Exkursionsbericht - HafenCity Universität Hamburg
Exkursionsbericht - HafenCity Universität Hamburg
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chicago<br />
zwischen high rise & low density<br />
Exkursion im Vertiefungsstudium Stadtplanung TU <strong>Hamburg</strong>-Harburg 15. bis 22. Oktober 2005<br />
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Kriminalität und Immigration<br />
Planungssystem<br />
Strategien und Konzepte
Teilnehmerliste<br />
Catharina Becker<br />
Sara-Louise Bergkvist<br />
Marc Detert<br />
Sascha Hanekopf<br />
Matthias Hoffmann<br />
Christine Holewa<br />
Inga Kämpf<br />
Lisa Nieße<br />
Stephan Rothenburg<br />
Lena Schlag<br />
Stephanie Schoubye<br />
Julia Spiering<br />
Marc Springer<br />
Sebastian Wilk<br />
Mike Wilkens<br />
Grischa Wunderlich<br />
Prof. Dr. Ingrid Breckner
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort Sebastian Wilk 7<br />
Stadtgestalt und Stadtgeschichte<br />
Historical Transsects through Chicago Sascha Hahnekopf 9<br />
Edles Wohnen bei alten Meistern – Wright und Mies van der Rohe Inga Kämpf 10<br />
Edge Cities Marc Detert & Lena Schlag 14<br />
Urbs in Horto – Die Stadt im Garten Sara-Louise Bergkvist & Marc Springer 31<br />
Kriminalität und Immigration<br />
Entwicklungen und Trends der Chicagoer Kriminalitätsstatistiken Stephan Rothenburg 37<br />
Zusammenfassung Gewalt und Unsicherheit Prof. Skogan Matthias Hoffmann 41<br />
The Devon Avenue - Colours of Asia Julia Spiering 43<br />
Planungssystem<br />
Planungssystem - BRD und USA im Vergleich Matthias Hoffmann 44<br />
Stadtplanung & Planerausbildung in den USA Matthias Hoffmann 52<br />
Strategien und Konzepte<br />
HOPE VI<br />
U.S. Department of Housing and Urban Development und HOPE VI Christine Holewa 56<br />
Cabrini Green Stefanie Schoubye 56<br />
New Urbanism zur Armutsbekämpfung? Lisa Nieße 60<br />
Business Improvement District „Lincoln Square“ Mike Wilkens 66<br />
LEED Council Grischa Wunderlich 70<br />
Zeitplan 73
Im Uhrzeigersinn: Region Chicago,<br />
Der Staat Illinois, Greater Chicago<br />
6
Vorwort<br />
Der vorliegende Bericht dokumentiert die wesentlichen Inhalte<br />
der einwöchigen Studienreise nach Chicago vom 15.<br />
bis 23. Oktober 2005. Unter dem Titel „Geschichte und<br />
Gegenwart der Stadtentwicklung in Chicago – Zwischen<br />
High Rise und Low Density“ war diese Exkursion im Rahmen<br />
der Lehrveranstaltungen des Studiengangs Stadtplanung<br />
an der Technischen <strong>Universität</strong> <strong>Hamburg</strong>-Harburg<br />
in den Kontext des Vertiefungsstudiums für das 7. bis<br />
10. Semester eingebettet. Die 16 Studierende zählende<br />
Gruppe wurde sowohl bei der seminaristischen Vorbereitung<br />
als auch bei der eigentlichen Durchführung der<br />
Studienreise durch Frau Prof. Dr. Ingrid Breckner inhaltlich<br />
betreut. Die Organisation der Exkursion oblag den Studierenden<br />
selbst.<br />
Die im U.S.-Bundesstaat Illinois gelegene Stadt Chicago<br />
ist eine Partnerstadt <strong>Hamburg</strong>s und hat eine Einwohnerzahl<br />
von derzeit knapp 2,9 Mio. Damit ist sie nach New<br />
York und Los Angeles die drittgrößte Stadt der Vereinigten<br />
Staaten. Die Metropolregion Chicago, die sich<br />
entlang der südwestlichen Küstenlinie des Lake Michigan<br />
erstreckt, zählt ca. 9,2 Mio. Einwohner. (http://www.<br />
encyclopedia.chicagohistory.org/pages/962.html, letzter<br />
Zugriff 19.12.2005) (Bild: Karte Metropolregion Chicago)<br />
Chicago ist nicht nur das wichtigste Wirtschaftszentrum<br />
im U.S.-Binnenland, sondern gilt darüber hinaus als der<br />
Verkehrsknotenpunkt Nordamerikas schlechthin. Die Stadt<br />
besitzt mit dem O’Hare Airport den größten Flughafen der<br />
Welt. Ferner verfügt sie über einen großen Binnenhafen<br />
und ist außerdem Zentrum des Eisenbahn- und Straßenverkehrs.<br />
Chicago ist die weltweit wichtigste Messe- und<br />
Kongressstadt. Inmitten der größten Kornkammer der<br />
Welt gelegen, steht hier darüber hinaus die international<br />
bedeutendste Getreidebörse. Die Stadt Chicago gilt nicht<br />
nur als Spiegelbild der multiethnischen und multikulturellen<br />
Zusammensetzung der U.S.-amerikanischen Bevölkerung,<br />
sondern ist auch für ihre Architektur bekannt. (http://fhh.<br />
hamburg.de/stadt/Aktuell/senat/welt/partnerstaedte/chicago/start.html,<br />
letzter Zugriff 19.12.2005)<br />
Diese architektonisch wie stadtplanerisch hochinteressante<br />
Metropole vor einem fachlichen Hintergrund zu<br />
erkunden, war Hauptmotivation der Exkursionsgruppe.<br />
Die zahlreichen Expertengespräche vor Ort entwickelten<br />
sich zu spannenden Diskussionen. Auch diverse Führungen<br />
sollten dazu beitragen, sich selbst zu fragen, ob der<br />
Beiname Chicagos – The Nation’s Second City – tatsächlich<br />
gerechtfertigt ist. Das galt insbesondere für diejenigen<br />
Exkursionsteilnehmer, denen ein direkter Vergleich zu New<br />
York möglich war. Denn der größte Teil der Gruppe hatte<br />
zuvor einen Stopover von ebenfalls einer Woche just in<br />
New York eingelegt.<br />
Dieser Bericht stellt die einzelnen Etappen der Exkursion<br />
nicht in chronologischer Reihenfolge vor, sondern<br />
gliedert sich nach den Themengebieten „Stadtgestalt und<br />
Geschichte“, „Kriminalität und Immigration“, „Planungssystem“<br />
sowie „Strategien und Konzepte“. Zuletzt wird ein<br />
abschließendes Fazit gezogen. Der Bericht gibt Einblick in<br />
die während Expertengesprächen und Führungen vermittelten<br />
Inhalte. Ferner versucht er, die auf der Exkursion<br />
gesammelten Eindrücke zu veranschaulichen.<br />
Sebastian Wilk<br />
7
Stadtgestalt und Geschichte<br />
8
Historical transects through Chicago Sascha Hanekopf<br />
Am 15. Oktober 2005 war die Exkursionsgruppe zu Gast bei Professor Michael Conzen. Herr Prof.<br />
Conzen bereitete einen Vortrag über die geostrategischen Ursprünge und die frühe Stadtentwicklung<br />
der Stadt vor, dessen Ergebnisse nachfolgend detailliert beschrieben werden. Im Anschluss regte Herr<br />
Prof. Conzen eine Diskussion der präsentierten Fakten aus europäischer Planungssicht an.<br />
Vorurbane Ära:<br />
Die ausgezeichnete geostrategische Lage im Wasserstraßennetz<br />
Nordamerikas war entscheidend für die frühen<br />
Handels- und Siedlungsaktivitäten auf dem Stadtgebiet<br />
des heutigen Chicagos. Das Gebiet liegt auf dem Plateau<br />
des mittleren Westens, das die Fließrichtungen der<br />
Wasserwege maßgeblich beeinfl usst. Südlich des Plateauscheitelpunkts<br />
ist die Fließrichtung zum Golf vom<br />
Mexiko ausgerichtet. Nördlich führen die Wasserwege<br />
über die Großen Seen und den Sankt Lorenz Strom in den<br />
Nordatlantik. Der Siedlungsgrund Chicagos liegt zwischen<br />
der kürzesten Landentfernung des südlichen und nördlichen<br />
Wasserstraßennetzes. Bereits die indigenen nordamerikanischen<br />
Kulturen erkannten diesen Knotenpunkt<br />
und siedelten am südwestlichen Ufer des Michigansees.<br />
Der Name der Stadt leitet sich aus dem indianischen Wort<br />
Checagou ab, mit dem die Potawatomi das Marschland<br />
der Region beschrieben. Das Wort bedeutet sowohl<br />
wilde Zwiebeln als auch Stinktier. Frei übersetzt bedeutete<br />
Checagou also soviel wie „Land, das nach Zwiebeln<br />
stinkt“.<br />
In den 1770er Jahren errichtete der Frankokanadier<br />
Jean Baptiste Point du Sable einen Handelsposten am<br />
Tauschplatz der ortsansässigen Indianerstämme. Im Laufe<br />
der folgenden 50 Jahre entwickelte sich kein weiterer<br />
Wachstumsimpuls. 1803 Wurde der Militärstützpunkt Fort<br />
Dearborn errichtet.<br />
Gründung der Stadt:<br />
Mit dem Beitritt Illinois 1818 zu den USA sollte der Bundesstaat<br />
verkehrstechnisch besser erschlossen werden.<br />
Infolge des Baus der Ost-West Eisenbahnstrecke erlangte<br />
Chicago überregionale Bedeutung im Verkehrsnetz der<br />
USA als „Tor zum Westen“ und baute seine Position<br />
als Handelsplatz für Rohstoffe und landwirtschaftliche<br />
Produkte aus. Holz kam mit Schiffen aus dem Norden<br />
und wurde vor Ort weiterverkauft oder mit der Bahn<br />
weitertransportiert. Die Lebensmittel wurden in der Region<br />
produziert und auf den Märkten verkauft bzw. über die<br />
Stadt exportiert. Im Jahr 1833 wurde Chicago offi ziell<br />
gegründet und erlangte bereits 1837 mit seinen 4.200<br />
Einwohnern Status Stadt.<br />
Urbane Wachstumsphase:<br />
Aufgrund der Wachstumsdynamik der Stadt und prosperierenden<br />
Wirtschaft kamen immer mehr Menschen,<br />
insbesondere Auswanderer in die Stadt. Im Zuge dieser<br />
Entwicklung stiegen die Grundstückspreise rasant an.<br />
Mit der Fertigstellung des „Illinois & Michigan Canals“<br />
zwischen dem Chicago River und dem in den Mississippi<br />
mündenden Illinois 1848 wurden die beiden Wassernetze<br />
erschlossen. Zudem wurde 1848 die erste Eisenbahnstrecke<br />
eröffnet, die Chicago anfuhr - die „Galena & Chicago<br />
Union Railroad“. Seit der Fertigstellung des „Chicago<br />
Sanitary Canals“ im Jahr 1900 mündet der Chicago River<br />
nicht mehr in den Michigansee, sondern über den Illinois in<br />
den Mississippi.<br />
1850 hatte die Stadt bereits 30.000 Einwohner. Während<br />
des amerikanischen Bürgerkriegs war die Stadt bedeutender<br />
Produzent für Kriegsgerät und Truppenversorgung.<br />
Zwischen dem 8. und dem 10. Oktober 1871 zerstörte<br />
der „Große Brand“ weite Teile Chicagos. Die freien Flächen<br />
avancierten schnell zu Experimentierfeldern urbaner Innovationen.<br />
Architekten wie Louis Sullivan und Frank Lloyd<br />
Wright bestimmten in der Folgezeit das Stadtbild. Die<br />
Bevölkerungszahl betrug 1880 500.000 Einwohner.<br />
Frühe Hochhausarchitektur:<br />
Das Bevölkerungswachstum hielt unvermindert an, so<br />
dass es zwischen 1880 und 1890 zu einer Verdoppelung<br />
der Einwohnerzahl auf über eine Million kam. Infolge<br />
des Siedlungs- bzw. Nutzungsdrucks auf die Flächen<br />
der Innenstadt, erlebten die Grundstückspreise in dieser<br />
Phase einen extremen Preisanstieg. Kostete 1 qm im<br />
Jahr 1880 noch 130 US-Dollar, versiebenfachte er sich<br />
bis zum Jahr 1890 fast bis auf 900 US-Dollar pro qm. Um<br />
rentabel zu wirtschaften, begannen Grundstückseigner,<br />
ihre Grundfl äche maximal zu nutzen und bauten daher in<br />
die Höhe. Diese Entwicklung war allerdings nur aufgrund<br />
neuer Erfi ndungen möglich. Zu nennen sind insbesondere<br />
der Stahlskelettbau, der elektrische Aufzug, feuerfestere<br />
Baustoffe.<br />
Das 1885 fertig gestellte Home Insurance Building war<br />
das erste Bauwerk, das die neuen technischen Errungenschaften<br />
vereinte, und gilt daher mit seinen zehn Etagen<br />
als das erste Hochhaus der Welt. Das Auditorium Building<br />
von 1889 wies zudem - neben seinen optimalen akustischen<br />
Eigenschaften - als Neuheit eine Klimaanlage auf.<br />
Zwischen 1890 und 1894 wurde das Reliance Building<br />
erbaut. Dieses Gebäude gilt aufgrund Fassadenkonstruktion<br />
als Vorläufer der gläsernen Vorhangwandkonstruktion<br />
und ist ein Aushängeschild des in Chicago geprägten<br />
Baustils für Hochhäuser, der allgemein als Chicagoer<br />
Schule bezeichnet wird.<br />
9
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Edles Wohnen bei alten Meistern – Ein Besuch bei Frank Lloyd Wright<br />
und Ludwig Mies van der Rohe Inga Kämpf<br />
Chicago hat in der Entwicklung der modernen Architektur<br />
eine bedeutende Rolle gespielt. Zwei der Architekten die<br />
in Chicago gelebt und gearbeitet haben sind Frank Lloyd<br />
Wright und Ludwig Mies van der Rohe. Im folgenden wird<br />
ein kurzer Überblick über ihr Leben und Werk gegeben.<br />
Besonders werden dabei Arbeiten in Chicago und Umgebung<br />
hervorgehoben.<br />
Abb. 1: Frank Lloyd Wright und Ludwig Mies van der Rohe<br />
Frank Lloyd Wright<br />
Frank Lloyd Wright wird am achten Juni 1876 in Richland<br />
Center, Wisconsin geboren. Sein Vater William Carey<br />
Wright arbeitet als Prediger und Musiker und seine Mutter<br />
Anna Lloyd Jones als Lehrerin. Während Wrights Kindheit<br />
zieht die Familie oft um und lässt sich schließlich<br />
in Wisconsin nieder. (www.wrightplus.org, Zugriff am<br />
01.11.2005)<br />
Als junger Mann hat Wright eine Anstellung beim Direktor<br />
der Ingenieursschule in Madison. Dort lernt er unter<br />
anderem technisches Zeichnen und Konstruktionsgrundlagen.<br />
Nebenbei studiert er Ingenieurswissenschaften an<br />
der University of Wisconsin (Tafel 1981: 37). Ein Architekturstudium<br />
war zu teuer und deshalb für ihn nicht fi nanzierbar<br />
(Treiber 1988: 8). 1887 bricht er sein Studium jedoch<br />
ab, um in Chicago im Büro des Architekten Joseph Lyman<br />
Silsbee zu arbeiten.<br />
Nach einem Jahr in Chicago nimmt Wright eine Anstellung<br />
im Büro Adler und Sullivan an (www.wrightplus.org, Zugriff<br />
am 01.11.2005). Dieses Büro ist zu diesem Zeitpunkt<br />
eines der berühmtesten Büros der architektonischen<br />
Avantgarde. Adler und Sullivan lehnen es ab Einfamilienhäuser<br />
zu bauen, sie sind auf Bürogebäude spezialisiert<br />
und an der Entwicklung der Hochhäuser maßgeblich<br />
beteiligt. In einigen Fällen müssen sie jedoch Wohnhaus-<br />
Aufträge aus Höfl ichkeit annehmen. In diesen Fällen wird<br />
Wright außerhalb seiner Bürozeiten mit der Ausführung<br />
beauftragt. Auch sein eigenes Wohnhaus in Oak Park<br />
entsteht in den ersten Jahren bei Adler und Sullivan.<br />
(Treiber 1988: 10ff)<br />
Über die Einfamilienhaus-Aufträge knüpft Wright Kontakte<br />
zu Klienten. Er bekommt immer mehr Aufträge und führt<br />
diese aus, ohne Adler und Sullivan darüber zu informieren<br />
(Tafel 1981: 47). Sein Arbeitsvertrag läuft 1893 aus. Etwa<br />
gleichzeitig entdeckt Sullivan, dass Wright neben seiner<br />
Arbeit für ihn weitere Aufträge ausführt. Das Arbeitsverhältnis<br />
wird beendet und Wright macht sich in einem angemieteten<br />
Büro in Chicago selbstständig. (Treiber 1988: 15)<br />
1909 verlässt Wright Chicago und Oak Park um nach<br />
Europa zu gehen. 1911 kehrt er nach Amerika, aber nicht<br />
nach Chicago zurück. In seinem Wohnhaus in Talesien,<br />
Wisconsin eröffnet Wright ein „Fellowship“, junge Architekten<br />
leben und arbeiten bei ihm als seine Lehrlinge. (Tafel<br />
1981: 64 f)<br />
Zu den bekanntesten Werken Wrights zählen sein Haus<br />
Talesien (1925), das Haus Fallingwater (1933) und das<br />
Guggenheim-Museum in New York (1956).<br />
Oak Park<br />
Oak Park ist eine Kleinstadt westlich von Chicago. Die<br />
Stadt war schon zu Wrights Lebzeiten mit der Bahn an<br />
Chicago angebunden. Es handelt sich um einen Vorort mit<br />
gehobenen Lebensstandards. Den Gerüchten zu Folge<br />
müssen neu hinzuziehende Haushalte vorweisen, dass ihr<br />
Einkommen über dem Durchschnittseinkommen der Stadt<br />
liegt, um sich überhaupt hier niederlassen zu können.<br />
In Oak Park stehen die bekanntesten im von Wright mitentwickelten<br />
Prairie Stil gebauten Häuser. Dieser Stil war eine<br />
Antwort auf den damals vorherrschenden viktorianischen<br />
Stil. Es ist der einzige Baustil der nicht Elemente historischer<br />
Stile aufgreift und wird somit auch als der ur-amerikanische<br />
Baustil betrachtet. Er zeichnet sich durch leicht<br />
geneigte Dächer mit stark überstehenden Traufen und<br />
die Verwendung geometrischer Formen und horizontaler<br />
Linien aus. Die Grundrisse sind offen.<br />
Der Frank Lloyd Wright Preservation Trust bietet Führungen<br />
durch Frank Lloyd Wrights Wohnhaus und Studio,<br />
sowie durch das umliegende Quartier an. Diese Führungen<br />
werden von „Volunteers“ gemacht, die meisten von ihnen<br />
sind Frauen, die in Oak Park leben. Während der Exkursion<br />
nahm die Gruppe an einer dieser Führungen Teil.<br />
10
Edles Wohnen bei alten Meistern<br />
Frank Lloyd Wrights Wohnhaus und Studio<br />
Die Führung beginnt mit einer Besichtigung von Frank<br />
Lloyd Wrights Wohnhaus. Das Wohnhaus und Studio, in<br />
dem er von 1889-1909 lebt und arbeitet, wurde 1977-<br />
1987 renoviert und in den Zustand gebracht in dem es<br />
1909 gewesen sein soll, dem letzten Jahr in dem Wright<br />
in diesem Haus wohnte und arbeitete (www.wrightplus.<br />
org, Zugriff am 21.11.2005). Das Haus ist verwinkelt, immer<br />
wieder gab es Anbauten um den Ansprüchen einer<br />
immer größeren Familie zu genügen und um größere<br />
Atelierfl ächen zu erhalten.<br />
Das Spielzimmer für die Kinder Wrights wirkt wie ein<br />
privater Kindergarten. Es ist in einem kindergerechter<br />
Maßstab gehalten, bei dem Fenster und Möbel auf Kindergrößen<br />
ausgerichtet sind.<br />
Die Renovierungen lassen im Haus die Atmosphäre<br />
eines Museums aufkommen, die Wiederherstellung des<br />
damaligen Zustandes hat etwas Disney-haftes und wirkt<br />
aufgesetzt.<br />
Während die Führerin hervorhebt, in dem Haus sei gut mit<br />
dem Licht gearbeitet worden, wirken die Räume mit ihren<br />
kleinen Fenstern, an heutigen Maßstäben gemessen aber<br />
dunkel.<br />
An Wrights Gebäuden in Oak Park kann die Entwicklung<br />
des Prarie Stils nachvollzogen werden. Während sein<br />
eigenes Haus mit vielen kleinteiligen Fassadenelementen<br />
in Ansätzen an ein Gebäude irgendwo im Schwarzwald<br />
erinnert, zeigen die späteren Gebäude klarere Linien und<br />
Strukturen auf.<br />
Die Umgebung des Wohnhauses ist dementsprechend<br />
von einem Mix von Baustilen geprägt. Villenartige Wohnhäuser<br />
im viktorianischen Baustil und im Prairie Stil<br />
sind vorherrschend. Die Häuser wurden in der gleichen<br />
Zeitetappe gebaut, unterscheiden sich aber stark voneinander.<br />
Die Straßen sind ruhige Alleen. Es gibt kaum Zäune, die<br />
Grundstücksgrenzen sind aber trotzdem gut zu erkennen.<br />
Die meisten Häuser sind, während des Rundgangs<br />
im Oktober für Halloween geschmückt. Außer wenigen<br />
Touristen und der Gruppe Studierender sind während<br />
des Rundgangs kaum Menschen auf den Straßen. Eine<br />
Gruppe junger Menschen ist über das gesamte Gebiet<br />
verteilt, sie sitzen auf den Bürgersteigen und zeichnen die<br />
Gebäude Wrights. Gelegentlich fährt ein Auto vorbei. Auf<br />
einem liebevoll gestalteten Spielplatz spielen fröhliche,<br />
weiße Kinder.<br />
Becky, die den Rundgang leitet, erzählt vom Leben in der<br />
„Community“ von Oak Park. Ihr Haus sei mittlerweile etwa<br />
zehn Millionen Dollar wert. Es gäbe eine Einkaufsstraße in<br />
der Nähe des Bahnhofs. Die meisten Menschen würden in<br />
11
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Gebäude von Wright für Halloween geschmückt<br />
Chicago arbeiten und pendeln, viele von ihnen sogar mit<br />
der Bahn und nicht mit dem Auto.<br />
Am Ende des Rundgangs bietet sich die Besichtigung des<br />
Unity Tempels an. Diese Kirche ist das einzige öffentliche<br />
Gebäude, das Wright in Oak Park gebaut hat. Nachdem<br />
die Kirche der Unitarier-Universalisten-Gemeinde 1905<br />
abgebrannt war wurde er gebeten einen Neubau zu<br />
errichten.<br />
Die Gemeinde hatte nur begrenzte fi nanzielle Mittel für den<br />
Neubau und so entschied Wright sich für Beton als Material.<br />
Er bezeichnete Beton als billigen Baustoff der aber<br />
trotzdem würdevoll aussehen konnte wie traditionelles<br />
Mauerwerk. Von außen betrachtet wirkt der Unity Temple<br />
eher wie ein massiver Klotz. Er ist eine bautechnische<br />
Innovation, da er einer der ersten öffentlichen Bauten aus<br />
Beton ist. (Unity Temple Restoration Foundation 1996)<br />
Ludwig Mies van der Rohe<br />
Ein weiterer Architek, der in Chicago weltweite Maßstäbe<br />
setzte ist Ludwig Mies van der Rohe. Ludwig Mies wird<br />
am 27. März 1886 in Aachen geboren. Nachdem er<br />
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einige Jahre für<br />
Aachener Bauunternehmen und Architekten arbeitet,<br />
geht er nach Berlin und arbeitet zunächst als Zeichner bei<br />
Bruno Paul und später im Büro von Peter Behrens, wo er<br />
unter anderem auf Gropius und Le Corbusier trifft.<br />
1913 macht Mies sich in Berlin selbstständig. Neben<br />
seiner Arbeit als Architekt organisiert er Ausstellungen. Die<br />
wohl bekannteste ist die Werkbundsaustellung „Die Wohnung“<br />
in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Mies baut den<br />
deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona<br />
1929. Nach der Weltausstellung wird er Direktor des Bauhauses<br />
in Dessau. Er verlegt das Bauhaus nach Berlin, wo<br />
860-880 Lake Shore Drive<br />
er es bis zur Schließung im Jahr 1933 führt.<br />
1938 wird Mies zum Austritt aus der Preußischen Akademie<br />
der Künste gezwungen und emigriert in die USA. Dort<br />
wird er Direktor der School of Architecture am Armour<br />
Institute aus dem das Illinois Institute of Technology (IIT)<br />
hervorgeht. (Cohen1995: 137)<br />
Lake Shore Drive<br />
Zu Mies bekanntesten Werken zählen die Gebäude<br />
am 860-880 North Lake Shore Drive. Die 26-stöckigen<br />
Gebäude wurden von den Chicagoern als „Glaskästen“<br />
bezeichnet, da sie als sie 1951 fertiggestellt wurden eine<br />
Besonderheit waren. Sie gehören zu den ersten Gebäuden<br />
der Welt mit Glasfassade. Um eine Wohnung in<br />
diesen Gebäuden in innenstadtnaher Wohnlage, direkt am<br />
Ufer des Sees zu bekommen muss zum einen das nötige<br />
Kleingeld vorhanden sein und zum anderen sind Regeln<br />
einzuhalten, wie zum Beispiel der Verzicht auf Haustiere.<br />
IIT<br />
Ein weiteres Werk von Mies ist der Gesamtplan für das IIT,<br />
sowie einzelne Gebäude auf dem Campus.<br />
Der Besuch auf dem Campus ist beeindruckend. Da ste-<br />
12
Edles Wohnen bei alten Meistern<br />
Crown Hall, IIT<br />
hen nun alle Gebäude, die sonst nur auf Bildern zu sehen<br />
sind und über die in einigen Vorlesungen gesprochen<br />
wird. Der Campus ist sehr weitläufi g, die Wege bestehen<br />
aus aneinandergelegten Betonplatten und erinnern an ein<br />
altes Kasernengelände. Der Raum auf dem Campus ist<br />
fl ießend. Alles erscheint offen, was noch dadurch verstärkt<br />
wird, dass es möglich ist durch viele der fl achen Gebäude<br />
hindurchzusehen.<br />
Als Ergänzung zu den alten Gebäuden wurde ein Gebäude<br />
für die Studierenden des IIT errichtet. Der Architekt dieses<br />
Baus ist Rem Kolhaas. In diesem Gebäude befi nden sich<br />
eine Art Mensa, Arbeitsplätze und ein Buchladen in Kombination<br />
mit einem Souvenirgeschäft. Es ist beeindruckend<br />
wie viel Platz die Studierenden hier haben, ihnen steht<br />
eine große Anzahl von Arbeitsplätzen und Treffpunkten zur<br />
Verfügung.<br />
Die Elevated fährt beinahe durch das Gebäude hindurch<br />
und es entsteht der Eindruck einer engen Verbindung<br />
zwischen dem <strong>Universität</strong>sgebäudes und dem Zug des<br />
Öffentlichen Personen Nahverkehrs.<br />
Fazit<br />
Sowohl die Architektur von Frank Lloyd Wright als auch<br />
die von Ludwig Mies van der Rohe prägen die Architekturdiskussion<br />
in Chicago. Die Gebäude sind Vorreiter ihrer<br />
Zeit und dienen noch immer als Beispiele meisterhafter<br />
Architektur. Häuser die heute in Chicago gebaut werden<br />
lösen nicht mehr die Diskussionen aus, die es in Chicago<br />
einmal gab. Die Verlegung auf den historisierenden Stil<br />
des New Urbanism bei Neubauten reicht nicht aus um<br />
Chicago in die weltweite Architekturdiskussion einzubringen.<br />
Ein Beispiel hierfür ist das im neoklassischen Stil<br />
errichtete Harold Washington Library Center aus dem Jahr<br />
1991, dem ein Gesicht der Gegenwart komplett verweigert<br />
wurde.<br />
<strong>Universität</strong>sgebäude, Rem Kolhaas<br />
Nützliche Links und Tipps<br />
www.architecture.org<br />
www.franklloydwright.org<br />
www.unitytemple-utrf.org<br />
www.wrightplus.org<br />
Wenn eine Tour gebucht werden soll ist es einfacher anzurufen<br />
und sofort alles zu klären, da auf E-Mails nicht immer<br />
geantwortet wird.<br />
Quellen<br />
Cohen, Jean-Louis: Ludwig Mies van der Rohe. Basel,<br />
Boston, Berlin<br />
Tafel, Edgar (1981): Frank Lloyd Wright persönlich. Zürich,<br />
München<br />
Treiber, Daniel (1988): Frank Lloyd Wright. Basel, Boston,<br />
Berlin<br />
Unity Temple Restoration Foundation (1996): Der Unity<br />
Tempel – Selbst-Guided Tour Schrift. Oak Park<br />
Internet:<br />
http://www.franklloydwright.org/index.cfm?section=resear<br />
ch&action=display&id=27 , Zugriff am 01.11.2005<br />
http://www.wrightplus.org/fl w/fl w.html, Zugriff am<br />
01.11.2005 und 21.11.2005<br />
13
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Edge Cities Marc Detert und Lena Schlag<br />
0. Einleitung<br />
1. Suburbanisierung in den USA<br />
1.1 Defi nition „Suburbanisierung“<br />
1.2 Phasen der Suburbanisierung<br />
1.3 Kapitelfazit<br />
2. Edge Cities<br />
2.1 Defi nition „Edge City“ nach Garreau<br />
2.2 Funktionale Bedeutung<br />
2.3 Die Anordnung im Raum<br />
2.4 Entstehungsbedingungen der Edge Cities<br />
2.5 Kapitelfazit<br />
3. Schaumburg: Eine Edge City im Staat Illinois?<br />
3.1 Schaumburg<br />
3.2 Ist Schaumburg eine Edge City?<br />
3.3 Untersuchung der Edge City Schaumburg<br />
3.4 Erlebnisberichte: Stadtrundgänge durch Schaumburg<br />
3.5 Kapitelfazit<br />
4. Gesamtresümee<br />
5. Anhang<br />
I. Abbildungsverzeichnis<br />
II. Quellenverzeichnis<br />
A. Literatur<br />
B. Internetseiten<br />
Abb. 1: Modell einer Stadtregion (eigene Darstellung, vgl.<br />
Friedrichs:1995:17)<br />
0. Einl eitung<br />
In den USA wird die Raum- und Siedlungsstruktur in den<br />
letzten Jahrzehnten durch einen zunehmenden Suburbanisierungsprozess<br />
und eine fortschreitende räumliche<br />
Arbeitsteilung geprägt. Die Folgen sind neue Siedlungsmuster<br />
mit ausgedehnten Wegstrecken, eine stärkere<br />
Abhängigkeit vom Auto, ein erhöhtes Verkehrsaufkommen<br />
sowie eine Zunahme der Umweltbelastungen.<br />
Das Interesse der Exkursionsgruppe, einen Blick in die<br />
USA zu richten, entstand daraus, dass die räumlichen<br />
Entwicklungstrends in Deutschland, z.B. die weiter<br />
zunehmende Flächeninanspruchnahme, die Aufl ösung<br />
kleinteiliger Nutzungsmischungen und die Zunahme des<br />
Autoverkehrs, in den USA bereits weiter fortgeschritten<br />
sind und sich Städte in ihrer klassischen Struktur schon<br />
seit mehreren Jahren zunehmend aufl ösen. Zudem wurde<br />
in unterschiedlichen Vorlesungen das Thema der Siedlungsform<br />
der so genannten Edge Cities angesprochen<br />
und diskutiert. Daraus entstand die Idee, die theoretischen<br />
Erfahrungen, die bisher nur aus Literatur oder fachlichen<br />
Diskussionen stammen, durch einen praktischen Einblick<br />
in die Lebenswelt suburbaner Räume in den USA mittels<br />
einer Exkursion zur Edge City Schaumburg im Staat Illinois<br />
zu erweitern.<br />
Die übergeordneten zentralen Fragestellungen zur Suburbanisierung<br />
in den USA mit dem Fokus auf Edge Cities<br />
sind:<br />
- „Was wird unter dem Begriff der Suburbanisierung<br />
verstanden und wie verliefen die einzelnen Phasen der<br />
Suburbanisierung in den USA?“<br />
- „Wie ist das neue Siedlungsmuster „Edge City“ in den<br />
Prozess der weiträumigen Suburbanisierung und räumlichen<br />
Entmischung der Funktionen in den USA einzuordnen?“<br />
Vorerst wird der Begriff der Suburbanisierung geklärt sowie<br />
eine Charakterisierung der einzelnen Suburbanisierungswellen<br />
