg in den Naturwaldreservaten Schotten und<br />

Neuhof Tiergruppen und Methoden getestet. Daraus entwickelten wir 3 Untersuchungsprogramme in<br />

unterschiedlicher Intensität, die zusammen mit einer Besprechung aller einheimischer Tiergruppen in<br />

Band 3 der Reihe „Naturwaldreservate in Hessen“ dargestellt werden.<br />

Auswahl der Tiergruppen<br />

Von den insgesamt in Deutschland lebenden rund 49.000 Tierarten sind mehr als 35.000<br />

Landbewohner. Eine herausragende Stellung nehmen hierbei die Insekten ein, die mit über 33.000


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 5<br />

Arten in 30 Ordnungen bei uns heimisch sind und zum größten Teil auf dem Land leben. Aus dieser<br />

Fülle galt es auszuwählen, da die gesamte Fauna weder personell noch finanziell bewältigt werden<br />

kann. Kriterium hierfür war die Frage: Was verändert sich, wenn sich der Wirtschaftswald von heute<br />

zum Urwald von morgen entwickelt? Tatsächlich weiß das heute niemand. Unsere Annahmen waren:<br />

• Die Raumstruktur im Wald wird vielfältiger und mit ihr das Mosaik an Flächen mit Unterschieden in<br />

Temperatur, Feuchtigkeit, Lichtintensität<br />

• die Pflanzenarten werden zunehmen, ihre Artenzusammensetzung wird sich ändern<br />

• der Totholzvorrat wird qualitativ und quantitativ zunehmen<br />

• der Nährstoffaustrag wird abnehmen (keine Holzentnahme)<br />

• die Bodenverdichtung wird abnehmen (keine schweren Maschinen, weniger Wege)<br />

Schließlich kamen ganz pragmatische Kriterien hinzu, so etwa:<br />

• lebt ein nennenswerter Anteil der Tiergruppe im Wald?<br />

• wie ist der Bearbeitungsstand der Tiergruppe?<br />

• stehen Spezialisten zu ihrer Bearbeitung zur Verfügung?<br />

(= > Sie sehen: auch die einheimische Fauna ist noch nicht ausreichend untersucht)<br />

Aufgrund dieser Kriterien wurden folgende Tiergruppen für die dauerhaften Untersuchungen<br />

ausgewählt (Folie 2 unten - oben abdecken!):<br />

Regenwürmer (Lumbricidae), Spinnen (Araneae), Wanzen (Heteroptera), Käfer (Coleoptera),<br />

Hautflügler (Hymenoptera): Blattwespen (Symphyta) und Stechimmen (Aculeata), Schmetterlinge<br />

(Lepidoptera): Großschmetterlinge (Macrolepidoptera), Vögel (Aves) und Kleinsäuger (Mammalia)<br />

[außer Fledermäusen (Chiroptera)].<br />

Diese Gruppen werden von Herrn Flechtner (Käfer) und mir (Wanzen, Stechimmen) bzw. den<br />

Gutachtern bearbeitet. Ich wurde außerdem mit der Koordination des Projektes beauftragt.<br />

• Eine entscheidende Frage bei der Konzeption einer Untersuchung ist: Soll man ein breites<br />

Artenspektrum oder nur Leitarten untersuchen? Wir plädieren aus 3 Gründen entschieden für die<br />

Untersuchung eines breiten Artenspektrums:


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 6<br />

1. Da auch über die Fauna unserer einheimischen Wälder nur relativ lückige Kenntnisse herrschen,<br />

kann nicht ausgeschlossen werden, daß künftig heute noch unbedeutende Tiergruppen plötzlich<br />

wichtige Rollen im Ökosystem übernehmen.<br />

2. Tiergruppen unterliegen oft gegenläufigen Trends. Beschränkt man sich bei Untersuchungen auf<br />

nur wenige Gruppen oder gar einzelne "Zeiger"-Arten, so kann dies deshalb zu völlig einseitigen<br />

