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Exkursionsbericht - HafenCity Universität Hamburg

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chicago<br />

zwischen high rise & low density<br />

Exkursion im Vertiefungsstudium Stadtplanung TU <strong>Hamburg</strong>-Harburg 15. bis 22. Oktober 2005<br />

Stadtgestalt und Geschichte<br />

Kriminalität und Immigration<br />

Planungssystem<br />

Strategien und Konzepte


Teilnehmerliste<br />

Catharina Becker<br />

Sara-Louise Bergkvist<br />

Marc Detert<br />

Sascha Hanekopf<br />

Matthias Hoffmann<br />

Christine Holewa<br />

Inga Kämpf<br />

Lisa Nieße<br />

Stephan Rothenburg<br />

Lena Schlag<br />

Stephanie Schoubye<br />

Julia Spiering<br />

Marc Springer<br />

Sebastian Wilk<br />

Mike Wilkens<br />

Grischa Wunderlich<br />

Prof. Dr. Ingrid Breckner


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort Sebastian Wilk 7<br />

Stadtgestalt und Stadtgeschichte<br />

Historical Transsects through Chicago Sascha Hahnekopf 9<br />

Edles Wohnen bei alten Meistern – Wright und Mies van der Rohe Inga Kämpf 10<br />

Edge Cities Marc Detert & Lena Schlag 14<br />

Urbs in Horto – Die Stadt im Garten Sara-Louise Bergkvist & Marc Springer 31<br />

Kriminalität und Immigration<br />

Entwicklungen und Trends der Chicagoer Kriminalitätsstatistiken Stephan Rothenburg 37<br />

Zusammenfassung Gewalt und Unsicherheit Prof. Skogan Matthias Hoffmann 41<br />

The Devon Avenue - Colours of Asia Julia Spiering 43<br />

Planungssystem<br />

Planungssystem - BRD und USA im Vergleich Matthias Hoffmann 44<br />

Stadtplanung & Planerausbildung in den USA Matthias Hoffmann 52<br />

Strategien und Konzepte<br />

HOPE VI<br />

U.S. Department of Housing and Urban Development und HOPE VI Christine Holewa 56<br />

Cabrini Green Stefanie Schoubye 56<br />

New Urbanism zur Armutsbekämpfung? Lisa Nieße 60<br />

Business Improvement District „Lincoln Square“ Mike Wilkens 66<br />

LEED Council Grischa Wunderlich 70<br />

Zeitplan 73


Im Uhrzeigersinn: Region Chicago,<br />

Der Staat Illinois, Greater Chicago<br />

6


Vorwort<br />

Der vorliegende Bericht dokumentiert die wesentlichen Inhalte<br />

der einwöchigen Studienreise nach Chicago vom 15.<br />

bis 23. Oktober 2005. Unter dem Titel „Geschichte und<br />

Gegenwart der Stadtentwicklung in Chicago – Zwischen<br />

High Rise und Low Density“ war diese Exkursion im Rahmen<br />

der Lehrveranstaltungen des Studiengangs Stadtplanung<br />

an der Technischen <strong>Universität</strong> <strong>Hamburg</strong>-Harburg<br />

in den Kontext des Vertiefungsstudiums für das 7. bis<br />

10. Semester eingebettet. Die 16 Studierende zählende<br />

Gruppe wurde sowohl bei der seminaristischen Vorbereitung<br />

als auch bei der eigentlichen Durchführung der<br />

Studienreise durch Frau Prof. Dr. Ingrid Breckner inhaltlich<br />

betreut. Die Organisation der Exkursion oblag den Studierenden<br />

selbst.<br />

Die im U.S.-Bundesstaat Illinois gelegene Stadt Chicago<br />

ist eine Partnerstadt <strong>Hamburg</strong>s und hat eine Einwohnerzahl<br />

von derzeit knapp 2,9 Mio. Damit ist sie nach New<br />

York und Los Angeles die drittgrößte Stadt der Vereinigten<br />

Staaten. Die Metropolregion Chicago, die sich<br />

entlang der südwestlichen Küstenlinie des Lake Michigan<br />

erstreckt, zählt ca. 9,2 Mio. Einwohner. (http://www.<br />

encyclopedia.chicagohistory.org/pages/962.html, letzter<br />

Zugriff 19.12.2005) (Bild: Karte Metropolregion Chicago)<br />

Chicago ist nicht nur das wichtigste Wirtschaftszentrum<br />

im U.S.-Binnenland, sondern gilt darüber hinaus als der<br />

Verkehrsknotenpunkt Nordamerikas schlechthin. Die Stadt<br />

besitzt mit dem O’Hare Airport den größten Flughafen der<br />

Welt. Ferner verfügt sie über einen großen Binnenhafen<br />

und ist außerdem Zentrum des Eisenbahn- und Straßenverkehrs.<br />

Chicago ist die weltweit wichtigste Messe- und<br />

Kongressstadt. Inmitten der größten Kornkammer der<br />

Welt gelegen, steht hier darüber hinaus die international<br />

bedeutendste Getreidebörse. Die Stadt Chicago gilt nicht<br />

nur als Spiegelbild der multiethnischen und multikulturellen<br />

Zusammensetzung der U.S.-amerikanischen Bevölkerung,<br />

sondern ist auch für ihre Architektur bekannt. (http://fhh.<br />

hamburg.de/stadt/Aktuell/senat/welt/partnerstaedte/chicago/start.html,<br />

letzter Zugriff 19.12.2005)<br />

Diese architektonisch wie stadtplanerisch hochinteressante<br />

Metropole vor einem fachlichen Hintergrund zu<br />

erkunden, war Hauptmotivation der Exkursionsgruppe.<br />

Die zahlreichen Expertengespräche vor Ort entwickelten<br />

sich zu spannenden Diskussionen. Auch diverse Führungen<br />

sollten dazu beitragen, sich selbst zu fragen, ob der<br />

Beiname Chicagos – The Nation’s Second City – tatsächlich<br />

gerechtfertigt ist. Das galt insbesondere für diejenigen<br />

Exkursionsteilnehmer, denen ein direkter Vergleich zu New<br />

York möglich war. Denn der größte Teil der Gruppe hatte<br />

zuvor einen Stopover von ebenfalls einer Woche just in<br />

New York eingelegt.<br />

Dieser Bericht stellt die einzelnen Etappen der Exkursion<br />

nicht in chronologischer Reihenfolge vor, sondern<br />

gliedert sich nach den Themengebieten „Stadtgestalt und<br />

Geschichte“, „Kriminalität und Immigration“, „Planungssystem“<br />

sowie „Strategien und Konzepte“. Zuletzt wird ein<br />

abschließendes Fazit gezogen. Der Bericht gibt Einblick in<br />

die während Expertengesprächen und Führungen vermittelten<br />

Inhalte. Ferner versucht er, die auf der Exkursion<br />

gesammelten Eindrücke zu veranschaulichen.<br />

Sebastian Wilk<br />

7


Stadtgestalt und Geschichte<br />

8


Historical transects through Chicago Sascha Hanekopf<br />

Am 15. Oktober 2005 war die Exkursionsgruppe zu Gast bei Professor Michael Conzen. Herr Prof.<br />

Conzen bereitete einen Vortrag über die geostrategischen Ursprünge und die frühe Stadtentwicklung<br />

der Stadt vor, dessen Ergebnisse nachfolgend detailliert beschrieben werden. Im Anschluss regte Herr<br />

Prof. Conzen eine Diskussion der präsentierten Fakten aus europäischer Planungssicht an.<br />

