24.11.2013 Aufrufe

Essay - Theater in der Josefstadt

Essay - Theater in der Josefstadt

Essay - Theater in der Josefstadt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KLEINER MANN AM RANDE DER ZEIT<br />

a)<br />

Das aufgeregte Berl<strong>in</strong> 1931. Ich sehe, wie die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>terhöfen den<br />

Auszählreim <strong>der</strong> Stunden runterleiern:<br />

Warte, warte bloß e<strong>in</strong> Weilchen<br />

Dann kommt <strong>der</strong> Schwarze Mann zu dir<br />

Mit dem großen Hackebeilchen<br />

Macht er Schabefleisch aus dir<br />

In <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> großen Depression, Massenarbeitslosigkeit. Elend allerorten,<br />

Raufszenen auf den Straßen. Täglich fallen den politischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen Menschen<br />

zum Opfer; und <strong>in</strong> all dem Ganzen pfeift e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>e Peer-Gynt-Suite von Grieg. Er pfeifts mit<br />

den Obertönen <strong>der</strong> Angst und <strong>der</strong> Hysterie. Er pfeift, was viele an Verzweiflung empf<strong>in</strong>den, er<br />

pfeift die <strong>in</strong>dividuellste und zugleich allgeme<strong>in</strong>e Stimmung jener Zeit. Er pfeifts als<br />

Außenseiter, als unpolitischer <strong>in</strong> sich Verknoteter, als Kranker. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Durchgeknallter,<br />

pfeift er e<strong>in</strong>er durchgeknallten Zeit ihre Suite.<br />

E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Mann geht durch Berl<strong>in</strong>. Inmitten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> pflückt er sich e<strong>in</strong>s nach dem<br />

an<strong>der</strong>n. Wir sehen den kle<strong>in</strong>en Tod als Luftballon im Hochspannungsdraht hängen. Bis heute<br />

höre ich die Mutterstimme: Elsie. Elsie. Doch Elsie konnte niemand mehr befragen. Mit Hut,<br />

grauem Mantel, herausgewälzten Augen, samtener Stimme, die aber auch bereits wenn er e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d anspricht, nach oben ausschert, sodass <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e Mann, Beckert, das K<strong>in</strong>d und sich<br />

selbst beschwichtigt.<br />

E<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>mör<strong>der</strong> rennt durch die Straßen von Berl<strong>in</strong>. Bald wird er punziert se<strong>in</strong>.<br />

b)<br />

Der Schauspieler Peter Lorre nimmt es auf sich, den ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong>mör<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Tonfilmgeschichte darzustellen. Se<strong>in</strong> Regisseur Fritz Lang, nach Metropolis und Nibelungen<br />

entwirft mit dem Film M – E<strong>in</strong>e Stadt sucht e<strong>in</strong>en Mör<strong>der</strong> das Zeitbild von Berl<strong>in</strong> am Ende <strong>der</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!