Schlußfolgerungen führen.<br />

3. Indikatorarten-Problematik: jede Art hat ihre eigene ökologische Nische, unterscheidet sich somit<br />

von allen anderen Arten. Oftmals werden mit ihr nur banale Erkenntnisse auf kompliziertem Weg<br />

gewonnen (durch genitalisieren eines 1 mm großen Käfers, dass wir im Buchenwald sind). Was aber<br />

der Grund für ihr Fehlen an einem und ihr Vorkommen an einem anderen Ort ist, bleibt weitgehend<br />

ungeklärt ("Urwaldrelikte").<br />

Wir versuchen daher über die Standard-Gruppen hinaus möglichst weitere Tiergruppen bis zur Art<br />

bestimmen zu lassen oder sogar Gutachten über sie durch ehrenamtliche Mitarbeiter erstellen zu<br />

lassen.<br />

Auswahl der Methoden<br />

Wirbellose Tiere leben oft versteckt, manche nur kurze Zeit als bestimmbares erwachsenes Tier und<br />

lassen sich nur in Ausnahmefällen lebend bestimmen. Daher müssen Fallen eingesetzt werden. In der<br />

Konzeptionsphase wurde ein breites Set an verschiedenen Fallentypen auf seine Eignung zur<br />

möglichst repräsentativen qualitativen Dokumentation der Fauna getestet. Bei den meisten<br />

Fallentypen lassen die Kosten für deren Kauf und das Aussortieren der oft sehr umfangreichen<br />

Proben nur geringe Stückzahlen zu. Lediglich bei den preiswerten Bodenfallen kann eine größere<br />

Anzahl eingesetzt werden. Um für diesen Fallentyp Standorte festzulegen, wird je eine<br />

Habitatstrukturkartierung im Frühjahr und im Frühsommer durchgeführt. Hierbei werden für die<br />

Fauna bedeutsame unterschiedliche Strukturen im Gebiet kartiert. Für die langfristigen<br />

Untersuchungen ergab sich folgendes Fallenset: (Anzahlen pro Gesamtfläche) (Folie 2 oben):<br />

• wechselnde Anzahl von Bodenfallen-Triplets (Dias 1+2)<br />

• 4 Stammeklektoren an stehenden Bäumen der Hauptbaumart (Dia 3)<br />

• 4 Stammeklektoren an Dürrständern<br />

• 2 Stammeklektoren an freiliegenden Bäumen (Dia 4)<br />

• 2 Stammeklektoren an aufliegenden Bäumen


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 7<br />

• bis zu 2 Stubbeneklektoren (Dia 5) als Ersatz wenn Totholzstämme fehlen<br />

• 2 Totholzeklektoren<br />

• je 2 blaue, gelbe und weiße Farbschalen (Dia 6)<br />

• 2 Fensterfallen (Dia 7)<br />

• 2 Lichtfanganlagen zur qualitativen Erfassung der Großschmetterlinge (Dia 8) (Einsatz nur an 5<br />

Abenden von Mai bis September im manuellen Betrieb)<br />

• evtl. 50 Schlagfallen zur qualitativen Erfassung der Mäuse (einmaliger Einsatz)<br />

• Siedlungsdichte-Kartierung zur Ermittlung des Vogelbestandes (10 Begehungen)<br />

• Forstdaten über jagbares Wild<br />

Als Fangflüssigkeit wird in allen Fallentypen eine für die Bearbeiter ungiftige Glycerin-Alkohol-<br />

Mischung (2 Teile 70%iger Alkohol : 1 Teil 99,5%iges Glycerin) verwendet.<br />

Eine häufige Streitfrage bei der Konzeption einer Untersuchung ist, ob man Fallen zufallsverteilt, in<br />

einem starren Muster oder gezielt ausbringen soll. Unsere Erfahrungen zeigen, daß selbst bei einer<br />

Untersuchung aller Probekreise (Durchmesser 40 m im 100 m x 100 m-Raster) sogar z. T.<br />