Vorurbane Ära:<br />

Die ausgezeichnete geostrategische Lage im Wasserstraßennetz<br />

Nordamerikas war entscheidend für die frühen<br />

Handels- und Siedlungsaktivitäten auf dem Stadtgebiet<br />

des heutigen Chicagos. Das Gebiet liegt auf dem Plateau<br />

des mittleren Westens, das die Fließrichtungen der<br />

Wasserwege maßgeblich beeinfl usst. Südlich des Plateauscheitelpunkts<br />

ist die Fließrichtung zum Golf vom<br />

Mexiko ausgerichtet. Nördlich führen die Wasserwege<br />

über die Großen Seen und den Sankt Lorenz Strom in den<br />

Nordatlantik. Der Siedlungsgrund Chicagos liegt zwischen<br />

der kürzesten Landentfernung des südlichen und nördlichen<br />

Wasserstraßennetzes. Bereits die indigenen nordamerikanischen<br />

Kulturen erkannten diesen Knotenpunkt<br />

und siedelten am südwestlichen Ufer des Michigansees.<br />

Der Name der Stadt leitet sich aus dem indianischen Wort<br />

Checagou ab, mit dem die Potawatomi das Marschland<br />

der Region beschrieben. Das Wort bedeutet sowohl<br />

wilde Zwiebeln als auch Stinktier. Frei übersetzt bedeutete<br />

Checagou also soviel wie „Land, das nach Zwiebeln<br />

stinkt“.<br />

In den 1770er Jahren errichtete der Frankokanadier<br />

Jean Baptiste Point du Sable einen Handelsposten am<br />

Tauschplatz der ortsansässigen Indianerstämme. Im Laufe<br />

der folgenden 50 Jahre entwickelte sich kein weiterer<br />

Wachstumsimpuls. 1803 Wurde der Militärstützpunkt Fort<br />

Dearborn errichtet.<br />

Gründung der Stadt:<br />

Mit dem Beitritt Illinois 1818 zu den USA sollte der Bundesstaat<br />

verkehrstechnisch besser erschlossen werden.<br />

Infolge des Baus der Ost-West Eisenbahnstrecke erlangte<br />

Chicago überregionale Bedeutung im Verkehrsnetz der<br />

USA als „Tor zum Westen“ und baute seine Position<br />

als Handelsplatz für Rohstoffe und landwirtschaftliche<br />

Produkte aus. Holz kam mit Schiffen aus dem Norden<br />

und wurde vor Ort weiterverkauft oder mit der Bahn<br />

weitertransportiert. Die Lebensmittel wurden in der Region<br />

produziert und auf den Märkten verkauft bzw. über die<br />

Stadt exportiert. Im Jahr 1833 wurde Chicago offi ziell<br />

gegründet und erlangte bereits 1837 mit seinen 4.200<br />

Einwohnern Status Stadt.<br />

Urbane Wachstumsphase:<br />

Aufgrund der Wachstumsdynamik der Stadt und prosperierenden<br />

Wirtschaft kamen immer mehr Menschen,<br />

insbesondere Auswanderer in die Stadt. Im Zuge dieser<br />

Entwicklung stiegen die Grundstückspreise rasant an.<br />

Mit der Fertigstellung des „Illinois & Michigan Canals“<br />

zwischen dem Chicago River und dem in den Mississippi<br />

mündenden Illinois 1848 wurden die beiden Wassernetze<br />

erschlossen. Zudem wurde 1848 die erste Eisenbahnstrecke<br />

eröffnet, die Chicago anfuhr - die „Galena & Chicago<br />

Union Railroad“. Seit der Fertigstellung des „Chicago<br />

Sanitary Canals“ im Jahr 1900 mündet der Chicago River<br />

nicht mehr in den Michigansee, sondern über den Illinois in<br />

den Mississippi.<br />

1850 hatte die Stadt bereits 30.000 Einwohner. Während<br />

des amerikanischen Bürgerkriegs war die Stadt bedeutender<br />

Produzent für Kriegsgerät und Truppenversorgung.<br />

Zwischen dem 8. und dem 10. Oktober 1871 zerstörte<br />

der „Große Brand“ weite Teile Chicagos. Die freien Flächen<br />

avancierten schnell zu Experimentierfeldern urbaner Innovationen.<br />

Architekten wie Louis Sullivan und Frank Lloyd<br />

Wright bestimmten in der Folgezeit das Stadtbild. Die<br />

Bevölkerungszahl betrug 1880 500.000 Einwohner.<br />

Frühe Hochhausarchitektur:<br />

Das Bevölkerungswachstum hielt unvermindert an, so<br />

dass es zwischen 1880 und 1890 zu einer Verdoppelung<br />

der Einwohnerzahl auf über eine Million kam. Infolge<br />

des Siedlungs- bzw. Nutzungsdrucks auf die Flächen<br />

der Innenstadt, erlebten die Grundstückspreise in dieser<br />

Phase einen extremen Preisanstieg. Kostete 1 qm im<br />

Jahr 1880 noch 130 US-Dollar, versiebenfachte er sich<br />

bis zum Jahr 1890 fast bis auf 900 US-Dollar pro qm. Um<br />

rentabel zu wirtschaften, begannen Grundstückseigner,<br />

ihre Grundfl äche maximal zu nutzen und bauten daher in<br />

die Höhe. Diese Entwicklung war allerdings nur aufgrund<br />

neuer Erfi ndungen möglich. Zu nennen sind insbesondere<br />

der Stahlskelettbau, der elektrische Aufzug, feuerfestere<br />

Baustoffe.<br />

Das 1885 fertig gestellte Home Insurance Building war<br />

das erste Bauwerk, das die neuen technischen Errungenschaften<br />

vereinte, und gilt daher mit seinen zehn Etagen<br />

als das erste Hochhaus der Welt. Das Auditorium Building<br />

von 1889 wies zudem - neben seinen optimalen akustischen<br />

Eigenschaften - als Neuheit eine Klimaanlage auf.<br />

Zwischen 1890 und 1894 wurde das Reliance Building<br />

erbaut. Dieses Gebäude gilt aufgrund Fassadenkonstruktion<br />

als Vorläufer der gläsernen Vorhangwandkonstruktion<br />

und ist ein Aushängeschild des in Chicago geprägten<br />

Baustils für Hochhäuser, der allgemein als Chicagoer<br />

Schule bezeichnet wird.<br />

9


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Edles Wohnen bei alten Meistern – Ein Besuch bei Frank Lloyd Wright<br />

und Ludwig Mies van der Rohe Inga Kämpf<br />

Chicago hat in der Entwicklung der modernen Architektur<br />

eine bedeutende Rolle gespielt. Zwei der Architekten die<br />

in Chicago gelebt und gearbeitet haben sind Frank Lloyd<br />

Wright und Ludwig Mies van der Rohe. Im folgenden wird<br />

ein kurzer Überblick über ihr Leben und Werk gegeben.<br />

Besonders werden dabei Arbeiten in Chicago und Umgebung<br />

hervorgehoben.<br />

Abb. 1: Frank Lloyd Wright und Ludwig Mies van der Rohe<br />

Frank Lloyd Wright<br />

Frank Lloyd Wright wird am achten Juni 1876 in Richland<br />

Center, Wisconsin geboren. Sein Vater William Carey<br />

Wright arbeitet als Prediger und Musiker und seine Mutter<br />

Anna Lloyd Jones als Lehrerin. Während Wrights Kindheit<br />

zieht die Familie oft um und lässt sich schließlich<br />

in Wisconsin nieder. (www.wrightplus.org, Zugriff am<br />

01.11.2005)<br />

Als junger Mann hat Wright eine Anstellung beim Direktor<br />

der Ingenieursschule in Madison. Dort lernt er unter<br />

anderem technisches Zeichnen und Konstruktionsgrundlagen.<br />

Nebenbei studiert er Ingenieurswissenschaften an<br />

der University of Wisconsin (Tafel 1981: 37). Ein Architekturstudium<br />

war zu teuer und deshalb für ihn nicht fi nanzierbar<br />

(Treiber 1988: 8). 1887 bricht er sein Studium jedoch<br />

ab, um in Chicago im Büro des Architekten Joseph Lyman<br />

Silsbee zu arbeiten.<br />

Nach einem Jahr in Chicago nimmt Wright eine Anstellung<br />

im Büro Adler und Sullivan an (www.wrightplus.org, Zugriff<br />

am 01.11.2005). Dieses Büro ist zu diesem Zeitpunkt<br />

eines der berühmtesten Büros der architektonischen<br />

Avantgarde. Adler und Sullivan lehnen es ab Einfamilienhäuser<br />

zu bauen, sie sind auf Bürogebäude spezialisiert<br />

und an der Entwicklung der Hochhäuser maßgeblich<br />

beteiligt. In einigen Fällen müssen sie jedoch Wohnhaus-<br />

Aufträge aus Höfl ichkeit annehmen. In diesen Fällen wird<br />

Wright außerhalb seiner Bürozeiten mit der Ausführung<br />

beauftragt. Auch sein eigenes Wohnhaus in Oak Park<br />

entsteht in den ersten Jahren bei Adler und Sullivan.<br />

(Treiber 1988: 10ff)<br />

Über die Einfamilienhaus-Aufträge knüpft Wright Kontakte<br />

zu Klienten. Er bekommt immer mehr Aufträge und führt<br />

diese aus, ohne Adler und Sullivan darüber zu informieren<br />

(Tafel 1981: 47). Sein Arbeitsvertrag läuft 1893 aus. Etwa<br />

gleichzeitig entdeckt Sullivan, dass Wright neben seiner<br />

Arbeit für ihn weitere Aufträge ausführt. Das Arbeitsverhältnis<br />

wird beendet und Wright macht sich in einem angemieteten<br />

Büro in Chicago selbstständig. (Treiber 1988: 15)<br />

1909 verlässt Wright Chicago und Oak Park um nach<br />

Europa zu gehen. 1911 kehrt er nach Amerika, aber nicht<br />

nach Chicago zurück. In seinem Wohnhaus in Talesien,<br />

Wisconsin eröffnet Wright ein „Fellowship“, junge Architekten<br />

leben und arbeiten bei ihm als seine Lehrlinge. (Tafel<br />

1981: 64 f)<br />

Zu den bekanntesten Werken Wrights zählen sein Haus<br />

Talesien (1925), das Haus Fallingwater (1933) und das<br />

Guggenheim-Museum in New York (1956).<br />

Oak Park<br />

Oak Park ist eine Kleinstadt westlich von Chicago. Die<br />

Stadt war schon zu Wrights Lebzeiten mit der Bahn an<br />

Chicago angebunden. Es handelt sich um einen Vorort mit<br />

gehobenen Lebensstandards. Den Gerüchten zu Folge<br />

müssen neu hinzuziehende Haushalte vorweisen, dass ihr<br />

Einkommen über dem Durchschnittseinkommen der Stadt<br />

liegt, um sich überhaupt hier niederlassen zu können.<br />

In Oak Park stehen die bekanntesten im von Wright mitentwickelten<br />

Prairie Stil gebauten Häuser. Dieser Stil war eine<br />

Antwort auf den damals vorherrschenden viktorianischen<br />

Stil. Es ist der einzige Baustil der nicht Elemente historischer<br />

Stile aufgreift und wird somit auch als der ur-amerikanische<br />

Baustil betrachtet. Er zeichnet sich durch leicht<br />

geneigte Dächer mit stark überstehenden Traufen und<br />

die Verwendung geometrischer Formen und horizontaler<br />

Linien aus. Die Grundrisse sind offen.<br />

Der Frank Lloyd Wright Preservation Trust bietet Führungen<br />

durch Frank Lloyd Wrights Wohnhaus und Studio,<br />

sowie durch das umliegende Quartier an. Diese Führungen<br />

werden von „Volunteers“ gemacht, die meisten von ihnen<br />

sind Frauen, die in Oak Park leben. Während der Exkursion<br />

nahm die Gruppe an einer dieser Führungen Teil.<br />

10


Edles Wohnen bei alten Meistern<br />

Frank Lloyd Wrights Wohnhaus und Studio<br />

Die Führung beginnt mit einer Besichtigung von Frank<br />

Lloyd Wrights Wohnhaus. Das Wohnhaus und Studio, in<br />

dem er von 1889-1909 lebt und arbeitet, wurde 1977-<br />

1987 renoviert und in den Zustand gebracht in dem es<br />

1909 gewesen sein soll, dem letzten Jahr in dem Wright<br />

in diesem Haus wohnte und arbeitete (www.wrightplus.<br />

org, Zugriff am 21.11.2005). Das Haus ist verwinkelt, immer<br />

wieder gab es Anbauten um den Ansprüchen einer<br />

immer größeren Familie zu genügen und um größere<br />

Atelierfl ächen zu erhalten.<br />

Das Spielzimmer für die Kinder Wrights wirkt wie ein<br />

privater Kindergarten. Es ist in einem kindergerechter<br />

Maßstab gehalten, bei dem Fenster und Möbel auf Kindergrößen<br />

ausgerichtet sind.<br />

Die Renovierungen lassen im Haus die Atmosphäre<br />

eines Museums aufkommen, die Wiederherstellung des<br />

damaligen Zustandes hat etwas Disney-haftes und wirkt<br />

aufgesetzt.<br />

Während die Führerin hervorhebt, in dem Haus sei gut mit<br />

dem Licht gearbeitet worden, wirken die Räume mit ihren<br />

kleinen Fenstern, an heutigen Maßstäben gemessen aber<br />

dunkel.<br />

An Wrights Gebäuden in Oak Park kann die Entwicklung<br />

des Prarie Stils nachvollzogen werden. Während sein<br />

eigenes Haus mit vielen kleinteiligen Fassadenelementen<br />

in Ansätzen an ein Gebäude irgendwo im Schwarzwald<br />

erinnert, zeigen die späteren Gebäude klarere Linien und<br />

Strukturen auf.<br />

Die Umgebung des Wohnhauses ist dementsprechend<br />

von einem Mix von Baustilen geprägt. Villenartige Wohnhäuser<br />

im viktorianischen Baustil und im Prairie Stil<br />

sind vorherrschend. Die Häuser wurden in der gleichen<br />

Zeitetappe gebaut, unterscheiden sich aber stark voneinander.<br />

Die Straßen sind ruhige Alleen. Es gibt kaum Zäune, die<br />

Grundstücksgrenzen sind aber trotzdem gut zu erkennen.<br />

Die meisten Häuser sind, während des Rundgangs<br />

im Oktober für Halloween geschmückt. Außer wenigen<br />

Touristen und der Gruppe Studierender sind während<br />

des Rundgangs kaum Menschen auf den Straßen. Eine<br />

Gruppe junger Menschen ist über das gesamte Gebiet<br />

verteilt, sie sitzen auf den Bürgersteigen und zeichnen die<br />

Gebäude Wrights. Gelegentlich fährt ein Auto vorbei. Auf<br />

einem liebevoll gestalteten Spielplatz spielen fröhliche,<br />

weiße Kinder.<br />

Becky, die den Rundgang leitet, erzählt vom Leben in der<br />

„Community“ von Oak Park. Ihr Haus sei mittlerweile etwa<br />

zehn Millionen Dollar wert. Es gäbe eine Einkaufsstraße in<br />

der Nähe des Bahnhofs. Die meisten Menschen würden in<br />

11


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Gebäude von Wright für Halloween geschmückt<br />