vorgenommen. Zusätzlich werden die Wandlungsprozesse<br />
der letzten sechzig Jahren in den amerikanischen<br />
Großstadtregionen im Groben beleuchtet.<br />
Daraufhin fi ndet eine theoretische Annäherung an ein neu<br />
entstandenes Siedlungsmuster in den USA, die „Edge<br />
Cities“, statt.<br />
Im praktischen Abschnitt werden die im theoretischen<br />
Teil gewonnen Erkenntnisse anhand der Stadt Schaumburg<br />
untersucht. Abschließend soll eine Darstellung<br />
persönlicher Eindrücke über einen Stadtrundgang durch<br />
Schaumburg berichten, ob die subjektive Wahrnehmung<br />
mit den zuvor gesammelten „theoretischen“ Erkenntnissen<br />
konform ist oder in welchen Punkten sie möglicherweise<br />
differiert.<br />
1. Suburbanisierung in den USA<br />
1.1 Definition „Suburbanisierung“<br />
Die Verlagerung städtischer Funktionen und die<br />
14
Edge Cities<br />
Veränderung der räumlichen Erschließung des „ländlichen“<br />
Raumes werden heute meist mit dem Begriff<br />
Suburbanisierung, im amerikanischen Sprachgebrauch als<br />
„Urban Sprawl“ bezeichnet (vgl. Oberascher: 2003:17),<br />
zusammengefasst. Darunter wird die „Verlagerung von<br />
Nutzungen und Bevölkerung aus den Kernstädten, dem<br />
ländlichen Raum oder anderen metropolitanen Gebieten<br />
in das städtische Umland bei gleichzeitiger Reorganisation<br />
der Verteilung von Nutzungen und Bevölkerung in der<br />
gesamten Fläche des metropolitanen Gebiets“ (Friedrichs:1995:17)<br />
verstanden.<br />
Suburbanisierung ist laut Friedrichs somit mehr als die<br />
Expansion der Stadt in ihr Umland, sondern zugleich ein<br />
Prozess der Dekonzentration von Bevölkerung, Produktion,<br />
Verwaltung und Handel.<br />
1.2 Phasen der Suburbanisierung<br />
Generell lassen sich drei Phasen der Suburbanisierung in<br />
den USA unterscheiden, angeführt in der zeitlichen Reihenfolge<br />
ihres Auftretens:<br />
1. Suburbanisierung der (einkommensstarken)<br />
Bevölkerung<br />
2. Suburbanisierung des Einzelhandels<br />
3. Suburbanisierung der Dienstleistungsunternehmen<br />
Die Art und der Umfang der Suburbanisierung und die<br />
damit verbundenen Probleme sind von Staat zu Staat<br />
innerhalb der USA sehr unterschiedlich abgelaufen. Dies<br />
hängt beispielsweise stark von den stadtplanerischen und<br />
gesetzlichen Rahmenbedingungen, der geographischen<br />
Lage, der wirtschaftlichen Ausrichtung der einzelnen<br />
Städte, den Einwanderungsströmen der Kriegs- und<br />
Nachkriegszeit etc. ab. In diesem Rahmen soll eine vereinfachte<br />
Darstellung der Suburbanisierungsprozesse sowie<br />
dessen Hintergründe und Folgen in den USA der letzten<br />
sechzig Jahre gegeben werden.<br />
Die drei Wellen der Suburbanisierung, die eine Zersiedelung<br />
des Umlandes der amerikanischen Großstädte mit<br />
sich brachten, haben dazu geführt, dass, ausgehend von<br />
der ersten Welle, die in den USA ab 1945 begann, das<br />
suburbane Einfamilienhaus Stück für Stück die vorherrschende<br />
Wohnform wurde. Mehr als 45% der amerikanischen<br />
Bevölkerung lebt heute in dem seit der Nachkriegszeit<br />
entstandenen automobilorientierten, suburbanen<br />
Raum, während nur noch ein Drittel in den Kernstädten<br />
selbst wohnt.<br />
Beim Bau der suburbanen Wohngebiete wurde meist das<br />
Abb. 2: Typisches US-amerikanisches bauliches Erscheinungsbild<br />
eines suburbanen Einfamilienhausquartiers (Quelle: http://tigger.<br />
uic.edu.JPEG)<br />
gleiche autogerechte Erschließungsmodell verwendet.<br />
Durch geschwungene Straßenführungen und zahlreiche<br />
Sackgassen hebt es sich in seiner Erschließungsweise<br />
bewusst vom strengen Straßenraster der Kernstädte ab.<br />
Zusätzliche Charakteristika sind die großzügig bemessenen<br />
Grundstücke, die meist als Rasenfl ächen angelegt<br />
sind und als Abstandshalter zum Nachbarn fungieren,<br />
sowie große Auffahrten zu den unzähligen Garagen. (Vgl.<br />
Roost: 2000: 23-24)<br />
Vor allem die Angehörigen der überwiegend weißen Mittel-<br />
und Oberschicht zogen in den suburbanen Raum,<br />
da diese die fi nanziellen Mittel besaßen. Auch aufgrund<br />
der noch bis heute oft existierenden Einkommensunterschiede<br />
zwischen Farbigen und Weißen können sie sich<br />
ihren Lebensraum bewusst aussuchen (vgl. Oberascher:<br />
2003: 18). Eine kulturelle und ethnische Vielfalt, die die<br />
amerikanischen Kernstädte prägt, konnte sich somit nie<br />
entwickeln.<br />
Da die Errichtung der Vorortsiedlungen meist in relativ<br />
kurzer Zeit verlief, überwiegt die Altersgruppe, die zum<br />
Zeitpunkt des Baus eine Familie gründete, stark. Gefördert<br />
wurde die Homogenität der Bevölkerungsstruktur zusätzlich<br />
durch die bestehenden enormen Unterschiede im<br />
sozialen Prestige und der Größe und Ausstattung der Gebäude,<br />
die zwischen den einzelnen suburbanen Räumen<br />
besteht. Die Mischung verschiedener Einkommensgruppen<br />
ist deshalb eher die Ausnahme.<br />
Nachdem in den Nachkriegsjahren die kaufkräftigen<br />
Schichten in den suburbanen Raum zogen, folgte ihnen<br />
in der zweiten Welle der Suburbanisierung, die sich in den<br />
USA in den sechziger und siebziger Jahren vollzog, sukzessive<br />
der Einzelhandel. In den Anfängen vor 1960 wurden<br />
meist planlos Geschäfte, Restaurants und Tankstellen<br />
15
Stadtgestalt und Geschichte<br />
an den Hauptstraßen gebaut. Nach und nach entwickelten<br />
sich aber auch immer größere und durchdachtere Formen<br />
von Einkaufzentren. In den sechziger Jahren setzte sich<br />
dann endgültig die Form der Shopping Mall durch, von<br />
denen es mittlerweile über 28.000 in Nordamerika gibt.<br />
Diese großen Einkaufzentren, die überwiegend in der Nähe<br />
von Autobahnkreuzungen errichtet wurden, sind allseitig<br />
mit großen Parkplatzfl ächen umgeben und verbreiten<br />
einen merklich geringen Grad an urbaner Atmosphäre. Der<br />
Innenraum fungiert als eine Art Ersatz-Stadtzentrum für die<br />
Bewohner des suburbanen Raumes. Neben zahlreichen<br />
kleinen Boutiquen und größeren, als Magnet dienenden<br />
Ladenketten befi nden sich auch Kinos, Restaurants und<br />
Kinderspielplätze innerhalb der Mall. (Vgl. Roost: 2000:<br />
23-24)<br />
Die Aufenthalte in den herkömmlichen urbanen Bereichen,<br />
den Kernstädten, ist für viele Vorort-Bewohner zu einer<br />
seltenen Ausnahme geworden. Der Mangel an urbaner<br />
Atmosphäre wird jedoch von vielen Bewohnern als<br />
unangenehm empfunden. Dennoch ziehen sie das Leben<br />
in dem suburbanen Raum, auf Grund der sozialen und<br />
ethnischen Homogenität, dem in der Kernstadt vor. Daher<br />
zählen die Shopping Malls für die Vorortbewohner zu den<br />
wichtigsten Orten der Begegnung. (Vgl. Roost: 2000:13)<br />
In den achtziger Jahren begann die dritte Welle der<br />
Suburbanisierung in den USA. Seitdem entstehen in den<br />
automobilorientierten, suburbanen Räumen der Nachkriegsära<br />
im zunehmenden Maße auch Arbeitsplätze in<br />
neuen Gewerbegebieten und Büroparks. Diese Gegebenheit<br />
hat zur Folge, dass viele Bewohner überhaupt nicht<br />
mehr in die Kernstädte zu ihren einstigen Arbeitsplätzen<br />
pendeln müssen, sondern sich ihr gesamter Tagesablauf<br />
nun im suburbanen Raum abspielt.<br />
Im Laufe dieses Wanderungsprozesses fi ndet das Wachstum<br />
der Kernstädte an ihren Rändern statt. Die neuen<br />
Subzentren werden immer weiter von der Kernstadt entfernt<br />
gebaut. Diese Entwicklung führte dazu, dass weder<br />
die Grenzen der Agglomeration noch ein eindeutiges<br />
räumliches Zentrum ökonomischer Aktivität feststellbar ist.<br />
Die Kernstädte mit ihrem historischen Stadtkern und den<br />
einfachen Vierteln der Minderheiten verlor im Laufe dieses<br />
Prozesses zunehmend an Anziehungskraft, wohingegen<br />
sich in den suburbanen Räumen das Wirtschaftswachstum<br />
der Region niederschlug.<br />
Besonders deutlich zeigte sich diese Entwicklung an den<br />
ungeplant entstandenen Subzentren, die vor allem in den<br />
achtziger und neunziger Jahren an den aus der Stadt<br />
führenden Highways entstanden. Die Entwicklung der<br />
zerstreuten Ballungen aus Wohnen, Einkaufszentren und<br />
Bürotürmen vollzog sich in den letzten Jahren so rasant,<br />
dass in vielen Fällen ihre wirtschaftliche Bedeutung die<br />
der traditionellen Stadtzentren weit übertrifft. (Vgl. Roost:<br />
2000: 25)<br />
1.3 Kapitelfazit<br />
Durch das vorangegangene Kapitel wurde deutlich, dass<br />
Suburbanisierung mehr als die Expansion der Stadt in ihr<br />
Umland ist, sondern zugleich ein Prozess der Dekonzentration<br />
von Bevölkerung, Produktion, Verwaltung und<br />
Handel bedeutet.<br />
Die erste übergeordnete zentrale Fragestellung konnte<br />
beantwortet werden. Zusätzlich fand eine Annäherung an<br />
die zweite zentrale Frage statt. Es gilt im Folgenden aufzudecken,<br />
ob die Entwicklung der zerstreuten Ballungen aus<br />
Wohnen, Einkaufszentren und Bürotürmen, die sich in den<br />
letzten Jahren so rasant vollzog, in vielen Fällen die wirtschaftliche<br />
Bedeutung der traditionellen Stadtzentren weit<br />
übertrifft und somit die Entstehung des neuen Siedlungsmusters<br />
„Edge City“ ist?<br />
2. Edge Cities Zur Annäherung an die zweite<br />
übergeordnete zentrale Fragestellung:<br />
„Wie ist das neue Siedlungsmuster „Edge City“ in den Prozess<br />
der weiträumigen Suburbanisierung und räumlichen<br />
Entmischung der Funktionen in den USA einzuordnen?“,<br />
wird im folgenden Abschnitt zunächst geklärt, wer die<br />
Person ist, die den Begriff „Edge City“ geprägt hat und<br />
wie diese das neue Siedlungsmuster „Edge City“ genau<br />
defi niert.<br />
Daraufhin wird untersucht, welche funktionale Bedeutung<br />
Edge Cities haben und wie sie sich im Raum ansiedeln.<br />
Zusätzlich sollen die Entstehungsbedingungen, die die<br />
Bildung der Edge Cities begünstigt haben, sowie die<br />
Phase der Suburbanisierung, in der sie entstanden sind,<br />
lokalisiert werden.<br />
2.1 Definition „Edge City“ nach Garreau<br />
Der Begriff „Edge City“ wurde von Joel Garreau, einem<br />
US-amerikanischen Washington Post Journalist, geprägt,<br />
der mit seinem im Jahre 1991 in den USA erschienenen<br />
Bestseller „Edge City- Life on the New Frontier“ den bis<br />
dahin schwer zu fassenden Begriff defi nierte. Zudem ist<br />
er Hauptakteur in der Organisation „Edge City Group“, die<br />
der landesweiten Herstellung einer besseren Gemeinschaft<br />
außerhalb der Edge Cities gewidmet ist. (Vgl. Garreau:<br />
1991: 549)<br />
Die Defi nition der einzelnen Worte „Edge“ und „City“ nach<br />
Garreau bedeutet:<br />
16
Edge Cities<br />
„Edge“, weil es sich um eine Welt von Pionieren und Einwanderern<br />
handelt, die weit weg von den alten Kernstädten<br />
entsteht, dort wo vor 30 Jahren noch kleine Dörfer oder<br />
Farmen standen. (Vgl. Garreau: 1991: 4)<br />
„City“, weil sie alle Funktionen erfüllt, die eine Stadt haben<br />
kann, auch wenn sie nicht räumlich konzentriert ist. (Vgl.<br />
Garreau: 1991: 4)<br />
Zusätzlich defi niert Garreau Edge Cities als Orte:<br />
· mit einer Gesamt-Bürofl äche von mehr als 5 Mio.<br />
Quadratfuß (ca. 464.500 m²),<br />
· mit einer Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl äche von<br />
mehr als 600.000 Quadratfuß<br />
(ca. 56.740 m²),<br />
· mit mehr Arbeitsplätzen als Wohnungen, also Orte<br />
mit tagsüber zunehmender Bevölkerungszahl,<br />
· die als Zentrum wahrgenommen werden, die also<br />
„urbs“, nicht „suburbs“ sind<br />
· und die vor 30 Jahren noch nicht als Städte bestanden.<br />
(Vgl. Garreau: 1991: 6-7)<br />
2.2 Funktionale Bedeutung<br />
Die Defi nition Garreaus macht deutlich, dass die Entstehung<br />
des neuen Siedlungsmusters „Edge City“ die zuvor benannte<br />
rasante Entwicklung der zerstreuten Ballungen aus<br />
Wohnen, Einkaufszentren und Bürotürmen ist, die in vielen<br />
Fällen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die der traditionellen<br />
Stadtzentren weit übertrifft.<br />
Als Beispiel kann die größte Metropolitan Area der USA, die<br />
New York Area, angeführt werden. In den Edge Cities von<br />
Nothern New Jersey gibt es mehr Arbeits- und Bürofl ächen<br />
als in der Bürokonzentration der Wall Street Area im Süden<br />
Manhattans. Eine interessante Betrachtung im Hinblick der<br />
funktionalen Bedeutung der Edge Cities ist zudem, dass<br />
alle 21 Edge Cities der New York Area in Bezug auf Arbeits-<br />
und Bürofl ächen zusammen größer sind, als Midtown<br />
Manhattan, die größte Kernstadt-Konzentration der USA.<br />
(Vgl. Wiegandt: 1997: 7)<br />
2.3 Die Anordnung im Raum<br />
Die Anordnung der Edge Cities folgt innerhalb der Verdichtungsräume<br />
gewissen Regelhaftigkeiten.<br />
Die meisten Edge Cities sind an den Kreuzungspunkten der<br />
Hauptverkehrsstraßen entstanden, insbesondere an den<br />
radialen Hauptverkehrsstraßen mit den Kreisstraßen.<br />
Die Abbildung 3 zeigt die Standorte der Edge Cities im<br />
Großraum Washington. Ihre Entfernung zur Kernstadt und<br />
deren nicht mehr klar zu defi nierenden Verdichtungsraum<br />
beträgt zwischen drei und fünf Meilen. Eine Anbindung an<br />
Abb. 3: Die Lage der Edge Cities im Großraum Washington<br />
(Quelle: Garreau: 1991: 345)<br />
den öffentlichen Personennahverkehr ist kaum gegeben.<br />
Dieses macht deutlich, dass Edge Cities, wie Garreau stetig<br />
betont, die Siedlungsform des Automobilzeitalters sind.<br />
Zusätzlich spielen Flughäfen bei der Standortwahl einiger<br />
Edge Cities eine entscheidende Rolle. In den neunziger<br />
Jahren sind an den Rändern der Kernstädte vieler USamerikanischer<br />
Großstädte, beispielsweise in Pittsburgh,<br />
Portland und Washington, Flughäfen entstanden. Früher<br />
waren Bahnhöfe oder Häfen Ansatzpunkte für Stadtentwicklung.<br />
Heute sind es in den USA die Flughäfen, die die<br />
Stadtentwicklung im entschiedenen Maße bedingen und<br />
als Konzentrations- und Umsteigepunkt von besonderer<br />
Bedeutung sind. Ein von Garreau benanntes Beispiel für<br />
die räumliche Bindung der Edge Cities an Flughäfen ist der<br />
O´Hare Flughafen von Chicago, um den eine Bürokonzentration<br />
entstand, mit mehr Arbeitsplätzen und Bürofl äche,<br />
als in der Kernstadt von Minneapolis.<br />
Außerdem wird die Lage der Edge Cities zwingend durch<br />
die jeweiligen topographischen Gegebenheiten beeinfl usst.<br />
17
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 4: Lage der Edge Cities im Großraum San Francisco (Quelle:<br />
Garreau: 1991: 305)<br />
Bei einer beispielhaften Betrachtung der Lage der Edge<br />
Cities im Großraum San Francisco (s. Abb. 4) ist auffällig,<br />
dass diese sich in einem weiten Viertelkreis um die<br />
Kernstadt verteilen. Der Gebirgszug bewirkt hier eine<br />
stärkere Trennung der Edge Cities von der Kernstadt als in<br />
anderen, ebeneren topographischen Gegebenheiten. (Vgl.<br />
Wiegandt: 1997: 13)<br />
2.4 Entstehungsbedingungen der Edge Cities<br />
Die Edge Cities sind laut Garreau in der dritten Welle der<br />
Suburbanisierung entstanden.<br />
„First, we moved our homes out past the traditional idea of<br />
what constituted a city. […] Then we wearied of returning<br />
downtown for the necessities of life, so we moved<br />
our marketplaces out to where we lived. […] Today we<br />
have moved our means of creating wealth, the essence of<br />
urbanism- our jobs - out to where most of us have lived<br />
and shopped for two generations. That has led to the rise<br />
of Edge City.” (Garreau: 1991: 4)<br />
Um eine bessere Nachvollziehbarkeit der Entstehungsbedingungen<br />
der Edge Cities zu erhalten, wird im Folgenden<br />
der Umgang mit der Ressource Fläche noch mal<br />
genauer beleuchtet.<br />
Die Ausgangslage schaffen die am Rande der Kernstädte<br />
ausreichend zur Verfügung stehenden Flächen, die<br />
aufgrund der geringen Nutzungskonkurrenz ohne großen<br />
Widerstand entwickelt werden können. Diese Gegebenheit<br />
bewirkt, dass die Planung den allgemeinen Zielen<br />
der Flächennutzung nicht verpfl ichtet ist und somit eine<br />
großzügige und freigiebige Flächennutzung zur Folge hat.<br />
Die Edge Cities sind nicht durch einen öffentlichen Planungsprozess<br />
entstanden, daher gibt es auch keine direkt<br />
politisch legitimierten Akteure. Zusätzlich sind die Planvorstellungen<br />
nicht dem Gemeinwohl verpfl ichtet und stehen<br />
daher nur selten im Fokus und somit im Diskurs der<br />
Öffentlichkeit. Ausschließlich die Gemeinden, in denen die<br />
Edge Cities liegen, werden an den Entscheidungen über<br />
Anteile an Wohnen, Gewerbe, verkehrliche Erschließung<br />
und Art des Verkehrs beteiligt.<br />
Für die Herausbildung der Edge Cities kann als wesentliche<br />
Rahmenbedingung die starke Zersiedelung der<br />
kommunalen Landschaft gesehen werden. Ein stadtstrukturelles<br />
Beispiel von Los Angeles soll die Situation aller<br />
großen US-amerikanischen Verdichtungsräume verdeutlichen.<br />
In gesamt Los Angeles lebten im Jahre 1997 ca.<br />
15 Mio. Einwohner, jedoch nur ein Fünftel davon in der<br />
Kernstadt. Im suburbanen und ländlichen Raum leben<br />
somit ca. 12 Mio. Einwohner in über 180 Gemeinden, die<br />
ohne Grüngürtel baulich ineinander übergehen.<br />
Die einzelnen Gemeinden in den USA stehen untereinander<br />
in einem enormen Konkurrenzdruck, da nur die<br />
fi nanziell besser gestellten Gemeinden in der Lage sind<br />
Arbeitsplätze anzuziehen und unerwünschte Nutzungen<br />
auszuschließen. Diese Tatsache hat erhebliche interkommunale<br />
Disparitäten zwischen den ärmeren und reicheren<br />
Gemeinden zur Folge, die zusätzlich durch die Möglichkeit<br />
der kommunalen Steuerpolitik verstärkt wird. Zudem<br />
herrscht ein Mangel an kommunalen Absprachen. Es<br />
gibt so gut wie keine verbindlichen Regionalpläne sowie<br />
gemeinsame regionalen Ziele. Die Edge Cities entstehen<br />
somit ohne bewusste regionale Einfl ussnahme innerhalb<br />
des Wettbewerbes der Gemeinden, meistens in kleinen<br />
Gemeinden oft aber auch über mehrere kleine Randgemeinden<br />
hinaus. Diese Gemeinden waren in ihren Anfängen<br />
meist keine eigenständigen Gemeinden, sondern sog.<br />
gemeindelose Gebiete (unincorporated areas), die von den<br />
Landkreisen verwaltet wurden. Die kommunale Flächennutzungsplanung<br />
in den US-amerikanischen Städten hat<br />
einen unerheblichen Einfl uss. Hinzu kommt, dass kein<br />
bundeseinheitliches Planungsrecht besteht. Dieses Recht<br />
wird auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten in unterschiedlicher<br />
Intensität vorgenommen. Die Möglichkeiten<br />
der einzelnen Gemeinden Einfl uss auf die Stadtentwick-<br />
18
Edge Cities<br />
Abb. 5: Die Vereinigten Staaten von Amerika (Quelle: http://www.<br />
jdneuhaus.com)<br />
lung und somit auch auf die Entstehung der Edge Cities zu<br />
nehmen, ist also zwischen den einzelnen Bundesstaaten<br />
sehr unterschiedlich. Einen wesentlichen Einfl uss auf die<br />
Bildung der Edge Cities haben Developer, da diese als<br />
Eigentümer der Flächen über die Zusammensetzung und<br />
Ausmaße der zukünftigen Nutzungen entscheiden. Der<br />
einzige Staat, in dem nur ein geringer öffentlicher planerischer<br />
Einfl uss aufgrund der gesetzlichen Verankerung der<br />
Regionalplanung genommen werden kann, ist Oregon.<br />
(Vgl. Wiegandt: 1997: 13-19)<br />
2.5 Kapitelfazit<br />
In dem vorangegangenen Kapitel wurde herausgefunden,<br />
dass die Edge Cities in der dritten Welle der Suburbanisierung<br />
entstanden sind.<br />
Edge Cities sind trotz ihrer Lage außerhalb der Kernstädte<br />
„urbs“ und nicht „suburbs“, weil sie alle Funktionen einer<br />
Stadt erfüllen. Anhand von fünf Kriterien, die von Garreau<br />
festgesetzt wurden, ist es möglich, Edge Cities eindeutig<br />
zu bestimmen. Hier wird deutlich, dass die Edge Cities im<br />
Hinblick ihrer funktionalen Bedeutung den Kernstädten<br />
meist überlegen sind. Sie siedeln sich an Kreuzungspunkten<br />
von Hauptstraßen und zum Teil auch an Flughäfen<br />
an. Zusätzlich wird die Lage durch die jeweiligen topographischen<br />
Gegebenheiten beeinfl usst.<br />
Zur eindeutigen Klärung der zweiten übergeordneten zentralen<br />
Fragestellung wurde der Umgang mit der Ressource<br />
Fläche genauer beleuchtet. Die besonders hervorzuhebenden<br />
festgestellten Entstehungsbedingungen der Edge<br />
Cities sind zum einen die geringe Nutzungskonkurrenz<br />
auf den zur Verfügung stehenden Flächen außerhalb der<br />
Kernstädte, auf denen die Edge Cities, ohne den Zielen<br />
der Flächennutzung verpfl ichtet zu sein und ohne einen<br />
öffentlichen Planungsprozess, entstehen. Zum anderen<br />
existiert kein bundeseinheitliches Planungsrecht. Zwischen<br />
den ärmeren und reicheren Gemeinden kommt es daher<br />
zu erheblichen interkommunalen Disparitäten. Außerdem<br />
Abb. 6: Großraum Chicago (Quelle: http://www.tantec.com)<br />
gibt es keine verbindlichen Regionalpläne und kommunalen<br />
Flächennutzungspläne sowie gemeinsame regionale<br />
Ziele.<br />
3. Schaumburg: Eine Edge City im Staat Illinois?<br />
Im folgenden Kapitel werden die im theoretischen Teil<br />
gewonnen Erkenntnisse anhand der Stadt Schaumburg<br />
untersucht.<br />
Zunächst wird geklärt wo Schaumburg in den USA zu<br />
lokalisieren ist. Daraufhin wird anhand der fünf Defi nitionspunkte<br />
Garreaus beurteilt, ob Schaumburg überhaupt<br />
eine Edge City ist. Zudem wird beschrieben, wie die<br />
Realität des Phänomens Edge City anhand der Stadt<br />
Schaumburg aussieht und welche Probleme sie möglicherweise<br />
hat. Abschließend werden Erlebnisberichte<br />
über Stadtrundgänge durch Schaumburg dargelegt. Diese<br />
berichten, ob die subjektiven Wahrnehmungen mit den<br />
zuvor gesammelten „theoretischen“ Erkenntnissen konform<br />
sind oder in welchen Punkten diese möglicherweise<br />
differieren.<br />
3.1 Schaumburg<br />
Als Untersuchungsort wurde die Stadt Schaumburg im<br />
Bundesstaat Illinois im Osten der USA ausgewählt, die ca.<br />
42 km westlich von Chicago entfernt liegt.<br />
Die Wurzeln der Stadt liegen in der Zeit um 1850, als eine<br />
Auswanderungsbewegung aufgrund von schwierigen<br />
sozialen Verhältnissen und zum Teil auch nur aus reiner<br />
Abenteuerlust von Deutschen aus dem Schaumburger<br />
Land in Richtung der Vereinigten Staaten von Amerika<br />
einsetzte. Ein Großteil dieser Auswanderer fand sich in der<br />
Nähe von Chicago zusammen. Damals hieß der Ort noch<br />
„Sarah´s Grove“. Aus dieser seit rd. 150 Jahren bestehenden<br />
Ansiedlung im suburbanen Raum Chicagos, die<br />
19
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 7: Lage der drei großen Edge City Schaumburg, Oak Brook und O´Hare im<br />
Großraum Chicago. (Quelle: Sööt: 1995: University of Illinois at Chicago)<br />
heute den Namen Schaumburg trägt, wurde im Zuge der<br />
US-amerikanischen Suburbanisierungswellen eine „Stadt“<br />
mit 99.990 (Vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt<br />
University: 2002: 4) Einwohnern. (Vgl. http://www.<br />
marktplatz-schaumburg.de)<br />
3.2 Ist Schaumburg eine Edge City?<br />
Die folgenden Zitate sollen deutlich machen, dass Joel<br />
Garreau durch seine Untersuchungen die feste Überzeugung<br />
erlangt hat, dass Schaumburg eine Edge City ist.<br />
“Good examples of our more than two hundred new edge<br />
Cities are […] the Schaumburg area of O`Hare Airport,<br />
near which Sears moved its corporate headquarters from<br />
the 110-story Sears Tower in downtown Chicago.“ (Garreau:<br />
1991: 5)<br />
“[P]laces like Tysons Corner, Virginia; Schaumburg, Illinois;<br />
and Irvine, California – have become vastly larger than<br />
many of the 45 remaining major downtowns in the United<br />
States. In fact, edge cities have become the standard for<br />
the world´s urban environments.” (Garreau: 1995: Ausgabe<br />
3.12)<br />
Im Folgenden soll Garreau´s Behauptung anhand seiner<br />
fünf Defi nitionspunkte nachvollzogen und überprüft werden.<br />
Die dafür herangezogenen Zahlen basieren auf einer<br />
Erhebung des Jahres 2002 des Metro Chicago Information<br />
Center, unterstützt von dem Institute for Metropolitan<br />
Affairs der Roosevelt <strong>Universität</strong>.<br />
Nach Garreaus Defi nition ist eine Edge City ein Ort mit<br />
einer Gesamt-Bürofl äche von mehr als 5 Mio. Quadratfuß.<br />
Den erhobenen Zahlen zur Folge hat Schaumburg eine<br />
Gesamt-Bürofl äche von 14.916.000 Quadratfuß (Vgl.<br />
Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University:<br />
2002: 4). Dies übertrifft die festgesetzte mindest Gesamt-<br />
Bürofl äche um das dreifache. Zudem muss der Ort nach<br />
Garreau eine Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl äche von<br />
20
Edge Cities<br />
mehr als 600.000 Quadratfuß aufweisen. Schaumburg<br />
hat laut der erhobenen Zahlen eine Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl<br />
äche von 5.557.000 Quadratfuß (Vgl. Metro<br />
Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002:<br />
4).<br />
Auch hier übersteigt die Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl<br />
äche die Erforderliche um ca. das Neunfache. Eine Edge<br />
City ist nach Garreau zudem ein Ort mit mehr Arbeitsplätzen<br />
als Wohnungen, also eine Ort, an dem tagsüber<br />
die Bevölkerungszahl zunimmt. In der Stadt Schaumburg<br />
gibt es laut Erhebung einen Arbeitsplatz pro Wohnung<br />
(Vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University:<br />
2002: 4). Somit wird das Kriterium mehr Arbeitsplätze<br />
als Wohnungen nicht erfüllt, jedoch gibt es noch die<br />
Ergänzung, dass tagsüber die Bevölkerungszahl zunehmen<br />
soll. Somit wird hier die Vermutung, gestützt auf die<br />
zuvor festgestellten riesigen Einzelhandelsverkaufsfl ächen,<br />
aufgestellt, dass die Bevölkerung trotz ausgeglichenen<br />
Zahlenverhältnisses von Arbeitsplatz und Wohnung<br />
durchaus tagsüber steigen kann. Es ist vorstellbar, dass<br />
aufgrund der enormen Quadratmeterzahlen der Shopping<br />
Malls, auf denen sich ein breit gefächertes Angebot<br />
erstreckt, die Menschen aus der Kernstadt Chicago oder<br />
aus den noch weiter entfernt gelegenen ländlichen Räumen<br />
kommen, um hier im überdachten Einkaufsparadies<br />
zu fl anieren. Außerdem sind nach Garreau Edge Cities<br />
Orte, die vor 30 Jahren noch nicht als Städte bestanden.<br />
Den erhobenen Zahlen zur Folge ist Schaumburg von<br />
1960 bis 2000 um 919% (Vgl. Metro Chicago Information<br />
Center/ Roosevelt University: 2002: 4) gewachsen.<br />
Diese Angabe belegt eindeutig, dass Schaumburg in den<br />
letzten 40 Jahren durch die Suburbanisierungswellen ein<br />
enormes Wachstum widerfahren ist. Bei dieser Wachstumsrate<br />
kann durchaus vermutet werden, dass Schaumburg<br />
vor 30 Jahren noch nicht als „Stadt“ bestand. Befragungen,<br />
ob Schaumburg als Zentrum wahrgenommen wird,<br />
wurde von dem Metro Chicago Information Center bzw.<br />
von andere Quellen nicht durchgeführt. Daher können<br />
an dieser Stelle nur Spekulationen zum Kriterium Garreaus<br />
unternommen werden. Die zuvor festgehaltenen<br />
Zahlen in Bezug auf die Gesamt-Bürofl äche und Gesamt-<br />
Einzelhandelsverkaufsfl äche übersteigen die von Garreau<br />