Baumarten nicht vollständig erfaßt wurden, ebenso fehlten oftmals ganze Kleinlebensräume wie z. B.<br />

Sickerquellen. D. h. ein erheblich dichteres regelmäßiges Netz an Fallen wäre nötig bzw. eine sehr<br />

hohe Anzahl zufallsverteilter Fallen. Daher stellen wir Fallen gezielt auf der Basis einer Vegetationsund<br />

einer Strukturkartierung.<br />

Bei zoologischen Gutachten werden oft nur sehr wenige Tiergruppen bearbeitet, der Rest der<br />

Fallenfänge, ja sogar mitunter das bestimmte Material wird oft weggeworfen. In unserem Projekt<br />

werden hingegen alle gefangenen Tiere auf Ordnungsebene sortiert, gezählt und dauerhaft<br />

konserviert. Somit können später weitere Tiergruppen untersucht, Bestimmungen überprüft und evtl.<br />

neu aufgetrennte Arten nachbestimmt werden.<br />

Eine Untersuchungsphase umfaßt ca 4 Jahre, davon 2 Jahre Fallenfänge (um Jahresschwankungen<br />

wenigstens ansatzweise zu erfassen) und etwa 2 Jahre für Auswertung und Berichtserstellung sowie<br />

den Fallenaufbau in den Folgegebieten. Anfangs wurden 2 Naturwaldreservate gleichzeitig


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 8<br />

untersucht, derzeit aufgrund der großen Fangmengen nur 1 Gebiet. Wiederholungsuntersuchungen<br />

sind jeweils nach 30 Jahren vorgesehen.<br />

In den vergangenen Jahren arbeiteten Herr Flechtner und ich in einer Bundesarbeitsgruppe mit, die<br />

die Vereinheitlichung der Untersuchungen in Naturwaldreservaten zum Ziel hatte. Ihr „Programm zur<br />

Untersuchung der Fauna in Naturwäldern“ wurde 1999 veröffentlicht. Es sieht annähernd eine<br />

Verdoppelung des Aufwandes Hessischer Untersuchungen (300.000 € pro Jahr davon 178000 € für<br />

die zoologischen Untersuchungen) als Standard vor (zusätzlich: Bodenproben, mehr Fallen<br />

(Bodenfotoeklektoren, 1 Bodenfalle pro Hektar), zusätzliche Tiergruppen (z. B. Enchytraeen), führte<br />

aber bislang zu keinen Konsequenzen in den Bundesländern.<br />

Ich möchte nun schlaglichtartig einige Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchungen darstellen, die<br />

für Ihre Planung wichtig sein könnten:<br />

Ergebnisse aus den Naturwaldreservaten Neuhof und Schotten<br />

Fauneninventar<br />

• Mit 2328 in Schotten gefundenen Tierarten und 1873 in Neuhof liegen beide Gebiete deutlich über<br />

den bisherigen Schätzungen für mitteleuropäische Buchenwälder. Berücksichtig man, daß nur Teile<br />

der Fauna bestimmt wurden, so kann man im Naturwaldreservat Schotten von etwa 4500 Arten, im<br />

Naturwaldreservat Neuhof von ca. 3500 Arten ausgehen. D. h. über 10 % der einheimischen<br />

terrestrischen Arten leben auf Flächen von 73,7 ha bzw. 54,8 ha (3/4 bzw. 1/2 km²). ELLENBERG<br />

und Mitarbeiter (1986) determinierten während der langjährigen Ökosystemforschung im Rahmen<br />

des Sollingprojekts (1966-1986) „rund 500 Tierarten und Tiergruppen“ und rechneten hoch, daß<br />

insgesamt etwa 1500-1800 Arten vorhanden wären. FREI-SULZER rechnete (1941) in allen<br />

mitteleuropäischen Buchenwaldgesellschaften zusammen mit 7500 Tierarten. Fazit: In<br />

mitteleuropäischen Buchenwäldern leben erheblich mehr Arten, als bislang vermutet<br />

wurden.<br />

• Von einzelnen Tiergruppen, z. B. den Fransenflüglern (= Thripse = Thysanoptera) und den<br />