Chicago arbeiten und pendeln, viele von ihnen sogar mit<br />

der Bahn und nicht mit dem Auto.<br />

Am Ende des Rundgangs bietet sich die Besichtigung des<br />

Unity Tempels an. Diese Kirche ist das einzige öffentliche<br />

Gebäude, das Wright in Oak Park gebaut hat. Nachdem<br />

die Kirche der Unitarier-Universalisten-Gemeinde 1905<br />

abgebrannt war wurde er gebeten einen Neubau zu<br />

errichten.<br />

Die Gemeinde hatte nur begrenzte fi nanzielle Mittel für den<br />

Neubau und so entschied Wright sich für Beton als Material.<br />

Er bezeichnete Beton als billigen Baustoff der aber<br />

trotzdem würdevoll aussehen konnte wie traditionelles<br />

Mauerwerk. Von außen betrachtet wirkt der Unity Temple<br />

eher wie ein massiver Klotz. Er ist eine bautechnische<br />

Innovation, da er einer der ersten öffentlichen Bauten aus<br />

Beton ist. (Unity Temple Restoration Foundation 1996)<br />

Ludwig Mies van der Rohe<br />

Ein weiterer Architek, der in Chicago weltweite Maßstäbe<br />

setzte ist Ludwig Mies van der Rohe. Ludwig Mies wird<br />

am 27. März 1886 in Aachen geboren. Nachdem er<br />

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einige Jahre für<br />

Aachener Bauunternehmen und Architekten arbeitet,<br />

geht er nach Berlin und arbeitet zunächst als Zeichner bei<br />

Bruno Paul und später im Büro von Peter Behrens, wo er<br />

unter anderem auf Gropius und Le Corbusier trifft.<br />

1913 macht Mies sich in Berlin selbstständig. Neben<br />

seiner Arbeit als Architekt organisiert er Ausstellungen. Die<br />

wohl bekannteste ist die Werkbundsaustellung „Die Wohnung“<br />

in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Mies baut den<br />

deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona<br />

1929. Nach der Weltausstellung wird er Direktor des Bauhauses<br />

in Dessau. Er verlegt das Bauhaus nach Berlin, wo<br />

860-880 Lake Shore Drive<br />

er es bis zur Schließung im Jahr 1933 führt.<br />

1938 wird Mies zum Austritt aus der Preußischen Akademie<br />

der Künste gezwungen und emigriert in die USA. Dort<br />

wird er Direktor der School of Architecture am Armour<br />

Institute aus dem das Illinois Institute of Technology (IIT)<br />

hervorgeht. (Cohen1995: 137)<br />

Lake Shore Drive<br />

Zu Mies bekanntesten Werken zählen die Gebäude<br />

am 860-880 North Lake Shore Drive. Die 26-stöckigen<br />

Gebäude wurden von den Chicagoern als „Glaskästen“<br />

bezeichnet, da sie als sie 1951 fertiggestellt wurden eine<br />

Besonderheit waren. Sie gehören zu den ersten Gebäuden<br />

der Welt mit Glasfassade. Um eine Wohnung in<br />

diesen Gebäuden in innenstadtnaher Wohnlage, direkt am<br />

Ufer des Sees zu bekommen muss zum einen das nötige<br />

Kleingeld vorhanden sein und zum anderen sind Regeln<br />

einzuhalten, wie zum Beispiel der Verzicht auf Haustiere.<br />

IIT<br />

Ein weiteres Werk von Mies ist der Gesamtplan für das IIT,<br />

sowie einzelne Gebäude auf dem Campus.<br />

Der Besuch auf dem Campus ist beeindruckend. Da ste-<br />

12


Edles Wohnen bei alten Meistern<br />

Crown Hall, IIT<br />

hen nun alle Gebäude, die sonst nur auf Bildern zu sehen<br />

sind und über die in einigen Vorlesungen gesprochen<br />

wird. Der Campus ist sehr weitläufi g, die Wege bestehen<br />

aus aneinandergelegten Betonplatten und erinnern an ein<br />

altes Kasernengelände. Der Raum auf dem Campus ist<br />

fl ießend. Alles erscheint offen, was noch dadurch verstärkt<br />

wird, dass es möglich ist durch viele der fl achen Gebäude<br />

hindurchzusehen.<br />

Als Ergänzung zu den alten Gebäuden wurde ein Gebäude<br />

für die Studierenden des IIT errichtet. Der Architekt dieses<br />

Baus ist Rem Kolhaas. In diesem Gebäude befi nden sich<br />

eine Art Mensa, Arbeitsplätze und ein Buchladen in Kombination<br />

mit einem Souvenirgeschäft. Es ist beeindruckend<br />

wie viel Platz die Studierenden hier haben, ihnen steht<br />

eine große Anzahl von Arbeitsplätzen und Treffpunkten zur<br />

Verfügung.<br />

Die Elevated fährt beinahe durch das Gebäude hindurch<br />

und es entsteht der Eindruck einer engen Verbindung<br />

zwischen dem <strong>Universität</strong>sgebäudes und dem Zug des<br />

Öffentlichen Personen Nahverkehrs.<br />

Fazit<br />

Sowohl die Architektur von Frank Lloyd Wright als auch<br />

die von Ludwig Mies van der Rohe prägen die Architekturdiskussion<br />

in Chicago. Die Gebäude sind Vorreiter ihrer<br />

Zeit und dienen noch immer als Beispiele meisterhafter<br />

Architektur. Häuser die heute in Chicago gebaut werden<br />

lösen nicht mehr die Diskussionen aus, die es in Chicago<br />

einmal gab. Die Verlegung auf den historisierenden Stil<br />

des New Urbanism bei Neubauten reicht nicht aus um<br />

Chicago in die weltweite Architekturdiskussion einzubringen.<br />

Ein Beispiel hierfür ist das im neoklassischen Stil<br />

errichtete Harold Washington Library Center aus dem Jahr<br />

1991, dem ein Gesicht der Gegenwart komplett verweigert<br />

wurde.<br />

<strong>Universität</strong>sgebäude, Rem Kolhaas<br />

Nützliche Links und Tipps<br />

www.architecture.org<br />

www.franklloydwright.org<br />

www.unitytemple-utrf.org<br />

www.wrightplus.org<br />

Wenn eine Tour gebucht werden soll ist es einfacher anzurufen<br />

und sofort alles zu klären, da auf E-Mails nicht immer<br />

geantwortet wird.<br />

Quellen<br />

Cohen, Jean-Louis: Ludwig Mies van der Rohe. Basel,<br />

Boston, Berlin<br />

Tafel, Edgar (1981): Frank Lloyd Wright persönlich. Zürich,<br />

München<br />

Treiber, Daniel (1988): Frank Lloyd Wright. Basel, Boston,<br />

Berlin<br />

Unity Temple Restoration Foundation (1996): Der Unity<br />

Tempel – Selbst-Guided Tour Schrift. Oak Park<br />

Internet:<br />

http://www.franklloydwright.org/index.cfm?section=resear<br />

ch&action=display&id=27 , Zugriff am 01.11.2005<br />

http://www.wrightplus.org/fl w/fl w.html, Zugriff am<br />

01.11.2005 und 21.11.2005<br />

13


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Edge Cities Marc Detert und Lena Schlag<br />