festgelegten Zahlen für die Festsetzung einer Edge City<br />
so erheblich, dass sie daher eher auf ein Zentrum und<br />
weniger auf eine Vorortsiedlung hinweisen.<br />
Zusätzlich zu den fünf Defi nitionspunkten Garreaus soll die<br />
Lage der Stadt Schaumburg im Raum untersucht werden.<br />
Wie bereits im Vorfelde berichtet, siedeln sich Edge Cities<br />
immer im Bereich von Kreuzungspunkten der Hauptverkehrsstraßen<br />
an.<br />
Die Abbildung 7 zeigt, dass Schaumburg im Bereich eines<br />
Kreuzungspunktes des Interstate Highways liegt und somit<br />
in das Anordnungsmuster der Edge Cities fällt.<br />
Durch die Überprüfung der fünf Defi nitionspunkte, nach<br />
denen laut Garreau ein Ort eine Edge City ist, und der<br />
Anordnung im Raum ist Schaumburg eindeutig eine Edge<br />
City. Der zu Beginn vorgestellten Behauptung Garreaus<br />
kann somit zugestimmt werden.<br />
3.3 Untersuchung der Edge City Schaumburg<br />
Für die Untersuchung der Stadt Schaumburg werden<br />
Zahlen herangezogen, die auf einer Erhebung der Metro<br />
Chicago Information Center (MCIC) unterstützt von dem<br />
Institute for Metropolitan Affairs der Roosevelt <strong>Universität</strong><br />
basieren. Das MCIC verfügt über eine Datengrundlage<br />
von über 30.000 Interviews die in einer Zeitspanne von<br />
10 Jahren durchgeführt wurden. Die Erhebungen speziell<br />
zu Chicago und dessen Umland (Rolling Meadows,<br />
Schaumburg; Deerfi eld, Northbrook Village; Lombard, Oak<br />
Brook, Oak Brook Terrace; Des Plaines, Elk Grove Village,<br />
Rosemont) ist vom MCIC im Zeitraum von 1998 bis 2002<br />
an Hand von jährlich 3.000 durchgeführten telefonischen<br />
und persönlichen Interviews mit Bewohnern der Edge<br />
Cities um Chicago und in der Kernstadt Chicago selbst<br />
entstanden.<br />
Im Vorfelde wurde erläutert, dass vor allem die Angehörigen<br />
der überwiegend jüngeren weißen Mittel- und<br />
Oberschicht in den suburbanen Raum zogen, da diese<br />
die fi nanziellen Mittel besaßen, sich ihren Lebensraum<br />
bewusst auszusuchen. Diese selektive Wirkung der<br />
Suburbanisierungswanderung hat zur Folge, dass in den<br />
Kernstädten eine Bevölkerung mit geringem Einkommen,<br />
hohem Rentneranteil, hohem Ausländeranteil und hoher<br />
Arbeitslosigkeit zurückbleibt.<br />
Die Untersuchungen des MCIC hat genau dieses Bevölkerungsmuster<br />
in der Kernstadt Chicago und deren<br />
Umland festgestellt. Die folgenden Grafi ken (Abb. 8-10)<br />
verdeutlichen, dass die typischen Edge City Bewohner<br />
weißer Hautfarbe sind, einen hohen Bildungsgrad besitzen<br />
und einen guten bis gehobenen Einkommensstandart<br />
haben. Zusätzlich anzumerken, aber nicht dargestellt<br />
ist, dass sie überwiegend katholischen Glaubens und<br />
Republikaner sind. Dieses Bewohnermuster steht in einem<br />
dramatischen Unterschied zur Kernstadt Chicago, ist<br />
jedoch bis auf die fi nanzielle Situation sehr ähnlich mit dem<br />
Muster der „bedroom suburbs“ , welches einfache Vororte<br />
sind, die nicht unter die fünf Defi nitionskriterien von Garreau<br />
fallen und somit keine Edge City sind.<br />
21
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 8: Ethnische Zugehörigkeit (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 6)<br />
Abb. 9: Bildung (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 6)<br />
Abb. 10: Finanzielle Situation (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002:8)<br />
22
Edge Cities<br />
Abb. 11: Wahrnehmung der Nachbarschaft (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 11)<br />
Zudem liegt das Durchschnittsalter in den Edge Cities<br />
bei 47,4 Jahren, in den bedroom suburbs bei 48,2 und in<br />
der Kernstadt Chicago bei 40,5 Jahren. Das im Vergleich<br />
relativ hohe Durchschnittsalter der Edge City Bewohner<br />
liegt besonders in der ersten Suburbanisierungswelle<br />
begründet. Zu der Zeit des Hausbaues im suburbanen<br />
Raum waren die Bewohner jung und dabei, eine Familie zu<br />
gründen.<br />
Berufstätig sind in den Edge Cities 69%, in den bedroom<br />
suburbs ebenfalls 69% und in der Kernstadt Chicago<br />
59%. Im Ruhestand sind hingegen in den Edge Cities<br />
18%, in den bedroom suburbs 15% und in der Kernstadt<br />
Chicago 16%.<br />
Das zuvor dargelegte Bevölkerungsmuster spiegelt sich<br />
auch in der Wohnsituation wieder. In den Edge Cities<br />
leben 80% der Bewohner in ihren eigenen Häusern, in<br />
den bedroom suburbs 77% und in der Kernstadt Chicago<br />
hingegen nur 44%. In den letzen fünf Jahren sind daher<br />
auch nur 34% der Edge City Bewohner, jedoch 41% der<br />
bedroom suburbs- und 45% der Kernstadt- Bewohner<br />
umgezogen. Diese Zahlen machen deutlich, dass die<br />
Bewohner der bedroom suburbs und der Edge Cities<br />
lieber im Eigentum als zur Miete wohnen. Zudem wurde<br />
herausgefunden, dass sie für eine lange Zeit in derselben<br />
Nachbarschaft leben und für die Zukunft auch weiterhin<br />
planen dort zu bleiben. Der Kern der Untersuchung ist,<br />
Abb. 12: Sicherheitsempfi nden im nächstgelegenen Park (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 15)<br />
23
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 13: Standort des Arbeitsplatzes (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 13)<br />
dass die Edge City Bewohner offensichtlich mit ihrem<br />
Umfeld zufriedener sind, als die Menschen, die in den<br />
bedroom suburbs oder der Kernstadt von Chicago leben.<br />
Welche Umstände in Schaumburgs Umgebung macht die<br />
Edge City Bewohner jedoch zufrieden? Nehmen sie ihre<br />
Nachbarschaft als „perfekten Ort“ war? Die Abbildungen<br />
11 und 12 präsentieren die Wahrnehmung der Nachbarschaftszufriedenheit,<br />
bezogen auf unterschiedliche<br />
Aspekte innerhalb der Edge Cities, den bedroom suburbs<br />
und der Kernstadt Chicago.<br />
Den vorangegangenen Grafi ken ist zu entnehmen, dass<br />
die Edge City Bewohner offenbar einem sehr geringen<br />
Maß an Kriminalität ausgesetzt sind, es wenige Einbrüche<br />
in ihr Eigentum gibt, sie die Wahrscheinlichkeit, einem<br />
Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen, für sehr gering<br />
einstufen, die Polizei aufgrund ihrer zuverlässigen Arbeit<br />
einen guten Ruf genießt und sie sich am Tag im umgebenden<br />
Freiraum sicher fühlen und in der Nacht nur<br />
etwas unsicherer. Das Leben in Schaumburg und den<br />
anderen Edge Cities um Chicago scheint „perfekt“ zu<br />
sein: Reichtum, geringe Arbeitslosigkeit, große Auswahl<br />
an Einzelhandel, stabile Nachbarschaft mit wenig Kriminalität<br />
und einer fl eißigen und respektvollen Polizei. An<br />
diesem „perfekten Ort“ genießen die Bewohner einen Fülle<br />
an Vorzügen und geringem Risiko, doch haben sie laut<br />
einem im Mai 2002 durchgeführten Forschungsprojekt von<br />
US-amerikanischen Stadtplanern „Exploring Edge Cities:<br />
Report of a National Survey of Senior Planners“ des Institute<br />
for Metropolitan Affairs der Roosevelt <strong>Universität</strong> ein<br />
erhebliches Problem mit dem hohen Verkehrsaufkommen,<br />
den vielen Verkehrsstaus, der enormen Luftverschmutzung,<br />
dem Verkehrslärm und dem Mangel an öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln.<br />
Im Zuge des Bevölkerungswachstums und der Entwicklung<br />
der Edge Cities stieg auch das Verkehrsaufkommen<br />
durch die enormen Pendlerfahrten zwischen suburbanem<br />
Raum und Kernstadt und innerhalb der automobilorientierten<br />
Stadtstruktur der suburbanen Räume. Das aufkommende<br />
Verkehrsvolumen kann von dem vorhandenen<br />
Straßensystem nicht getragen werden. Die ständigen<br />
Verkehrsstaus beeinträchtigen die Lebensqualität durch<br />
den entstehenden Lärm und der enormen Luftverschmutzung.<br />
Jedoch macht die großfl ächig verstreute Bevölkerungsstruktur<br />
innerhalb der Edge Cities das Einsetzen<br />
von öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn,<br />
insbesondere zwischen den Edge Cities und den bedroom<br />
suburbs, kaum möglich.<br />
Im Folgenden wird daher erforscht, wo der Arbeitsplatz<br />
der Edge City Bewohner zu verorten ist, wie lange die<br />
durchschnittliche Pendelzeit zwischen der Wohnung und<br />
dem Arbeitsplatz ist und welche Verkehrsmittel von den<br />
Edge City Bewohnern zur Verminderung der Verkehrsstaus<br />
unterstützt werden würden.<br />
Der Abbildung 13 ist zu entnehmen, dass 80% der Arbeitsplätze<br />
der Bewohner der Edge Cities um Chicago im<br />
suburbanen Raum zu lokalisieren sind, nur 13% arbeiten in<br />
der Kernstadt Chicago. Interessant für die Untersuchung<br />
des Verkehrsaufkommens ist zudem die Lokalisierung<br />
der Arbeitsplätze der Bewohner der Kernstadt Chicago.<br />
Von diesen arbeiten 23% im suburbanen Raum, welches<br />
enorme Pendelfahrten zur Folge hat.<br />
Die durchschnittliche Pendelzeit der Bewohner der Edge<br />
Cities beträgt daher nur 19 Minuten, der der bedroom suburbs<br />
34 Minuten und der der Kernstadt ganze 32 Minuten.<br />
Die Abbildung 14 stellt die Ergebnisse der Befragung zur<br />
Lebensqualität in Bezug auf die Luftqualität, den ÖPNV<br />
sowie den Umgang mit Verkehrsstaus dar.<br />
Nur 31% der Edge City Bewohner sind mit der Verkehrsituation<br />
zufrieden, 41% mit dem ÖPNV-Angebot und 61% mit<br />
der Luftqualität.<br />
Zur Verringerung der Verkehrsstaus würden 68% der Edge<br />
City Bewohner und sowohl 72% der bedroom suburbs<br />
als auch 72% Kernstadt Bewohner den Ausbau neuer<br />
Hauptstraßen unterstützen. Dahingegen würden 80% der<br />
Edge City Bewohner, 83% der bedroom suburbs Bewohner<br />
und 86% der Kernstadt Bewohner die Verbesserung des<br />
öffentlichen Personennahverkehrs unterstützen und somit<br />
zur möglichen Verbesserung der Lärm- und Luftbedingungen<br />
beitragen.<br />
24
Edge Cities<br />
Abb. 14: Lebensqualität (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 14)<br />
Im Folgenden wird die Lebensqualität in Bezug auf öffentliche<br />
Einrichtungen und Freiraumgestaltung beleuchtet.<br />
Die Abbildung 15 zeigt, dass 86% der Edge City Bewohner<br />
im suburbanen Raum von Chicago mit dem Angebot<br />
an gut gestaltetem Freiraum und Erholungsmöglichkeiten<br />
zufrieden sind. Zudem sind 71% mit dem Angebot an<br />
öffentlichen Schulen zufrieden. Aus diesen Zahlen wird geschlossen,<br />
dass die Edge City Schaumburg als geeigneter<br />
Ort angesehen wird, um Kinder aufzuziehen. Zudem<br />
sind 82% der Edge City Bewohner der Ansicht, dass es<br />
ausreichend Krankenhäuser und Fachärzte gibt, jedoch<br />
nur 42% sind der Ansicht, dass ausreichend öffentliche<br />
Einrichtungen vorhanden sind. (Vgl. Metro Chicago Information<br />
Center/ Roosevelt University: 2002: 1-25)<br />
3.4 Erlebnisberichte: Stadtrundgänge durch<br />
Schaumburg<br />
Im folgenden Abschnitt soll erläutert werden, ob die<br />
subjektiven Wahrnehmungen mit den zuvor gesammelten<br />
„theoretischen“ Erkenntnissen konform sind oder ob sie<br />
möglicherweise in einigen Punkten differieren. zBetont<br />
werden soll an dieser Stelle, dass die Berichte sich ausschließlich<br />
auf rein subjektiv gesammelte Eindrücke und<br />
nicht auf wissenschaftlich empirische Erhebungen stützt.<br />
Die Exkursion nach Schaumburg fand am Nachmittag des<br />
19. Oktobers 2005 statt. Der Startpunkt des Ausfl uges<br />
lag in Oak Park. Von dort aus wurde eine Busverbindung<br />
bis zu einer Metrostation genommen. Von dort ging es mit<br />
der Metro der Chicago Transit Autority (CTA) in Richtung<br />
Nordwesten bis Rosemont CTA, eine Haltestelle vor der<br />
Endstation Flughafen O´Hare, genommen, von wo aus der<br />
Bus mit der Endstation Woodfi eld Mall/Schaumburg fuhr.<br />
Abb. 15: Lebensqualität (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 14)<br />
25
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 16: Anzeigentafel der Route 606 Northwest Limited<br />
Abb. 17: Parkplatzfl äche um die Woodfi eld Mall (eigene Quelle)<br />
Die Fahrt bis zur Station Rosemont dauerte ca. 50<br />
Minuten. Die anschließende Busfahrt über den Highway<br />
durch den dünn besiedelten suburbanen Raum mit den<br />
punktuell erscheinenden Bürokomplexen eine weitere<br />
halbe Stunde. In Schaumburg am Rande der gigantischen<br />
Parkplatzfl äche der Woodfi eld Mall angekommen, wurde<br />
diese zunächst zu fuß überquert, um in das Innere der<br />
Shopping Mall zu gelangen. Die Länge der zurückzulegenden<br />
Strecke deutete hier bereits die autoorientierte<br />
Stadtgestalt dieses Ortes an. Die Parkplatzfl äche war, abgesehen<br />
von ein paar vereinzelten Bäumen, rein nach ihrer<br />
Funktion gestaltet. Diese Fläche verbreitet einen merklich<br />
geringen Grad an urbaner Atmosphäre und lud nicht zum<br />
langen verweilen ein.<br />
Die unscheinbare, schlichte und (Schau-)fensterlose<br />
Fassade der Mall machte zunächst unsicher, ob es sich<br />
tatsächlich um die legendäre Woodfi eld Mall handelt, die<br />
in unzähligen Reiseführen als das absolute Einkaufsmekka<br />
angepriesen wird. Beim Betreten des Inneren der Mall<br />
wechselte die geringe urbane Stimmung, die den Außenraum<br />
prägte, in eine merklich belebtere Atmosphäre. Die<br />
hohe Zahl hauptsächlich weißer Besucher verteilte sich<br />
relativ gleichmäßig auf der 500.000 Quadratfuß (vgl. http://<br />
www.ci.schaumburg.il.us) großen Einkaufsfl äche, wo sie<br />
sich nahezu verlor. Dennoch hatte es den Anschein, dass<br />
der Innenraum der Mall als eine Art Ersatz-Stadtzentrum<br />
für die Bewohner des suburbanen Raumes fungiert.<br />
Dieses lag wahrscheinlich darin begründet, dass auf der<br />
einen Seite der öffentliche Freiraum keine Möglichkeit<br />
zum Verweilen bietet, zum anderen, dass der Versuch<br />
unternommen wird, den Mangel an Urbanität an einem<br />
konzentrierten Ort zu kompensieren. Die Annahme, dass<br />
die Bevölkerungszahl trotz ausgeglichenen Zahlenverhältnisses<br />
von Arbeitsplätzen und Wohnungen aufgrund der<br />
enormen Quadratmeterzahlen der Mall tagsüber steigen<br />
kann, konnte nicht festgestellt werden.<br />
Aufgrund des räumlichen Nebeneinanders sowie der mangelnden<br />
Verbindung zwischen den einzelnen Funktionen,<br />
der autoorientierten Stadtgestalt die zu fuß erobert werden<br />
sollte und dem zeitlich begrenzten Aufenthalt wurde die<br />
anschließenden Rundgänge durch Schaumburg so gelegt,<br />
dass möglichst viele verschiedene Nutzungen betrachtet<br />
werden konnten. Die Exkursionsgruppe teilte sich in zwei<br />
bis drei Personen starke Gruppen auf, die in möglichst alle<br />
Himmelsrichtungen verstreut das Umfeld der Woodfi eld<br />
Mall und damit einen Teil Schaumburgs erkunden sollten.<br />
Die Aufgabe war, dass alle Gruppen eine halbe Stunde<br />
in eine Richtung gehen und währenddessen ein Mindmap<br />
des zurückgelegten Weges ohne Kartengrundlage<br />
erstellen sollten. Nach jeweils zehn Minuten Fußweg sollte<br />
zudem am erreichten Ort per Handskizze festgehalten<br />
werden, dass für die jeweilige Person das Ortstypische<br />
des Betrachtungsstandpunktes repräsentiert. Nach der<br />
abgelaufenen halben Stunde versammelte sich die komplette<br />
Exkursionsgruppe wieder im Zentrum der Woodfi eld<br />
Mall.<br />
Im Folgenden werden die Erlebnisberichte mit den erstellten<br />
Mindmaps der einzelnen Gruppenmitglieder aufgeführt,<br />
die nach der Laufrichtung sortiert sind.<br />
Erlebnisbericht Marc und Lena:<br />
Am Ausgang der Woodfi eld Mall befand sich eine fußläufi<br />
g fast unüberwindbare Parkplatzfl äche mit vereinzelter<br />
Baumbepfl anzung. Parallel zu einem Highway folgend<br />
wurde eine stark befahrene achtspurige Straße überquert.<br />
Auf dem nur einseitig befi ndlichen Fuß- und Radweg<br />
sprießten weitere Einzelhandels- und Bürokomplexe aus<br />
dem Boden, die ebenfalls von riesigen Parkplatzfl ächen<br />
umgeben wurden. Besonders überraschend war die Entdeckung<br />
eines Freizeitzentrums. Die Architektur hatte die<br />
künstliche Anmutung eines Disneyfi lmes, zudem fand die<br />
menschliche Aktivität ausschließlich im Innenraum dieses<br />
Gebäudes statt.<br />
Auf eine zehnspurige stark befahrene Straße treffend eröffnete<br />
sich ein kontrastreicher Eindruck der Stadtstruktur.<br />
Auf der linken Seite der Kreuzung befand sich ein riesiger<br />
Bürokomplex und auf der Rechten eine unscheinbare Einfahrt<br />
die zu einem Einfamilienhausgebiet führte. Vorgese-<br />
26
Edge Cities<br />
Abb. 29: Stadtkarte von Schaumburg (überarbeitete Quelle: www.MapQuest.com)<br />
hen war es offensichtlich, diese Einfahrt ausschließlich mit<br />
dem Auto erreichen zu können, Fuß- und Radwege sowie<br />
ein Ampelsystem waren nicht vorhanden.<br />
Das Einfamilienhausgebiet wurde von einer geschwungenen<br />
Straßenführung sowie zahlreichen Sackgassen<br />
strukturiert. Die Wohnhäuser entsprachen bis auf die<br />
Farbe alle dem gleichen Standarddesign.<br />
Der besichtigte Bereich dieser Siedlung wirkte wie eine<br />
Geisterstadt; nur sehr vereinzelt wurden Menschen gesichtet,<br />
die zu ihren Autos gingen und die, wie zu vermuten<br />
war, alle Weiße waren. Eine unbehagliche Stimmung<br />
verbreiteten die zahlreichen Schilder, die deutlich machten,<br />
dass ausschließlich nur Personen mit einem speziellen Anliegen<br />
diese Siedlung betreten dürfen und das Rumlungern<br />
nicht erwünscht ist. Dieses nachbarschaftliche Beobachtungsprogramm<br />
birgt die Vermutung, dass aus der ständigen<br />
Kontrolle innerhalb der Siedlung, das gesteigerte<br />
Sicherheitsempfi nden der Bewohner, das im theoretischen<br />
Abschnitt erwähnt wurde, resultiert.<br />
Die Gestaltung des Freiraumes war eine Mischung aus<br />
Auto-, Rad- und Fußgängerorientierung sowie künstlich<br />
angelegtem Naturraum. Ein Großteil der Flächen war für<br />
Straßen und Stellplätze versiegelt.<br />
Dennoch steht der Grünraum dieser Siedlung in einem<br />
enormen Kontrast zu den Gewerbegebieten und<br />
Büroparks mit den allseitig umgebenen Parkplatzfl ächen.<br />
Die Zufriedenheit der Edge City Bewohner mit dem gut<br />
gestalteten Freiraum und den ausreichend vorhandenen<br />
Erholungsmöglichkeiten ließ sich besonders durch den<br />
deutlich beobachteten Kontrast nachvollziehen.<br />
Erlebnisbericht Lisa:<br />
Edge City? Ja wo ist sie denn? Drei Bürotürme. Und<br />
ganz weit da hinten? Kommt da noch was, nein. Doch.<br />
Wir gehen noch in Stück. Es ist weit! 7 Spuren? NEIN,<br />
das sind neun. Schnell. Warum ist denn daneben noch<br />
in Bürgersteig? Wer geht hier wohl lang? Außer uns, kein<br />
Fußgänger zu sehen.<br />
Auf der anderen Seite: Was ist das? Eine Kirche? Nein.<br />
Läden. Prima, man kann mit dem Auto vorfahren, aber wie<br />
kommt man nur als Fußgänger dahin? Parkplätze gibt’s<br />
jedenfalls. Ein Teich! Enten! Absurd. Ein Greifvogel frisst<br />
eine überfahrene Wildgans. Dahinter: keine Läden mehr.<br />
Jalousien runter. Das sind dann wohl Büros. Jedes hat<br />
mindestens drei Parkplätze. Motelbüro. Kein Mensch, weit<br />
und breit.<br />
Einfügen Mindmap Lisa<br />
Erlebnisbericht Matthias:<br />
Schaumburg. Bild einer Oase in der weiten Wüste des USamerikanischen<br />
mittleren Ostens. das endlos weite Meer<br />
aus Sand sind die betonierten Parkplätze, die von weither<br />
gereisten Karawanen sind die Ströme konsumwütiger<br />
Pendler und die Leben spendende Zufl ucht ist die rettende<br />
Oase mit ihren bunten Märkten und Konsumtempeln im<br />
Mittelpunkt von Schaumburg. Endlich in der Oase angekommen<br />
gibt sich das ermüdete Expeditionsteam den<br />
Annehmlichkeiten der neuen Umgebung hin – angenehm<br />
temperierte Kühle, Wasser,… endlich Schatten und klimatisierte<br />
Luft… die Nase wird langsam trocken. Trockene<br />
Nasen in einer Oase? Düfte hier und da, sowie Wegweiser<br />
weisen den Weg durch das Labyrinth der Einkaufsstraßen.<br />
Auch wer sich verläuft – wie es dem ausgehungerten<br />
27
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Reisenden durchaus passieren kann – läuft dennoch nicht<br />
Gefahr in einer der Straßen auf eine warme Mahlzeit zu<br />
stoßen… denen zu entgehen ist fast unmöglich.<br />
Die Pfl icht ruft. Wir haben einen Auftrag. Erforschung des<br />
Oasenumfelds! Wieder hinaus in die Parkplatzwüste. Eisig<br />
rauschender Wind und fast endlose Weite, die nur von<br />
dem Flimmern der Luft und breiten, reißenden Strömen<br />
des sich spiegelnden und glitzernden Verkehrsdeltas<br />
begrenzt wird…. Trotz mangelnder Furten gelingt uns<br />
die Querung des Verkehrsfl usses unbeschadet. Kalt und<br />
ungemütlich bleibt es dennoch. Weiter geht es. Die Wüste<br />
hört einfach nicht auf! Hier und da erheben sich einige<br />
Gesteinsformationen aus dem Boden, in denen Höhlenmenschen<br />
ihre Waren zum Verkauf anbieten. Weiter! Wir<br />
haben keine Zeit zu verlieren. Nach schier endloser Zeit<br />
erreichen wir endlich den Hauptstrom. Wir beschließen ihn<br />
zu queren, obwohl es ein fast unmögliches Unterfangen zu<br />
sein scheint. Aber wir hatten erfahren, dass am anderen<br />
Ufer noch Eingeborene leben würden, zu denen wir nach<br />
Möglichkeit Kontakt aufzunehmen gedenken. Es gibt<br />
keine andere Wahl. Würden wir die Querung auch wieder<br />
zurück schaffen? Die reichlich unterdimensionierte Furt<br />
stellt womöglich eine Art Selektionsmechanismus dar: nur<br />
wer fi t genug ist, sie in den wenigen ruhigen Momenten<br />
im Sein des Verkehrsstroms, zu queren, erhält das Privileg<br />
sich in den Refugien der Ureinwohner umzutun. Doch<br />
diese Vermutung wird kurz darauf auch wieder ad absurdum<br />
geführt, da sich herausstellt, dass es keinen querbaren<br />
Zugang zu unserer besonders zurückgezogen lebenden<br />
Spezies gibt. Mit einiger Raffi nesse gelingt es uns jedoch<br />
auch die letzte Sperre zu überwinden und fi nden uns<br />
wieder… in einem Ort, gefüllt mit Stille und grüner Langeweile.<br />
Mit Ausnahme von ein, zwei Exemplaren scheinen<br />
die Ureinwohner sich wenig aus der Expeditionsgruppe zu<br />
machen. Enttäuschung.<br />
Der Weg zurück zur Oase gestaltet sich nach vorangegangener<br />
Enttäuschung als relativ trist und so lassen wir<br />
uns nach unserer Rückkehr verführen von der überwältigenden<br />
Vielfalt des Angebots der fl iegenden Händler<br />
mit ihren bunten Buden und preislichen Argumenten im<br />
Kaufparadies. Doch nachdem die Taler über den Tisch<br />
gegangen und unsere Kamele beladen sind, macht sich<br />
langsam aber stetig wieder die allbekannte Rastlosigkeit<br />
und Unruhe breit. Genug gesehen vom kurzlebigen,<br />
glänzenden Schein. Hier bleiben wir nicht. Wir ziehen<br />
weiter auf der Suche nach Beständigkeit.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die<br />
Stadtstruktur Schaumburgs von Einfamilienhäusern in<br />
geschwungenen Straßenmustern dominiert wird. Punktuell<br />
und isoliert stehen in so genannten Gewerbeparks große<br />
Shopping Center und Bürokomplexe. Die Ansiedlung der<br />
Shopping Center in der Nähe von Autobahnkreuzen folgt<br />
dem erwarteten Muster. Zudem ist die Stadtstruktur ausschließlich<br />
autoorientiert. Vereinzelt sind Fuß- und Radwege<br />
vorhanden, doch das bloße räumliche Nebeneinander der<br />
verschiedenen Funktionen und die mangelnde Verbindung<br />
zwischen den Funktionen macht es schier unmöglich sich<br />
dort zu fuß fortzubewegen. Die Unzufriedenheit der Edge<br />
City Bewohner mit dem hohen Verkehrsaufkommen, den<br />
Verkehrsstaus, der Luftverschmutzung und besonders<br />
mit dem Verkehrslärm kann durch die Erfahrungen des<br />
Rundganges gut nachvollzogen werden. Selbst in der Einfamilienhaussiedlung<br />
war der Verkehrslärm noch deutlich<br />
wahrzunehmen. Die Unzufriedenheit durch den Mangel<br />
an öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb des suburbanen<br />
Raumes ist ebenfalls nachzuvollziehen. Die Verbindung<br />
zwischen dem suburbanen Raum und der Kernstadt mit<br />
öffentlichen Verkehrsmitteln ist durchaus vorhanden, auch<br />
wenn sie enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Innerhalb<br />
des suburbanen Raumes sind jedoch kaum öffentliche<br />
Verkehrsmittel vorhanden. Die selektive Wirkung der Suburbanisierungswanderung<br />
ist deutlich spürbar gewesen.<br />
Im suburbanen Raum wurden fast nur Weiße gesehen, die<br />
einen relativ hohen Lebensstandard führten, wogegen die<br />
Kernstadt mit ihrer kulturellen und sozialen Mischung in<br />
einem starken Kontrast steht.<br />
3.5 Kapitelfazit<br />
In dem vorangegangenen Kapitel wurde festgestellt, dass<br />
die Stadt Schaumburg im Staat Illinois beurteilt an den<br />
fünf Defi nitionspunkten von Garreau eindeutig eine Edge<br />
City ist. Die erforderliche Gesamt-Büro- und Einzelhandelsverkaufsfl<br />
äche wurde um ein vielfaches übertroffen.<br />
Auf einen Arbeitsplatz ließ sich zwar nur eine Wohnung<br />
zählen, jedoch wurde vermutet, dass die Bevölkerungszahl<br />
trotz des ausgeglichenen Zahlenverhältnisses tagsüber<br />
aufgrund der festgestellten riesigen Einkaufsfl ächen<br />
steigen kann. Die Wachstumsrate von Schaumburg<br />
macht deutlich, dass sie vor 30 Jahren als Stadt noch<br />
nicht bestand. Die festgehaltenen Zahlen in Bezug auf die<br />
Gesamt-Büro- und Einzelhandelsfl äche weisen auf ein<br />
Zentrum hin. Zudem liegt Schaumburg im Bereich eines<br />
Kreuzungspunktes und fällt somit in das Anordnungsmuster<br />
der Edge Cities.<br />
Die Untersuchung der Edge Cities Schaumburg ergab,<br />
dass auch hier das typische Bewohnermuster, also weiße<br />
Hautfarbe, hoher Bildungsgrad und gehobener Einkommensstandard,<br />
aufzufi nden ist. Der Großteil der Edge<br />
City Bewohner wohnt in eigenen Häusern und nur knapp<br />
28
Edge Cities<br />
ein Drittel ist innerhalb der letzten fünf Jahre umgezogen.<br />
Kernergebnis der Untersuchung war, dass sich die Edge<br />
City Bewohner aufgrund eines geringen Maßes an Kriminalität,<br />
wenig Einbrüchen, geringer Wahrscheinlichkeit ein<br />
Opfer von Gewalt zu werden, zuverlässiger Polizei und<br />
einem hohen subjektiven Sicherheitsgefühl im Freiraum, in<br />
ihrem Umfeld wohler fühlen als die Menschen in den bedroom<br />
suburbs oder der Kernstadt von Chicago. Zudem<br />
wurde aus der Zufriedenheit mit dem Freiraum-, Erholungs-<br />
und öffentlichen Schulangebot geschlossen, dass<br />
Schaumburg als geeigneter Ort angesehen wird um Kinder<br />
aufzuziehen. Getrübt wird diese Zufriedenheit durch das<br />
hohe Verkehrsaufkommen, den vielen Verkehrsstaus, der<br />
enormen Luftverschmutzung, dem Verkehrslärm und dem<br />
Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln. Zur Verbesserung<br />
dieser Situation würden 68% den Ausbau neuer Hauptstraßen<br />
und 80% die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs<br />
unterstützen. Als zusätzliches Problem<br />
wird der Mangel an öffentlichen Einrichtungen gesehen.<br />
Der Stadtrundgang durch Schaumburg ergab, dass die<br />
subjektive Wahrnehmung mit den zuvor gesammelten<br />
„theoretischen“ Erkenntnissen dieser Arbeit die durch Beobachtung<br />
feststellbar sind, weitestgehend konform ist. Die<br />
aufgestellten Vermutungen, dass Schaumburg als Zentrum<br />
wahrgenommen werden könnte und die Bevölkerungszahl<br />
aufgrund der Einzelhandelsfl ächen steigt, konnte nicht<br />
eindeutig geklärt werden.<br />
4. Gesamtresümee<br />