Landschnecken wurden allein im Naturwaldreservat Schotten etwa 23 % der einheimischen Arten


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 9<br />

nachgewiesen. Fazit: Auch relativ kleine Flächen können enorme Artendichten erreichen<br />

und damit sogar als Lebensraum für einen großen Teils der einheimischen Fauna dieser<br />

Tiergruppe dienen.<br />

Bemerkenswerte Arten<br />

• Neu für Deutschland konnte in Schotten der Fransenflügler Hoplopthrips carpathicus<br />

nachgewiesen werden, in Neuhof zwei Stechimmen: die Zikadenwespe (<strong>Dr</strong>yinidae) Anteon exiguum<br />

und die Plattwespe (Bethylidae) Bethylus dendrophilus. Von der Fransenflügler-Art waren bislang<br />

nur flügellose Weibchen beschrieben. Unsere Fänge machten die ersten Männchen, Larven und<br />

geflügelten Weibchen für die Wissenschaft bekannt.<br />

• Neu für Hessen konnten aus Schotten weitere 40 Arten gemeldet werden (20 Käfer-, 14 Spinnen-<br />

, 3 Wanzen-, 2 Rindenlausarten und eine Hautflüglerart), aus Neuhof 33 (13 Käfer-, 9 Spinnen-, 6<br />

Hautflügler-, 2 Staublausarten und jeweils eine Schnecken-, Wanzen- und Schmetterlingsart). Die<br />

Zahl für Neuhof ist auch deshalb niedriger als für Schotten, weil einige der neu für Hessen<br />

gemeldeten Arten zeitgleich in beiden Naturwaldreservaten gefangen wurden, in diesem Falle aber<br />

nur für Schotten gezählt worden sind, da dieser Gebietsbericht zuerst erstellt wurde.<br />

• 25 verschollene Käferarten (d. h. Arten, die in den letzten 50 Jahren nicht mehr gefunden wurden)<br />

konnten in Schotten und 11 in Neuhof für Hessen wiederentdeckt werden. Für andere Tiergruppe ist<br />

die Bearbeitungsintensität zu gering, um solche Aussagen treffen zu können.<br />

• Der regionalfaunistische Wert der Untersuchung wird durch zahlreiche Arten belegt, die neu für<br />

den Vogelsberg nachgewiesen wurden (allein in Schotten 137). Die hohe Anzahl wurde erreicht,<br />

obwohl das Untersuchungsgebiet in einem der am besten erforschten hessischen Mittelgebirge liegt,<br />

wo im Gegensatz zu anderen Regionen auch bis in die jüngste Zeit insbesondere durch die Universität<br />

Gießen und ihre zoologische Außenstation Künanzhaus umfangreiche und vielfältige faunistische<br />

Forschungen betrieben wurden und obwohl die von uns erfaßten Gruppen nur teilweise in dieser<br />

Hinsicht ausgewertet wurden.<br />

• Im Naturwaldreservat Schotten wurden 171 Arten der „Roten Listen gefährdeter Tiere<br />

Deutschlands“ (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 1998) nachgewiesen, im Naturwaldreservat<br />

Neuhof 131 Arten.<br />

• 163 Tierarten, die in Schotten bzw. 169, die in Neuhof nachgewiesen wurden, sind nach der<br />

Bundesartenschutzverordnung gesetzlich geschützt.