0. Einleitung<br />

1. Suburbanisierung in den USA<br />

1.1 Defi nition „Suburbanisierung“<br />

1.2 Phasen der Suburbanisierung<br />

1.3 Kapitelfazit<br />

2. Edge Cities<br />

2.1 Defi nition „Edge City“ nach Garreau<br />

2.2 Funktionale Bedeutung<br />

2.3 Die Anordnung im Raum<br />

2.4 Entstehungsbedingungen der Edge Cities<br />

2.5 Kapitelfazit<br />

3. Schaumburg: Eine Edge City im Staat Illinois?<br />

3.1 Schaumburg<br />

3.2 Ist Schaumburg eine Edge City?<br />

3.3 Untersuchung der Edge City Schaumburg<br />

3.4 Erlebnisberichte: Stadtrundgänge durch Schaumburg<br />

3.5 Kapitelfazit<br />

4. Gesamtresümee<br />

5. Anhang<br />

I. Abbildungsverzeichnis<br />

II. Quellenverzeichnis<br />

A. Literatur<br />

B. Internetseiten<br />

Abb. 1: Modell einer Stadtregion (eigene Darstellung, vgl.<br />

Friedrichs:1995:17)<br />

0. Einl eitung<br />

In den USA wird die Raum- und Siedlungsstruktur in den<br />

letzten Jahrzehnten durch einen zunehmenden Suburbanisierungsprozess<br />

und eine fortschreitende räumliche<br />

Arbeitsteilung geprägt. Die Folgen sind neue Siedlungsmuster<br />

mit ausgedehnten Wegstrecken, eine stärkere<br />

Abhängigkeit vom Auto, ein erhöhtes Verkehrsaufkommen<br />

sowie eine Zunahme der Umweltbelastungen.<br />

Das Interesse der Exkursionsgruppe, einen Blick in die<br />

USA zu richten, entstand daraus, dass die räumlichen<br />

Entwicklungstrends in Deutschland, z.B. die weiter<br />

zunehmende Flächeninanspruchnahme, die Aufl ösung<br />

kleinteiliger Nutzungsmischungen und die Zunahme des<br />

Autoverkehrs, in den USA bereits weiter fortgeschritten<br />

sind und sich Städte in ihrer klassischen Struktur schon<br />

seit mehreren Jahren zunehmend aufl ösen. Zudem wurde<br />

in unterschiedlichen Vorlesungen das Thema der Siedlungsform<br />

der so genannten Edge Cities angesprochen<br />

und diskutiert. Daraus entstand die Idee, die theoretischen<br />

Erfahrungen, die bisher nur aus Literatur oder fachlichen<br />

Diskussionen stammen, durch einen praktischen Einblick<br />

in die Lebenswelt suburbaner Räume in den USA mittels<br />

einer Exkursion zur Edge City Schaumburg im Staat Illinois<br />

zu erweitern.<br />

Die übergeordneten zentralen Fragestellungen zur Suburbanisierung<br />

in den USA mit dem Fokus auf Edge Cities<br />

sind:<br />

- „Was wird unter dem Begriff der Suburbanisierung<br />

verstanden und wie verliefen die einzelnen Phasen der<br />

Suburbanisierung in den USA?“<br />

- „Wie ist das neue Siedlungsmuster „Edge City“ in den<br />

Prozess der weiträumigen Suburbanisierung und räumlichen<br />

Entmischung der Funktionen in den USA einzuordnen?“<br />

Vorerst wird der Begriff der Suburbanisierung geklärt sowie<br />

eine Charakterisierung der einzelnen Suburbanisierungswellen<br />

vorgenommen. Zusätzlich werden die Wandlungsprozesse<br />

der letzten sechzig Jahren in den amerikanischen<br />

Großstadtregionen im Groben beleuchtet.<br />

Daraufhin fi ndet eine theoretische Annäherung an ein neu<br />

entstandenes Siedlungsmuster in den USA, die „Edge<br />

Cities“, statt.<br />

Im praktischen Abschnitt werden die im theoretischen<br />

Teil gewonnen Erkenntnisse anhand der Stadt Schaumburg<br />

untersucht. Abschließend soll eine Darstellung<br />

persönlicher Eindrücke über einen Stadtrundgang durch<br />

Schaumburg berichten, ob die subjektive Wahrnehmung<br />

mit den zuvor gesammelten „theoretischen“ Erkenntnissen<br />

konform ist oder in welchen Punkten sie möglicherweise<br />

differiert.<br />

1. Suburbanisierung in den USA<br />

1.1 Definition „Suburbanisierung“<br />

Die Verlagerung städtischer Funktionen und die<br />

14


Edge Cities<br />

Veränderung der räumlichen Erschließung des „ländlichen“<br />

Raumes werden heute meist mit dem Begriff<br />

Suburbanisierung, im amerikanischen Sprachgebrauch als<br />

„Urban Sprawl“ bezeichnet (vgl. Oberascher: 2003:17),<br />

zusammengefasst. Darunter wird die „Verlagerung von<br />

Nutzungen und Bevölkerung aus den Kernstädten, dem<br />

ländlichen Raum oder anderen metropolitanen Gebieten<br />

in das städtische Umland bei gleichzeitiger Reorganisation<br />

der Verteilung von Nutzungen und Bevölkerung in der<br />

gesamten Fläche des metropolitanen Gebiets“ (Friedrichs:1995:17)<br />

verstanden.<br />

Suburbanisierung ist laut Friedrichs somit mehr als die<br />

Expansion der Stadt in ihr Umland, sondern zugleich ein<br />

Prozess der Dekonzentration von Bevölkerung, Produktion,<br />

Verwaltung und Handel.<br />

1.2 Phasen der Suburbanisierung<br />

Generell lassen sich drei Phasen der Suburbanisierung in<br />

den USA unterscheiden, angeführt in der zeitlichen Reihenfolge<br />

ihres Auftretens:<br />

1. Suburbanisierung der (einkommensstarken)<br />

Bevölkerung<br />

2. Suburbanisierung des Einzelhandels<br />

3. Suburbanisierung der Dienstleistungsunternehmen<br />

Die Art und der Umfang der Suburbanisierung und die<br />

damit verbundenen Probleme sind von Staat zu Staat<br />

innerhalb der USA sehr unterschiedlich abgelaufen. Dies<br />

hängt beispielsweise stark von den stadtplanerischen und<br />

gesetzlichen Rahmenbedingungen, der geographischen<br />

Lage, der wirtschaftlichen Ausrichtung der einzelnen<br />

Städte, den Einwanderungsströmen der Kriegs- und<br />

Nachkriegszeit etc. ab. In diesem Rahmen soll eine vereinfachte<br />

Darstellung der Suburbanisierungsprozesse sowie<br />

dessen Hintergründe und Folgen in den USA der letzten<br />

sechzig Jahre gegeben werden.<br />

Die drei Wellen der Suburbanisierung, die eine Zersiedelung<br />

des Umlandes der amerikanischen Großstädte mit<br />

sich brachten, haben dazu geführt, dass, ausgehend von<br />

der ersten Welle, die in den USA ab 1945 begann, das<br />

suburbane Einfamilienhaus Stück für Stück die vorherrschende<br />

Wohnform wurde. Mehr als 45% der amerikanischen<br />

Bevölkerung lebt heute in dem seit der Nachkriegszeit<br />

entstandenen automobilorientierten, suburbanen<br />

Raum, während nur noch ein Drittel in den Kernstädten<br />

selbst wohnt.<br />

Beim Bau der suburbanen Wohngebiete wurde meist das<br />

Abb. 2: Typisches US-amerikanisches bauliches Erscheinungsbild<br />

eines suburbanen Einfamilienhausquartiers (Quelle: http://tigger.<br />

uic.edu.JPEG)<br />

gleiche autogerechte Erschließungsmodell verwendet.<br />

Durch geschwungene Straßenführungen und zahlreiche<br />

Sackgassen hebt es sich in seiner Erschließungsweise<br />

bewusst vom strengen Straßenraster der Kernstädte ab.<br />

Zusätzliche Charakteristika sind die großzügig bemessenen<br />

Grundstücke, die meist als Rasenfl ächen angelegt<br />

sind und als Abstandshalter zum Nachbarn fungieren,<br />

sowie große Auffahrten zu den unzähligen Garagen. (Vgl.<br />

Roost: 2000: 23-24)<br />

Vor allem die Angehörigen der überwiegend weißen Mittel-<br />

und Oberschicht zogen in den suburbanen Raum,<br />

da diese die fi nanziellen Mittel besaßen. Auch aufgrund<br />

der noch bis heute oft existierenden Einkommensunterschiede<br />

zwischen Farbigen und Weißen können sie sich<br />

ihren Lebensraum bewusst aussuchen (vgl. Oberascher:<br />

2003: 18). Eine kulturelle und ethnische Vielfalt, die die<br />

amerikanischen Kernstädte prägt, konnte sich somit nie<br />

entwickeln.<br />

Da die Errichtung der Vorortsiedlungen meist in relativ<br />

kurzer Zeit verlief, überwiegt die Altersgruppe, die zum<br />

Zeitpunkt des Baus eine Familie gründete, stark. Gefördert<br />

wurde die Homogenität der Bevölkerungsstruktur zusätzlich<br />

durch die bestehenden enormen Unterschiede im<br />

sozialen Prestige und der Größe und Ausstattung der Gebäude,<br />

die zwischen den einzelnen suburbanen Räumen<br />

besteht. Die Mischung verschiedener Einkommensgruppen<br />

ist deshalb eher die Ausnahme.<br />

Nachdem in den Nachkriegsjahren die kaufkräftigen<br />

Schichten in den suburbanen Raum zogen, folgte ihnen<br />

in der zweiten Welle der Suburbanisierung, die sich in den<br />

USA in den sechziger und siebziger Jahren vollzog, sukzessive<br />

der Einzelhandel. In den Anfängen vor 1960 wurden<br />

meist planlos Geschäfte, Restaurants und Tankstellen<br />

15


Stadtgestalt und Geschichte<br />

an den Hauptstraßen gebaut. Nach und nach entwickelten<br />

sich aber auch immer größere und durchdachtere Formen<br />

von Einkaufzentren. In den sechziger Jahren setzte sich<br />

dann endgültig die Form der Shopping Mall durch, von<br />

denen es mittlerweile über 28.000 in Nordamerika gibt.<br />

Diese großen Einkaufzentren, die überwiegend in der Nähe<br />

von Autobahnkreuzungen errichtet wurden, sind allseitig<br />

mit großen Parkplatzfl ächen umgeben und verbreiten<br />

einen merklich geringen Grad an urbaner Atmosphäre. Der<br />