In diesem Bericht wurde deutlich, dass Suburbanisierung<br />
mehr als die Expansion der Stadt in ihr Umland ist,<br />
sondern zugleich ein Prozess der Dekonzentration von<br />
Bevölkerung, Produktion, Verwaltung und Handel bedeutet.<br />
Die Entstehung der Edge Cities ist in der dritten Welle der<br />
Suburbanisierung zu lokalisieren. In dieser Phase vollzog<br />
sich die Entwicklung der zerstreuten Ballungen aus<br />
Wohnen, Einkaufszentren und Bürotürmen im suburbanen<br />
Raum so rasant, dass in vielen Fällen die wirtschaftliche<br />
Bedeutung der Edge Cities die der traditionellen Kernstädte<br />
weit übertrifft.<br />
Bei der genaueren Beleuchtung des US-amerikanischen<br />
Umgangs mit der Ressource Fläche zu den herausgefundenen<br />
Hintergründen der Suburbanisierung konnte<br />
festgestellt werden, dass die besonders hervorzuhebenden<br />
Entstehungsbedingungen der Edge Cities,<br />
zum einen die geringe Nutzungskonkurrenz auf den zur<br />
Verfügung stehenden Flächen außerhalb der Kernstädte,<br />
auf denen die Edge Cities, ohne den Zielen der Flächennutzung<br />
verpfl ichtet zu sein und dadurch ohne öffentlichen<br />
Planungsprozess entstehen, sind. Zum anderen existiert<br />
kein bundeseinheitliches Planungsrecht. Zwischen den<br />
ärmeren und reicheren Gemeinden kommt es daher zu<br />
erheblichen interkommunalen Disparitäten. Zusätzlich gibt<br />
es keine verbindlichen Regionalpläne und kommunalen<br />
Flächennutzungspläne sowie gemeinsame regionalen<br />
Ziele.<br />
I. Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: eigene Quelle (In Anlehnung an Friedrichs, Jürgen:<br />
Stadtsoziologie. Leske + Budrich. Opladen, 1995.)<br />
Abb. 2: http://tigger.uic.edu/depts/ahaa/imagebase/maclean/aerials1/85.JPEG<br />
(Zugriff: 05.11.04)<br />
Abb. 3: Garreau, Joel: Edge City- Life on the new Frontier.<br />
Anchor Books. New York, 1991.<br />
Abb. 4: Garreau, Joel: Edge City- Life on the new Frontier.<br />
Anchor Books. New York, 1991.<br />
Abb. 5: http://www.jdneuhaus.com/gif/karte_usa_representatives.gif<br />
(Zugriff: 08.08.05)<br />
Abb. 6: http://www.tantec.com/cgi-fi les/mdmgfx/574-<br />
65358-11304s.jpg (Zugriff: 08.08.05)<br />
Abb. 7: Sööt, Siim, Assistant Professor 1995, University of<br />
Illinois at Chicago; 2102 Behavioral Science Building, Box<br />
4348; Chicago, III 60680. Chicago, 1995.<br />
Abb. 8-15: eigene Darstellung, Zahlen vom Metro Chicago<br />
Information Center/ Roosevelt University, Institute for<br />
Metropolitan Affairs (Hrsg.): Edge Cities or Edge Suburbs?<br />
Midwest Association for Public Opinion Research. Chicago,<br />
2002; Roosvelt University, Institute for Metropolitan<br />
Affairs (Hrsg.): Exploring Edge Cities- Report of a National<br />
Survey of Senior Planners. Chicago/Illinois, 2002.<br />
Abb. 16: eigene Quelle<br />
Abb. 17: eigene Quelle<br />
Abb. 29: überarbeitete Quelle. http://www.mapquest.<br />
com/maps/map.adp?searchtype=<br />
address&country=US&addtohistory=&searchtab=home&<br />
address=woodfi eld+mall&city=schaumburg&state=il&zipc<br />
ode= (Zugriff 28.10.2005)<br />
29
Stadtgestalt und Geschichte<br />
II. Quellenverzeichnis<br />
A. Literatur<br />
· Friedrichs, Jürgen: Stadtsoziologie. Leske +<br />
Budrich. Opladen, 1995.<br />
· Garreau, Joel: Edge City- Life on the new Frontier.<br />
Anchor Books. New York, 1991.<br />
· Garreau, Joel: “Edgier Cities”. In Wired, Issue<br />
3.12. December 1995.<br />
Verfügbar im Internet unter : http://www.wired.<br />
com/wired/archive/3.12/edgier.cities_pr.html<br />
· Metro Chicago Information Center/ Roosevelt<br />
University, Institute for Metropolitan Affairs (Hrsg.): Edge<br />
Cities or Edge Suburbs? Midwest Association for Public<br />
Opinion Research. Chicago, 2002.<br />
· Oberascher, Andreas. Stadtmarketing in den<br />
USA- Eine theoretische und praktische Auseinandersetzung<br />
anhand ausgewählter Projekte des Bundesstaates<br />
Illinois. Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.<br />
Wien, 2003.<br />
· Roost, Frank: Die Disnifi zierung der Städte-<br />
Großprojekte der Entertainmentindustrie am Beispiel des<br />
New Yorker Times Sqare und der Siedlung Celebration in<br />
Florida. Leske + Budrich. Opladen, 2000.<br />
· Roosvelt University, Institute for Metropolitan<br />
Affairs (Hrsg.): Exploring Edge Cities- Report of a National<br />
Survey of Senior Planners. Chicago/Illinois, 2002.<br />
· Wiegandt, Claus-C.: An den Grenzen des<br />
Wachstums- Eindrücke zur amerikanischen Stadtentwicklung<br />
Mitte der 90er Jahre. Bundesforschungsanstalt für<br />
Landeskunde und Raumforschung, Heft 3/1997. Bonn,<br />
1997.<br />
B. Internetseiten<br />
· http://www.marktplatz-schaumburg.de/shg-ill/<br />
(Zugriff 24.08.2005)<br />
30
Urbs in Horto<br />
Urbs in Horto – Die Stadt im Garten<br />
Parks und öffentliche Räume: ein Überblick über Chicagos Freiraumstrategien<br />
Sara-Louise Bergkvist & Marc Springer<br />
Abb. 1: Millenium Park und der CBD - Chicago‘s Gute Stube<br />
Chicago Urbs in Horto<br />
Urbs in Horto (Die Stadt im Garten) ist das Motto der Stadt<br />
Chicago seit ihrer Gründung. In ihren ersten Jahren ähnelt<br />
die Stadt allerdings eher einer Stadt im Sumpf denn einer<br />
in einem Garten. Ironischerweise kann als Garten auch<br />
das übelriechende Zwiebelfeld betrachtet werden, nach<br />
dem Chicago benannt wurde. Entgegen der anfänglichen<br />
Widrigkeiten der Pionierzeit stellt sich das Motto aber<br />
später als Prophezeiung heraus für die Entwicklung einer<br />
Kultur der Parks, Boulevards und öffentlichen Räume,<br />
die zumindest in Nordamerika ihresgleichen sucht. Dies<br />
ist auch dem stetigen Engagement der Bürger Chicagos<br />
zu verdanken für die Schaffung und den Erhalt der<br />
öffentlichen Grünfl ächen. Die städtischen Parks dienten<br />
lange als Testfeld für revolutionäre Ideen, Programme und<br />
soziale Initiativen. In der Tat wurden nahezu ein Viertel<br />
der 555 Parks in Chicago von einfl ussreichen Architekten,<br />
Künstlern und Landschaftsarchitekten geplant, unter<br />
ihnen Frederick Law Olmsted oder Daniel H. Burnham.<br />
(Bachrach 2001) Heute sind mit der Weiterentwicklung<br />
des Erbes der Stadt im Garten international erfolgreiche<br />
amerikanische Landschaftsplaner und Architekten betraut,<br />
wie Hargreaves, Gustafson oder Gehry.<br />
Parks und Boulevards<br />
Einige Jahre bevor Chicago 1837 in den Status einer Stadt erhoben<br />
wird, erfährt das Dörfchen am Chicago River einen Wachstumsschub.<br />
Das Board of Canal Comissioners plant den Illinois<br />
and Michigan Canal, in dessen Erwartung die Bevölkerung rapide<br />
ansteigt. Die Bewohner der wachsenden Stadt fürchten den Verkauf<br />
von Land am Lake Michigan für kommerzielle und industrielle<br />
Zwecke und beschließen im Rahmen eines Parzellierungsplan das<br />
Land am Lake Michigan zu öffentlichern Grünfl ächen zu erklären.<br />
Chicagos erste Parks werden geboren: Dearborn Park und Lake<br />
Park, letzterer wird später Teil des heutigen Grant Park.<br />
Im Jahr 1869 wird ein Skelettplan verabschiedet, der die<br />
Knochen eines neuen Parksystems beinhaltet, das durch<br />
ein Netzwerk von Boulevards verbunden wird. Dieses<br />
Boulevardsystem ist auch heute noch das Grundgerüst<br />
der Metropole, auf das sich die Qualität der Parks und<br />
öffentlichen Räume aufbaut.<br />
Die neue Ära<br />
Die Zukunft der Urbs in Horto will Bürgermeister Richard<br />
M. Daley seit 1989 sichern, indem er eine neue Ära von<br />
Begrünung, Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung<br />
der Chicagoer Parks einläutet. Die Parkbehörde Park District<br />
hat dabei weitgesteckte Ziele: Wiederbepfl anzung von<br />
31
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 2: Netzwerk von Freiräumen<br />
heruntergekommenen Parklandschaften, Schaffung hunderter<br />
Gärten in den Parks und einigen neuen Biotopen,<br />
die Rehabilitierung von Dutzenden von Parkstrukturen, der<br />
Bau neuer Umkleidegebäude bei Sportfl ächen sowie der<br />
Bau neuer Strandhäusern und Komfortstationen. Die Wartungsintervalle<br />
der Parks werden erhöht und die Nutzungskonzepte<br />
komplett überarbeitet. In Nachbarschaftsprogrammen<br />
werden Park Districts Mitarbeiter in Freizeit- und<br />
Betreuertätigkeiten geschult. So soll auf die Bedürfnisse in<br />
den Quartieren besser eingegangen werden.<br />
Grant Park<br />
Grant Park ist Chicagos zentraler Park, vorgelagert dem<br />
Hauptgeschäftsviertel, der alten City Chicagos. Als Teil<br />
des weitläufi gen Parksystems am Lake Michigan ist er der<br />
bedeutendste Freiraum der Stadt Chicago. Er hat eine<br />
lange Tradition als Ort für alle Chicagoer, für Musik und<br />
Sportereignisse.<br />
Von der Schutthalde zum Vorgarten<br />
Nach dem Großen Feuer von 1871 ist ein Großteil des<br />
Schutts in den Lake Michigan geschüttet worden. Das Areal<br />
des heutigen Parks entsteht so. Allerdings gibt es Ende<br />
des 19. Jahrhunderts Pläne, die als Park vorgesehene<br />
Fläche mit kommerziellen Gebäuden zu entwickeln. Aaron<br />
Montgomery Ward, ein Chicagoer Kaufmann, kämpft<br />
Abb. 3: Lageplan Grant Park<br />
in einer Reihe von Gerichtsverfahren über fast 20 Jahre<br />
für den Erhalt der Fläche als Stadtpark. So wird durch<br />
stetiges Bürgerengagement die der Weg zur Entstehung<br />
von Grant Park freigemacht. Als Resultat ist Grant Park<br />
heute eine Freifl äche, die als Vorgarten Chicagos großartige<br />
Blicke auf die Skyline der City zulässt.<br />
Der Plan<br />
Planer Daniel H. Burnham hat in seinem Plan of Chicago<br />
1909 für Grant Park ein Entwurfsschema vorgelegt in<br />
französischen Renaissance Stil komplett mit öffentlichen<br />
32
Urbs in Horto<br />
Abb. 4: Die Grant Park Band Shell im Süden von<br />
Hutchinson Field, 1933<br />
Gebäuden und Museen. Der Park entwickelte sich über<br />
die Jahre nur langsam, und zwar nach den vertiefenden<br />
Plänen von Edward. H. Bennett, dem Mitverfasser des<br />
Plan of Chicago.<br />
Der gesamte Park besteht aus einem Rahmenwerk aus<br />
Verbindungen und Achsen, die von Stadtgärten und Grünfl<br />
ächen, sogenannten Parkzimmern aufgefüllt werden. Die<br />
Körnung des Parks ist dabei bestimmt durch das Straßenraster<br />
der Stadt, das sich in der Anlage der Wegachsen<br />
niederschlägt.<br />
Abb. 5: Grant Part als Schutthalde, um 1920<br />
Die Clarence Buckingham Fountain ist das bauliche Glanzlicht<br />
von Grant Park. Sie wird 1927 von Kate Buckingham<br />
in Andenken ihres Bruders gestiftet und ist seinerzeit der<br />
weltgrößte dekorative Brunnen.<br />
Dominant ist die Zäsur durch die Bahnlinie der Illinois Central<br />
Railroad Corporation. Diese zieht sich durch die gesamte<br />
Länge des Parks in Nord-Südrichtung. Aber auch<br />
Lake Shore Drive und Columbus Drive sind signifi kante<br />
Zäsuren im Park, die im Moment kaum überbrückbar sind.<br />
Abb. 7: Buckingham Fountain<br />
33
Stadtgestalt und Geschichte<br />
Abb. 6: Blick von Grant Park auf die Gebäude der City<br />
Die Zukunft von Grant Park<br />
Der Framework Plan von Hargreaves Associates Landschaftsarchitekten,<br />
San Francisco, formuliert drei Ziele zur<br />
Entwicklung von Grant Park in der Zukunft:<br />
1. Die Wiederverbindung von City und Park sowie<br />
Park und Seeufer, und damit die Verknüpfung der<br />
Stadt mit dem See. Die bestehenden Zäsuren<br />
müssen dazu überbrückt werden.<br />
2. Die verschiedenen Parkblocks sollen wieder zu<br />
einer Einheit werden<br />
3. Entwerfen und verorten von wichtigen Funktionsergänzungen<br />
wie einem vorgesehenen landschaftsmodellierten<br />
Amphitheater, einem Festival- und Eventrundgang<br />
sowie Sporteinrichtungen, um den Park den künftigen<br />
Bedürfnissen der angrenzenden Quartiere, der Stadt und<br />
der Region anzupassen. (Hargreaves Ass., 2006)<br />
Das Grant Park Garden Overlay, erstellt von Gustafson<br />
Guthrie Nichol Landschaftsarchitekten, Seattle, ist die<br />
Vertiefung zum Framework Plan. Er arbeitet die landschaftlichen<br />
Qualitäten heraus und empfi ehlt Orte für<br />
Installationen und Füßgängerräume. Die im Plan entwickelten<br />
programmatischen Elemente verbessern die<br />
natürliche Schönheit des Parks und aktivieren seine Teile.<br />
(Gustafson Guthrie Nichol, 2006)<br />
Abb. 8: Grant Park Garden Overlay<br />
Millenium Park<br />
Millenium Park ist eine Ergänzung und ein Facelift von<br />
Grant Park über den nördlichen Teil der Bahnlinie an der<br />
Ecke Randolph Street und Michigan Avenue. Die Überdeckelung<br />
der Bahnlinie in diesem Teil von Grant Park<br />
schafft so einen riesigen Dachgarten auf einem Betondeck,<br />
der die City und Grant Park zumindest in diesem<br />
Bereich verschmelzt.<br />
Halb Garten/Grünfl äche, halb städtischer Platz thematisiert<br />
der Park das Urbs in Horto Motto. Millennium Park ist<br />
der jüngste und spektakulärste der 555 Chicagoer Parks.<br />
Abb. 9: Millennium Park im Bau, Dezember 2000<br />
34
Urbs in Horto<br />
Abb. 10: Plan Millennium Park<br />
Durch die starke Initiative von Bürgermeister Daley und fi -<br />
nanziellem Engagement mehrerer Wirtschaftsunternehmen<br />
konnte der Park als Public Private Partnership realisiert<br />
werden.<br />
Das Prinzip der Parkzimmer aus Grant Park wird hier<br />
übernommen. Millennium Park ist ein Block innerhalb des<br />
Rahmenwerkes von Grant Park, und seinerseits durch<br />
Blocks unterteilt. Diese Unterteilung ist eine Verlängerung<br />
des Rasterprinzips der umgebenen Strassen. Die Unterteilung<br />
schafft Teilräume mit diversen Programmen. Zentral<br />
steht dabei der Open Air Konzertbereich mit dem Jay<br />
Pritzker Pavillon des Architekten Frank O. Gehry mit dem<br />
Great Lawn. Hier wird an die Open Air Tradition der Jazzund<br />
Blues Metropole Chicago angeknüpft. Daneben bietet<br />
der Park aber auch Bereiche für verschiedene Aktivitäten,<br />
es gibt ein Restaurant, Chase Promenade wird mit beweglichen<br />
Ausstellungstafeln als Open-Air-Galerie benutzt,<br />
McCormick Tribune Plaza bietet den Chicagoern im Winter<br />
eine Eisbahn.<br />
Ein weiteres signifi kante Bauwerk ist das Cloud Gate,<br />
gestaltet vom Londoner Künstler Anish Kapoor, das als<br />
Touristeninformation eingerichtet wird.<br />
Abb. 11: Pritzker Pavillion mit Great Lawn<br />
Cloud Gate<br />
35
Abb 13: Stauden im Light Plate<br />
Lurie Garden<br />
Lurie Garden als Stadtgarten ist eine weitere Hommage an<br />
das Stadtmotto Urbs in Horto. Highlight des Gartens ist<br />
die 5 Meter hohe Shoulder-Hedge. Diese fasst den Garten<br />
auf zwei Seiten und schützt den empfi ndlichen Staudengarten<br />
vom Gewimmel der Konzertbesucher und von der<br />
Konzertmuschel. Diese riesenhafte, von einer stählenden<br />
‚Armatur’ geformte Struktur defi niert die außergewöhnliche<br />
Mächtigkeit der Hecke, wenn sie voll ausgewachsen die<br />
Menschen um sie herum klein erscheinen lässt und so<br />
dem Garten zu Stärke verhilft.<br />
Innerhalb des Gartens gibt es zwei Staudengärten, die<br />
Dark Plate, welche in ihrer Vegetation die frühe Geschichte<br />
des Ortes refl ektiert, und die Light Plate, deren Pfl anzen<br />
die helle Zukunft des Parks projizieren.<br />
Literatur:<br />
Bachrach, Julie Sniderman, The city in a garden: a photographic<br />
history of Chicago’s parks, Chicago 2001<br />
Tate, Alan: Great city parks, London 2001<br />
Internetquellen:<br />
Chicago Park District, http://www.chicagoparkdistrict.<br />
com/ Zugriff: 2006-01-29<br />
Gustafson Guthrie Nichol, http://www.ggnltd.com/ Zugriff:<br />
2006-01-29<br />
Hargreaves Asscociates, http://www.hargreaves.com/<br />
Zugriff: 2006-01-29<br />
Millenium Park Corp., http://www.millenniumpark.org/<br />
Zugriff: 2006-01-29<br />
Das Beleuchtungskonzept setzt sowohl die gigantische<br />
Hecke als auch die Wegeverbindungen mit den<br />
Wasserelementen bei Nacht in Szene.<br />
Abb. 12: Bild Hecke<br />
Abb. 14: Holzsteg und Wasserkanal<br />
36
Gewalt und Unsicherheit<br />
Entwicklungen und Trends der Chicagoer Kriminalitätsstatistiken – Ein Besuch an der North<br />
Western University bei Prof. Skogan, dem führenden Kriminalitätsspezialisten für Fragen<br />
bezüglich der Chicagoer Kriminalitätsentwicklung Stephan Rothenburg<br />
Abb. 1<br />
Im Rahmen eines dreistündigen Vortrages von Prof.<br />
Skogan wurden uns Einblicke in die interessanten<br />
Entwicklungen und aktuellen Trends der Kriminalität in<br />
Chicago und den USA gegeben.<br />
Basisdaten und Bevölkerungsentwicklung<br />
Anhand der Einwohnerverteilung in Chicago auf die unterschiedlichen<br />
Rassentypen wurde uns die Veränderung<br />
in der Bevölkerungszusammensetzung für die letzten 50<br />
Jahre aufgezeigt. Deutlich ist in Abbildung 1 zu erkennen,<br />
dass der Anteil der weißen Bevölkerung seit 1950 stetig<br />
abgenommen hat und derzeit auf dem gleichen Niveau<br />
des Lateinamerikanischen Bevölkerungsanteils liegt. Diese<br />
Gruppe, die bis in die 60er Jahre bei der Zusammensetzung<br />
der Bevölkerung eine sehr untergeordnete Rolle<br />
spielte, zählt heute zu den größten Einwanderergruppen in<br />
den gesamten USA. Interessant hierbei ist, dass der überwiegende<br />
Teil dieser Einwanderergruppe aus Mexikanern<br />
besteht. Der Anteil der schwarzen Bevölkerung konnte bis<br />
in die 80er Jahre noch Zuwächse verzeichnen, stagniert<br />
aber seit diesem Zeitpunkt, da Zuwanderungen aus dem<br />
Ausland und anderen Regionen in den USA ausgeblieben<br />
sind. Der Anteil an asiatischen Bevölkerungsgruppen liegt<br />
konstant auf einem niedrigen Niveau.<br />
Anhand der Abbildung 2 wurde uns aufgezeigt, wie sich<br />
der Suburbanisierungsprozess der besser situierten<br />
Weißen auf die Bevölkerungsverteilung in den unterschiedlichen<br />
Chicagoer Stadtquartieren ausgewirkt hat. Während<br />
die Weißen vorwiegend in die Einfamilienhaussiedlungen<br />
des Umlandes oder hochwertige Apartmentkomplexe der<br />
Innenstadt bzw. der nördlichen Uferlinie des Lake Michigan<br />
gezogen sind, konzentrieren sich die schwarzen und<br />
lateinamerikanischen Bevölkerungsgruppen überwiegend<br />
auf die sozial schwächeren Stadtquartiere in der Nähe des<br />
Abb. 2<br />
Kriminalität in Chicago<br />
Ausgehend von einer Kriminalitätsstatistik aus dem Jahre<br />
1991 (Abbildung 3) sollte uns im Folgenden der Kriminalitätsverlauf<br />
und dessen Ursachen in den letzten14 Jahren<br />
aufgezeigt werden.<br />
Auffallend bei der Statistik aus dem Jahre 1991 ist<br />
das insgesamt hohe Kriminalitätsniveau im Chicagoer<br />
Stadtgebiet. Die Hauptproblemgruppen auf die Rassen<br />
bezogen, liegen bei den sozial benachteiligten schwarzen<br />
Bevölkerungsgruppen, die mit weitem Abstand von den<br />
Lateinamerikanern gefolgt werden. Laut Aussagen von<br />
Prof. Skogan sind sowohl die lateinamerikanischen als<br />
auch die schwarzen Straftäter häufi g in Gangs organisiert.<br />
Während sich die Verbrechen der Schwarzen meist<br />
nur um materielle Themen wie Geld, Drogen und Waffen<br />
drehen, kommen bei den Lateinamerikanern auch noch<br />
Fragen der Ehre und Familienstreitigkeiten hinzu.<br />
Werden unabhängig von der Rassenzugehörigkeit<br />
die zusammengefaßten Entwicklungskurven der verschiedenen<br />
Kriminalitätskategorien betrachtet (Abbildung<br />
4), so ist gemeinhin seit der Mitte der 50er Jahre ein Anstiegstrend<br />
zu verzeichnen gewesen, der seinen Höhepunkt<br />
Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre fi ndet.<br />
Diese dramatische Entwicklung in der Kriminalitätsentwicklung<br />
wurde seitens der Kommune zum Anlaß genommen,<br />
neue Strategien zu entwickeln, um der steigenden<br />
Kriminalität erfolgreich zu begegnen.<br />
37
Kriminalität und Immigration<br />
Abb. 4<br />
Abb. 3<br />
Die neuen Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung<br />
Im Jahre 1993 begann die Chicagoer Polizei mit einem<br />
neuen, strategischen Programm dem Anstieg der Kriminalität<br />
entgegenzuwirken. Eine Erhöhung der Anzahl<br />
an Polizeibeamten kam laut Prof. Skogan aus fi nanziellen<br />
Gründen nicht in Frage, weshalb Änderungen in der<br />
Herangehensweise gefragt waren. Unter dem Namen<br />
CAPS (Chicagos Alternative Policing Strategy) organisieren<br />
sich bis heute eine Reihe von neuen Strategiepunkten der<br />
Polizei. Im Rahmen des Programms begann die Polizei<br />
gezielt in den einzelnen Quartieren zu agieren. Hierdurch<br />
wurde es möglich, auf die sehr differenzierten Problemstellungen,<br />
resultierend aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen,<br />
zu reagieren. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich<br />
wird, wurde hierzu das Chicagoer Stadtgebiet in einzelne<br />
strategische Untereinheiten, den sogenannten „beats“,<br />
aufgeteilt. Diese erlaubten es, den Kriminalitätsverlauf<br />
bzw. Problemstellungen des Stadtgebietes differenziert<br />
für die jeweiligen Untereinheiten zu betrachten und<br />
dementsprechende Vorgehensstrategien zu entwickeln.<br />
Ergänzt wurden die aktiven polizeilichen Maßnahmen<br />
durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der jeweiligen<br />
„beats“. Allen voran steht bis heute das Instrument<br />
„beat meeting“. Hierunter versteht sich eine öffentliche,<br />
monatlich stattfi ndende Fragestunde, bei der die Polizei<br />
eine Verbesserung des Kontaktes zur Bevölkerung des<br />
jeweiligen „beat“ sucht. Den Anwohnern wird im Rahmen<br />
einer Gesprächsrunde die Möglichkeit gegeben ihre<br />
Ängste und Sorgen mitzuteilen. Im Gegenzug berichtet die<br />
Polizei über aktuelle Maßnahmen und kann konkret darauf<br />
eingehen, in welcher Art, seitens der Polizei, auf die Problemlagen<br />
der Betroffenen reagiert werden kann.<br />
Über die „beat meetings“ hinausgehend, gelang es durch<br />
Kampagnen wie „we call the police“, bei denen Anwohner<br />
Schilder mit ebendiesem Aufdruck in ihre Fenster stellen,<br />
die soziale Kontrolle in den Quartieren zu erhöhen und auf<br />
diesem Wege die Bevölkerung aktiv in die Polizeiarbeit mit<br />
einzubeziehen.<br />
Organisierte Protestmärsche der Bevölkerung gegen die<br />
Gewalt und eine verstärkte Zusammenarbeit der Polizei<br />
mit anderen Organisationen rundeten das Maßnahmenpaket<br />
der Öffentlichkeitsarbeit ab.<br />
Wirkung der neuen Strategien<br />
Bei Betrachtung von Abbildung 6, die die Entwicklungen<br />
der Chicagoer Kriminalitätsdelikte seit Beginn des<br />
Programmstarts aufzeigt, wird deutlich, dass sowohl auf<br />
die unterschiedlichen Deliktkategorien als auch auf die<br />
Rassenzugehörigkeit der Straftäter bezogen, die Häufi g-<br />
keit der Straftaten per anno deutlich zurückgegangen ist.<br />
Während bspw. nach Abbildung 5 in den Jahren 1991-<br />
92 noch 52 „beats“ häufi g unter Raubüberfällen litten,<br />
könnte die Anzahl der „beats“ mit diesem Problem in den<br />
Jahren 2001-02 auf 4 vermindert werden. Korrespondierend<br />
mit den real sinkenden Kriminalitätsraten gelang<br />
es auch, das subjektiv empfundene Sicherheitsgefühl<br />
in der Bevölkerung stark zu verbessern. Wie Abbildung<br />
7 verdeutlicht, fühlten sich alters-, geschlechts- und<br />
einkommensübergreifend 2003 weit mehr Personen beim<br />
Verlassen ihrer Wohnung sicher, als dieses noch im Jahr<br />
1994 der Fall war. Wird bei dieser Betrachtung jedoch<br />
die Rasse berücksichtigt (Abbildung 8), so zeigt sich, das<br />
beim lateinamerikanischen Bevölkerungsteil der Rückgang<br />
der Angst entscheidend geringer ausfällt. Wird in diesem<br />
Zusammenhang die Sprachzugehörigkeit betrachtet, so<br />
ist das Ergebnis beim spanisch sprechenden Teil der Bev-<br />
38
Gewalt und Unsicherheit<br />
Abb. 5<br />
ölkerung noch wesentlich negativer. Hierin spiegelt sich,<br />
laut Prof. Skogan, ein Problem wider, das sich mit zunehmender<br />
Einwanderung mexikanischer Bevölkerungsschichten<br />
noch verstärken wird. Viele der neueren mexikanischen<br />
Einwanderer sprechen auch nach Jahren in den<br />
Vereinigten Staaten nur ihre Muttersprache, da sie in den<br />
mexikanischen Einwanderquartieren auf das Erlernen der<br />
englischen Sprache nicht angewiesen sind. Beim Erleiden<br />
krimineller Handlungen bzw. Kontakten mit der Polizei wird<br />
die Sprachbarriere zum Problem. Das Melden von Straftaten<br />
wird auf Grund der sprachlichen Probleme als auch der<br />
Abhängigkeit von der mexikanischen Gemeinschaft stark<br />
erschwert, welches sich in einer verstärken Angst ausdrückt.<br />
Ergänzend hierzu, resultiert beim mexikanischen<br />
Teil der Bevölkerung aus der Sprachbarriere auch ein, im<br />
Vergleich sehr geringes, Vertrauen in die Arbeit der Polizei,<br />
wie sich anhand von Abbildung 9 visualisieren läßt. Korrespondierend<br />
mit dem subjektiv geringen Sicherheitsgefühl<br />
der lateinamerikanischen Bevölkerungsschicht stieg, laut<br />
Abbildung 10, in dieser Bevölkerungsgruppe, prozentual<br />
gesehen, auf einer Skala von 0 bis 100 auch die Bedeutung,<br />
die den unterschiedlichen Arten von Kriminalität<br />
beigemessen wurden. Demgegenüber steht, dass in allen<br />
übrigen Bevölkerungsgruppen, unterschieden nach deren<br />
Rassenzugehörigkeit, die unterschiedlichen Straftatproblemstellungen<br />
in den vergangenen Jahren als weniger<br />
gravierend eingestuft wurden.<br />
Laut Prof. Skogan wird auch in den kommenden Jahren<br />
durch eine Amerikaweite Zunahme an mexikanischen<br />
Einwanderern die Verlagerung der Problemschwerpunkte<br />
Abb. 6 Abb. 7<br />
39
Kriminalität und Immigration<br />
der Kriminalität in die lateinamerikanischen Bevölkerungsschichten<br />
weiter ansteigen. Daher wird es sowohl in Chicago<br />
als auch in den übrigen USA verstärkt Aufgabe der<br />
Polizei sein, auf die hieraus resultierenden Problemstellungen<br />
mit speziellen Strategien zu reagieren, um die Ängste<br />
gegenüber der Polizei abzubauen.<br />
Abb. 8<br />
Abb. 9 Abb. 10<br />
40
Gewalt und Unsicherheit<br />
Zusammenfassung Gewalt und Unsicherheit<br />
Prof. Skogan, Northwestern University Evanston, Illinois<br />
Matthias Hoffmann<br />
Dass eine Metropole wie Chicago mir Problemen wie<br />
Gewalt und Verbrechen zu kämpfen hat, sollte spätestens<br />
seit den Aktivitäten des berühmt-berüchtigten Al Capone<br />
bekannt geworden sein.<br />
Gewalt ist etwas, das sich in Städten unter anderem in der<br />
Kriminalitätsrate in Form von Überfällen, Mord, Einbrüchen<br />
und anderen Gewaltdelikten niederschlägt. Oft ist Gewalt<br />
daher als ein Zeichen sozialer Spannungen als Folge<br />
sozialer Ungleichheiten (starke Disparitäten zwischen reich<br />
und arm) zu interpretieren.<br />
In Chicago spielt bei Betrachtung eines größeren Zeitraumes<br />
schon immer die Segregation von reichen<br />
Bewohnern im Norden und ärmeren Bürgern im Süden<br />
der Stadt eine Rolle. In jüngster Zeit kommen Gentrifi -<br />
zierungsprozesse in innenstadtnahen Bereichen hinzu und<br />
die daraus resultierende Verdrängung von Bewohnern aus<br />
Einrichtungen des sozialen Wohnungsbaus, die Projektentwicklern<br />
nach Vorstellung der HUD im Rahmen einer<br />
„sozialen, baulichen Bevölkerungserziehung“ weichen<br />
müssen, sowie eine starke, räumliche sozio-kulturelle Segregation<br />
nach Nationalitäten in verschiedenen Stadtteilen.<br />