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 10<br />

Fazit:<br />

1. Auch in relativ kleinen Flächen von Wirtschaftwäldern können beachtliche Anzahlen<br />

vorkommen.<br />

2. Der Fund zahlreicher regional, landes- oder bundesweit zeigt, daß die<br />

einheimischen Wälder bislang nicht ausreichend untersucht wurden.<br />

Artenzahlen pro Tiergruppe in den Naturwaldreservaten<br />

• Unter den standardmäßig untersuchten Tiergruppen wurden bei Spinnen (NH: 201, SC: 186<br />

Arten) und Stechimmen (NH: 166, SC: 127 Arten) mehr Arten im Naturwaldreservat Neuhof<br />

gefunden als in Schotten, bei den Regenwürmer (NH: 9, SC: 13 Arten), Wanzen (NH: 110, SC: 124<br />

Arten), Käfern (NH: 749, SC: 938 Arten), Großschmetterlingen (NH: 278, SC: 285 Arten), Vögeln<br />

(NH: 45, SC: 47) und Kleinsäugern (NH: 5, SC: 11) waren im Naturwaldreservat Schotten mehr<br />

Arten vorhanden. Fazit: Tiergruppen können in Buchenwäldern gegenläufigen Trends<br />

unterliegen. Beschränkt man sich bei Untersuchungen auf nur wenige Tiergruppen oder gar<br />

einzelne sog. "Zeiger"-Arten, so kann dies deshalb zu völlig einseitigen Schlußfolgerungen<br />

führen.<br />

Vergleich der Teilflächen (d. h. von Kern- und Vergleichsfläche)<br />

• Im Naturwaldreservat Schotten wurden 1998 Arten in der Kernfläche und 1777 in der<br />

Vergleichsfläche gefunden. Die Übereinstimmung zwischen den beiden Teilflächen hinsichtlich des<br />

Artenbestandes war relativ hoch. Für die Artenzahlen der vollständig bearbeiteten Gruppen ergaben<br />

sich keine signifikanten Unterschiede. Im Naturwaldreservat Neuhof wurden 1244 Arten in der<br />

Kernfläche und 1476 in der Vergleichsfläche nachgewiesen. Im Gegensatz zu Schotten stimmen die<br />

Artenzahlen für die Ordnungen in den Teilflächen des Neuhofer Gebietes weniger gut überein. So<br />

liegen z. B. für die Wanzen und Stechimmen die Ähnlichkeitswerte relativ niedrig. Die jeweils nur in<br />

einer Teilfläche vorkommenden Arten übersteigen in ihrer Zahl deutlich die gemeinsam<br />

vorkommenden. Diese Unterschiede zwischen den Teilflächen dürften vorrangig auf die<br />

Ungleichverteilung von Offenflächen im Gebiet zurückzuführen sein. Fazit: Die aus forstlicher<br />

Sicht einheitlichen Naturwaldreservate können aus zoologischer Sicht sehr heterogen sein.<br />

Insbesondere Randstrukturen und Offenflächen mit starker Wärmetönung sind für<br />

zahlreiche Tiergruppen geeignete Lebensräume.


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 11<br />

• Im Naturwaldreservat Schotten müssen seit langem günstige Totholzbedingungen geherrscht haben,<br />

denn es wurde eine Reihe von Käferarten gefunden, die in Hessen nur aus solchen alten Waldungen<br />

bekannt waren, die über lange Zeiträume gute Bestände an alten Bäumen und ausreichende<br />

Totholzqualitäten und -mengen besaßen.<br />

Der Anteil der an Totholz gebundenen Käferarten ist in Neuhof sogar höher als in Schotten. Aber<br />

nur wenige der dortigen Arten stellen besondere Ansprüche an Totholzmenge und -qualität oder<br />

Klima, wie die des Naturwaldreservats Schotten. Trotzdem liegen die lignicolen Arten (Entwicklung<br />

im Holzkörper) mit 73 deutlich über dem Durchschnitt dieser Gruppe (50) in nordrheinwestfälischen<br />

Naturwaldzellen (KÖHLER 1998). Die Mulmkäfer, die in stärker zersetztem Holz leben, können als<br />

besondere Indikatoren für naturnahe Waldzustände gelten. Sie erreichen mit 33 Arten fast die aus<br />

nordrheinwestfälischen Naturwaldzellen bekannte Durchschnittsmenge von 38 Arten. Fazit: Mit<br />