Innenraum fungiert als eine Art Ersatz-Stadtzentrum für die<br />

Bewohner des suburbanen Raumes. Neben zahlreichen<br />

kleinen Boutiquen und größeren, als Magnet dienenden<br />

Ladenketten befi nden sich auch Kinos, Restaurants und<br />

Kinderspielplätze innerhalb der Mall. (Vgl. Roost: 2000:<br />

23-24)<br />

Die Aufenthalte in den herkömmlichen urbanen Bereichen,<br />

den Kernstädten, ist für viele Vorort-Bewohner zu einer<br />

seltenen Ausnahme geworden. Der Mangel an urbaner<br />

Atmosphäre wird jedoch von vielen Bewohnern als<br />

unangenehm empfunden. Dennoch ziehen sie das Leben<br />

in dem suburbanen Raum, auf Grund der sozialen und<br />

ethnischen Homogenität, dem in der Kernstadt vor. Daher<br />

zählen die Shopping Malls für die Vorortbewohner zu den<br />

wichtigsten Orten der Begegnung. (Vgl. Roost: 2000:13)<br />

In den achtziger Jahren begann die dritte Welle der<br />

Suburbanisierung in den USA. Seitdem entstehen in den<br />

automobilorientierten, suburbanen Räumen der Nachkriegsära<br />

im zunehmenden Maße auch Arbeitsplätze in<br />

neuen Gewerbegebieten und Büroparks. Diese Gegebenheit<br />

hat zur Folge, dass viele Bewohner überhaupt nicht<br />

mehr in die Kernstädte zu ihren einstigen Arbeitsplätzen<br />

pendeln müssen, sondern sich ihr gesamter Tagesablauf<br />

nun im suburbanen Raum abspielt.<br />

Im Laufe dieses Wanderungsprozesses fi ndet das Wachstum<br />

der Kernstädte an ihren Rändern statt. Die neuen<br />

Subzentren werden immer weiter von der Kernstadt entfernt<br />

gebaut. Diese Entwicklung führte dazu, dass weder<br />

die Grenzen der Agglomeration noch ein eindeutiges<br />

räumliches Zentrum ökonomischer Aktivität feststellbar ist.<br />

Die Kernstädte mit ihrem historischen Stadtkern und den<br />

einfachen Vierteln der Minderheiten verlor im Laufe dieses<br />

Prozesses zunehmend an Anziehungskraft, wohingegen<br />

sich in den suburbanen Räumen das Wirtschaftswachstum<br />

der Region niederschlug.<br />

Besonders deutlich zeigte sich diese Entwicklung an den<br />

ungeplant entstandenen Subzentren, die vor allem in den<br />

achtziger und neunziger Jahren an den aus der Stadt<br />

führenden Highways entstanden. Die Entwicklung der<br />

zerstreuten Ballungen aus Wohnen, Einkaufszentren und<br />

Bürotürmen vollzog sich in den letzten Jahren so rasant,<br />

dass in vielen Fällen ihre wirtschaftliche Bedeutung die<br />

der traditionellen Stadtzentren weit übertrifft. (Vgl. Roost:<br />

2000: 25)<br />

1.3 Kapitelfazit<br />

Durch das vorangegangene Kapitel wurde deutlich, dass<br />

Suburbanisierung mehr als die Expansion der Stadt in ihr<br />

Umland ist, sondern zugleich ein Prozess der Dekonzentration<br />

von Bevölkerung, Produktion, Verwaltung und<br />

Handel bedeutet.<br />

Die erste übergeordnete zentrale Fragestellung konnte<br />

beantwortet werden. Zusätzlich fand eine Annäherung an<br />

die zweite zentrale Frage statt. Es gilt im Folgenden aufzudecken,<br />

ob die Entwicklung der zerstreuten Ballungen aus<br />

Wohnen, Einkaufszentren und Bürotürmen, die sich in den<br />

letzten Jahren so rasant vollzog, in vielen Fällen die wirtschaftliche<br />

Bedeutung der traditionellen Stadtzentren weit<br />

übertrifft und somit die Entstehung des neuen Siedlungsmusters<br />

„Edge City“ ist?<br />

2. Edge Cities Zur Annäherung an die zweite<br />

übergeordnete zentrale Fragestellung:<br />

„Wie ist das neue Siedlungsmuster „Edge City“ in den Prozess<br />

der weiträumigen Suburbanisierung und räumlichen<br />

Entmischung der Funktionen in den USA einzuordnen?“,<br />

wird im folgenden Abschnitt zunächst geklärt, wer die<br />

Person ist, die den Begriff „Edge City“ geprägt hat und<br />

wie diese das neue Siedlungsmuster „Edge City“ genau<br />

defi niert.<br />

Daraufhin wird untersucht, welche funktionale Bedeutung<br />

Edge Cities haben und wie sie sich im Raum ansiedeln.<br />

Zusätzlich sollen die Entstehungsbedingungen, die die<br />

Bildung der Edge Cities begünstigt haben, sowie die<br />

Phase der Suburbanisierung, in der sie entstanden sind,<br />

lokalisiert werden.<br />

2.1 Definition „Edge City“ nach Garreau<br />

Der Begriff „Edge City“ wurde von Joel Garreau, einem<br />

US-amerikanischen Washington Post Journalist, geprägt,<br />

der mit seinem im Jahre 1991 in den USA erschienenen<br />

Bestseller „Edge City- Life on the New Frontier“ den bis<br />

dahin schwer zu fassenden Begriff defi nierte. Zudem ist<br />

er Hauptakteur in der Organisation „Edge City Group“, die<br />

der landesweiten Herstellung einer besseren Gemeinschaft<br />

außerhalb der Edge Cities gewidmet ist. (Vgl. Garreau:<br />

1991: 549)<br />

Die Defi nition der einzelnen Worte „Edge“ und „City“ nach<br />

Garreau bedeutet:<br />

16


Edge Cities<br />

„Edge“, weil es sich um eine Welt von Pionieren und Einwanderern<br />

handelt, die weit weg von den alten Kernstädten<br />

entsteht, dort wo vor 30 Jahren noch kleine Dörfer oder<br />

Farmen standen. (Vgl. Garreau: 1991: 4)<br />

„City“, weil sie alle Funktionen erfüllt, die eine Stadt haben<br />

kann, auch wenn sie nicht räumlich konzentriert ist. (Vgl.<br />

Garreau: 1991: 4)<br />

Zusätzlich defi niert Garreau Edge Cities als Orte:<br />

· mit einer Gesamt-Bürofl äche von mehr als 5 Mio.<br />

Quadratfuß (ca. 464.500 m²),<br />

· mit einer Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl äche von<br />

mehr als 600.000 Quadratfuß<br />

(ca. 56.740 m²),<br />

· mit mehr Arbeitsplätzen als Wohnungen, also Orte<br />

mit tagsüber zunehmender Bevölkerungszahl,<br />

· die als Zentrum wahrgenommen werden, die also<br />

„urbs“, nicht „suburbs“ sind<br />

· und die vor 30 Jahren noch nicht als Städte bestanden.<br />

(Vgl. Garreau: 1991: 6-7)<br />

2.2 Funktionale Bedeutung<br />

Die Defi nition Garreaus macht deutlich, dass die Entstehung<br />

des neuen Siedlungsmusters „Edge City“ die zuvor benannte<br />

rasante Entwicklung der zerstreuten Ballungen aus<br />

Wohnen, Einkaufszentren und Bürotürmen ist, die in vielen<br />

Fällen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die der traditionellen<br />

Stadtzentren weit übertrifft.<br />

Als Beispiel kann die größte Metropolitan Area der USA, die<br />

New York Area, angeführt werden. In den Edge Cities von<br />

Nothern New Jersey gibt es mehr Arbeits- und Bürofl ächen<br />

als in der Bürokonzentration der Wall Street Area im Süden<br />

Manhattans. Eine interessante Betrachtung im Hinblick der<br />

funktionalen Bedeutung der Edge Cities ist zudem, dass<br />

alle 21 Edge Cities der New York Area in Bezug auf Arbeits-<br />

und Bürofl ächen zusammen größer sind, als Midtown<br />

Manhattan, die größte Kernstadt-Konzentration der USA.<br />

(Vgl. Wiegandt: 1997: 7)<br />

2.3 Die Anordnung im Raum<br />

Die Anordnung der Edge Cities folgt innerhalb der Verdichtungsräume<br />

gewissen Regelhaftigkeiten.<br />

Die meisten Edge Cities sind an den Kreuzungspunkten der<br />

Hauptverkehrsstraßen entstanden, insbesondere an den<br />

radialen Hauptverkehrsstraßen mit den Kreisstraßen.<br />

Die Abbildung 3 zeigt die Standorte der Edge Cities im<br />

Großraum Washington. Ihre Entfernung zur Kernstadt und<br />

deren nicht mehr klar zu defi nierenden Verdichtungsraum<br />

beträgt zwischen drei und fünf Meilen. Eine Anbindung an<br />

Abb. 3: Die Lage der Edge Cities im Großraum Washington<br />

(Quelle: Garreau: 1991: 345)<br />

den öffentlichen Personennahverkehr ist kaum gegeben.<br />

Dieses macht deutlich, dass Edge Cities, wie Garreau stetig<br />

betont, die Siedlungsform des Automobilzeitalters sind.<br />

Zusätzlich spielen Flughäfen bei der Standortwahl einiger<br />

Edge Cities eine entscheidende Rolle. In den neunziger<br />

Jahren sind an den Rändern der Kernstädte vieler USamerikanischer<br />

Großstädte, beispielsweise in Pittsburgh,<br />

Portland und Washington, Flughäfen entstanden. Früher<br />

waren Bahnhöfe oder Häfen Ansatzpunkte für Stadtentwicklung.<br />

Heute sind es in den USA die Flughäfen, die die<br />

Stadtentwicklung im entschiedenen Maße bedingen und<br />

als Konzentrations- und Umsteigepunkt von besonderer<br />

Bedeutung sind. Ein von Garreau benanntes Beispiel für<br />

die räumliche Bindung der Edge Cities an Flughäfen ist der<br />

O´Hare Flughafen von Chicago, um den eine Bürokonzentration<br />

entstand, mit mehr Arbeitsplätzen und Bürofl äche,<br />

als in der Kernstadt von Minneapolis.<br />

Außerdem wird die Lage der Edge Cities zwingend durch<br />

die jeweiligen topographischen Gegebenheiten beeinfl usst.<br />

17


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 4: Lage der Edge Cities im Großraum San Francisco (Quelle:<br />