Im Rahmen des Termins wurden von Prof. Skogan einige<br />
Aspekte zur sozio-kulturellen Segregation, der Einfl uss<br />
verschiedener Ethnien auf die Kriminalitätsstatistik, der<br />
Zusammenhang zwischen ethnischer Bevölkerungszusammensetzung<br />
und Sicherheitspolitik und die<br />
Besonderheiten der Reform der Chicagoer Polizeibezirke<br />
erläutert.<br />
Die Fakten:<br />
·Ethnische Bevölkerungszusammensetzung und polizeiliche<br />
„Härte“: Seit den 1950er Jahren hat sich die Zusammensetzung<br />
der Bevölkerung in Chicago nach Ethnien<br />
stark gewandelt – ebenso das Bild der Polizeiarbeit. In den<br />
1950er Jahren wurde Chicago von Bürgern weißer Hautfarbe<br />
deutlich dominiert. Afro-Amerikaner, Lateinamerikaner<br />
und Asiaten stellten Minderheiten dar. Lediglich farbige<br />
afrikanischer Abstammung machten einen wahrzunehmenden<br />
Teil der Bevölkerung aus. Die Vorgehensweise<br />
der Polizei war damals hart gegenüber Afro-Amerikanern.<br />
Bis in die 1980er Jahre sank der Anteil der weißen Bevölkerung<br />
jedoch auf knapp 1/3 ab. Ab der zweiten Hälfte<br />
der 1980er Jahre lebten in Chicago sogar mehr farbige<br />
Amerikaner als weiße. Dies hatte zur Folge, dass sich aus<br />
politischen Gründen die harte Gangart der Polizei gegen<br />
Farbige änderte und die erstarkende Gruppe der Latinos<br />
in den Fokus der Polizeiarbeit drängte.<br />
·Ethnische Kriminalität: Die Art der Kriminalität und<br />
Ausübung von Gewalt unterscheidet sich zwischen<br />
Weißen, Latinos, Asiaten und Afro-Amerikanern. So sind<br />
die Gangs der Afro-Amerikaner ca. 30-40000 Mitglieder<br />
stark, strukturiert und gut organisiert im Drogengeschäft<br />
tätig.<br />
Latino-Gangs sind ebenfalls im Drogengeschäft tätig, aber<br />
die Mechanismen der Gangs sind komplizierter. Die aus<br />
Latino-Gangs resultierenden Beiträge zur Kriminalitätsstatistik<br />
stammen aus Drogengeschäften, territorialen Kämpfen,<br />
sowie Konfl ikten aus „machismo“ Problemen (wie z.B.<br />
der Kampf um Frauen, Stolz u.ä.).<br />
Die Aktivitäten der vornehmlich weißen Mafi a beschränken<br />
sich eher auf Kreditvergabe, Glückspiel und den Bausektor.<br />
Die Anteile der verschiedenen Ethnien in den Kriminalitätskategorien<br />
Straßenkriminalität, Autodiebstahl, Einbruch,<br />
Bandengewalt und Straßendealerei variieren im Zeitverlauf.<br />
Bemerkenswert ist jedoch, dass in Chicago seit Mitte der<br />
1990er Jahre in fast allen die Gruppe der Latinos „führt“.<br />
Die Gründe für den Anstieg bei der Latino-Kriminalität<br />
liegen vor allem im kontinuierlichen Zuzug illegal Immigranten<br />
aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen<br />
Staaten. Von diesen spricht zu 2/3 niemand Englisch. Dies<br />
führt dazu, dass Arbeit lediglich informell verfügbar ist und<br />
gleichzeitig eine hausgemachte Segregation stattfi ndet.<br />
Ebenso wird die Polizeiarbeit stark erschwert – was sich<br />
u.a. in den äußerst niedrigen Beteiligungsraten in den<br />
Latino-Beats zeigt. Jede neu hinzugezogene Gruppe von<br />
Immigranten arbeitet für weniger Lohn als die vorherige.<br />
Die Folge ist, dass mit jedem Jahr die Gruppe der Latinos<br />
ärmer, schlechter ausgebildet und geografi sch konzentrierter<br />
wird, während im Gegensatz dazu die relativ kleine<br />
Gruppe der Asiaten kontinuierlich ihren Wohlstand solide<br />
vergrößert.<br />
Unsicherheit und Reform der Polizeiarbeit<br />
Die Polizei von Chicago hatte in den 1990er Jahren einen<br />
schlechten Ruf. Sie galt als ineffektiv, was vor allem auf<br />
den Grund zurückzuführen war, dass Streifen über das<br />
gesamte Stadtgebiet patrouillierten und somit über geringe<br />
Ortskenntnis und Bürgernähe verfügten (allerdings ist nicht<br />
auszuschließen, dass die Effektivität auch etwas mit der<br />
kurzen Ausbildungsdauer von nur 26 Wochen je Offi cer zu<br />
tun haben könnte [Montreal: 5 Jahre College]).<br />
Um die Arbeit effektiver zu gestalten, die Bürgernähe und<br />
das Gefühl der Sicherheit zu erhöhen, wurde das Konzept<br />
des „Community Policing“ eingeführt.<br />
Dazu wurde eine Gebietsreform durchgeführt und das<br />
Verwaltungsgebiet in 280 sog. „Beats“ unterteilt. Einem<br />
„Beat“ sind jeweils einige Polizeibeamte fest zugeord-<br />
41
Kriminalität und Immigration<br />
net. Durch die feste Zuordnung von Beamten zu einem<br />
„Beat“ wird ihre Arbeit und Effektivität kontrollierbarer. Dies<br />
wiederum führt zu einem gesteigerten Verantwortungsbewusstsein<br />
bei den Beamten für „ihren“ Beat, um den sie<br />
sich kümmern und dem alle Beamten einmal pro Monat in<br />
öffentlichen Sitzungen Rede und Antwort über ihre Arbeit<br />
stehen müssen.<br />
Des Weiteren wurde „public involvement“ zu einem wichtigen<br />
Bestandteil zur Erhöhung der Sicherheit in den Beats.<br />
„CAPS“ Gruppen übernehmen mit lautstarken Demonstrationen<br />
in diesem Konzept eigene Verantwortung im Beat<br />
- z.B. gegen den illegalen Verkauf von Einzelzigaretten in<br />
Spirituosengeschäften oder durch das Übermalen von<br />
Graffi tis.<br />
Im Rahmen des „Community Policing“ Konzepts wurde<br />
auch der Aufgabenbereich der Polizisten stark erweitert<br />
auch öffentliche Ärgernisse wie öffentliches Trinken von<br />
Alkoholika, Bettlerei und Versammlung/Herumhängen von<br />
Jugendlichen auf der Straße zu verhindern.<br />
Trends: Zwischen 1955 und 1990 deutete die Kriminalitätsstatistik<br />
in Chicago kontinuierlich auf einen Anstieg der<br />
Verbrechen bei Autodiebstählen, Einbrüchen, Raubüberfällen<br />
und Morden hin. 1990 wurde der Höhepunkt der<br />
Kriminalitätsrate erreicht, was auf die Einführung des<br />
HOPE VI Programms zurückzuführen ist, da dieses durch<br />
Umsiedlungen zu Störungen des Kräfteverhältnisses<br />
zwischen den Gangs führte und Bandenkriege um die<br />
Neuverteilung von Territorien auslöste.<br />
Trotz des Wandels in der Vorgehensweise der Polizei, hin<br />
zu einer „weicheren“ Gangart, verzeichnete Chicago in der<br />
Zeit zwischen 1991 – 2003 jedoch einen Rückgang der<br />
allgemeinen Kriminalitätsrate in den einzelnen Beats. Dieser<br />
Rückgang fand nach Aussage von Prof. Skogan vor<br />
allem in den schlimmsten Stadtteilen statt. Insbesondere<br />
Afro-Afrikaner profi tierten von diesen Tendenzen.<br />
42
The Devon Avenue<br />
The Devon Avenue - Colours of Asia Julia Spiering<br />
Entlang einer Straße<br />
Land für Land<br />
little India, little Pakistan, little Russia<br />
unsichtbare Grenzen<br />
ein schleichender Wandel<br />
von einer Kultur zur nächsten<br />
vom Sari zum Rabbi<br />
von Südasien nach Nordasien.<br />
Die Devon Avenue<br />
ein erster Ort des Ankommens<br />
für Fremde<br />
Familiennetzwerke, Heiratsmarkt, Green- Cards<br />
legal- illegal<br />
for life, forever?<br />
Die Devon Avenue das “Ellis Island”<br />
für Asiaten in Chicago ?<br />
Von der Ersten Generation<br />
bis zur Dritten<br />
Assimilation?<br />
Integration?<br />
Religion?<br />
große Widerstände<br />
kleine Wiederstände<br />
alles eine Frage der Kultur!<br />
43
Planungssystem<br />
Planungssystem - BRD und USA im Vergleich<br />
Von Matthias Hoffmann<br />
Übersicht<br />
1. Das Politisch-Administrative System der USA<br />
(Pre-Exkursions-Recherche)<br />
2. Föderalismus<br />
2.1 Defi nitionen<br />
2.2 Eigenschaften föderaler Systeme<br />
2.3 Aufgabenteilung im Föderalismus<br />
3. Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung<br />
und den Bundesstaaten<br />
4. Vergleich der Föderationen der USA und der<br />
BRD<br />
5. Die Verfassung von Illinois<br />
6. Die Planungslandschaft in Illinois<br />
7. Fazit: Stadtplanung USA vs. Stadtplanung BRD?<br />
1. Das Politisch-Administrative System<br />
der USA<br />
Einleitung<br />
Um die während der Exkursion gesammelten Eindrücke<br />
und Erfahrungen besser einordnen zu können, ist es oft<br />
hilfreich sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
zu befassen. Im Falle der Eindrücke aus dem Umgang<br />
mit verschiedenen, mit Stadtplanung betrauten Institutionen,<br />
ist es daher analog sinnvoll, sich mit den politisch-administrativen<br />
Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.<br />
Vor allem jedoch ist Stadtplanung in seiner institutionalisierten<br />
Form, mit den verschiedenen Verantwortlichkeiten<br />
von Behörden, dem Einfl uss der US-Bundesregierung in<br />
verschiedenen Bereichen ein Teil des föderalen Verwaltungsapparates.<br />
In den einzelnen Bundesstaaten variiert<br />
daher ihr Einfl uss.<br />
Im Rahmen dieses Textes sollen verschiedene Informationen<br />
zusammengetragen, die allgemeine Eigenschaften<br />
föderaler Systeme dargestellt, Daten zu den föderalen<br />
Systemen der USA und der BRD verglichen, und die Verfassung<br />
des Bundesstaats Illinois als Rahmen für die dortige<br />
Planung (im weiteren Sinne) auf Hinweise auf Planung<br />
untersucht werden. Daneben wurden noch einige der mit<br />
Planung in Illinois betrauten Akteure aufgelistet.<br />
Methodik & Quellen<br />
Um Informationen über Stadtplanung und Planung i. w.<br />
S. in den USA zu fi nden wurde vornehmlich per Internet<br />
recherchiert. Dabei fi el auf, dass sich die mit Stadtplanung<br />
befasste Literatur – anders als im deutschsprachigen<br />
Raum – eigentlich vorwiegend mit den verschiedenen<br />
Plänen oder Aufgaben von Planern beschäftigt, nicht<br />
jedoch mit den rechtlichen Instrumente der Planung.<br />
Dieser Eindruck wurde auch durch ein Telefonat mit Prof.<br />
Curt Winkle von der University of Illinois at Chicago bestärkt,<br />
der das sog. „Greenbook“ zum Einstieg in das US-<br />
Planungssystem (mit der Anmerkung, dass dies das Buch<br />
sei, welches Urban Planning Studenten i. d. R. lesen),<br />
empfahl. Im „Greenbook“ werden vor allem verschiedene<br />
Planungsarten vorgestellt, nicht jedoch rechtliche Instrumente.<br />
Auch Gespräche mit zwei mir bekannten Absolventen<br />
des Urban/Regional Planning Masterprogramms<br />
der University of Madison, Wisconsin ließen die Frage<br />
nach rechtlichen Instrumenten offen.<br />
2. Föderalismus<br />
Aus den Medien und der Beschäftigung mit den USA im<br />
Rahmen der Vorbereitung der Exkursion wird jedem wahrscheinlich<br />
schon mal aufgefallen sein, dass immer wieder<br />
die Rede von „Federal Bureaus“ oder „Federal Government“<br />
oder „State Governors“ gewesen ist. Doch was<br />
verbirgt sich hinter dem „federal“ eigentlich?<br />
Grundlage der folgenden Beschreibungen war das Buch<br />
„Comparative Government and Politics“ von ROD HAGUE<br />
und MARTIN HARROP (2001).<br />
2.1 Definitionen<br />
Bei einer Föderation handelt es sich laut einschlägiger politikwissenschaftlicher<br />
Literatur um eine Staatsform mit einer<br />
klaren Differenzierung zwischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />
der Bundesregierung (federal government)<br />
und den Bundesstaaten (state government).<br />
“Federalism…<br />
…is the principle of sharing sovereignty between central<br />
and state (or provincial) governments; a federation is any<br />
political system that puts this idea into practice.”<br />
Nicht zu verwechseln ist diese Staatsform mit der fast<br />
gleichnamigen „Konföderation“, welche eine lockerere<br />
Verbindung aus weitgehend unabhängigen Staaten ist<br />
(z.B. Konföderation der Amerikanischen Südstaaten im<br />
Amerikanischen Bürgerkrieg). Konföderationen haben<br />
aufgrund des Verbleibs der zentralen Autorität bei den<br />
einzelnen Bundesstaaten häufi g eine sehr schwache<br />
Zentralregierung. So wurde z.B. die ehemalige GUS auch<br />
als „zahnloser Bär“ bezeichnet, da die einzelnen Mitgliedsstaaten<br />
in wesentlichen Fragen ihre Souveränität<br />
behielten.<br />
“Confederation…<br />
…is a looser link between participating countries which<br />
retain their separate statehood. In a confederation, the<br />
decisions of the central authority apply to the component<br />
44
Deutschland und USA<br />
states, rather than directly to the citizens, and unanimity<br />
may be a condition of collective action.”<br />
2.2 Eigenschaften föderaler Systeme<br />
Die entscheidende Eigenschaft föderaler Systeme ist<br />
die Teilung der rechtlichen Souveränität zwischen zwei<br />
Regierungsebenen. Föderale Systeme bestehen aus einer<br />
Zentral-/Bundesregierung und mehreren Provinz-/Bundesstaats-/Landesregierungen,<br />
die jeweils spezifi sche<br />
Funktionen und Aufgaben wahrnehmen. Die Aufgaben<br />
und Funktionen der beiden Ebenen sind bestenfalls bereits<br />
in der Verfassung defi niert. Jedoch ist das so festgelegte<br />
Kräfteverhältnis im Zeitverlauf nicht als statisch zu<br />
sehen, sondern variiert in Abhängigkeit von verschiedenen<br />
Faktoren (ein besonders wichtiger Einfl ussfaktor sind z.B.<br />
fi skalische Regulierungen, die über die Verteilung fi skalischer<br />
Einkünfte – und somit die Selbstbestimmung von<br />
Bundesstaaten bestimmen).<br />
45
Planungssystem<br />
2.3 Aufgabenteilung im Föderalismus<br />
Im Gegensatz zu Einheitsstaaten (z.B. Großbritannien,<br />
Spanien) ist eine wichtige Eigenschaft des Föderalismus,<br />
dass es viele Ebenen von „Governance“ (die Art wie regiert<br />
wird) gibt.<br />
Die Zentralregierung hat in föderalen Systemen vorwiegend<br />
die Aufgabe sich um die externen Beziehungen<br />
(Verteidigung, Außenpolitik, Immigration) einer Nation zu<br />
kümmern und sollte sich in einem „echten“ Föderalismus<br />
– mit Ausnahme weniger Bereiche (z.B. Währungspolitik)<br />
aus der Innenpolitik heraushalten und somit die Souveränität<br />
der Bundesstaaten respektieren.<br />
Provinz-/Bundesstaats-/Landesregierungen hingegen<br />
nehmen den Großteil der öffentlichen Funktionen und<br />
Politikfelder für sich in Anspruch. Die Funktionen und<br />
Aufgaben können nur durch eine Veränderung der Verfassung<br />
verändert werden und ebenfalls im Zeitverlauf. Sie<br />
beinhalten in den USA und BRD z.B. Bildung und Strafverfolgung.<br />
Die Macht von Bundesstaaten hängt in der Regel<br />
von Zugeständnissen der Zentralregierung ab.<br />
In der nationalen Politik werden Bundesstaaten in föderalen<br />
Systemen meist durch eine eigene Versammlung<br />
(z.B. Oberhaus, Senat, Bundesrat) neben der Bundesregierung<br />
(Kongress, Bundestag) vertreten.<br />
Das Idealbild des Föderalismus sieht vor, dass alle Bundesstaaten<br />
den gleichen Einfl uss, die gleichen Aufgaben<br />
oder Autonomie haben. Jedoch gibt es auch Formen<br />
in denen dies nicht der Fall ist. Diese werden dann als<br />
„Asymmetrischer Föderalismus“ bezeichnet. Ein Beispiel<br />
dafür ist Spanien, wo einige Bundesstaaten als „autonome<br />
Gebiete“ über mehr Selbstbestimmungsrechte verfügen<br />
als andere.<br />
Theoretisch kann man also in einem föderalen System<br />
auch erwarten, dass es auch nach dem zum Föderalismus<br />
logischerweise gehörenden Subsidiaritätsprinzip, eine<br />
Selbstbestimmung für Kommunen oder Kreise gibt. Man<br />
könnte ebenso erwarten, dass es innerhalb der einzelnen<br />
Bundesstaaten in den USA ähnlich zur BRD Stadtplanung<br />
im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung, sowie Formen<br />
der Regionalplanung gibt. Anhand der „Wirksamkeit“ der<br />
verschiedenen institutionalisierten Planungsformen ließe<br />
sich dann möglicherweise eine Bewertung oder Charakterisierung<br />
des US-Amerikanischen Föderalismus vornehmen.<br />
3. Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung<br />
und den Bundesstaaten<br />
Föderalismus generiert allgemein Konfl ikte zwischen den<br />
beiden Regierungsebenen. Es haben sich daher verschiedene<br />
Modelle des Föderalismus herausgebildet.<br />
Der klassische Föderalismus der USA wird auch als dualer<br />
Föderalismus bezeichnet. Es handelt sich dabei um ein<br />
Modell getrennter Regierungsapparate, bei dem über die<br />
Idee, dass es einen Vertrag zur Bildung einer Zentralregierung<br />
mit begrenzten Funktionen zwischen den Bundesstaaten<br />
gibt, die Föderation zusammengehalten wird.<br />
Der Schwerpunkt liegt dabei jedoch auf der Wahrung der<br />
Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten.<br />
Dual federalism…<br />
…originally envisaged in the USA meant that the national<br />
and state governments in a federation retained separate<br />
spheres of action. Each level independently performed the<br />
tasks allocated to it by the constitution. in reality, the main<br />
feature of contemporary federations is interdependence<br />
rather than independence of levels<br />
Der europäische Föderalismus wurde hingegen 1949 von<br />
den Alliierten eingeführt und baut auf regionalen Traditionen<br />
auf, da hier andersartige Regierungsformen vorher<br />
dominant gewesen sind. Im Gegensatz zum US-Amerikanischen<br />
Föderalismus liegt die Betonung auf gewachsenen,<br />
organischen Strukturen und Bindungen, und<br />
weniger auf Unabhängigkeit als auf Kooperation zwischen<br />
verschiedenen Regierungsebenen, als Ausdruck eines<br />
geteilten Einsatzes für eine vereinigte Gesellschaft. Dabei<br />
ist der Zentralregierung in der Regel die Führung vorbehalten,<br />
während sich lokale Regierungen um Implementierungsangelegenheiten<br />
kümmern. Der Schwerpunkt liegt<br />
in Europa auf der Interdependenz zwischen verschiedenen<br />
Regierungsebenen.<br />
“Cooperative federalism…<br />
…practised in Germany, is explicitly based on the principles<br />
of cooperation and interdependence between levels.<br />
National and state governments are expected to collaborate<br />
in pursuit of the interests of the whole, a philosophy at<br />
odds with the contractual foundations of dual federalism”<br />
Einen besonderen Fall des Föderalismus stellt in Europa<br />
die Europäische Union dar:<br />
Sie wird als ein Hybrid aus Einheitsregierung (unitary<br />
government) und Föderation gesehen. Sie hat födera-<br />
46
Deutschland und USA<br />
tiven Charakter, da sie über starke Institutionen wie,<br />
die mächtige Kommission, einen starken Gerichtshof<br />
und ein direkt gewähltes Parlament verfügt. Ebenso<br />
gibt es keine Möglichkeit aus der EU auszutreten und<br />
die Mitgliedsstaaten müssen die Entscheidungen der<br />
EU Institutionen implementieren. Allerdings müsste für<br />
eine echte Föderation die Kommission dem Parlament<br />
unterstehen und es fehlt eine Vertretung der Minister der<br />
Mitgliedsstaaten in einem eigenen Organ.<br />
“Unitary government…<br />
…sovereignty lies exclusively with the central government.<br />
Subnational authorities, whether regional or local, may<br />
make policy as well as implement it but they do so by the<br />
permission of the centre.”<br />
Lokale Regierungseinheiten<br />
Sowohl in föderalistischen, als auch Staaten mit Einheitsregierung<br />
gibt es Kommunen, Städte oder Kreise. Wesentlich<br />
für unsere Betrachtung des US-Amerikanischen<br />
Planungssystems ist jedoch der stark unterschiedliche<br />
Status, den diese Regierungseinheiten in den USA und<br />
Europa haben. In den USA gibt es ca. 80000 Städte und<br />
Kommunen, Schulbezirke, Kreise und Sonderbezirke<br />
(special districts), deren Selbstbestimmungsrechte jedoch<br />
stark variieren. Der Status von lokalen Regierungseinheiten<br />
ist in Europa aufgrund der gemeinsamen Entwicklung der<br />
europäischen Politiksysteme mehr oder weniger identisch.<br />
Die Sicht auf die Rolle der Kommunen und Städte in den<br />
USA wird vornehmlich als pragmatisch und nutzenorientiert<br />
beschrieben:<br />
So wurden wohl lokale Autoritäten vor allem zu dem<br />
Zweck mit „roads, rates and rubbish“ umzugehen gegründet.<br />
Die große Diversität von Organisationen, gewählter<br />
oder ernannter “special boards”, welche spezifi sche Aufgaben<br />
erfüllen sollen (z.B. Insektenbekämpfung, Lizenzvergabe,<br />
Häfen, Entwässerung) lässt sich dadurch erklären,<br />
dass diese Organisationen apolitisch sein und ihre Aufgaben<br />
unabhängig von Parteieinfl üssen machen sollten.<br />
„…there is no Democratic or Republican way to collect<br />
garbage…“<br />
In Europa haben lokale Regierungen einen höheren<br />
Status als in den USA. Sie repräsentieren meist historisch<br />
geformte Kommunen, welche schon vor der Entstehung<br />
nationaler Regierungen entstanden waren. Im Gegensatz<br />
zu den USA wird z.B. im Grundgesetz der BRD bereits<br />
das Selbstbestimmungsrecht (general competence) der<br />
Gemeinden festgesetzt, welches Gemeinden erlaubt, alles<br />
für ihre Entwicklung Notwendige in Eigenverantwortung<br />
innerhalb der Grenzen bestehender Gesetze zu regeln.<br />
“General competence…<br />
…is the authority of local governments to make regulations<br />
in any matter of concern to the area. These regulations<br />
must be consistent with national law. The power of<br />
general competence signals the status of local government<br />
within the political system; where local government<br />
can only perform those functions explicitly granted by the<br />
center, as in England, its status is weak.”<br />
Fiskalische Kontrolle der Zentralregierung<br />
über die Regierungen der Bundesstaaten<br />
Trotz der konstitutionellen Trennung von Zentralregierung<br />
und den Regierungen der Bundesstaaten, kann eine Zentralregierung<br />
erhebliche Kontrolle über erstere ausüben.<br />
Dies kann sie vor allem mit Mitteln der Fiskalpolitik und<br />
den Grad der Dezentralisierung von Regierungsfunktionen<br />
erreichen.<br />
Fiskalische Mittel werden in föderalen Systemen mit Hilfe<br />
verschiedener fi nanzieller Bewilligungen (grants) verteilt. Je<br />
nach Verfügbarkeit von fi nanziellen Ressourcen verändert<br />
sich der Spielraum der Selbstbestimmung lokaler Regierungen.<br />
Die Bewilligungen können wie folgt unterteilt<br />
werden:<br />
• Kategorielle Bewilligungen: für spezifi sche Projekte<br />
(z.B. für ein Krankenhaus)<br />
• Block-Bewilligungen: für bestimmte Programme<br />
(z.B. Gesundheitsversorgung)<br />
• Teilung von Einkünften: allgemeine Finanzierung,<br />
die nur wenig Verwendungseinschränkungen beinhaltet<br />
• Ausgleichszahlungen: werden in manchen<br />
Föderationen (z.B. BRD) verwendet um fi nanzielle Unterschiede<br />
zwischen Bundesstaaten auszugleichen<br />
4. Vergleich der Föderationen der<br />
USA und der BRD<br />
Die weltweit Bekannteste Föderation ist mit Abstand<br />
wahrscheinlich die der USA. In Europa ist die bevölkerungsstärkste<br />
und wichtigste Föderation die BRD.<br />
Obwohl beide Systeme Föderationen sind, wird anhand<br />
der in Tab. 1 dargestellten Daten zu den beiden Ländern<br />
deutlich, dass sich föderale Systeme stark voneinander<br />
unterscheiden können.<br />
47
Planungssystem<br />
Tabelle 1: Gegenüberstellung der föderalen Systeme der<br />
USA und BRD (Daten aus HARGUE, 2001 und WWW.<br />
SPIEGEL.DE/JAHRBUCH, 2005)<br />
5. Die Verfassung von Illinois<br />
Da sich Planungen des öffentlichen Sektors in der<br />
einen oder anderen Weise auf eine gesetzliche Grundlage<br />
berufen müssen, wurde die Verfassung des Bundesstaates<br />
Illinois (www.ilga.gov/commission/lrb/conmain.<br />
htm, 2005) auf planungsbezogene Inhalte überprüft. Die<br />
Analyse ergab, dass in der Verfassung keine spezifi schen<br />
Planungsaufgaben gegeben werden.<br />
In der Präambel der Verfassung des Bundesstaates verschiedene<br />
Aufgaben für die Regierung des Bundesstaates<br />
gegeben, welche durchaus mit planerischen Aktivitäten<br />
zu tun haben. Zunächst bedeutet das, dass die Unabhängigkeit<br />
der Regierung des Bundesstaates von Illinois von<br />
der Bundesregierung unabhängig ist und einen eigenen<br />
Macht- und Gestaltungsraum besitzt.<br />
Aussagen der Präambel:<br />
• provide for the health, safety and welfare of the<br />
people<br />
• maintain a representative and orderly<br />
government<br />
• eliminate poverty and inequality<br />
• assure legal, social and economic justice<br />
• provide opportunity for the fullest development of<br />
the individual<br />
• insure domestic tranquillity<br />
• provide for the common defense<br />
In Artikel II, Sektion 1 „THE POWERS OF THE STATE“<br />
werden dann die Aufgaben und Mächte des Bundesstaates<br />
aufgeführt. Diese schreiben nach föderalem<br />
Modell die Trennung von Legislative, Exekutive und<br />
Judikative vor. In Sektion 2 „POWERS OF GOVERNMENT“<br />
folgt das Statement, dass die Macht der Regierung nicht<br />
durch die Verfassung begrenzt wird.<br />
Für räumliche Planung von Bedeutung wird erstmals Artikel<br />
IV “THE LEGISLATURE”, wo in Sektion 3 “Legislative<br />
Redistricting” Regeln für die Schaffung von legislativen und<br />
repräsentativen districts festgelegt sind, wonach beide<br />
kompakt, zusammenhängend und von gleicher Bevölkerungszahl<br />
sein sollen.<br />
In Sektion 8 – 13 wird der Erlass neuer Gesetze beschrieben,<br />
welche entweder durch beide Häuser des „General<br />
Assembly“ erlassen oder novelliert werden dürfen. Grundsätzlich<br />
gilt dabei, dass keine Sondergesetze oder lokalen<br />
Gesetze erlassen werden dürfen, wo allgemeine Gesetze<br />
angewendet werden können.<br />
Artikel V behandelt die Exekutive. Von Bedeutung ist dabei<br />
für Planungsinstitutionen Sektion 11, in welcher die Macht<br />
des Gouverneurs beschrieben wird. Demnach kann dieser<br />
Behörden durch Verfügung reorganisieren oder Funktionen<br />
neu verteilen, welche ihm direkt zugeordnet sind. In Sektion<br />
17 und 18 werden noch die weiteren Aufgaben des<br />
Revisionsbeamten und des Schatzmeisters beschrieben.<br />
Erinnern wir uns kurz an die fi skalischen Planungsinstrumente,<br />
durch welche mit Hilfe von verschiedenen „grants“<br />
oder Subventionen Budgets lokaler Regierungen bestimmt<br />
werden und somit deren Planungsspielraum eingeschränkt<br />
oder erweitert wird. Das bedeutet, dass mit Hilfe von<br />
Artikel V eine weitere Möglichkeit für die Regierung des<br />
Bundesstaates geschaffen wird, den Planungsspielraum<br />
von lokalen Regierungseinheiten durch Reorganisation<br />
behördlicher Strukturen zu beschränken oder zu erweitern.<br />
Artikel VI, Sektion 2 führt eine weitere Einteilung des Bundesstaates<br />
Illinois ein: die „Judical Districts“. Von diesen<br />
existieren 5 + 4 (Cook County) für die Wahl der Richter des<br />
Obersten- und Berufungsgerichtshofes.<br />
Für die Stadtplanung am wichtigsten ist Artikel VII der<br />
Verfassung von Illinois. Hier wird die Rolle der „Local Governments“<br />
defi niert. Zunächst von Bedeutung ist dabei die<br />
Frage, was sind „municipalities“ und „units of local government“.<br />
Diese werden in Sektion 1 beschrieben:<br />
· „Municipalities“ sind Städte, Dörfer und einge<br />
meindete Ortschaften<br />
· „Units of Local Government“ umfasst Landkreise,<br />
Stadtgemeinden, Gemeinden, Spezialbezirke (special districts)<br />
und Einheiten, welche per Gesetz als Einheiten von<br />
lokalen Regierungen ausgewiesen sind, welche begrenzte<br />
staatliche Gewalt oder Gewalt mit Bezug auf begrenzte<br />
Regierungsthemen ausüben, außer Schuldistrikte.<br />
In Sektion 2 „COUNTY TERRITORY, BOUNDARIES AND<br />
SEATS“ wird die Neuformierung, Konsolidierung, Zusammenlegung,<br />
Teilung und Aufl ösung von Landkreisen durch<br />
das „General Assembly“ beschrieben. Dies kann nur durch<br />
Referendum geschehen.<br />