Hilfe der Fauna lassen sich sehr gute Aussagen über die Totholztradition und die<br />

Totholzqualitäten eines Gebietes treffen. (Hinweis: Die Naturwaldreservate haben sehr<br />

unterschiedliche Ausgangssituationen: vom Naturschutzgebiet mit ausgeprägter<br />

Totholztradition bis zum ausgeräumten Hallenwald oder Fichtenforst sind die<br />

unterschiedlichsten Flächen vorhanden.)<br />

• Viele Tierarten sind auf spezifische Habitatkomplexe (z. B. Saumstrukturen oder Waldwiesen mit<br />

reichem Blütenangebot und Totholz im Bestand) angewiesen. Zahlreiche Tiere, die als Larven im<br />

Totholz leben, benötigen als Adulte z. B. blütenreiche Offenstrukturen zur Nahrungsaufnahme und als<br />

Treffpunkt zur Fortpflanzung. Fazit: Die Fauna integriert Habitatstrukturen auf einer höheren<br />

Ebene. Ihre Untersuchung liefert somit eigenständige Ergebnisse, die nicht über<br />

bodenkundliche, botanische oder forstliche Analysen gewonnen werden können.<br />

• Bei den meisten Tiergruppen wurden starke jährliche Schwankungen in den Popluationsdichten<br />

beobachtet. Bei den Käfern nahmen die Individuenzahlen z. B. im Naturwaldreservat Schotten im<br />

zweiten Untersuchungsjahr durchschnittlich um mehr als 100 % zu. Fazit: Tierpopulationen in<br />

einheimischen Wäldern können enorme Jahresschwankungen aufweisen. Trends bei den<br />

Bestandsentwicklungen lassen sich nur mit Hilfe von langfristigen Untersuchungen<br />

erkennen.


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 12<br />

• Je nach Jahreszeit dominieren in den einzelnen Straten, also in Boden-, Kraut-, Strauch- und<br />

Baumschicht unterschiedliche Arten. Auch im Winter ist eine beachtliche Aktivität festzustellen. Trotz<br />

der gewaltigen Unterschiede der Aktivitätsdichten in beiden Untersuchungsjahren traten eine Reihe<br />

von Arten regelmäßig zum gleichen Zeitpunkt dominant auf. Diese kann man als stete Charakterarten<br />

für das Gebiet bezeichnen. Es kann vermutet werden, daß über längere Zeiträume die<br />

Gemeinschaften im wiederkehrenden Rhythmus von den gleichen Arten geprägt werden. Einige<br />

Arten traten jedoch nur in einem Untersuchungsjahr dominant auf, wobei es zu regelrechten<br />

Bevölkerungsexplosionen oder Invasionen kam. Fazit: Untersuchungen in Naturwaldreservaten<br />

sollten das ganze Jahr über stattfinden. Langfristige Studien sind notwendig, um<br />

Charakterarten für bestimmte Waldgesellschaften und darin abgrenzbare Untereinheiten<br />

festzustellen.<br />

• Für viele Tierarten konnten neue Daten zur Ökologie und Phänologie gewonnen werden, auf die<br />

ich aber an dieser Stelle aus Zeitgründen nicht näher eingehen kann. Fazit: Für viele Tierarten<br />

konnten neue Daten zur Ökologie und Phänologie gewonnen werden.<br />

• Ebenfalls wichtig: in Schotten wurden in 2 Jahren rund 855.000 Tiere gefangen.<br />

Grenzen der faunistischen Untersuchungen<br />

• Aus finanziellen Gründen sind längere Untersuchungen im selben Gebiet nicht durchführbar, so daß<br />

Aussagen über Jahresschwankungen mit den zweijährigen Fängen nur ansatzweise getroffen werden<br />

können.<br />

• Um Aussagen über die Abundanzen (Arten-Häufigkeiten) machen zu können, wären Fänge in<br />

erheblich größerem Umfang notwendig, die dann aber auch nicht zu vernachlässigende Eingriffe in die<br />