Garreau: 1991: 305)<br />

Bei einer beispielhaften Betrachtung der Lage der Edge<br />

Cities im Großraum San Francisco (s. Abb. 4) ist auffällig,<br />

dass diese sich in einem weiten Viertelkreis um die<br />

Kernstadt verteilen. Der Gebirgszug bewirkt hier eine<br />

stärkere Trennung der Edge Cities von der Kernstadt als in<br />

anderen, ebeneren topographischen Gegebenheiten. (Vgl.<br />

Wiegandt: 1997: 13)<br />

2.4 Entstehungsbedingungen der Edge Cities<br />

Die Edge Cities sind laut Garreau in der dritten Welle der<br />

Suburbanisierung entstanden.<br />

„First, we moved our homes out past the traditional idea of<br />

what constituted a city. […] Then we wearied of returning<br />

downtown for the necessities of life, so we moved<br />

our marketplaces out to where we lived. […] Today we<br />

have moved our means of creating wealth, the essence of<br />

urbanism- our jobs - out to where most of us have lived<br />

and shopped for two generations. That has led to the rise<br />

of Edge City.” (Garreau: 1991: 4)<br />

Um eine bessere Nachvollziehbarkeit der Entstehungsbedingungen<br />

der Edge Cities zu erhalten, wird im Folgenden<br />

der Umgang mit der Ressource Fläche noch mal<br />

genauer beleuchtet.<br />

Die Ausgangslage schaffen die am Rande der Kernstädte<br />

ausreichend zur Verfügung stehenden Flächen, die<br />

aufgrund der geringen Nutzungskonkurrenz ohne großen<br />

Widerstand entwickelt werden können. Diese Gegebenheit<br />

bewirkt, dass die Planung den allgemeinen Zielen<br />

der Flächennutzung nicht verpfl ichtet ist und somit eine<br />

großzügige und freigiebige Flächennutzung zur Folge hat.<br />

Die Edge Cities sind nicht durch einen öffentlichen Planungsprozess<br />

entstanden, daher gibt es auch keine direkt<br />

politisch legitimierten Akteure. Zusätzlich sind die Planvorstellungen<br />

nicht dem Gemeinwohl verpfl ichtet und stehen<br />

daher nur selten im Fokus und somit im Diskurs der<br />

Öffentlichkeit. Ausschließlich die Gemeinden, in denen die<br />

Edge Cities liegen, werden an den Entscheidungen über<br />

Anteile an Wohnen, Gewerbe, verkehrliche Erschließung<br />

und Art des Verkehrs beteiligt.<br />

Für die Herausbildung der Edge Cities kann als wesentliche<br />

Rahmenbedingung die starke Zersiedelung der<br />

kommunalen Landschaft gesehen werden. Ein stadtstrukturelles<br />

Beispiel von Los Angeles soll die Situation aller<br />

großen US-amerikanischen Verdichtungsräume verdeutlichen.<br />

In gesamt Los Angeles lebten im Jahre 1997 ca.<br />

15 Mio. Einwohner, jedoch nur ein Fünftel davon in der<br />

Kernstadt. Im suburbanen und ländlichen Raum leben<br />

somit ca. 12 Mio. Einwohner in über 180 Gemeinden, die<br />

ohne Grüngürtel baulich ineinander übergehen.<br />

Die einzelnen Gemeinden in den USA stehen untereinander<br />

in einem enormen Konkurrenzdruck, da nur die<br />

fi nanziell besser gestellten Gemeinden in der Lage sind<br />

Arbeitsplätze anzuziehen und unerwünschte Nutzungen<br />

auszuschließen. Diese Tatsache hat erhebliche interkommunale<br />

Disparitäten zwischen den ärmeren und reicheren<br />

Gemeinden zur Folge, die zusätzlich durch die Möglichkeit<br />

der kommunalen Steuerpolitik verstärkt wird. Zudem<br />

herrscht ein Mangel an kommunalen Absprachen. Es<br />

gibt so gut wie keine verbindlichen Regionalpläne sowie<br />

gemeinsame regionalen Ziele. Die Edge Cities entstehen<br />

somit ohne bewusste regionale Einfl ussnahme innerhalb<br />

des Wettbewerbes der Gemeinden, meistens in kleinen<br />

Gemeinden oft aber auch über mehrere kleine Randgemeinden<br />

hinaus. Diese Gemeinden waren in ihren Anfängen<br />

meist keine eigenständigen Gemeinden, sondern sog.<br />

gemeindelose Gebiete (unincorporated areas), die von den<br />

Landkreisen verwaltet wurden. Die kommunale Flächennutzungsplanung<br />

in den US-amerikanischen Städten hat<br />

einen unerheblichen Einfl uss. Hinzu kommt, dass kein<br />

bundeseinheitliches Planungsrecht besteht. Dieses Recht<br />

wird auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten in unterschiedlicher<br />

Intensität vorgenommen. Die Möglichkeiten<br />

der einzelnen Gemeinden Einfl uss auf die Stadtentwick-<br />

18


Edge Cities<br />

Abb. 5: Die Vereinigten Staaten von Amerika (Quelle: http://www.<br />

jdneuhaus.com)<br />

lung und somit auch auf die Entstehung der Edge Cities zu<br />

nehmen, ist also zwischen den einzelnen Bundesstaaten<br />

sehr unterschiedlich. Einen wesentlichen Einfl uss auf die<br />

Bildung der Edge Cities haben Developer, da diese als<br />

Eigentümer der Flächen über die Zusammensetzung und<br />

Ausmaße der zukünftigen Nutzungen entscheiden. Der<br />

einzige Staat, in dem nur ein geringer öffentlicher planerischer<br />

Einfl uss aufgrund der gesetzlichen Verankerung der<br />

Regionalplanung genommen werden kann, ist Oregon.<br />

(Vgl. Wiegandt: 1997: 13-19)<br />

2.5 Kapitelfazit<br />

In dem vorangegangenen Kapitel wurde herausgefunden,<br />

dass die Edge Cities in der dritten Welle der Suburbanisierung<br />

entstanden sind.<br />

Edge Cities sind trotz ihrer Lage außerhalb der Kernstädte<br />

„urbs“ und nicht „suburbs“, weil sie alle Funktionen einer<br />

Stadt erfüllen. Anhand von fünf Kriterien, die von Garreau<br />

festgesetzt wurden, ist es möglich, Edge Cities eindeutig<br />

zu bestimmen. Hier wird deutlich, dass die Edge Cities im<br />

Hinblick ihrer funktionalen Bedeutung den Kernstädten<br />

meist überlegen sind. Sie siedeln sich an Kreuzungspunkten<br />

von Hauptstraßen und zum Teil auch an Flughäfen<br />

an. Zusätzlich wird die Lage durch die jeweiligen topographischen<br />

Gegebenheiten beeinfl usst.<br />

Zur eindeutigen Klärung der zweiten übergeordneten zentralen<br />

Fragestellung wurde der Umgang mit der Ressource<br />

Fläche genauer beleuchtet. Die besonders hervorzuhebenden<br />

festgestellten Entstehungsbedingungen der Edge<br />

Cities sind zum einen die geringe Nutzungskonkurrenz<br />

auf den zur Verfügung stehenden Flächen außerhalb der<br />

Kernstädte, auf denen die Edge Cities, ohne den Zielen<br />

der Flächennutzung verpfl ichtet zu sein und ohne einen<br />

öffentlichen Planungsprozess, entstehen. Zum anderen<br />

existiert kein bundeseinheitliches Planungsrecht. Zwischen<br />

den ärmeren und reicheren Gemeinden kommt es daher<br />

zu erheblichen interkommunalen Disparitäten. Außerdem<br />

Abb. 6: Großraum Chicago (Quelle: http://www.tantec.com)<br />

gibt es keine verbindlichen Regionalpläne und kommunalen<br />

Flächennutzungspläne sowie gemeinsame regionale<br />

Ziele.<br />

3. Schaumburg: Eine Edge City im Staat Illinois?<br />

Im folgenden Kapitel werden die im theoretischen Teil<br />

gewonnen Erkenntnisse anhand der Stadt Schaumburg<br />

untersucht.<br />

Zunächst wird geklärt wo Schaumburg in den USA zu<br />

lokalisieren ist. Daraufhin wird anhand der fünf Defi nitionspunkte<br />

Garreaus beurteilt, ob Schaumburg überhaupt<br />

eine Edge City ist. Zudem wird beschrieben, wie die<br />

Realität des Phänomens Edge City anhand der Stadt<br />

Schaumburg aussieht und welche Probleme sie möglicherweise<br />

hat. Abschließend werden Erlebnisberichte<br />

über Stadtrundgänge durch Schaumburg dargelegt. Diese<br />

berichten, ob die subjektiven Wahrnehmungen mit den<br />

zuvor gesammelten „theoretischen“ Erkenntnissen konform<br />

sind oder in welchen Punkten diese möglicherweise<br />

differieren.<br />

3.1 Schaumburg<br />

Als Untersuchungsort wurde die Stadt Schaumburg im<br />

Bundesstaat Illinois im Osten der USA ausgewählt, die ca.<br />

42 km westlich von Chicago entfernt liegt.<br />

Die Wurzeln der Stadt liegen in der Zeit um 1850, als eine<br />

Auswanderungsbewegung aufgrund von schwierigen<br />

sozialen Verhältnissen und zum Teil auch nur aus reiner<br />

Abenteuerlust von Deutschen aus dem Schaumburger<br />

Land in Richtung der Vereinigten Staaten von Amerika<br />

einsetzte. Ein Großteil dieser Auswanderer fand sich in der<br />

Nähe von Chicago zusammen. Damals hieß der Ort noch<br />

„Sarah´s Grove“. Aus dieser seit rd. 150 Jahren bestehenden<br />

Ansiedlung im suburbanen Raum Chicagos, die<br />

19


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 7: Lage der drei großen Edge City Schaumburg, Oak Brook und O´Hare im<br />

Großraum Chicago. (Quelle: Sööt: 1995: University of Illinois at Chicago)<br />

heute den Namen Schaumburg trägt, wurde im Zuge der<br />

US-amerikanischen Suburbanisierungswellen eine „Stadt“<br />

mit 99.990 (Vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt<br />

University: 2002: 4) Einwohnern. (Vgl. http://www.<br />

marktplatz-schaumburg.de)<br />

3.2 Ist Schaumburg eine Edge City?<br />

Die folgenden Zitate sollen deutlich machen, dass Joel<br />

Garreau durch seine Untersuchungen die feste Überzeugung<br />

erlangt hat, dass Schaumburg eine Edge City ist.<br />

“Good examples of our more than two hundred new edge<br />

Cities are […] the Schaumburg area of O`Hare Airport,<br />

near which Sears moved its corporate headquarters from<br />

the 110-story Sears Tower in downtown Chicago.“ (Garreau:<br />

1991: 5)<br />

“[P]laces like Tysons Corner, Virginia; Schaumburg, Illinois;<br />

and Irvine, California – have become vastly larger than<br />

many of the 45 remaining major downtowns in the United<br />

States. In fact, edge cities have become the standard for<br />

the world´s urban environments.” (Garreau: 1995: Ausgabe<br />

3.12)<br />

Im Folgenden soll Garreau´s Behauptung anhand seiner<br />

fünf Defi nitionspunkte nachvollzogen und überprüft werden.<br />

Die dafür herangezogenen Zahlen basieren auf einer<br />

Erhebung des Jahres 2002 des Metro Chicago Information<br />

Center, unterstützt von dem Institute for Metropolitan<br />

Affairs der Roosevelt <strong>Universität</strong>.<br />

Nach Garreaus Defi nition ist eine Edge City ein Ort mit<br />

einer Gesamt-Bürofl äche von mehr als 5 Mio. Quadratfuß.<br />

Den erhobenen Zahlen zur Folge hat Schaumburg eine<br />

Gesamt-Bürofl äche von 14.916.000 Quadratfuß (Vgl.<br />

Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University:<br />

2002: 4). Dies übertrifft die festgesetzte mindest Gesamt-<br />

Bürofl äche um das dreifache. Zudem muss der Ort nach<br />

Garreau eine Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl äche von<br />

20


Edge Cities<br />

mehr als 600.000 Quadratfuß aufweisen. Schaumburg<br />

hat laut der erhobenen Zahlen eine Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl<br />