County Boards (Sektion 3) (Landkreisräte) sollen in allen<br />
Landkreisen gewählt werden. In Cook County wird der<br />
48
Deutschland und USA<br />
Landkreisrat durch Chicago und einen Teil außerhalb Chicagos<br />
gewählt. In Sektion 4 wird wiederum beschrieben,<br />
welche Aufgaben ein Landkreis selbst übernehmen kann.<br />
Dazu gehören die Wahl eines Sheriffs, Landkreissekretärs<br />
(county clerk) und Schatzmeister, sowie Untersuchungsrichter,<br />
Schreiber, Assessor und andere Beamte, welche<br />
vom Gesetz vorgesehen sind.<br />
Relevanter sind jedoch die Regeln für die Entstehung von<br />
„Townships“ (Sektion 5) und „POWERS OF HOME RULE<br />
UNITS“ (Sektion 6). Townships werden in den Landkreisen<br />
durch Referendum gegründet, können konsolidiert<br />
oder vereinigt, aufgelöst oder geteilt werden. Home Rule<br />
Units (HRU) sind solche Stadtgemeinden, welche > 25000<br />
Einwohner haben. Diese können jede Macht ausüben und<br />
jede Funktion, welche ihre Regierung und tägliche Arbeiten<br />
betreffen. Dazu gehören die Macht zur Regulierung und<br />
dem Schutz der öffentlichen Gesundheit (public health),<br />
Sicherheit, Moral und Wohlfahrt, die Vergabe von Lizenzen,<br />
die Erhebung von Steuern und Schulden zu machen.<br />
Weiter darf eine HRU ihre eigene lokale Regierung und<br />
Verwaltung bilden und dazu eigene Beamte auszuwählen.<br />
Grenzen sind bei der Festlegung und Bestrafung von<br />
Straftaten gesetzt. Die Verschuldungsgrenze von HRU<br />
wird vom General Assembly aufgrund der Grundsteuer<br />
bestimmt. Das Generel Assembly darf die Macht der HRU<br />
nicht einschränken. Die Mächte und Funktionen von HRU<br />
sollen liberal ausgelegt werden.<br />
In Sektion 7 werden „COUTIES AND MUNICIPALITIES<br />
OTHER THAN HRU“ beschrieben. Diese haben nur solche<br />
Rechte, die per Gesetz vorgeschrieben worden sind.<br />
Sowohl HRU und nicht HRU’s dürfen mit anderen Counties<br />
kooperieren.<br />
Neben diesen Einheiten gibt es noch „School Districts“<br />
und „Units of Local Government other than Counties and<br />
Municipalities“, deren Typen und Aufgaben in Sektion 8<br />
aufgeführt sind: In diese Kategorie fallen Stadt Gemeinden,<br />
Schuldistrikte, Spezialdistrikte und andere, welche jedoch<br />
keine langfristigen Schulden machen dürfen.<br />
Kooperation und Verträge zwischen einzelnen Einheiten<br />
lokaler Regierungen, sowie Schuldistrikts, zum Bundesstaat,<br />
zu anderen Bundesstaaten und zur Bundesregierung<br />
dürfen initiiert werden (Sektion 10 „INTERGOV-<br />
ERNMENTAL COOPERATION“). Dabei kann es sich um<br />
den Transfer, die Ausübung oder Kombination von Funktionen<br />
handeln, sofern nicht per Gesetz verboten. Ebenfalls<br />
können auch Verträge und Bindungen mit Individuen,<br />
Vereinigungen und Firmen eingegangen werden. Über ihre<br />
Finanzen dürfen die beteiligten Regierungseinheiten selbst<br />
entscheiden.<br />
Artikel VIII behandelt das Thema Finanzen. Dabei wird<br />
interessanterweise in Sektion 2 „STATE FINANCE“ erwähnt,<br />
dass das jährliche Budget für alle Bereiche, außer<br />
für „units of local government or school districts“ von der<br />
Regierung aufgestellt werden soll. Dies bedeutet, dass für<br />
lokale Regierungen und Schuldistrikte entsprechend föderalistischer<br />
Prinzipien auch in Illinois ein relativ hoher Grad<br />
an Planungsfreiheit besteht. Der wahre Planungsfreiraum<br />
hängt dann jedoch wiederum davon ab, wie viele Hürden<br />
bei der Beschaffung von fi nanziellen Mitteln zu überwinden<br />
sind.<br />
Die Selbstbestimmung der lokalen Regierungen kann<br />
jedoch in Sektion 4 „SYSTEMS OF ACCOUNTING,<br />
AUDITING AND REPORTING” durch die Vorgabe der Art,<br />
wie das Buchhaltungssystem auszusehen hat und welche<br />
Reports wann einzureichen sind, eingeschränkt sein.<br />
Staatseinnahmen durch Besteuerung und Abgaben können<br />
nur durch das General Assembly festgesetzt werden,<br />
sofern es nicht anders in der Verfassung genannt wurde.<br />
Die Macht zur Besteuerung kann nicht anderweitig vergeben<br />
werden (Artikel IX – REVENUE, Sektion 1).<br />
Für die Stadtplanung von Relevanz sind wiederum die Grundsteuern.<br />
Diese werden in den Sektionen 4-6 beschrieben.<br />
Grundsteuern sind in Illinois allgemein gleich hoch,<br />
wobei das „General Assembly“ privates Grundeigentum<br />
klassifi zieren kann und Staatseigentum, sowie religiöse<br />
oder landwirtschaftliche Flächen ausgenommen werden<br />
können.<br />
In Artikel X wird das Politikfeld Bildung angesprochen und<br />
die Gründung eines Bildungsrates mit einem ernannten<br />
Chief State Educational Offi cer festgesetzt. Weitere Gesetzt<br />
regeln diesen Bereich.<br />
Abschließend wird in Artikel XI „ENVIRONMENT“, Sektion<br />
1 der Schutz einer gesunden Umwelt festgesetzt, und<br />
dass Umweltpolitik in diesem Sinne vom “General Assembly”<br />
umgesetzt werden muß.<br />
6. Die Planungslandschaft in Illinois<br />
Eine Betrachtung der „Planungslandschaft“ des Bundesstaates<br />
Illinois lässt eher einen systematischen Bezug<br />
zum föderalen System erkennen, als zur Verfassung.<br />
Anhand der nun folgenden Aufl istung von Agencies,<br />
Departments und Associations (WWW.ILAPA.ORG, 2005)<br />
49
Planungssystem<br />
lassen sich die Trennungen von Kompetenzen zwischen<br />
den beiden Ebenen im Föderalismus erkennen. Neben<br />
den aufgelisteten Organisationen gibt es auch noch eine<br />
Vielzahl privater Planungs-, Architektur- und Ingenieurbüros,<br />
Bürgerinitiativen und NGOs, die jedoch an dieser<br />
Stelle nicht alle erwähnt werden können.<br />
Zentralregierungseinrichtungen<br />
• US Congress - House of Representatives<br />
• US Congress – Senate<br />
• US Environmental Protection Agency<br />
• US Bureau of Land Management<br />
• US Census Bureau<br />
• Empowerment Zones and Enterprise<br />
Communities<br />
• Federal Emergency Management Agency<br />
• US Economic Development Administration<br />
• US Department of Transportation<br />
• National Center for Geographic<br />
Information & Analysis<br />
• National Geodetic Survey<br />
• Committee for Economic Development<br />
• American Economic Development Council<br />
• Federal (National APA website)<br />
Bundesstaatliche Einrichtungen<br />
• Illinois Enviromental Protection Agency<br />
• Illinois Housing and Development Authority<br />
• Illinois Historic Preservation Agency<br />
• Illinois Department of Commerce and<br />
Community Affairs<br />
• Illinois Department of Natural<br />
Resources Legislation<br />
• State of Illinois General Assembly<br />
Transportation<br />
• Illinois Department of Transportation<br />
Geographic Information Systems (GIS)<br />
• Illinois GIS Association (ILGISA)<br />
• Illinois Natural Resources Geospatial<br />
Data Clearinghouse Economic Development<br />
• Illinois Tax Increment Association<br />
• Council for Urban Economic Development<br />
• International Economic Development Council<br />
Continuing Education<br />
• University of Illinois at Urbana-Champaign<br />
Department of Urban and Regional Planning<br />
Allgemein mit Planung befasste Einrichtungen<br />
• American Planning Association (APA)<br />
• American Institute of Certifi ed Planners<br />
• Center for Advanced Public Safety Research<br />
• Community Development Society<br />
• Cyburbia - Urban Planning Portal<br />
• Housing and Urban Development (HUD)<br />
• Kids and Community (planning fun for kids)<br />
• Land Use Planning Information Network<br />
• Planner Commissioner’s Journal<br />
• Planning Newsgroup<br />
• Planetizen<br />
• Smart Growth Network<br />
• State and Local Government on the Net<br />
• The Urban Institute<br />
• The Urban Land Institute<br />
• National League of Cities<br />
• National Association of Counties<br />
7. Fazit: Stadtplanung USA vs.<br />
Stadtplanung BRD<br />
Um die Analyse des US-Planungssystems abzurunden<br />
sollte eigentlich eine Betrachtung der Planungsgesetzgebung<br />
nicht fehlen. Dieser eigentlich für das Verständnis<br />
des US-Planungssystems sehr wichtige Teil konnte jedoch<br />
leider auch nach der Exkursion nicht behandelt werden,<br />
da sich weder während der Exkursion, noch mittels Fernleihen<br />
adäquate Literatur beschaffen ließ. Dennoch sollten<br />
die während der Suche angestellten Beobachtungen<br />
festgehalten werden:<br />
1) Sammlungen von Gesetzestexten zur Stadtplanung<br />
waren weder in Spezial- noch in <strong>Universität</strong>sbuchhandlungen<br />
zu fi nden.<br />
2) Sammlungen von Gesetzestexten zur Stadtplanung<br />
sind scheinbar nur über die APA (American Planning Association)<br />
erhältlich.<br />
3) Sammlungen von Gesetzestexten zur Stadtplanung<br />
sind im Gegensatz zur BRD sehr teuer.<br />
4) In Büchern, die von Lehrenden für Vorlesungen im<br />
Stadtplanungsstudium verwendet werden, gibt es fast<br />
keine Verweise auf Gesetze.<br />
5) In den Lehrplänen lassen sich keine gesonderten Vorlesungen/Seminare<br />
zum Planungsrecht fi nden.<br />
Am Fehlen dieser Literatur liegt es wohl auch, dass es<br />
manchmal schwierig ist während der Exkursion angestellten<br />
Beobachtungen so zu beurteilen, dass daraus<br />
Schlüsse auf die Qualitäten der unterschiedlichen Planungssysteme<br />
möglich werden.<br />
Es ließ sich feststellen, dass aus der Verfassung des<br />
Bundesstaates Illinois mit Ausnahme der „provide for…“-<br />
Aufträge in der Präambel keine expliziten Hinweise für die<br />
Handhabe von Planung ersehen lassen. Allerdings wird<br />
anhand der Verfassung deutlich, dass es eine Vielzahl von<br />
50
Deutschland und USA<br />
Stellschrauben innerhalb des Föderalismus bieten um Einfl<br />
uss auf lokale Stadtplanung auszuüben, und dass diese<br />
Faktoren letztendlich bei einer Beurteilung der Leistungen<br />
lokaler Planung mit einbezogen werden müssen.<br />
Dennoch lässt sich vermuten, dass „die“ institutionalisierte<br />
Stadtplanung in Deutschland aufgrund des in der Verfassung<br />
verankerten Selbstverwaltungsrechts der Kommunen<br />
einen besseren Stand hat, als in den USA.<br />
Quellen<br />
HAGUE, R., M. HARROP: “Comparative Government and<br />
Politics: An Introduction”, 5th Edition, Palgrave, 2001<br />
Hoch, C. J.: „The Practice of Local Government Planning<br />
(/The Greenbook)“, Municipal Management Series, 2000<br />
Internet<br />
WWW.ILGA.GOV/COMMISSION/LRB/CONMAIN.HTM:<br />
„Constitution of the State of Illinois“, August 2005<br />
WWW.ILAPA.ORG, August 2005<br />
WWW.SPIEGEL.DE/JAHRBUCH, August 2005<br />
51
Planungssystem<br />
Stadtplanung & Planerausbildung in den USA<br />
Ein Gespräch im Great Cities Institute Chicago Matthias Hoffmann<br />
Am Donnerstag, den 20. Oktober 2005 (14:00 h OT) fand im Rahmen der Stadtplanungsexkursion „TUHH Chicago 2005“<br />
ein Besuch der University of Illinois at Chicago (UIC) im Great Cities Institute statt. Zu dem Termin geladen hatte Prof.<br />
Curtis Winkle, der Direktor des College for Urban Planning & Public Administration (CUPPA) Programms der <strong>Universität</strong>.<br />
Im Rahmen des Gesprächs sollten Fragen zum Aufbau von Stadtplanungsinstitutionen, dem US/Illinois Planungsrecht und<br />
zur Stadtplanerausbildung erörtert werden.<br />
Der Termin mit dem Leiter des CUPPA, Prof. Curtis Winkle,<br />
sowie der Leiterin des Verkehrsplanungsprogramms Prof.<br />
Vonu Thakuriah gliederte sich in drei Teile: 1) Vorstellung<br />
der UIC, des CUPPA und Planerausbildung, 2) Vorstellung<br />
des Planungssystems und Planergehälter, und 3) anschließende<br />
Diskussion. Während des Gesprächs konnten<br />
leider die Aspekte des Planungsrechts nicht behandelt<br />
werden.<br />
Die University of Illinois at Chicago – College<br />
of Urban Planning & Public Affairs<br />
Als eine der drei großen <strong>Universität</strong>en in Chicago ist die<br />
University of Illinois at Chicago als einzige staatlich und<br />
konzentriert sich mit ihren Forschungsschwerpunkten<br />
- im Gegensatz zu den beiden anderen – vornehmlich auf<br />
Probleme der Metropolregion Chicago. Die Studien- und<br />
Forschungsschwerpunkte sollen vornehmlich den Bedürfnissen<br />
der städtischen Umgebung dienen. So kann man<br />
an ihr sowohl am Tag, als auch am Abend studieren, was<br />
der arbeitenden Bevölkerung zugute kommt.<br />
Das Great Cities Institute<br />
Um Forschern immer wieder „Realitätsbezug“ zu geben,<br />
wurde das Great Cities Institute gegründet, an welchem<br />
jeweils für die Dauer eines Jahres Forscher aus verschiedensten<br />
Disziplinen mit Bezug auf Städte arbeiten.<br />
Daneben werden hier immer wieder neue Initiativen der<br />
interdisziplinären urbanen Forschung gegründet und unterstützt.Quelle:<br />
http://www.uic.edu/cuppa/gci/<br />
Planerausbildung<br />
Eine andere bemerkenswerte Trennung ist die Aufteilung<br />
zwischen „Urban Planning“ und „Public Policy“ orientierten<br />
Ausbildungen in den USA. Anhand der verschiedenen<br />
Curricula ergibt sich der Eindruck, dass sich „Urban<br />
Planning“ eher auf Stadtentwicklung, losgelöst von der<br />
öffentlichen Verwaltungstätigkeit und anderen Politikfeldern<br />
konzentriert. Hingegen liegt der Schwerpunkt bei „Public<br />
Policy/Administration“ auf dem Management von Aufgaben<br />
wie z.B. in Sozialbehörden, Sicherheitseinrichtungen,<br />
Krankenhäusern und vielen anderen Organisationen des<br />
öffentlichen Sektors.<br />
Das Stadtplanungsstudium ist in den USA anders strukturiert<br />
als in Deutschland. Die Gründe lassen sich in der<br />
unterschiedlichen Entwicklung der Stadtplanungsprofession<br />
fi nden. So entwickelte sich die Stadtplanung in<br />
Deutschland aus der Architektur heraus. Im Gegensatz<br />
dazu fand die Entwicklung der Stadtplanung in den USA<br />
ihren Ursprung in den sog. Social Sciences. Dazu gehören<br />
Politikwissenschaften, Volkswirtschaft und die Sozialwissenschaften.<br />
In der Planerausbildung wird häufi g aufgrund<br />
herrschender Trends in Ökonomie, Politikwissenschaften,<br />
Statistik und anderen Disziplinen eine stärker quantitative<br />
Herangehensweise – häufi g mit starkem GIS-Einsatz<br />
– vermittelt.<br />
Innerhalb der beiden Grundrichtungen Public Administration<br />
und Urban Planning wird Studenten die Möglichkeit<br />
geboten sich über fortgeschrittene Kurse zu spezialisieren.<br />
Im Bereich Stadtplanung werden dabei fünf verschiedene<br />
Schwerpunkte angeboten. Die verschiedenen<br />
Vertiefungsmöglichkeiten sind in Tab. ??? dargestellt.<br />
Der Weg in die Stadtplanerausbildung erscheint am<br />
CUPPA (sowie anderen US-<strong>Universität</strong>en auch) fl exibler als<br />
an deutschen <strong>Universität</strong>en zu sein. So wird für die Graduate<br />
Programs ein breiteres Spektrum an Vorqualifi kationen<br />
anerkannt und somit die Diversität von gesammelten Erfahrungen<br />
in den Studiengängen aufgrund verschiedener<br />
Hintergründe erhöht.<br />
Vorstellung des Planungssystems und Planergehälter:<br />
Planungssystem<br />
Es wurde zunächst ein kurzer Überblick über den Föderalismus<br />
der USA gegeben und auf die Verteilung von Kompetenzen<br />
zwischen Bundesregierung, den Regierungen der<br />
einzelnen Bundesstaaten, sowie der Städte eingegangen.<br />
Anhand des Beispiels von Chicago wurde die aus dem<br />
Termin beim NIPC bekannte Trennung von verschiedenen<br />
Planungsbereichen (Verkehrsplanung, Stadtplanung u.a.)<br />
noch einmal aufgegriffen und auf die kommende administrative<br />
Fusion der Regionalplanung mit der Verkehrsplanung<br />
im Jahr 2006 hingewiesen. Diese waren bisher<br />
getrennt und sollten auch in der Praxis – wie bereits am<br />
CUPPA vorgemacht – in Zukunft näher miteinander zusammenarbeiten.<br />
52
Stadtplanung und Planerausbildung in den USA<br />
Quelle: http://www.uic.edu/cuppa/<br />
53
Planungssystem<br />
Planergehälter<br />
Ähnlich wie in der BRD gibt es auf das Staatsgebiet der<br />
USA verteilt regionale Variationen in der Höhe der Planergehälter.<br />
Im Distrikt von Columbia und Kalifornien verdienen<br />
50% der Planer mehr als US$ 75.000 pro Jahr (Brutto)<br />
und liegen damit an der Spitze in den USA, während am<br />
unteren Ende der Gehälter die Bundesstaaten Wisconsin<br />
und Oregon mit durchschnittlich US$ 58.000 liegen. Der<br />
Bundesstaat mit den meisten Planern ist Kalifornien (1290)<br />
und mit den wenigsten ist Alaska (26).<br />
Die durchschnittlich höchsten Gehälter werden sowohl bei<br />
Institutionen der Bundesregierung, als auch in der Wirtschaftsförderung<br />
gezahlt. Das Einkommen bei Betätigungen<br />
auf städtischer Ebene lohnt sich in den meisten Fällen<br />
gegenüber Beschäftigungen auf Bezirks oder Bundesstaatsebene<br />
aufgrund leicht höherer Bezahlung noch, während<br />
die Gehälter in den intermediären Institutionen der<br />
Regional- bzw. Raumplanung am niedrigsten liegen.<br />
Unterschiede in der Entlohnung scheinen sich auch in<br />
Abhängigkeit von der Mitgliedschaft in der AICP – dem<br />
American Institute of Certifi ed Planners – zu ergeben.<br />
So verdienen zertifi zierte Planer im Durchschnitt ca. US$<br />
12.000 mehr pro Jahr als Planer ohne Mitgliedschaft.<br />
Die Zertifi zierung der AICP wird nach mindestens zweijähriger<br />
Berufstätigkeit durch kontinuierliche Fortbildungen<br />
und bei der AICP abgelegte Prüfungen erlangt. Sie muß im<br />
Abstand weniger Jahre immer wieder erneuert werden.<br />
Quelle: http://www.planning.org/salary/summary.htm<br />
54
Stadtplanung und Planerausbildung in den USA<br />
Personalien<br />
Curtis Winkle PH.D<br />
Prof. Curtis Winkle ist Direktor des Urban Planning Programms<br />
am CUPPA. Er studierte einen B.Sc. in Urban<br />
Studies und später einen M.C.R.P.. Über seinen PH.D<br />
spezialisierte er sich auf informelle Gesundheitsplanung<br />
im tertiären Sektor und forscht auch heute noch über HIV,<br />
Gesundheitsplanung und andere Public Health bezogene<br />
Themen.<br />
Vonu Piyushimita Thakuriah PH.D<br />
Prof. Thakuriah ist Direktorin der Forschungsprogramme<br />
im Urban Transport Center, sowie Assistant Professor<br />
im Stadtplanungs- und Policy Programm im CUPPA. Sie<br />
studierte in Indien eine B.Sc. in Psychologie und Statistik,<br />
und vertiefte Statistik, intelligente Transportsysteme und<br />
Verkehrsnachfragemodellierung über ihren M.Sc., PH.D<br />
und Postdoc Positionen. Seit 1997 orientiert sich ihre<br />
Forschung vermehrt in Richtung Verkehrspolitik und Wohlfahrtsaspekte<br />
der Verkehrsplanung für Sozialhilfeempfänger.<br />
In der Lehre ist sie für Statistik, Verkehrspolitik und<br />
Transportmodellierung zuständig.<br />
Curtis Piyushimita<br />
Quelle: http://www.uic.edu/cuppa/<br />
Quellen:<br />
College of Urban Planning and Public Affairs: http://www.uic.<br />
edu/cuppa/<br />
Great Cities Institute: http://www.uic.edu/cuppa/gci/index.htm<br />
American Institute of Certifi ed Planners: http://www.planning.<br />
org/salary/summary.htm<br />
55
Strategien und Konzepte<br />
U.S. Department of Housing and Urban Development und HOPE VI<br />
Christine Holewa<br />
Am Montag, den 17. Oktober 2005, nahm die gesamte Exkursionsgruppe ein im Vorfeld organisiertes<br />
Treffen mit Mitarbeitern des U.S. Department of Housing and Urban Development<br />
(HUD) wahr. Nachdem die Gesprächspartner sich und ihre Aufgabenbereiche vorgestellt<br />
hatten, konnten sich die Studenten ebenfalls vorstellen sowie kurz auf ihre jeweiligen Interessensschwerpunkte<br />
eingehen. Da bereits durch vorherigen E-mailkontakt geklärt wurde,<br />
dass die Studenten vor allem etwas zum Thema HOPE VI erfahren wollten, wurde zunächst<br />
für jeden eine Mappe ausgehändigt, die umfangreiche Informationen über dieses Programm<br />
enthielt. Darüber hinaus konnte von Seiten der Gruppe nun geäußert werden, welche Fragen<br />
sie bei diesem Termin gerne beantwortet haben möchten.<br />
Hintergrund zur Entstehung von HOPE VI<br />
Die Leitgedanken des Programms wurden 1992 in einem<br />
Bericht der Cleveland Stiftungskommission zur Armut<br />
entwickelt. Es wurde festgestellt, dass etwa 86.000 Wohneinheiten<br />
(ca. 7 % des gesamten, öffentlich geförderten<br />
Wohnungsbaus) in einem erschütterlichen Zustand waren.<br />
Der Kommissionsbericht enthält dementsprechend einen<br />
Entwurf zum Austausch bruchstückhafter, fi nanziell defi<br />
zitärer und von oben nach unten wirkender Programme<br />
gegen inhaltsreiche, gewinnbringende und durch einzelne<br />
Behörden des öffentlichen Wohnens, Einwohnern sowie<br />
ihrer Nachbarschaften geleiteten Ansätzen. Daraus entstand<br />
eine Art Agenda zum Bauen von Gemeinden/Nachbarschaften<br />
mit drei die Revitalisierung dieser Gebiete<br />
einteilenden, allgemeinen Bereiche: bauliche Verbesserung,<br />
Verbesserung des Managements und Einrichtung<br />
von sozialen und gemeinschaftlichen Dienstleistungen, die<br />
sich an die Bedürfnisse der Einwohner richten. Der Bericht<br />
nahm so in Hinsicht auf die Grundlagen des HOPE VI<br />
Programms starken Einfl uss.<br />
Das HOPE VI Programm<br />
Das Programm spielt bezüglich der Bemühungen der<br />
Behörden, öffentlich gefördertes Wohnen umzugestalten,<br />
eine große Rolle. Es beinhaltet mehrere Leitziele, die zu<br />
einer vollständigen Umgestaltung der am meisten besorgniserregenden,<br />
öffentlich geförderten Wohnquartiere<br />
der USA gehören. Diese Gegenden wurden sowohl in<br />
ihrer Gebäudestruktur als auch in ihrer Sozialstruktur<br />
durch außerordentlich stark konzentrierte Armut und<br />
Jahre des Investitionsabbaus zerstört. Die verschiedenen<br />
Ansätze des Programms sollen den Bewohnern mehre<br />
Möglichkeiten geben, aus ihrer Armut zu entkommen.<br />
Hierzu muss zunächst die Isolation öffentlich geförderter<br />
Wohnungen bzw. deren Nutzer reduziert werden, die sie<br />
von strukturellen Möglichkeiten einer größeren Gemeinde<br />
trennt. Das heißt, mit Hilfe von HOPE VI soll in den vernachlässigten<br />
Gebieten eine Gemeinschaft entstehen, die ein<br />
Familienleben, Kinder und die Hoffnung derer unterstützt,<br />
die zuvor auf Grund von Marginalisierung und Trennung<br />
zu allgemeinen Chancen des Lebens benachteiligt waren.<br />
Zunächst meint dies sehr oft, Hilfestellung bezüglich Altlasten<br />
des Aufwachsens in Armut und Hoffnungslosigkeit wie<br />
z.B.: gesundheitliche oder familiäre Probleme, mangelnde<br />
Bildung, negative Gewohnheiten.<br />
Leitziele und Prinzipien des HOPE VI Programms<br />
- Änderung der baulichen Struktur des öffentlich<br />
geförderten Wohnens<br />
- Schaffung positiver Anreize zur Unabhängigkeit<br />
bzw. Selbstversorgung der Bewohner und Bereitstellung<br />
inhaltsreicher, sinnvoller Dienstleistung zur Vermittlung<br />
bzw. Schulung von Fähigkeiten (z. B.: Trainingsangebote<br />
zum Erlernen von Schreiben und Lesen, vom Umgang mit<br />
Drogen, Unterstützung der Bewohner bei Vorbereitungen<br />
für neue Arbeitsplätze, Einrichtung von Kindertagesstätten,<br />
etc.)<br />
- Miteinbeziehung von Bewohnern z.B.: in das Entwickeln<br />
von Zielen und Strategien, da dies für einen lang<br />
anhaltenden Erfolg des Projekts eine Grundlage bildet<br />
- Verminderung der Konzentration der Armut, indem<br />
öffentlich geförderter Wohnungsbau in gut bis besser<br />
situierten Nachbarschaften errichtet wird und Gemeinden<br />
mit gemischten Einkommensverhältnissen gefördert werden<br />
- Schaffung von Partnerschaften mit anderen Behörden,<br />
der lokalen Regierung, „nonprofi t“ Organisationen<br />
und privaten Unternehmen, um Ressourcen und Unterstützung<br />
anzukurbeln<br />
- Beachtung der Vorzüge einer Gemeinde, sowohl<br />
strukturell, bauliche als auch geistig, menschliche Ressourcen<br />
Teilnehmer<br />
Grundsätzlich ist jede Behörde, die Besorgnis erregende<br />
Wohneinheiten in ihrem öffentlich geförderten Bestand<br />
verzeichnet, an der Teilnahme berechtigt. Ausgeschlossen<br />
sind jedoch Behörden, die für den Indianische Wohnungs-<br />
56
Hope VI<br />
bau zuständig sind und Behörden, die öffentlich geförderte<br />
Wohnungen nur verwalten. Des Weiteren sind ebenfalls<br />
einzelne Privatpersonen als Bewerber ungeeignet.<br />
Personen, die vom HOPE VI Programm profi tieren<br />
Das Programm begünstigt derzeitige Einwohner von<br />
öffentlich gefördertem Wohnungsbau, insbesondere<br />
Bewohner von revitalisierten Vierteln und Nachbarschaftsgebiete<br />
der umgestalteten Grundstücke.<br />
gegen ärmere Schichten eine große Bedeutung, die es<br />
eventuell vor einer Umsiedlung im Zuge der Bürgerbeteiligung<br />
gilt, zumindest teilweise zu überwinden.<br />
Gegen diese kritischen Anmerkungen und einige Misserfolge<br />
sprechen allerdings viele Erfolge des HOPE VI.<br />
So wurde das Programm erfolgreich in Seattle, Columbus,<br />
Atlanta, Oakland, Milwaukee, Baltimore und EL Paso<br />
durchgeführt.<br />
Kritische Anmerkung<br />
Das HOPE VI Programm nimmt eine erhebliche Bedeutung<br />
im heutigen, öffentlich geförderten Wohnungsbau der<br />
USA ein. So bestehen landesweit extreme Bemühungen,<br />
jahrelang vernachlässigte Wohnsiedlungen, die in den Aufgabenbereich<br />
der verschiedenen Behörden für Wohnungswesen<br />
fallen, zu revitalisieren. Jedoch ist zu bemerken,<br />
dass das Programm nicht den einen idealen Lösungsweg<br />
bietet. Vielmehr gibt es verschiedene Möglichkeiten, das<br />
Programm anzuwenden und jede Gemeinde muss selbst<br />
entscheiden, wieviel Hilfe bzw. Unterstützung und wieviel<br />
Strenge eine Revitalisierung von Wohnvierteln erfordert. So<br />
unterscheiden sich die jeweiligen Nachbarschaften in ihren<br />
Charakteren, Ressourcen, natürlich gegebenen Vorteilen,<br />
Traditionen, potentiellen Partnern der Kommune und im<br />
Stil ihrer Führung.<br />
Des Weiteren ist bedenklich, ob jeder Nutzer der umzugestaltenden<br />
Wohneinheiten an den Erfolg der Revitalisierung<br />
glaubt bzw. sich von dieser Überzeugen lässt. Nicht<br />
jeder Anwohner wird sich ohne Gegenwehr und Protest<br />
umsiedeln lassen, da es für die Bewohner der vernachlässigten<br />
Wohngebiete sicherlich auch ein hoher Risikofaktor<br />
ist, ihren alten Wohnsitz zu verlassen. Denn auch in<br />
Armutsvierteln gibt es bestimmte zwischenmenschliche<br />
Netzwerke und Beziehungen, die im Falle einer Umsiedlung<br />
wegfallen. Andererseits wird es für die Bewohner<br />
auch Überwindung kosten in eine Nachbarschaft zu<br />
ziehen, in der ebenfalls gut bis besser verdienende Familien<br />
wohnen. Hier herrschen beispielsweise ein anderer<br />
Umgang miteinander und anderer soziale Beziehungen.<br />
Gleichzeitig könnte auch ein gewisses Schamgefühl der<br />
alteingesessenen Bevölkerung gegenüber zu einem Misserfolg<br />
führen.<br />
Einwohner, die nicht direkt von der Umsiedlung in ein<br />
neues Wohngebiet betroffen sind, können trotzdem<br />
indirekt involviert sein. Hier zeigt sich die Schwierigkeit<br />
auf, ein Quartier, welches bisher nur eine fi nanziell besser<br />
gestellte Schicht beherbergte, in ein einkommensgemischtes<br />
Viertel zu wandeln. Sicherlich ist ebenfalls auf Seiten<br />
der gut situierten Familien mit Protest gegen diese HOPE<br />
VI Maßnahme zu rechnen. Hier spielen vor allem Vorteile<br />
57
Strategien und Konzepte<br />
Cabrini Green- Sozialer Wohnungsbau in Chicago Stefanie Schoubye<br />