Gebietsfauna nach sich zögen.<br />

• Aussagen über den Kronenraum lassen sich nur indirekt mit Flug-, Lockfallen und<br />

Stammeklektoren gewinnen. Eine direkte Untersuchung der Kronenfauna mit Hebebühnen,<br />

Untersuchungstürmen, Kräne, Zeppeline etc. wäre wünschenswert aber sehr kostenaufwendig.<br />

• Die Tierwelt der Nebenbaumarten wird nur indirekt mit den Fallentypen nachgewiesen.<br />

Stammeklektoren auch an diesen Bäumen würden zu weiteren beträchtlichen Kostensteigerungen<br />

führen.


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 13<br />

• Die Bearbeitung weiterer großer und wichtiger Tiergruppen (Zweiflügler, parasitische Hautflügler,<br />

Milben) muß aus Kostengründen entfallen.<br />

• Die Flächengröße der Naturwaldreservate führt dazu, daß diese Gebiete für eine Anzahl von<br />

Wirbeltierarten (Greifvögel, Großsäuger) nur einen Teil ihres benötigten Lebensraumes bieten<br />

können. Derartige Effekte können aber auch aufgrund der Gebietsausstattung bei Arten auftreten, die<br />

nur kleine Areale beanspruchen. Bei diesen kann z. B. das Nisthabitat im Naturwaldreservat liegen,<br />

das blütenreiche Nährhabitat aber außerhalb.<br />

• Naturwaldreservate sind Forschungsflächen. Zum Schutz von Arten sind größere Flächen<br />

empfehlenswert (Kritik der Naturschutzverbände), um auch solche Arten in ausreichenden<br />

Populationsgrößen langfristig schützen zu können, die große Areale beanspruchen und um die<br />

Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, daß essentielle Strukturen stets in ausreichender Menge und Qualität<br />

gleichzeitig vorkommen. Wenn allerdings solche Flächen für bestimmte Waldgesellschaften nicht<br />

mehr zur Verfügung stehen, sollte auf kleinere Gebiete zurückgegriffen werden. Sie stellen für deutlich<br />

mehr Arten (insbesondere wirbellose Tiere) Refugien dar, als bislang angenommen wurde.<br />

• Abschließend möchte ich betonen, daß sich die Naturwaldforschung derzeit noch in den Anfängen<br />

befindet. In vielen Bereichen sind gesicherte Aussagen erst sehr viel später möglich, da die<br />

Sukzessionsphasen in Wäldern lange Zeiträume in Anspruch nehmen und das Vorliegen von<br />

vergleichbaren Ergebnissen aus einer Reihe von Naturwaldreservaten abgewartet werden muß.<br />

Das regionale Umweltmonitoring<br />

Um nun Schlußfolgerungen aus unseren Untersuchungen für Ihr geplantes Monitoring zu<br />

ziehen, ist m. E. zuvor die Formulierung konkreter Hypothesen notwendig zu den Fragen:<br />

Welche Veränderungen der Fauna durch den Flughafen sind denkbar? Nur daraus läßt sich<br />

ableiten, welche Forschung dazu nötig ist.<br />

Denkbare Veränderungen der Fauna durch den Flughafen:<br />

• Beinflussung durch Lärm:<br />

Reviergesang von Vögeln (aber: Ansiedlung unmittelbar an Startbahn West)<br />

• Beeinflussung durch Schadstoffe:


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 14<br />

Welche Schadstoffe werden von Flugzeugen und Anlagen emittiert, wo reichern sie sich an<br />

und wie können sie nachgewiesen werden? (Federn, Haare, Eierschalen, Nahrungsketten) Wie<br />

wirken sie im Stoffkreislauf der Organismen? (Laborversuche)<br />

• Beeinflussung durch Bekämpfungsmaßnahmen wg. Flugsicherung:<br />

mir weitgehend unbekannt; Abschuß von Krähen<br />

• Beeinflussung durch Dauerbeleuchtung:<br />

Untersuchungen zu Straßenbeleuchtung liegen vor. Es kann von starker und weitreichender<br />