äche von 5.557.000 Quadratfuß (Vgl. Metro<br />

Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002:<br />

4).<br />

Auch hier übersteigt die Gesamt-Einzelhandelsverkaufsfl<br />

äche die Erforderliche um ca. das Neunfache. Eine Edge<br />

City ist nach Garreau zudem ein Ort mit mehr Arbeitsplätzen<br />

als Wohnungen, also eine Ort, an dem tagsüber<br />

die Bevölkerungszahl zunimmt. In der Stadt Schaumburg<br />

gibt es laut Erhebung einen Arbeitsplatz pro Wohnung<br />

(Vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University:<br />

2002: 4). Somit wird das Kriterium mehr Arbeitsplätze<br />

als Wohnungen nicht erfüllt, jedoch gibt es noch die<br />

Ergänzung, dass tagsüber die Bevölkerungszahl zunehmen<br />

soll. Somit wird hier die Vermutung, gestützt auf die<br />

zuvor festgestellten riesigen Einzelhandelsverkaufsfl ächen,<br />

aufgestellt, dass die Bevölkerung trotz ausgeglichenen<br />

Zahlenverhältnisses von Arbeitsplatz und Wohnung<br />

durchaus tagsüber steigen kann. Es ist vorstellbar, dass<br />

aufgrund der enormen Quadratmeterzahlen der Shopping<br />

Malls, auf denen sich ein breit gefächertes Angebot<br />

erstreckt, die Menschen aus der Kernstadt Chicago oder<br />

aus den noch weiter entfernt gelegenen ländlichen Räumen<br />

kommen, um hier im überdachten Einkaufsparadies<br />

zu fl anieren. Außerdem sind nach Garreau Edge Cities<br />

Orte, die vor 30 Jahren noch nicht als Städte bestanden.<br />

Den erhobenen Zahlen zur Folge ist Schaumburg von<br />

1960 bis 2000 um 919% (Vgl. Metro Chicago Information<br />

Center/ Roosevelt University: 2002: 4) gewachsen.<br />

Diese Angabe belegt eindeutig, dass Schaumburg in den<br />

letzten 40 Jahren durch die Suburbanisierungswellen ein<br />

enormes Wachstum widerfahren ist. Bei dieser Wachstumsrate<br />

kann durchaus vermutet werden, dass Schaumburg<br />

vor 30 Jahren noch nicht als „Stadt“ bestand. Befragungen,<br />

ob Schaumburg als Zentrum wahrgenommen wird,<br />

wurde von dem Metro Chicago Information Center bzw.<br />

von andere Quellen nicht durchgeführt. Daher können<br />

an dieser Stelle nur Spekulationen zum Kriterium Garreaus<br />

unternommen werden. Die zuvor festgehaltenen<br />

Zahlen in Bezug auf die Gesamt-Bürofl äche und Gesamt-<br />

Einzelhandelsverkaufsfl äche übersteigen die von Garreau<br />

festgelegten Zahlen für die Festsetzung einer Edge City<br />

so erheblich, dass sie daher eher auf ein Zentrum und<br />

weniger auf eine Vorortsiedlung hinweisen.<br />

Zusätzlich zu den fünf Defi nitionspunkten Garreaus soll die<br />

Lage der Stadt Schaumburg im Raum untersucht werden.<br />

Wie bereits im Vorfelde berichtet, siedeln sich Edge Cities<br />

immer im Bereich von Kreuzungspunkten der Hauptverkehrsstraßen<br />

an.<br />

Die Abbildung 7 zeigt, dass Schaumburg im Bereich eines<br />

Kreuzungspunktes des Interstate Highways liegt und somit<br />

in das Anordnungsmuster der Edge Cities fällt.<br />

Durch die Überprüfung der fünf Defi nitionspunkte, nach<br />

denen laut Garreau ein Ort eine Edge City ist, und der<br />

Anordnung im Raum ist Schaumburg eindeutig eine Edge<br />

City. Der zu Beginn vorgestellten Behauptung Garreaus<br />

kann somit zugestimmt werden.<br />

3.3 Untersuchung der Edge City Schaumburg<br />

Für die Untersuchung der Stadt Schaumburg werden<br />

Zahlen herangezogen, die auf einer Erhebung der Metro<br />

Chicago Information Center (MCIC) unterstützt von dem<br />

Institute for Metropolitan Affairs der Roosevelt <strong>Universität</strong><br />

basieren. Das MCIC verfügt über eine Datengrundlage<br />

von über 30.000 Interviews die in einer Zeitspanne von<br />

10 Jahren durchgeführt wurden. Die Erhebungen speziell<br />

zu Chicago und dessen Umland (Rolling Meadows,<br />

Schaumburg; Deerfi eld, Northbrook Village; Lombard, Oak<br />

Brook, Oak Brook Terrace; Des Plaines, Elk Grove Village,<br />

Rosemont) ist vom MCIC im Zeitraum von 1998 bis 2002<br />

an Hand von jährlich 3.000 durchgeführten telefonischen<br />

und persönlichen Interviews mit Bewohnern der Edge<br />

Cities um Chicago und in der Kernstadt Chicago selbst<br />

entstanden.<br />

Im Vorfelde wurde erläutert, dass vor allem die Angehörigen<br />

der überwiegend jüngeren weißen Mittel- und<br />

Oberschicht in den suburbanen Raum zogen, da diese<br />

die fi nanziellen Mittel besaßen, sich ihren Lebensraum<br />

bewusst auszusuchen. Diese selektive Wirkung der<br />

Suburbanisierungswanderung hat zur Folge, dass in den<br />

Kernstädten eine Bevölkerung mit geringem Einkommen,<br />

hohem Rentneranteil, hohem Ausländeranteil und hoher<br />

Arbeitslosigkeit zurückbleibt.<br />

Die Untersuchungen des MCIC hat genau dieses Bevölkerungsmuster<br />

in der Kernstadt Chicago und deren<br />

Umland festgestellt. Die folgenden Grafi ken (Abb. 8-10)<br />

verdeutlichen, dass die typischen Edge City Bewohner<br />

weißer Hautfarbe sind, einen hohen Bildungsgrad besitzen<br />

und einen guten bis gehobenen Einkommensstandart<br />

haben. Zusätzlich anzumerken, aber nicht dargestellt<br />

ist, dass sie überwiegend katholischen Glaubens und<br />

Republikaner sind. Dieses Bewohnermuster steht in einem<br />

dramatischen Unterschied zur Kernstadt Chicago, ist<br />

jedoch bis auf die fi nanzielle Situation sehr ähnlich mit dem<br />

Muster der „bedroom suburbs“ , welches einfache Vororte<br />

sind, die nicht unter die fünf Defi nitionskriterien von Garreau<br />

fallen und somit keine Edge City sind.<br />

21


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 8: Ethnische Zugehörigkeit (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 6)<br />

Abb. 9: Bildung (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 6)<br />

Abb. 10: Finanzielle Situation (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002:8)<br />

22


Edge Cities<br />

Abb. 11: Wahrnehmung der Nachbarschaft (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 11)<br />

Zudem liegt das Durchschnittsalter in den Edge Cities<br />

bei 47,4 Jahren, in den bedroom suburbs bei 48,2 und in<br />

der Kernstadt Chicago bei 40,5 Jahren. Das im Vergleich<br />

relativ hohe Durchschnittsalter der Edge City Bewohner<br />

liegt besonders in der ersten Suburbanisierungswelle<br />

begründet. Zu der Zeit des Hausbaues im suburbanen<br />

Raum waren die Bewohner jung und dabei, eine Familie zu<br />

gründen.<br />

Berufstätig sind in den Edge Cities 69%, in den bedroom<br />

suburbs ebenfalls 69% und in der Kernstadt Chicago<br />

59%. Im Ruhestand sind hingegen in den Edge Cities<br />

18%, in den bedroom suburbs 15% und in der Kernstadt<br />

Chicago 16%.<br />

Das zuvor dargelegte Bevölkerungsmuster spiegelt sich<br />

auch in der Wohnsituation wieder. In den Edge Cities<br />

leben 80% der Bewohner in ihren eigenen Häusern, in<br />

den bedroom suburbs 77% und in der Kernstadt Chicago<br />

hingegen nur 44%. In den letzen fünf Jahren sind daher<br />

auch nur 34% der Edge City Bewohner, jedoch 41% der<br />

bedroom suburbs- und 45% der Kernstadt- Bewohner<br />

umgezogen. Diese Zahlen machen deutlich, dass die<br />

Bewohner der bedroom suburbs und der Edge Cities<br />

lieber im Eigentum als zur Miete wohnen. Zudem wurde<br />

herausgefunden, dass sie für eine lange Zeit in derselben<br />

Nachbarschaft leben und für die Zukunft auch weiterhin<br />

planen dort zu bleiben. Der Kern der Untersuchung ist,<br />

Abb. 12: Sicherheitsempfi nden im nächstgelegenen Park (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 15)<br />

23


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 13: Standort des Arbeitsplatzes (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 13)<br />

dass die Edge City Bewohner offensichtlich mit ihrem<br />

Umfeld zufriedener sind, als die Menschen, die in den<br />

bedroom suburbs oder der Kernstadt von Chicago leben.<br />

Welche Umstände in Schaumburgs Umgebung macht die<br />

Edge City Bewohner jedoch zufrieden? Nehmen sie ihre<br />

Nachbarschaft als „perfekten Ort“ war? Die Abbildungen<br />

11 und 12 präsentieren die Wahrnehmung der Nachbarschaftszufriedenheit,<br />

bezogen auf unterschiedliche<br />

Aspekte innerhalb der Edge Cities, den bedroom suburbs<br />

und der Kernstadt Chicago.<br />

Den vorangegangenen Grafi ken ist zu entnehmen, dass<br />

die Edge City Bewohner offenbar einem sehr geringen<br />

Maß an Kriminalität ausgesetzt sind, es wenige Einbrüche<br />

in ihr Eigentum gibt, sie die Wahrscheinlichkeit, einem<br />

Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen, für sehr gering<br />

einstufen, die Polizei aufgrund ihrer zuverlässigen Arbeit<br />

einen guten Ruf genießt und sie sich am Tag im umgebenden<br />

Freiraum sicher fühlen und in der Nacht nur<br />

etwas unsicherer. Das Leben in Schaumburg und den<br />

anderen Edge Cities um Chicago scheint „perfekt“ zu<br />

sein: Reichtum, geringe Arbeitslosigkeit, große Auswahl<br />

an Einzelhandel, stabile Nachbarschaft mit wenig Kriminalität<br />

und einer fl eißigen und respektvollen Polizei. An<br />

diesem „perfekten Ort“ genießen die Bewohner einen Fülle<br />

an Vorzügen und geringem Risiko, doch haben sie laut<br />

einem im Mai 2002 durchgeführten Forschungsprojekt von<br />

US-amerikanischen Stadtplanern „Exploring Edge Cities:<br />

Report of a National Survey of Senior Planners“ des Institute<br />

for Metropolitan Affairs der Roosevelt <strong>Universität</strong> ein<br />

erhebliches Problem mit dem hohen Verkehrsaufkommen,<br />

den vielen Verkehrsstaus, der enormen Luftverschmutzung,<br />

dem Verkehrslärm und dem Mangel an öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln.<br />