Am 22.10.2005 besichtigten wir Cabrini Green, eine der<br />
bekanntesten Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus in<br />
Chicago vielleicht dem einen oder anderen vor Augen aus<br />
dem Film „Candyman“ von 1992. Nicht weit von der nächstgelegenen<br />
U-Bahn und damit gut zu Fuß zu erreichen,<br />
liegt Cabrini Green zwischen Evergreen Avenue, Sedgwick<br />
Street, Chicago Avenue und Larrabee Street. Zwischen<br />
reichen Wohngegenden, namentlich der Gold Coast und<br />
Lincoln Park und am Ende einer der schicksten Einkaufsstraßen<br />
Chicagos, der Oak Street ist diese Siedlung<br />
mittlerweile Sinnbild für Probleme mit „public housing“ in<br />
den USA. Cabrini Green ist ab 1942 (Frances Cabrini Rowhouses)<br />
über einen Zeitraum von 20 Jahren in vier sehr verschiedenen<br />
Bauabschnitten entstanden, die die Leitsätze<br />
der Stadterneuerung Mitte des 20. Jahrhunderts in den<br />
Vereinigten Staaten widerspiegeln. Die ersten Bewohner<br />
der Cabrini Rowhouses waren italienischer Abstammung,<br />
um 1962, als alle vier Bauabschnitte fertiggestellt sind,<br />
leben hier 15.000 Menschen, zum Großteil Afroamerikaner.<br />
In ihrer Entstehungszeit war Cabrini Green eine ruhige,<br />
gemischte Wohngegend für die zumeist arbeitende Bewohnerschaft.<br />
Dies änderte sich in den Jahren nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg, als die nahe gelegenen Fabriken schlossen<br />
und Tausende entließen. Zur gleichen Zeit strich die<br />
Stadt Chicago aus Geldnot Mittel für Polizeistreifen und die<br />
Wartung und Instandhaltung der Gebäude.<br />
Als Folge dieser Entwicklungen verwahrlosten die Gebäude,<br />
die Kriminalitätsrate stieg an und es kam zu einem<br />
massenhaften Auszug derjenigen Bewohner, die sich<br />
an anderer Stelle eine Wohnung oder Eigentum leisten<br />
konnten. Zurück blieben die Mittellosen, die auch nicht<br />
in der Lage waren, Druck auf die städtischen Behörden<br />
auszuüben, die keine Verpfl ichtungen gegenüber diesen<br />
Einwohnern mehr wahrnahmen. Die Siedlung befand sich<br />
in einer Abwärtsspirale. Die direkte Nähe zu den wohlhabenden<br />
Nachbargegenden machte Cabrini Green zu<br />
einem lukrativen Standort für Drogengeschäfte. In Ermangelung<br />
anderer Arbeitsmöglichkeiten bildeten sich rivalisierende<br />
Gangstrukturen, die einzelne Gebäude und deren<br />
Bewohner gewaltsam kontrollierten.<br />
1994 wird Cabrini Green in das HOPE VI Programm der<br />
Bundesregierung aufgenommen, das vorsieht die Wohngegend<br />
zu einer „mixed-income neighborhood“ zu entwickeln.<br />
Im September 1995 begann der Abriss der Cabrini<br />
Extensions im Süden und Norden. 1996 ordnete die<br />
Bundesregierung den Abriss von 18.000 Sozialwohnungen<br />
in Chicago an. Mieter aus Cabrini Green organisierten sich<br />
und konnten durchsetzen, dass einige der Häuser so lange<br />
stehen bleiben, bis die neuen Wohnungen in der Nachbarschaft<br />
fertig gestellt sind (Chicago Tribune 2001). Die<br />
Verfügung garantiert den Mietern der Hochhäuser zudem<br />
eine neue Wohnung in der entstehenden Nachbarschaft.<br />
Diese Verfügungen sind umstritten, da die Bereitstellung<br />
einer Wohnung für Bedürftige in den USA ein Privileg und<br />
kein Grundrecht darstellt.<br />
Einiges hat sich bis heute getan. Seward Park entstand als<br />
neue Grünanlage im Gebiet, neue „mixed-income houses“<br />
anstelle der alten Cabrini Extensions. Heute leben ca. 4700<br />
Einwohner in Cabrini Green. Die noch stehenden Hochhäuser<br />
lassen allenfalls erahnen, wie das Leben hinter den<br />
vergitterten Außengängen ausgesehen haben mag und<br />
sich heute noch abspielt.<br />
Durch die vergitterten Laubengänge ist mir erst spät aufgefallen,<br />
dass wir die ganze Zeit beobachtet wurden, vielleicht<br />
wäre es uns auch nicht aufgefallen, wäre uns nicht einiges<br />
zugerufen worden. Ohne Zweifel glaube ich es, wenn ich<br />
heute über Cabrini Green lese von Ratten und Kakerlakenbefall,<br />
von rottendem Müll in Müllschluckern bis hinauf in<br />
den 15. Stock, dem Gestank von Urin und Insektiziden in<br />
den Gängen, nicht funktionierenden Aufzügen, und ständig<br />
platzenden Rohrleitungen.<br />
58
Hope VI<br />
Wer mehr über Cabrini Green und zum Thema Sozialer<br />
Wohnungsbau in Chicago lesen möchte, dem seien folgende<br />
Interessante links und Literatur empfohlen:<br />
Bauman, J.F./ Biles, R./ Szylvian K.M. (2003): From tenements<br />
to the Taylor Homes. In Search of an Urban Housing Policy in<br />
Twentieth-Century America. Pennsylvania.<br />
Chicago Housing Authority: Cabrini-Green Homes http://www.<br />
thecha.org/housingdev/cabrini_green_homes.html<br />
Cabrini Residents Human Rights Page http://www.<br />
housingisahumanright.com<br />
Kurz kam mir, während ich dort stand und zwischen den<br />
eingezäunten Häusern mit den schwarzen Brandlöchern in<br />
der Fassade fotografi erte, der Gedanke, was wäre, würde<br />
mir jemand hier die Digitalcamera aus der Hand reißen und<br />
in einem der Gebäude verschwinden. Was ich nicht getan<br />
hätte, wäre auch nur einen Schritt hinterher zu laufen.<br />
Etwas später trafen wir in einem der mixed- income houses<br />
auf eine Maklerin, die uns eines der Häuser zeigte,alle<br />
gleich groß, mit gleicher Ausstattung und seit drei Jahren<br />
im Verkauf sind. Es bleibt die Frage, wie die Masse der<br />
alten Mieter aus den Hochhäuser in den von ihr erwähnten<br />
25% günstigen Häusern des neuen Wohngebietes<br />
unterkommen soll- schon ungeachtet der Restriktionen.<br />
Glauben mag ich noch nicht so recht an den Erfolg der<br />
mixed-income neighborhood Cabrini Green. Jedoch kann<br />
ich mittlerweile nur noch den Kopf schütteln angesichts<br />
der Stilisierung so mancher deutschen Großsiedlung zu<br />
einem Ghetto. Davor sind wir – zum Glück – meilenweit<br />
entfernt.<br />
Chicago Coalition to Protect Public Housing http://www.limits.<br />
com/cpph/<br />
Voices of Cabrini http://www.voicesofcabrini.com/<br />
CBS News: Tearing Down Cabrini-Green (http://www.cbsnews.<br />
com/stories/2002/12/11/60II/main532704.shtml)<br />
Chicago Tribune (2001) http://www.chicagotribune.com/news/<br />
columnists/chi-0407090028jul09,1,5106001.column<br />
Hirsch, A.R. (1998): Making the second ghetto. Race and housing<br />
in Chicago 1940-1960. Chicago, London<br />
North Town Park site plan (redevelopment of Cabrini Extension<br />
site) http://www.holstenchicago.com/buildings/Development/<br />
north_town_park.htm<br />
Encyclopedia of Chicago entry on Chicago Housing Authority<br />
http://www.encyclopedia.chicagohistory.org/pages/253.html<br />
People Removal in Cabrini Green --RW/OR ONLINE http://rwor.<br />
org/a/1229/cabrini.htm<br />
59
Strategien und Konzepte<br />
New Urbanism zur Armutsbekämpfung?<br />
Ein Besuch eines Mixed-Income-Gebietes Lisa Nieße<br />
Am Dienstag den 18. Oktober hatte die Gruppe einen Termin in Bronzeville, in der Chicagoer<br />
Southside. Der Termin hat sich über eine Verbindung zu Robert Fairbanks von der University<br />
of Chicago ergeben. Er hat zu diesem Termin Susan Campbell (Architektin, Planerin des<br />
Neubaugebietes und inzwischen an der University of Chicago) und Mark Joseph (University<br />
of Chicago, Begleitforschung) eingeladen, die über die Veränderungen des Madden-Park<br />
und Wells Mixed Income Housing Project berichten.<br />
Anwesend sind außer der Exkursionsgruppe Mitarbeiter<br />
der Begleitforschung zum Madden-Wells-Mixed-Income-<br />
Gebiet, ehemalige Mitarbeiter der Architektin und einige<br />
Studenten des Seminars von Robert Fairbanks, unter ihnen<br />
Florian Sichling, ein Stipendiat der Studienstiftung des<br />
Deutschen Volkes im Fachbereich Sozialarbeit. Insgesamt<br />
sind ungefähr 20 Personen anwesend. Der Termin fi ndet<br />
im Dance-Studio Room des Gemeindezentrums ‘Abraham<br />
Lincoln Center’ statt.<br />
Begehung der Gebiete<br />
Vor dem Termin führt Mark Joseph durch das Gebiet,<br />
das auf dem Weg von der Bahn zum Gemeindezentrum<br />
überquert werden muss. Auf einer Kreuzung lässt er<br />
die Gruppe anhalten, wo er auf eine Plakette im Boden<br />
aufmerksam macht. Auf ihr sind verschiedene Künstler<br />
und Musiker abgebildet, die aus der Chicagoer Southside<br />
kommen. Die Southside von Chicago wird “Chicagos<br />
Black Belt” genannt und ist eines der berühmtesten<br />
Ghettos in den USA. Es ist berühmt für Drogenprobleme,<br />
regelmäßige Polizeieinsätze und seine starke ethnische<br />
und ökonomische Segregation. Es ist ein Gebiet, in<br />
dem hohe Arbeitslosenzahlen verbucht werden und die<br />
Chancen der Bewohner auf Bildung schlecht sind. Mit der<br />
Plakette, erklärt Mark Joseph, soll eingeleitet werden, dass<br />
die Southside auch ihre guten Seiten hat und viele gute<br />
Künstler hier den Anfang ihrer Karriere begründeten.<br />
Ein Blick entlang des Martin Luther King Drives zeigt die<br />
Gegensätzlichkeit des Gebietes: auf der einen Seite die<br />
Wohnhochhäuser mit neun und mehr Stockwerken und<br />
auf der anderen Seite Gebäude des vorletzten Jahrhunderts,<br />
die sich in einem sehr guten Zustand befi nden und<br />
nicht zum sozialen Wohnungsbau gehören.<br />
Das 94 acre umfassende Gebiet des Public Housing teilt<br />
sich in drei: Heute sind noch Madden Park, das 1970<br />
fertig gestellt wurde und eine Mischung aus drei- und<br />
neungeschossigen Gebäuden ist, und die Ida B. Wells<br />
Homes erhalten. Letztere wurden 1941 unter Franklin D.<br />
Roosevelt gebaut. Die dritte Siedlung, die Clarence Darrow<br />
Homes (Fertigstellung 1961), mit 479 Wohneinheiten,<br />
wurde im Jahr 2000 abgerissen. Die Erneuerung von<br />
Madden/Wells/Darrow ist Teil des HOPE VI Programms<br />
und erhielt dadurch im Jahre 2000 eine fi nanzielle Unterstützung<br />
in der Höhe von $ 35 Millionen.<br />
Entlang des Martin Luther King Drives führt der Weg zu<br />
den zur Zeit noch bestehenden Gebäuden des Madden-<br />
Park-Gebietes. Im Rahmen des Hope VI-Programmes<br />
sollen auch sie abgerissen werden, um sie durch neue<br />
Gebäude zu ersetzen. Die Gebäude sind drei- bis vierstöckige<br />
Wohnhäuser aus rotem Ziegel, die in den 1970er<br />
Jahen fertiggestellt wurden. Aufgrund des bevorstehenden<br />
Abrisses und um Hausbesetzungen vorzubeugen, sind<br />
heute die meisten Fenster mit Stahlverschlüssen verriegelt,<br />
andere mit Holz.<br />
Nur noch vereinzelte Wohnungen der Gebäude sind<br />
bewohnt. Man hört aus ihnen Rap-Musik klingen. Der<br />
Freiraum zwischen den im fl ießenden Raum situierten<br />
Gebäuden ist betoniert. An den Stromkabeln hängt ein<br />
Paar Turnschuhe. Die verriegelten Fenster sind bedrückend,<br />
trotzdem beschleicht einen das Gefühl, dass alles gar<br />
nicht so schlimm ist: vielleicht ein bischen Freiraumgestaltung?<br />
Mark Joseph lacht; Ja, aber von innen, da seien die<br />
Häuser wirklich schlimm.<br />
Vereinzelt sitzen vor den erhöhten Hauseingängen<br />
Bewohner auf Stühlen, um von dort die beinahe menschenleere<br />
Straße zu beobachten. Alle sind schwarz. Ein<br />
Bewohner mit langen zerzausten Rasta-Zöpfen kommt auf<br />
die Gruppe zugestürmt und fragt freundlich verwundert,<br />
was die Gruppe denn hier vor hätte. Nach der Erklärung<br />
bleibt er scheinbar genauso verwundert. Dieses Aufeinandertreffen<br />
scheint ein Beweis zu sein, dass hier selten<br />
eine Gruppe Weißer vorbeikommt.<br />
Entlang der S. Cottage Grove Avenue befi nden sich die<br />
Ida B. Wells Homes, kleine Reihenhäuser aus Ziegel. Sie<br />
sind ein- bis zweigeschossig, ähneln in ihrer Gestaltung<br />
den Gebäuden in Madden Park. Teilweise haben sich Bewohner<br />
vor den Gebäuden mit Zäunen Gärten abgetrennt.<br />
In den Vorgärten liegen Menschen auf dem Gras<br />
Auffällig ist, dass jeweils die dem Gebiet gegenüberlie-<br />
60
Hope VI<br />
Ein Teil der Wohnungen wird zu Marktpreisen (marketrate)<br />
verkauft und ein Teil wird zu subventionierten Preisen<br />
angeboten (verkauft: affordable housing, vermietet: public<br />
housing). In der ersten Phase (auf 25 acre) werden für die<br />
2200 Bewohner von den beiden alten Gebieten 325 mixed<br />
income Mietwohnungen und 200 Eigentumseinheiten gebaut.<br />
Insgesamt sieht der Masterplan 3000 Wohneinheiten<br />
vor, von denen 1000 Mietwohneinheiten für Public Housgende<br />
Straßenseite nur spärlich bebaut ist. Zwischen<br />
leerstehenden Gebäuden und verlotternden Läden klaffen<br />
große Flächen mit wildwucherndem Gras und niedrigen<br />
Bäumen. Auf ihnen stehen kaputte Autos, um die sich<br />
Menschen versammeln.<br />
In der Nähe des Gemeindezentrums sind große Flächen<br />
zu sehen, in denen der geplante Abriss bereits vollzogen<br />
ist. Es stehen bereits Fundamente der neuen Gebäude.<br />
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht ein neues<br />
Gebäude im Rohbau. Scheinbar eine Privatinvestition in<br />
der Chicagoer Southside.<br />
Der Termin im Gemeindezentrum<br />
Im Gemeindezentrum angekommen, berichtet Susan<br />
Campbell von dem Planungsprozess. Die Anwohner<br />
beteiligten sich in mehreren Veranstaltungen (SHRED-<br />
Meetings), in denen ein 10-Punkte-Programm zur Gestaltung<br />
der Neubauten aufgestellt wurde.<br />
Der Städtebau orientiert sich am amerikanischen New-<br />
Urbanism-Stil. Susan Campbell behauptet, dass dies der<br />
einzige Stil sei, der für Menschen richtig wäre. Sie weiß,<br />
dass mit dem neuen Städtebau das quadratische Muster<br />
des Chicagoer Stadtgrundrisses unterbrochen wird. Die<br />
Gebäude sind zwei bis drei stöckig und orientieren ihren<br />
Eingang eindeutig zu den Straßen. Bürgersteig und Straße<br />
sind deutlich getrennt. Vor den Gebäuden befi nden sich<br />
kleinere Grünfl ächen. Hinter den Gebäuden sind Terassen<br />
und Balkone installiert, von denen die rückwärtig orientierten<br />
Parkplätze beobachtet werden können.<br />
Die Entwicklung des Gebietes ist in drei zeitliche Phasen<br />
geteilt: Zwei Phasen der Entwicklung von Mietwohneinheiten,<br />
die von dem Angebot der Eigentumswohnungen<br />
begleitet werden.<br />
61
Strategien und Konzepte<br />
ing gedacht sind, 680 für subventionierte Kaufwohneinheiten<br />
und 1320 für das Marktpreiskontingent. Es werden<br />
Ein-, Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen angeboten.<br />
Susan Campbell berichtet von der dramatischen Abhängigkeit<br />
des Viertels von illegaler Ökonomie. Ein Polizist<br />
kam auf sie zu, um sie von dem Abriss der 8-stöckigen<br />
Wohngebäude abzuhalten, da das zu Gang-Problemen<br />
führen würde. Er berichtete ihr, dass jedes dieser Gebäude<br />
eine wichtige Position im Chicagoer Drogenhandel<br />
hätte und sie durch ihre Lage in der Nähe des Highways<br />
300.000 Dollar am Tag einnehmen. Wenn eines der Gebäude<br />
abgerissen würde, würde die Gang des Gebäudes<br />
auf das andere Gebäude stürmen, um ihre Marktposition<br />
vor der anderen zu beweisen. Heute sind beide Gebäude<br />
abgerissen.<br />
Susan Campbell sieht bereits Verbesserungen: die ersten<br />
Bewohner beziehen die neuen Gebäude, es gibt die ersten<br />
Läden, die ersten Schulen machen wieder auf, die Flächen<br />
die sich entlang des Gebietes erstrecken und Jahre lang<br />
von Desinvestition gekennzeichnet waren, werden wieder<br />
eingenommen. Aber ob das Gebiet sich wirklich wandelt,<br />
würde sich noch beweisen müssen.<br />
Begehung des Neubaugebiets<br />
Nach dem Termin im Abraham Lincoln-Center beginnt die<br />
Begehung des Neubaugebiets. Gleich hinter dem Zentrum<br />
stehen die ersten, noch unbewohnten Gebäude<br />
Allana Levy-Rogers arbeitet bei der Immobilien-Gruppe<br />
TCB (The Community Builders), die die Entwicklung, den<br />
Verkauf und das Management der ersten 325 Mietwohnungen<br />
übernommen hat, und erwartet die Gruppe.<br />
TCB hat Erfahrungen mit der Entwicklung von Public-<br />
Housing-Nachbarschaften und zahlreiche Mixed-Income-<br />
Gebiete gebaut und begleitet. Mit Stolz berichtet Allana<br />
Levy-Rogers von dem Sozial-Programm, dass TCB<br />
anbietet. So gibt es in dem Gebiet ein Büro, in das die Bewohner<br />
zur Beratung kommen können. Zusätzlich bietet<br />
TCB eine “On-Site-Security”. Diese wird für Angelegenheiten<br />
engagiert, um die sich die Polizei nicht kümmern<br />
könne: die On-Site-Security verhindere beispielsweise,<br />
dass sich Menschen in den Vorgärten oder im Treppenhaus<br />
aufhalten.<br />
Die Wohnungen sind komplett ausgestattet (inklusive<br />
Kühlschrank, Trockner, Waschmaschine). Allana Levy-<br />
Rogers erklärt, dass alle Wohnungen die gleiche Ausstattung<br />
hätten, obwohl manche zu den “affordable” und<br />
manchen zu den “market rate” Wohnungen gehörten.<br />
TCB kennzeichnet nicht, welche Wohneinheit zu welchem<br />
Kontingent gehört.<br />
Das Gebiet heißt bei den Immobilienentwicklern nicht mehr<br />
Madden-Park und Wells, sondern “Oakwood Shores”.<br />
Auf dem Stadtplan ist die Nähe zum Großen See nicht zu<br />
verkennen, der Spaziergang zum See gestaltet sich schwieriger,<br />
denn ein sechsspuriger Highway trennt Oakwood<br />
Shores vom See. Um eine Wohnung in Oakwood Shores<br />
zu bekommen muss man sich in eine Liste der Chicago<br />
Housing Authority einschreiben. Zur ‘Qualitätssicherung’<br />
des Gebietes werden die Mieter der Kategorie “affordable”,<br />
durch ein Screening-Programm ausgewählt. Dieses<br />
Programm umfasst:<br />
• Eine Bonitätsprüfung<br />
• Eine Prüfung des polizeilichen Führungszeug<br />
nisses (der letzten fünf Jahre)<br />
• Eine Einkommenbescheinigung<br />
62
Hope VI<br />
• Prüfung des Vermögens<br />
• Aufl istung aller Vermieter der letzen fünf Jahre<br />
• Bescheinigung über Schulstatus aller Haushalt<br />
sangehörigen unter 19 Jahren<br />
• Hausführungsinspektion<br />
• Drogentest (aller Hausangehörigen unter 19)<br />
Alle Prüfungen und Zertifi kate müssen von Dritten ausgefüllt<br />
sein und eine negativ ausfallende Prüfung kann<br />
zur Ablehnung der Bewerbung führen. Die Miete für die<br />
“affordable-Wohnungen” beträgt 30% des Nettoeinkommens.<br />
Die Minimummiete beträgt $25. Der Hauptverdiener<br />
muss mindestens 30 Stunden die Woche arbeiten, es sei<br />
denn er ist Behindert oder über 62 Jahre: die anderen Erwachsenen<br />
des Haushalts müssen ebenfalls 30 Stunden<br />
pro Woche arbeiten oder in ein ganztätiges Ausbildungsprogramm<br />
involviert sein. In Oakwood Shores ensteht<br />
eine sehr kontrollierte Wohnsituation, die man unter dem<br />
deutschen Verständnis von Datenschutz schwer nachvollziehen<br />
kann.<br />
Ein Schlagwort dieses Termins ist der ‘Social and physical<br />
decay’ der Gebiete. Man meint damit die geringe Bildung<br />
und Erwerbstätigkeitsrate unter den Bewohnern und die<br />
schlechte Bausubstanz. Als Grund für den Niedergang<br />
wird die Abwesenheit von Role-Models hervorgehoben.<br />
Der deutsche Sozialarbeiter Florian wundert sich über die<br />
Idee des Role-Models: er stößt sich an dem Bild “wenn du<br />
es nicht schaffst, ist etwas an dir verkehrt, alle können es<br />
schaffen”.<br />
Mit den Aufl agen durch das HOPE VI Programm und den<br />
eigenen Programmen der Projektentwickler scheint das<br />
Gebiet von Nachteilen belastet. Bronzeville liegt aber nahe<br />
der Kernstadt, nahe des berühmten IIT-Campus und in der<br />
Nähe des Sees und kann so über seine Lagevorteile vielleicht<br />
trotzdem auf eine angeregte Nachfrage beim Verkauf<br />
der Neubauten setzen.<br />
Auch in der Gruppe bleiben Fragen offen: Können strukturelle<br />
Probleme durch Abriss und Neubau bekämpft werden?<br />
Lässt sich Armut durch Dekonzentration aufl ösen?<br />
Die Probleme des Gebietes sind die starke ethnische<br />
und ökonomische Segregation, die schlechten Bildungschancen<br />
und die hohe Arbeitslosigkeit. Keines dieser<br />
Probleme wird durch die Veränderung des Städtebaus<br />
direkt bekämpft. Das Neubaugebiet kennzeichnet sich<br />
genauso wie die älteren Gebiete durch Monofunktionalität<br />
und weder Arbeitsplätze noch Räume für Erwerbstätigkeit<br />
gelangen in das Viertel. Es ist zu bezweifeln, ob die strukturellen<br />
Probleme des Gebietes auf diese Weise bekämpft<br />
werden können.<br />
Das Grundprinzip der Stadterneuerung von Hope VI ist der<br />
Abriss des sozialen Wohnungsbaus und der Wohnungsneubau<br />
für eine neue gemischtere Bewohnergruppe.<br />
Immer wieder kommt die Frage auf: aber wohin sollen<br />
sie denn gehen? Die, die sich nicht für den Einzug in die<br />
neuen Wohnungen ‘qualifi zieren’? Man spricht bei diesem<br />
Termin von 20% der alten Bewohner, die unter den gegebenen<br />
Umständen in die neuen Gebäude einziehen werden.<br />
Robert Fairbanks befürchtet, dass sich während des<br />
Neubaus eine Destabilisierung von anderern Stadtvierteln<br />
ergeben wird, in denen jetzt ein Großteil der Bewohner<br />
unterschlüpfen muss. Offen bleibt die Frage, ob das neue<br />
Belegungskonzept aufgeht – Wird die Mittelschicht die<br />
neuen Gebäude beziehen?<br />
Die Forcierung des Home-ownership (Eigenheimbildung)<br />
wird auch Deutschland als Mittel zur Stabilisierung von<br />
benachteiligten Quartieren eingesetzt. Allerdings wird<br />
hier der soziale Wohnungsbau nicht durch Eigenheime<br />
ersetzt, was in Chicago zu dem Bild eines Versuches<br />
der Entstaatlichung des Armutsproblems führt. Auch in<br />
Deutschland gibt es stigmatisierte Gebiete, die deshalb<br />
vom Abriss bedroht sind. Bei aller Distanz zu der amerikanischen<br />
Problemtiefe lässt sich nicht übersehen, dass die<br />
gleichen städtebaulichen Strukturen von problematischer<br />
Stigmatisierung betroffen sind: Wohnhochhäuser mit vielen<br />
Stockwerken und Siedlungen, die nach den Leitbildern der<br />
fünfziger Jahre gebaut sind.<br />
Robert Fairbanks: School of social service Administration,<br />
The universitiy of Chicago: 773-834-6768/<br />
rpf@uchicago.edu<br />
Allana Levy-Rogers: Property Manager (The Community<br />
Builders,TCB), Oakwood Shores 773-373-1300<br />
Florian Sichling:<br />
f.sichling@gmx.net<br />
63
Strategien und Konzepte<br />
Northeastern Illinois Planning Commission Sascha Hahnekopf<br />
Im Laufe der Chicagoexkursion nahm die Gruppe einen<br />
– im Vorwege organisierten – Termin bei der Northeastern<br />
Illinois Planning Commission (NIPC) wahr. Bevor uns einige<br />
Mitarbeiter Projekte, Aufgaben und Organisation der NIPC<br />
näher vorstellten, wurde eine Einführungsrunde durchgeführt,<br />
indem die Studenten und Mitarbeiter sich vorstellten.<br />
Darüber hinaus war es den Gastgebern bedeutsam,<br />
zu erfahren, aus welchem Interesse wir uns in Chicago<br />
aufhielten und nach welchem Planungsbewusstsein in<br />
Deutschland ausgebildet und praktiziert wird.<br />
Die Ergebnisse der Powerpointpräsentation werden nachfolgend<br />
zusammengefasst und erläutert.<br />
Organisation und Aufgaben:<br />
NIPC ist eine bundesstaatliche Behörde von Illinois und<br />
basiert auf das Illinois General Assembly von 1957. Sie beschäftigt<br />
sich vornehmlich mit regionalen Planungsthemen,<br />
wie z.B. mit der Erforschung regionaler Zusammenhänge,<br />
der Erstellung von Rahmen setzenden Regionalplänen<br />
sowie der Beratung anderer Regierungsorganisationen bei<br />
planerischen Sachfragen. Insbesondere die Förderung der<br />
Zusammenarbeit der einzelnen Verwaltungseinheiten und<br />
–ebenen (auch Gemeinde übergreifend), die Kooperation<br />
des öffentlichen und privaten Sektors sowie die planerische<br />
Einbeziehung der Bevölkerung stehen zunehmend<br />
im Tätigkeitsfokus der Behörde.<br />
Programmeckpunkte Centers, Corridors,<br />
Green Areas:<br />
Derzeit arbeitet NIPC an dem 2040 Regional Framework<br />
Plan. Dieser Regionalplan soll den zu erwartenden<br />
Entwicklungen in den Bereichen Wirtschaft, Transport,<br />
Wohnen und Ökologie sowie den Bedürfnissen der Bevölkerung<br />
Rechnung tragen.<br />
Im Laufe des Projektes haben sich über den Common<br />
Ground Prozess – wird nachfolgend näher erläutert – 52<br />
Zielsetzungen und 5 Kernthemen entwickelt und herausgebildet.<br />
Die Kernthemen Diversity, Livable Communities,<br />
Healthy Natural Environment, Collaborative Governace,<br />
Global Competitive sind in eine Vision formuliert worden<br />
und sollen über die planerischen Elemente Zentren, Korridore<br />
und Grünfl ächen umgesetzt werden.<br />
Um diese Vorgaben zu erzielen, ist richtige Mischnutzung<br />
der planerischen Elemente angedacht. Ausgehend von<br />
der Formulierung und Stärkung der Zentren erwartet NIPC<br />
eine Förderung der Wirtschaft eine Verbesserung der<br />
Wohnsituation, die in Wechselwirkung mit den Grünfl ächen<br />
steht. Infolge der Zentrenentwicklung wird ein effi zienter<br />
werdender Verkehr in den Transportkorridoren erwartet.<br />
Zentren: Sie werden defi niert als kompakte, mischgenutzte,<br />
lebenswerte, wirtschaftlich dynamische Orte, die durch<br />
mehrere Transportformen und –wege mit dem Umland<br />
verbunden sind. Sie gliedern sich ihrer Größe nach:<br />
Korridore: Aufgrund des zunehmenden Verkehrs und der<br />
im Vergleich zu Europa überproportionalen Bedeutung<br />
des MIV in den USA, sollen die Transportkorridore das<br />
Wachstum an den Achsen bündeln und den Flächenfraß<br />
der Transportinfrastruktur eindämmen mit dem Ziel der<br />
optimalen Verbindung der Zentren.<br />
Grünfl ächen: Sie sind notwendiger Bestandteil für die Lebensqualität<br />
der Gemeinden. In Anbetracht der Artenvielfalt<br />
bei Flora und Fauna in der Region wird versucht, diese zu<br />
erhalten bzw. noch zu fördern.<br />
Common Ground:<br />
Der Common Ground Prozess, ist ein mehrstufi ges Verfahren<br />
der Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen und<br />
–schichten, mit dem Ziel der planerischen Partizipation.<br />
Für US-amerikanische Verhältnisse unüblich, waren die<br />
breite Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen und der<br />
dafür Notwendige Einsatz moderner technischer Hilfsmittel.<br />
Ingesamt nahmen 4.000 Bürger an dem Prozess teil.<br />
Leadership Workshops:<br />
Aufbauphase bzw. Vorbereitungsphase. Workshops<br />
wurden an 12 Orten in der Region durchgeführt. Dabei<br />
wurden verschiedenste öffentliche und wirtschaftliche Organisationen<br />
eingeladen, um über die planerischen Bedürfnisse<br />
der Region und Umsetzung des Common Ground<br />
zu sprechen. Des Weiteren wurden so genannte Breakfast<br />
Meetings mit Aktivisten und lokalen Entscheidungsträgern<br />
durchgeführt, um ihr Interesse zu wecken und ggf. ihre<br />
Beteiligung zu sichern.<br />
Regional Forum:<br />
Im Gegensatz zu den verschieden Workshops wurde hier<br />
ein Ort ausgewählt, um alle Interessierten zu versammeln<br />
und einen und Meinungsaustausch herzustellen. 850<br />
Leute verschiedenster Ethnien und Einkommensschichten<br />
nahmen an diesem Forum teil. Unterstütz wurde die<br />
Diskussion durch Moderatoren, technologische Tools bei<br />
Abstimmungen und vernetzte Computer.<br />
Working Groups:<br />
275 Leute erklärten sich bereit, an Working Groups mit-<br />
64
NIPC<br />
zuarbeiten. Aufgeteilt wurden die Gruppen in 5 Bezirke.<br />
Aufgabe war die Herausarbeitung von Kernthemen. Dabei<br />
sollten Möglichkeiten, Umsetzungschancen, Kritikpunkte<br />