Attraktion ausgegangen werden, die für viele Tiere (Fluginsekten, Fledermäuse) tödlich wirken<br />

dürfte. Änderungen im Brutverhalten von Vögeln kann vermutet werden.<br />

• Zerschneiden von Tier-Wanderwegen:<br />

gehört eigentlich zu Verträglichkeitsstudien<br />

• Opfer durch Kollision mit Flugzeugen oder stationären Anlagen:<br />

mir unbekannt; vergleiche Opfer an Leitungsmasten<br />

• Veränderung der Faunenzusammensetzung durch die Schaffung neuer Randstrukturen:<br />

Verschiebung des Artenspektrums von Waldarten hin zu Offenland und Offenland+Wald<br />

nutzenden Arten<br />

• Reduktion von Populationen durch die Inanspruchnahme eines großen Teils ihres Lebensraums<br />

(Nähr-, Nist-, Fortpflanzungs-, Ruhe- oder Überwinterungshabitat) durch die Baumaßnahmen, so<br />

daß eine kritische Populationsgröße unterschritten wird:<br />

gehört eigentlich zu Verträglichkeitsstudien<br />

• Anlockung von Arten durch Schlüsselreize (z. B. geeignetes und sonst rares Nisthabitat wie etwa<br />

die Offenflächen entlang einer Startbahn) aber Vernichtung durch andere Faktoren (Überfahren,<br />

Bekämpfen, ständiges Stören führt zu häufiger Flucht und Kräfteverschleiß, was sich in gemindertem<br />

Fortpflanzungserfolg niederschlägt. Es werden sogar evtl. Tiere aus vordergründig weniger<br />

geeigneten Lebensräumen abgezogen und dann aber vernichtet oder dezimiert).<br />

Untersuchung des Bruterfolgs von Vögeln<br />

• unvorhergesehene Entwicklungen<br />

Überwachung des angrenzenden Gebietes, um diese frühzeitig zu erfassen. Hierfür halte ich<br />

den Einsatz der Naturwaldkonzeption für sinnvoll, da dann mit Langzeitstudien in 30 Flächen verteilt<br />

über ganz Hessen und den Wäldern des Biosphärenreservats Rhön (gleiche Methodik!) verglichen<br />

werden kann.


Redemanuskript <strong>Dorow</strong> Regionales Dialogforum 13.6.2002.DOC 15<br />

Eine Projekt-Ansiedlung am Senckenberginstitut wäre eine sinnvolle Möglichkeit, da Geräte,<br />

Personen und Kenntnisse aus der FRAPORT-Studie und der Naturwaldforschung vorhanden sind.<br />

Mit diesen Untersuchungen werden Sie feststellen können, wenn deutliche Veränderungen im Artenund/oder<br />

Individuenbestand auftreten. Über Vergleiche mit unbelasteten aber ansonsten möglichst<br />

vergleichbaren Gebieten lassen sich Hinweise herausfiltern, welche Ursachen in Frage kommen<br />

könnten. Beweise jedoch nicht (das Ausschließen anderer Ursachen ist, wie ja auch z. B. beim<br />

Waldsterben sehr schwierig). --- Änderungen von Populationsgrößen sind das häufigere Phänomen<br />

verglichen mit dem Aussterben bzw. Neuansiedeln von Arten. Grobe Anhaltspunkte für quantitative<br />

Änderungen in der Biozönose liefert die Methodik der Naturwaldforschung ebenfalls. Exakte<br />

quantitative Untersuchungen wären um ein Vielfaches teurer.<br />

für mehrere der anderen skizzierten Fragen wären Forschungsaufträge an Labore (z. B. Batelle-<br />

Nachfolger) oder Universitäten sinnvoll.

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