gesammelt und dargestellt werden. Die Gruppen arbeiteten<br />
über acht Monate zusammen und trafen sich<br />
monatlich. Darüber hinaus konnten sie jederzeit über WebCouncil<br />
(Internet basierendes Chatforum) untereinander<br />
kommunizieren.<br />
Goal Writing Workshops:<br />
Nach Ablauf der acht Monate teilten sich die 5 Gruppen<br />
in 20 auf. Sie sollten nun Ziele aufgrund der erarbeiteten<br />
Ergebnisse defi nieren. Diese Phase ist NIPC im Hinblick<br />
auf die Bürgerbeteiligung besonders wichtig.<br />
Goal Review Workshops:<br />
Die Phase wurde genutzt die einzelnen Ergebnisse<br />
miteinander zu vergleichen. Dabei stellte sich heraus, dass<br />
trotz Bevölkerungsmischung der Arbeitsgruppen, gewisse<br />
Bevölkerungsschichten, wie z.B. Latinos und Jugendlichen<br />
bzw. junge Erwachsene unterrepräsentiert in den<br />
Resultaten waren. Weitere Workshops wurden speziell in<br />
diesen Bevölkerungsgruppen durchgeführt.<br />
Commission Endorsement: Im Anschluss an die Rückkoppelungsphase,<br />
wurden die 52 regionalen Ziele aus<br />
den Arbeitsergebnissen ausgewählt und fünf Kernthemen<br />
bestimmt.<br />
Cluster Workshops:<br />
Diese Workshops wurden von Vertretern der einzwelnen<br />
Kommunen, Städte und Bezirke und Regionalplaner<br />
gebildet mit dem Ziel, die 52 regionalen Ziele und die<br />
Kernthemen in einen regionalen Flächennutzungsplan zu<br />
übertragen.<br />
Paint the Region:<br />
Die Ergebnisse der Cluster Workshops wurden den<br />
Bürgern präsentiert. Im Anschluss wurden mehrere Gruppen<br />
von 5-10 Mitgliedern gebildet. Jeweils einer Gruppe<br />
war ein Computer mit einem Zeichenprogramm zugeteilt.<br />
Zudem war ein Zeichner/Moderator anwesend, mithilfe<br />
dessen die Gruppe in der Lage war ihre Vorstellungen von<br />
Zentren, Korridore und Grünfl ächen zeichnerisch Umzusetzen.<br />
Building the Regional Framework Map:<br />
NIPC erstellte basierend auf den Common Ground Prozess<br />
den 2040 Regional Framework Plan.<br />
NIPC im Internet: www.nipc.org<br />
65
Strategien und Konzepte<br />
Business Improvement District „Lincoln Square“ Mike Wilkens<br />
Die Exkursion zum Business Improvement District (BID) „Lincoln Square“ am 19.10.2005<br />
umfasste ein Interview mit der Geschäftsführerin Melissa Flynn (Executive Director) und der<br />
Mitarbeiterin Christie Breitner (Member Services) sowie einem kurzen Rundgang durch die<br />
Geschäftsstraße, der „Special Service Area“ des BID. In dem Quartier Lincoln Square befinden<br />
sich auch Reste der deutschen Kommune in Chicago, so z.B. das Deutsche „Chicago<br />
Brauhaus“.<br />
Inhalte des Interviews:<br />
• Geschichte und Struktur des BID<br />
• Aufgabe des BID<br />
• Finanzierung des BID<br />
• Probleme in der Alltagsarbeit / Grenzen des BID<br />
• Charakter des Gespräches<br />
Struktur BID Lincoln Square<br />
Das Business Improvement District (BID) Lincoln Square<br />
ist ein abgegrenztes Gebiet in einem Nachbarschaftszentrum<br />
Chicagos, in dem von den Grundeigentümern und<br />
Gewerbetreibenden eine Zwangsabgabe erhoben wird,<br />
die für die Aufwertung des abgegrenzten Quartiers genutzt<br />
wird. Diese Abgabe wird über die Steuern durch die Gemeinde<br />
eingezogen.<br />
Das BID Lincoln Square wurde im Jahre 2001 als Special<br />
Service Area 21th of Chicago (SSA) gegründet, um dem<br />
drohenden Abwärtstrend des Quartiers Einhalt zu gebieten.<br />
Das BID als neueste Form des privaten Engagements<br />
im Quartier Lincoln Square steht in der langen Tradition<br />
der Chamber of Commerce (CoC) Lincoln Square, welche<br />
sich im Jahre 1949 aus dem losen Zusammenschluss<br />
einiger Einzelhändler bildete. Das CoC Lincoln Spuare<br />
ist Bestandteil der Nationalen CoC, welche den Überbau<br />
über dem CoC in Illinois und auf der Ebene Chicago dem<br />
CoC in Chicago vorsteht.<br />
Bevor das BID auf Antrag des CoC Lincoln Square von<br />
der Stadt Chicago gegründet werden durfte, wurden<br />
binnen eines Jahres im Zeitraum 1999/2000 vier Öffentlichkeitsveranstaltungen<br />
durch das Chamber of Commerce<br />
Lincoln Square durchgeführt. Ziel dieser Veranstaltungen<br />
war es, die Einrichtung des Instruments BID mit den Bewohnern,<br />
Nutzern und Grundeigentümern des Quartiers<br />
zu diskutieren, um dabei einerseits, eine mögliche Ausrichtung<br />
des BID zu diskutieren und andererseits Kritikern der<br />
Maßnahme die Möglichkeit zu geben, die Einrichtung des<br />
BIDs durch die Vorbringung von kritischen Argumenten<br />
stoppen zu können. Die Einführung eines BID hat für<br />
Grundeigentümer und somit auch für deren Mieter (Kosten<br />
werden oft auf die Mieten umgelegt) weitreichende Konsequenzen.<br />
Während dieser Phase der Diskussion konnte<br />
sich aber keine nennenswerte Opposition gegen das BID<br />
herausbilden, folglich wurde dann im Jahre 2001 das BID<br />
Lincoln Square auf Antrag des Chamber of Commerce<br />
bei der Stadt Chicago beantragt. Diesem Antrag wurde<br />
aufgrund einer fehlenden oder nicht formierten Opposition<br />
entsprochen.<br />
Die Gründung eines BID schließt die Einsetzung eines<br />
Verwaltenden Gremiums mit ein. Das BID Lincoln Square<br />
wurde auf Antrag des lokalen Chamber of Commerce als<br />
Special Service Area 21th für die Straßen Lawrence Avenue<br />
und Lincoln Avenue und Western Avenue im auf der<br />
Karte rechts dargestellten Abschnitt eingerichtet.<br />
Das BID mit der SSA wurde für die Dauer von 9 Jahren<br />
beschlossen.<br />
Abbildung 1 Grenzen des BID Lincoln Square Quelle: www.<br />
lincolsquare.org/ Zugriff am 27.11.2005<br />
Struktur des BID<br />
Dem BID steht ein neunköpfi ges Board of Commissionars<br />
vor. Dieses Gremium tagt vierteljährlich und ist zum<br />
einen für die strategische Ausrichtung des BID als auch<br />
für größere Entscheidungen des BID verantwortlich. Die<br />
Mitglieder dieses Gremiums setzten sich aus einfl ussreichen<br />
Grundeigentümern des BID, wichtigen lokalen<br />
Gewerbetreibenden und der Geschäftsführerin Melissa<br />
Flynn zusammen. Das Tagesgeschäft übernehmen jedoch<br />
gänzlich Melissa Flynn und ihre Mitarbeiterin Christie<br />
Breitner. Darüber hinaus verfügt das BID satzungsgemäß<br />
noch über einen Schatzmeister. Die Mitglieder des Board<br />
of Commissionars werden vor ihrem Amtantritt geprüft. Sie<br />
dürfen über keine Schulden verfügen und müssen über ein<br />
Empfehlungsschreiben des lokalen Alderman (einer von 52<br />
Bezirksabgeordneten in Chicago) verfügen.<br />
Zum Aufgabenbereich des BID gehören neben der SSA<br />
auch weitere Flächen. Diese sind in Abbildung 2 auf der<br />
66
B.I.D. Lincoln Square<br />
Abbildung 2: Grenzen des Western Avenue North TIF Quelle: www.lincolnsquare.org/ Zugriff 27.11.2005<br />
Karte verzeichnet und umfassen das Gebiet des Western<br />
Avenue North Tax Increment Financing (TIF). Das TIF ist<br />
eine weitere Finanzierungsform für die Aufwertung einer<br />
vernachlässigten Nachbarschaft. Im Abschnitt Finanzierung<br />
wird die Arbeitsweise des TIF erläutert.<br />
Derzeit umfasst das BID Lincoln Square 14 Blocks. Die<br />
Grundeigentümer von weiteren 6 angrenzenden Blocks<br />
möchten gerne beitreten.<br />
Aufgabe des BID<br />
Das BID “Lincoln Square” wurde mit der Aufgabe gegründet,<br />
den drohenden Abwärtstrend des Quartiers<br />
(Neighbourhood Lincoln Square) Ende der 90er Jahre zu<br />
stoppen und durch zusätzliche Maßnahmen, zu denen der<br />
öffentlichen Hand, einer positiven Entwicklung zuzuführen.<br />
Dazu wurden besondere Wege der Finanzierung eingeschlagen,<br />
die u.a. im Folgenden vorgestellt werden.<br />
Hinter diesen Maßnahmen, die das Chamber of Commerce<br />
Lincoln Square als Träger des BID durchführt,<br />
verbergen sich die vielfältige Maßnahmen wie die Hilfe bei<br />
der Netzwerkarbeit, Durchführung von Marketingmaßnahmen,<br />
Akquisition von neuen Einzelhändlern / Gewerbetreibenden,<br />
aber auch die Beratung der Einzelhändler und<br />
die Durchführung von Qualifi zierungsmaßnahmen sowie<br />
die Gestaltung und Pfl ege des öffentlichen Raumes. Im<br />
Zentrum der Tätigkeit des BID stehen Maßnahmen zur<br />
Aufwertung und Reinigung des öffentlichen Raumes.<br />
Reinigungsmaßnahmen<br />
Unter dem Slogan „Clean and Green“ lässt das BID zusätzlich<br />
zu den Maßnahmen der Stadt, die die Straße aber<br />
nicht die Gehsteige reinigen lässt, zweimal wöchentlich die<br />
Gehsteige (Mo+Fr) des BID Lincoln Square reinigen. Die<br />
Reinigung der Gehwege von Schnee und Eis übernimmt<br />
das dabei ebenfalls das BID.<br />
Aufwertung öffentlicher Raum<br />
Das BID Lincoln Square versuchte den Abwärtstrend des<br />
Quartiers durch die Aufwertung des öffentlichen Raumes<br />
zu stoppen. Diese Aufwertung war durch den teilweisen<br />
Rückzug der öffentlichen Hand aus dieser Aufgabe notwendig<br />
geworden. Als Maßnahmen wurden die Straßen<br />
der SSA 21th u.a. mit Bäumen und Pfl anzen aufgewertet<br />
sowie die Parkplätze neu gestaltet. Diese Maßnahmen<br />
gehen einher mit der Pfl ege des öffentlichen Raumes.<br />
Marketingmaßnahmen<br />
Das BID unterstützt die ansässigen Gewerbetreibenden<br />
in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Es wird u.a. jährlich eine<br />
Broschüre herausgegeben, in der sich die Einzelhändler,<br />
Restaurants, Institutionen usw. vorstellen können, die im<br />
Quartier ausliegt, bzw. verteilt wird. Darüber hinaus werden<br />
im großen Umfang Marketingveranstaltungen durch das<br />
BID durchgeführt, um die Attraktivität des Zentrums zu<br />
verbesseren und darüber die Kundenbindung zu erhöhen,<br />
sowie neue Kunden in das Quartier Lincoln Square zu<br />
67
Strategien und Konzepte<br />
Abbildung 3: Marketing Maßnahme Quelle: http://www.lincolnsquare.org/ am Zugriff 27.11.2005<br />
locken. Ein Beispiel hierfür sind die zahlreichen Aktionen<br />
zu Weihnachten.<br />
SBIF<br />
Mit den fi nanziellen Mitteln, die durch das Instrument des<br />
TIF der Verwaltung des BID Lincoln Square zur Verfügung<br />
stehen, werden u.a. die Gehwegreinigung und die Aufwertung<br />
des öffentlichen Raumes im Bereich des TIF fi nanziert.<br />
Eine Besonderheit stellt jedoch das Small Business<br />
Improvement District (SBIF) dar. Diese gesetzliche Regelung<br />
offeriert den Grundeigentümern des TIF-Bereiches<br />
einen Zuschuss von bis zu 75% zu ihren eingesetzten<br />
Renovierungskosten für die Renovierung ihrer Immobilien,<br />
so fern sie sich dabei nach Gestaltungs- und Materialsatzungen<br />
der Stadt Chicago richten.<br />
Finanzierung des BID<br />
Die Maßnahmen des BID werden durch einen zusätzlichen<br />
Aufschlag auf die Umsatzsteuer von 0,25% durch die<br />
Grundeigentümer und Gewerbetreibenden fi nanziert. Die<br />
Abgabe, die jeder Gewerbetreibende im Gebiet des BID<br />
zahlen muss, wird über die Umsatzsteuer eingezogen. Da<br />
diese Abgabe von jedem anliegenden Betrieb entrichtet<br />
werden muss, unterbleibt das sog. „Trittbrettfahren“, d.h.<br />
es ist nicht möglich sich der Zahlung der Maßnahmen zu<br />
entziehen und trotzdem von Ihnen, z.B. durch eine höhere<br />
Besucherfrequenz zu profi tieren. Zweimal im Jahr, im März<br />
und im November, wird das über die Steuer eingezogene<br />
Geld dann durch die Finanzverwaltung Chicagos an die<br />
Verwaltung des BID, das Chamber of Commerce ausgeschüttet.<br />
Jedes Jahr kommt es jedoch aufgrund der<br />
unterschiedlichen Umsätze zu sehr unterschiedlichen Zahlungseingängen.<br />
Das BID erhält von der Finanzbehörde<br />
Chicagos jährlich ca. 85.000 $. Eine vernünftige Bilanzierung<br />
des BID ist aufgrund der unklaren Finanzsituation<br />
jedoch nicht möglich, da die ausgeschütteten Beträge von<br />
Jahr zu Jahr doch recht unterschiedlich ausfallen.<br />
TIF<br />
Mit der Einrichtung eines BIDs geht in den USA die<br />
Einrichtung eines TIFs einher. Das Instrument TIF wird<br />
dabei oft für die umliegenden Bereiche des BID, die nicht<br />
vorwiegend durch Einzelhandel genutzt werden eingerichtet.<br />
Das Instrument des TIF stellt im Gegensatz zum BID<br />
jedoch keine Abgabe der Grundeigentümer / Gewerbetreibenden<br />
dar. Das TIF beruht auf der Tatsache, dass<br />
der Immobilienmarkt in den USA in den letzten Jahren<br />
einem kontinuierlichen Wachstumsprozess unterlag. Damit<br />
einhergehend stiegen auch die jährlichen Belastungen der<br />
Grundeigentümer für die Grundsteuer, die sich nach dem<br />
Wert und der Rendite des Bodens / der Immobilie richtet<br />
und durch ein jährliches Gutachterverfahren durch die Gemeinden<br />
festgesetzt wird. Diese Grundsteuer wird, nachdem<br />
ein TIF beantragt und genehmigt wurde, für einen<br />
Zeitraum von 23 Jahren „eingefroren“. An die Gemeinde<br />
wird der volle Betrag an Grundsteuer durch die Grundeigentümer<br />
gezahlt. Der Überschuss, der sich aus der<br />
eingefrorenen Steuerbelastung und dem gezahlten Betrag<br />
ergibt, bildet die Finanzierung des TIFs. Mit Hilfe dieser<br />
Mittel ist z.B. die Renovierung von Gebäuden möglich.<br />
68
B.I.D. Lincoln Square<br />
Zurzeit verfügt das BID Lincoln Square über Mittel von ca.<br />
1.6 Millionen $. Eine Besonderheit dabei stellt das oben<br />
erwähnte SBIF dar, die Möglichkeit der Grundeigentümer<br />
bis zu 75% ihrer Renovierungskosten aus diesen Mitteln<br />
erstattet zu bekommen.<br />
Probleme in der Alltagsarbeit / Grenzen des<br />
Instruments BID<br />
Das Instrument BID ist in Deutschland und nicht zuletzt in<br />
<strong>Hamburg</strong> in der Diskussion um Einzelhandel, öffentlichen<br />
Raum und den Rückzug der öffentlichen Hand allgegenwärtig.<br />
Anhand dieses Praxisbeispiels eines BID in einem<br />
Nachbarschaftszentrum Chicagos, zeigt es sich, dass<br />
durch Eigenengagement der lokalen Grundeigentümer<br />
bzw. Gewerbetreibenden eine Aufwertung des öffentlichen<br />
Raumes im Zuge eines Rückzuges der Gemeinde aus<br />
dieser Aufgabe möglich ist.<br />
diese Mittel werden nur in einem geringen Maße abgerufen,<br />
weil das Programm schlicht weg nicht bekannt ist.<br />
Das Gespräch über das Instrument BID war sehr aufschlussreich.<br />
Die MitarbeiterInnen des BID waren gut vorbereitet<br />
und interessiert an Forschungsarbeiten der TUHH<br />
über das Instrument BID.<br />
Adresse:<br />
Lincoln Square Chamber of Commerce<br />
4732 North Lincoln Avenue, Suite 8<br />
Chicago, IL 60625<br />
Tel (001) (773) 728-3890, Fax (001) (773) 769-4855<br />
www.lincolsquare.org<br />
Einhergehend mit diesen positiven Eindrücken offenbarten<br />
sich jedoch auch die Grenzen des Instruments BID.<br />
Die Abhängigkeit vom Gebaren der lokalen Finanzbehörde<br />
wurde von den MitarbeiterInnen des BID in diesem<br />
Zusammenhang genannt. Die aus vielerlei Gründen unerklärlichen<br />
starken Schwankungen der zugeteilten Abgaben<br />
an die Verwaltung des BID lassen eine betriebswirtschaftliche<br />
Bilanzierung des BID unmöglich werden. Die MitarbeiterInnen<br />
des BID äußerten Zweifel an einem korrekt durchgeführten<br />
Verfahren seitens der Finanzbehörden, könnten<br />
aber aufgrund mangelnder Einfl ussmöglichkeiten wenig<br />
dagegen intervenieren. Als großer Nachteil stellt sich auch<br />
die fehlende Einfl ussmöglichkeit auf genehmigungsrechtliche<br />
Fragen dar. Das Genehmigungsrecht z.B. für die<br />
Erteilung einer Restaurant-Lizenz liegt im Verantwortungsbereich<br />
des lokalen Alderman. Der zuständige Alderman<br />
verweigere beispielsweise die Erteilung weiterer Restaurant-Lizenzen,<br />
eine Einfl ussnahme der Verwaltung des BID<br />
in diesem Falle sei nur schwer möglich, teilte Frau Flynn<br />
mit. In diesem Zusammenhang erklärte Sie auch, das der<br />
Begriff „windy City“, der für Chicago normalerweise aufgrund<br />
der Witterungsverhältnisse verwand wird, sich auch<br />
auf das Feld der Korruption übertragen lasse. Ohne den<br />
Einfl uss von Gefälligkeiten seien oftmals Genehmigungen<br />
nicht zu bekommen, so Frau Flynn.<br />
Am Beispiel des Instruments TIF und den großen Finanzreserven,<br />
wurde deutlich, dass die Einrichtung eines<br />
Instruments oftmals nicht ausreicht, sie muss auch durch<br />
Marketingmaßnahmen begleitet werden. Den Grundeigentümern<br />
stehen bis zu 75% der Renovierungskosten<br />
als Unterstützung im SBIF-Programm zur Verfügung, doch<br />
69
Strategien und Konzepte<br />
„Sicherung urbaner Standorte des produzierenden Gewerbes in Chicago: Die Flächennutzungsplanungsinitiative<br />
der LEED Council, inc.“<br />
Grischa Wunderlich<br />
Aufmerksam auf die LEED Council wurden wir durch<br />
das Buch „Harold Washington and the Neighborhoods“,<br />
welches über die Errungenschaften des ersten<br />
schwarzen Bürgermeisters von Chicago berichtet. Die<br />
Wahl Harold Washingtons (Bürgermeister von Chicago<br />
zwischen 1983-1987) ist Beginn einer neuen Chicagoer<br />
Stadtplanungspolitik. Seine Amtszeit ist geprägt von<br />
einer verstärkten Orientierung auf die lokalen Probleme<br />
in den Nachbarschaften, den „Communities“, und einer<br />
partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit „Grassroot“-Organisationen,<br />
also solchen, die in erster Linie „von unten“<br />
gewachsen und Ergebnis eines besonders starken bürgerschaftlichen<br />
Engagements sind. Als solche wird dort auch<br />
über die LEED Council berichtet.<br />
Die LEED Council ist eine unabhängige not-for-profi t<br />
„Community Development Corporation“ (CDC). Ihr Ziel ist<br />
die Förderung einer gesunden Entwicklung des sogenannten<br />
North River Gewerbekorridors und der an ihn<br />
anschließenden Stadtteile, die Wachstum und Entwicklung<br />
der Wirtschaft erlaubt und Arbeitsplätze sichert.<br />
Für den Besuch der LEED Council begaben wir uns in<br />
die North Marcey Street. Diese liegt nahe des North River<br />
Industrial Corridors (NRIC), der entlang des Chicago<br />
River einen Keil bis ins Zentrum der Stadt bildet. Das<br />
Funktionieren dieses Gewerbedistriktes ist nicht nur das<br />
zentrale Aufgabenfeld der LEED Council, er verdankt ihr<br />
seine Entstehung. Denn, obwohl viele sich hier befi ndende<br />
Gewerbebetriebe eine lange Tradition haben, wurde der<br />
Gewerbedistrikt von der Politik nie als solcher anerkannt.<br />
Vor Ort wurden wir von Michael Holzer, Direktor und<br />
zuständig für die ökonomische Entwicklung des Distriktes,<br />
empfangen. Man führte uns in den großen Besprechungsraum,<br />
des etwas heruntergekommen wirkenden LEED<br />
Council Büros. Michael Holzer hielt einen längeren Vortrag<br />
über den Gewerbedistrikt und die LEED Council, sowie<br />
über deren Ziele, Aufgaben und Projekte. Er erwies sich<br />
auch in der darauf folgenden Diskussion als kompetenter<br />
Gesprächspartner und sehr engagierter Stadtplaner.<br />
Zunächst erläuterte er uns die Geschichte des Gewerbedistriktes:<br />
Ursprünglich war der Distrikt Standort für die<br />
Industrie, die das Wasser des Chicago Rivers zur Produktion<br />
und Verarbeitung nutzte. Dies waren vor allem Leder<br />
herstellende und Fleisch verarbeitende Betriebe. Der Fluss<br />
galt als die fundamentale Infrastruktur für die Industrie.<br />
Besonders drei Standortfaktoren waren Ursache für die<br />
Ansiedlung der Unternehmen hier: Die guten Transportmöglichkeiten,<br />
die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und<br />
die Nähe zu den Absatzmärkten. Der North River Industrial<br />
Corridor, ca. 2 Meilen nordwestlich von Downtown<br />
Chicago gelegen, hat einst 40.000 Menschen Arbeit<br />
geboten. Verschiedene Faktoren hatten in den späten<br />
1970er und den frühen 1980er Jahren einen negativen<br />
Einfl uss auf die dort ehemals 1.200 ansässigen Betriebe<br />
des produzierenden Gewerbes. (vgl. LEED Council (2003),<br />
S.1) Zu diesen Faktoren zählten u.a. die Rezession, die<br />
ausländische Konkurrenz und der wohl am wichtigsten<br />
einzustufende: Die sich immer weiter ausdehnende Wohnnutzung<br />
der Lincoln Park und Near North Communities.<br />
In den innerstädtischen Bereichen setzte eine starke Gentrifi<br />
kation ein. Bereits bis 1985 hatte sich sowohl die Zahl<br />
der dortigen Arbeitsplätze als auch die der angestammten<br />
Unternehmen halbiert. Die Immobilienspekulationen haben<br />
sich seitdem intensiviert und die Interessen der Developer,<br />
der neuen Bewohner und der verbliebenen Betriebe<br />
drifteten immer weiter auseinander. Immer häufi ger waren<br />
dem zuständigen Alderman Anträge auf Änderungen der<br />
Flächennutzungspläne zugegangen. Demnach sollte mehr<br />
Wohn- und weniger Gewerbenutzung ausgewiesen werden,<br />
um insbesondere altindustrielle Gebäude in Lofts umbauen<br />
zu können. Die weit verbreitete Meinung war, das<br />
innenstadtnahe Gewerbestandorte keine Standortvorteile<br />
gegenüber außerhalb des Stadtkerns liegenden Standorten<br />
böten. Somit wurde die schleichende Transformation<br />
des Gewerbekorridors durch die in Chicago immens<br />
kleinräumig organisierte Flächennutzungsplanung akzeptiert<br />
oder sogar forciert.<br />
Konfrontiert mit den einsetzenden Problemen wurde 1982<br />
die LEED Council (Local Economic and Employment<br />
Development Council, inc.) gegründet. Sie ist aus der New<br />
City YMCA hervorgegangen und fi nanziert sich hauptsächlich<br />
durch ihre Mitglieder. Die wichtigste Erkenntnis war zu<br />
Beginn, dass ansässige Betriebe keineswegs langfristig<br />
in jedem Fall einen Standortwechsel anstrebten. Viele<br />
Betriebe waren zufrieden mit ihrem Standort. Vielmehr<br />
waren es der von außen kommende Druck und Konfl ikte<br />
mit neu angrenzenden Nutzungen, die Planungsunsicherheiten<br />
erzeugten und letztendlich zu Standortverlagerungen<br />
führten (vgl. Clavel (1991), S.228). Die LEED Council<br />
wollte vor allem den Druck auf die lokalen Wirtschaftsbetriebe<br />
verringern. Holzer hob jedoch hervor, dass die LEED<br />
Council nicht als reine Interessensvertretung der Wirtschaft<br />
zu begreifen sei. Als Produkt der YMCA, kümmere sich die<br />
LEED Council vielmehr um die gemeinsamen Interessen<br />
von Wirtschaft und der lokalen Community, also in erster<br />
Linie um die Sicherung des Gewerbestandorts auf der<br />
einen und um die Sicherstellung lokaler Arbeitsplätze auf<br />
der anderen Seite.<br />
70
Leed Council<br />
Die LEED Council kümmert sich heute zum Beispiel um<br />
die Verbesserung der Infrastruktur, die Organisation von<br />
Verkehr und Stellplätzen und um die Verfügbarkeit von<br />
Arbeitskräften. Auch die Fortbildung und Vermittlung von<br />
Arbeitskräften an lokale Firmen zählt zu den Aufgaben der<br />
LEED Council.<br />
Wichtigstes Instrument der LEED Council ist aber das<br />
Flächennutzungsplanungsinstrument PMD (Planned<br />
Manufacturing District). Das Instrument wurde von der<br />
LEED Council entwickelt und 1988 rechtlich verankert.<br />
Entwickelt wurde es durch eine hybride Planungsgruppe,<br />
bestehend vor allem aus Gewerbebetrieb-Besitzern und<br />
gering verdienenden Anwohnern. Bürgermeister Harold<br />
Washington war der erste Politiker, der sich für den Erhalt<br />
des Gewerbekorridors durch PMDs aussprach. Ziel des<br />
PMDs war die Schaffung einer Grenze, innerhalb derer<br />
keine weiteren Flächennutzungsänderungen zugunsten<br />
von Wohnnutzungen vorgenommen werden durften. Die<br />
LEED Council differenzierte jedoch innerhalb des PMDs<br />
die Nutzungen weiter aus. Auch Einzelhandelsnutzungen<br />
wurden dabei größtenteils verboten. Durch die Einrichtung<br />
von PMDs wurde einerseits Planungssicherheit für die<br />
ansässigen Industrien geschaffen und der Druck von den<br />
Flächen genommen. Andererseits wurden dadurch auch<br />
Konversionen von Flächen in der Umgebung unumstritten<br />
durchführbar und Konfl ikte zwischen neuen Wohneigentümern<br />
und emissionsstarken Betrieben verhindert.<br />
Zudem schützt heute eine „Pufferzone“ aus Dienstleistungs-<br />
und Handelsbetrieben vor Konfl ikten zwischen<br />
den unterschiedlichen Nutzungen. Zunächst 1988 für den<br />
Abschnitt des Clybourn Corridor errichtet, folgten weitere<br />
PMDs für den „Elston corridor“, Goose Island (beide 1990)<br />
und Chicago-Halsted (2000).<br />
Gestützt wird das PMD-Instrument durch das Instrument<br />
TIF (Tax Increment Financing Districts). Das Prinzip des<br />
Tax Increment Financing wird seit den sechziger Jahren für<br />
die Finanzierung von größeren Stadterneuerungsprojekten<br />
angewandt. Die Idee ist denkbar einfach: In einem zuvor<br />
defi nierten Quartier wird ein TIF von der Stadtverwaltung<br />
gegründet. In den Folgejahren (zumeist zehn) gehen die<br />
Steuereinnahmen, die über das Niveau des Gründungsjahres<br />
hinausgehen, in einen Sonderfond. Die durch ein<br />
Stadterneuerungsvorhaben in diesem Zeitraum erwartete<br />
Steuermehreinnahme wird Grundlage für eine Kommunalanleihe,<br />
die während der Dauer des TIFs durch die TIF<br />
Einnahmen abgezahlt wird. Nach Ablauf des TIFs fl ießen<br />
dann die erhöhten Einnahmen wieder in den allgemeinen<br />
Haushalt der Kommune. Die eingenommenen Gelder<br />
wurden (in diesem Fall) für die Entwicklung der lokalen Industrie<br />
und Infrastruktur sowie für Fortbildungsprogramme<br />
für Arbeitnehmer eingesetzt.<br />
Nicht unumstritten sind PMDs in Chicago. Die Flächennutzung<br />
wird auch hier, wie fast immer in den Vereinigten<br />
Staaten, vor allem durch den Markt geregelt. Insofern<br />
haftet den PMDs auch immer das Stigma der Fortschrittsfeindlichkeit<br />
an, da der Grund und Boden des Korridors<br />
nicht auf die (fi nanziell) effektivste Weise genutzt würde<br />
(vgl. University of Michigan). Hier verwies Holzer auf die<br />
alle 10 Jahre stattfi ndende Evaluation der Arbeit der LEED<br />
Council in Kooperation mit <strong>Universität</strong>en. PMDs seien kein<br />
Instrument, welches für immer Gültigkeit besitze. Sollten<br />
sie nicht mehr der Stadtteilgemeinschaft dienen, könnten<br />
sie auch nach ihrer Laufzeit abgeschaft werden.<br />
Bemerkenswert an dem gesamten Prozess ist vor allem,<br />
dass hier Flächennutzungsplanung Ergebnis eines Prozesses<br />
ist, der in gemeinschaftlicher Arbeit von privaten und<br />
Bürger-Organisationen an die Politik herangetragen wurde.<br />
Hier wird ganz deutlich, welchen völlig anderen Stellenwert<br />
Planung in US-Amerika haben kann.<br />
Quellen:<br />
Clavel, Pierre; Wiewel, Wim. 1991 „Harold Washington and the<br />
Neighborhoods: progressive city government in Chicago, 1983-<br />
1987“ New Brunswick, New Jersey: Rutgers University Press<br />
Internet:<br />
LEED Council: „About LEED Council.“ (http://www.leedcouncil.<br />
org/aboutus.asp). Zugriff: 14.11.05<br />
LEED Council: „The LEEDer. A Newsletter from the local<br />
economic and employment development council.“ 2003 (http://<br />
www.leedcouncil.org/pdf/Leeder_sept2003_page1.pdf), Zugriff:<br />
14.11.05<br />
Neighborhood Capital Budget Group: „How do TIFs affect<br />
industry and jobs in Chicago?.“ (http://www.ncbg.org/tifs/jobs.<br />
htm), Zugriff 14.11.05<br />
University of Michigan: „Industrial Retention Programs -<br />
Chicago’s North River Industrial Corridor.“ (http://www.umich.<br />
edu/~econdev/indust_reten/), Zugriff 14.11.05<br />
71
Leed Council<br />
PMDs: (LEED Council: http://www.leedcouncil.org/pdf/maps/map1.png, Zugriff 14.11.05)<br />
72
Zeitplan<br />
73