Im Zuge des Bevölkerungswachstums und der Entwicklung<br />

der Edge Cities stieg auch das Verkehrsaufkommen<br />

durch die enormen Pendlerfahrten zwischen suburbanem<br />

Raum und Kernstadt und innerhalb der automobilorientierten<br />

Stadtstruktur der suburbanen Räume. Das aufkommende<br />

Verkehrsvolumen kann von dem vorhandenen<br />

Straßensystem nicht getragen werden. Die ständigen<br />

Verkehrsstaus beeinträchtigen die Lebensqualität durch<br />

den entstehenden Lärm und der enormen Luftverschmutzung.<br />

Jedoch macht die großfl ächig verstreute Bevölkerungsstruktur<br />

innerhalb der Edge Cities das Einsetzen<br />

von öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn,<br />

insbesondere zwischen den Edge Cities und den bedroom<br />

suburbs, kaum möglich.<br />

Im Folgenden wird daher erforscht, wo der Arbeitsplatz<br />

der Edge City Bewohner zu verorten ist, wie lange die<br />

durchschnittliche Pendelzeit zwischen der Wohnung und<br />

dem Arbeitsplatz ist und welche Verkehrsmittel von den<br />

Edge City Bewohnern zur Verminderung der Verkehrsstaus<br />

unterstützt werden würden.<br />

Der Abbildung 13 ist zu entnehmen, dass 80% der Arbeitsplätze<br />

der Bewohner der Edge Cities um Chicago im<br />

suburbanen Raum zu lokalisieren sind, nur 13% arbeiten in<br />

der Kernstadt Chicago. Interessant für die Untersuchung<br />

des Verkehrsaufkommens ist zudem die Lokalisierung<br />

der Arbeitsplätze der Bewohner der Kernstadt Chicago.<br />

Von diesen arbeiten 23% im suburbanen Raum, welches<br />

enorme Pendelfahrten zur Folge hat.<br />

Die durchschnittliche Pendelzeit der Bewohner der Edge<br />

Cities beträgt daher nur 19 Minuten, der der bedroom suburbs<br />

34 Minuten und der der Kernstadt ganze 32 Minuten.<br />

Die Abbildung 14 stellt die Ergebnisse der Befragung zur<br />

Lebensqualität in Bezug auf die Luftqualität, den ÖPNV<br />

sowie den Umgang mit Verkehrsstaus dar.<br />

Nur 31% der Edge City Bewohner sind mit der Verkehrsituation<br />

zufrieden, 41% mit dem ÖPNV-Angebot und 61% mit<br />

der Luftqualität.<br />

Zur Verringerung der Verkehrsstaus würden 68% der Edge<br />

City Bewohner und sowohl 72% der bedroom suburbs<br />

als auch 72% Kernstadt Bewohner den Ausbau neuer<br />

Hauptstraßen unterstützen. Dahingegen würden 80% der<br />

Edge City Bewohner, 83% der bedroom suburbs Bewohner<br />

und 86% der Kernstadt Bewohner die Verbesserung des<br />

öffentlichen Personennahverkehrs unterstützen und somit<br />

zur möglichen Verbesserung der Lärm- und Luftbedingungen<br />

beitragen.<br />

24


Edge Cities<br />

Abb. 14: Lebensqualität (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 14)<br />

Im Folgenden wird die Lebensqualität in Bezug auf öffentliche<br />

Einrichtungen und Freiraumgestaltung beleuchtet.<br />

Die Abbildung 15 zeigt, dass 86% der Edge City Bewohner<br />

im suburbanen Raum von Chicago mit dem Angebot<br />

an gut gestaltetem Freiraum und Erholungsmöglichkeiten<br />

zufrieden sind. Zudem sind 71% mit dem Angebot an<br />

öffentlichen Schulen zufrieden. Aus diesen Zahlen wird geschlossen,<br />

dass die Edge City Schaumburg als geeigneter<br />

Ort angesehen wird, um Kinder aufzuziehen. Zudem<br />

sind 82% der Edge City Bewohner der Ansicht, dass es<br />

ausreichend Krankenhäuser und Fachärzte gibt, jedoch<br />

nur 42% sind der Ansicht, dass ausreichend öffentliche<br />

Einrichtungen vorhanden sind. (Vgl. Metro Chicago Information<br />

Center/ Roosevelt University: 2002: 1-25)<br />

3.4 Erlebnisberichte: Stadtrundgänge durch<br />

Schaumburg<br />

Im folgenden Abschnitt soll erläutert werden, ob die<br />

subjektiven Wahrnehmungen mit den zuvor gesammelten<br />

„theoretischen“ Erkenntnissen konform sind oder ob sie<br />

möglicherweise in einigen Punkten differieren. zBetont<br />

werden soll an dieser Stelle, dass die Berichte sich ausschließlich<br />

auf rein subjektiv gesammelte Eindrücke und<br />

nicht auf wissenschaftlich empirische Erhebungen stützt.<br />

Die Exkursion nach Schaumburg fand am Nachmittag des<br />

19. Oktobers 2005 statt. Der Startpunkt des Ausfl uges<br />

lag in Oak Park. Von dort aus wurde eine Busverbindung<br />

bis zu einer Metrostation genommen. Von dort ging es mit<br />

der Metro der Chicago Transit Autority (CTA) in Richtung<br />

Nordwesten bis Rosemont CTA, eine Haltestelle vor der<br />

Endstation Flughafen O´Hare, genommen, von wo aus der<br />

Bus mit der Endstation Woodfi eld Mall/Schaumburg fuhr.<br />

Abb. 15: Lebensqualität (eigene Darstellung, Zahlen vgl. Metro Chicago Information Center/ Roosevelt University: 2002: 14)<br />

25


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 16: Anzeigentafel der Route 606 Northwest Limited<br />

Abb. 17: Parkplatzfl äche um die Woodfi eld Mall (eigene Quelle)<br />

Die Fahrt bis zur Station Rosemont dauerte ca. 50<br />

Minuten. Die anschließende Busfahrt über den Highway<br />

durch den dünn besiedelten suburbanen Raum mit den<br />

punktuell erscheinenden Bürokomplexen eine weitere<br />

halbe Stunde. In Schaumburg am Rande der gigantischen<br />

Parkplatzfl äche der Woodfi eld Mall angekommen, wurde<br />

diese zunächst zu fuß überquert, um in das Innere der<br />

Shopping Mall zu gelangen. Die Länge der zurückzulegenden<br />

Strecke deutete hier bereits die autoorientierte<br />

Stadtgestalt dieses Ortes an. Die Parkplatzfl äche war, abgesehen<br />

von ein paar vereinzelten Bäumen, rein nach ihrer<br />

Funktion gestaltet. Diese Fläche verbreitet einen merklich<br />

geringen Grad an urbaner Atmosphäre und lud nicht zum<br />

langen verweilen ein.<br />

Die unscheinbare, schlichte und (Schau-)fensterlose<br />

Fassade der Mall machte zunächst unsicher, ob es sich<br />

tatsächlich um die legendäre Woodfi eld Mall handelt, die<br />

in unzähligen Reiseführen als das absolute Einkaufsmekka<br />

angepriesen wird. Beim Betreten des Inneren der Mall<br />

wechselte die geringe urbane Stimmung, die den Außenraum<br />

prägte, in eine merklich belebtere Atmosphäre. Die<br />

hohe Zahl hauptsächlich weißer Besucher verteilte sich<br />

relativ gleichmäßig auf der 500.000 Quadratfuß (vgl. http://<br />

www.ci.schaumburg.il.us) großen Einkaufsfl äche, wo sie<br />

sich nahezu verlor. Dennoch hatte es den Anschein, dass<br />

der Innenraum der Mall als eine Art Ersatz-Stadtzentrum<br />

für die Bewohner des suburbanen Raumes fungiert.<br />

Dieses lag wahrscheinlich darin begründet, dass auf der<br />

einen Seite der öffentliche Freiraum keine Möglichkeit<br />

zum Verweilen bietet, zum anderen, dass der Versuch<br />

unternommen wird, den Mangel an Urbanität an einem<br />

konzentrierten Ort zu kompensieren. Die Annahme, dass<br />

die Bevölkerungszahl trotz ausgeglichenen Zahlenverhältnisses<br />

von Arbeitsplätzen und Wohnungen aufgrund der<br />

enormen Quadratmeterzahlen der Mall tagsüber steigen<br />

kann, konnte nicht festgestellt werden.<br />

Aufgrund des räumlichen Nebeneinanders sowie der mangelnden<br />

Verbindung zwischen den einzelnen Funktionen,<br />

der autoorientierten Stadtgestalt die zu fuß erobert werden<br />

sollte und dem zeitlich begrenzten Aufenthalt wurde die<br />

anschließenden Rundgänge durch Schaumburg so gelegt,<br />

dass möglichst viele verschiedene Nutzungen betrachtet<br />

werden konnten. Die Exkursionsgruppe teilte sich in zwei<br />

bis drei Personen starke Gruppen auf, die in möglichst alle<br />

Himmelsrichtungen verstreut das Umfeld der Woodfi eld<br />

Mall und damit einen Teil Schaumburgs erkunden sollten.<br />

Die Aufgabe war, dass alle Gruppen eine halbe Stunde<br />

in eine Richtung gehen und währenddessen ein Mindmap<br />

des zurückgelegten Weges ohne Kartengrundlage<br />

erstellen sollten. Nach jeweils zehn Minuten Fußweg sollte<br />

zudem am erreichten Ort per Handskizze festgehalten<br />

werden, dass für die jeweilige Person das Ortstypische<br />

des Betrachtungsstandpunktes repräsentiert. Nach der<br />

abgelaufenen halben Stunde versammelte sich die komplette<br />

Exkursionsgruppe wieder im Zentrum der Woodfi eld<br />

Mall.<br />

Im Folgenden werden die Erlebnisberichte mit den erstellten<br />

Mindmaps der einzelnen Gruppenmitglieder aufgeführt,<br />

die nach der Laufrichtung sortiert sind.<br />

Erlebnisbericht Marc und Lena:<br />

Am Ausgang der Woodfi eld Mall befand sich eine fußläufi<br />

g fast unüberwindbare Parkplatzfl äche mit vereinzelter<br />

Baumbepfl anzung. Parallel zu einem Highway folgend<br />

wurde eine stark befahrene achtspurige Straße überquert.<br />

Auf dem nur einseitig befi ndlichen Fuß- und Radweg<br />

sprießten weitere Einzelhandels- und Bürokomplexe aus<br />

dem Boden, die ebenfalls von riesigen Parkplatzfl ächen<br />

umgeben wurden. Besonders überraschend war die Entdeckung<br />

eines Freizeitzentrums. Die Architektur hatte die<br />

künstliche Anmutung eines Disneyfi lmes, zudem fand die<br />

menschliche Aktivität ausschließlich im Innenraum dieses<br />

Gebäudes statt.<br />

Auf eine zehnspurige stark befahrene Straße treffend eröffnete<br />

sich ein kontrastreicher Eindruck der Stadtstruktur.<br />

Auf der linken Seite der Kreuzung befand sich ein riesiger<br />

Bürokomplex und auf der Rechten eine unscheinbare Einfahrt<br />

die zu einem Einfamilienhausgebiet führte. Vorgese-<br />

26


Edge Cities<br />

Abb. 29: Stadtkarte von Schaumburg (überarbeitete Quelle: www.MapQuest.com)<br />

hen war es offensichtlich, diese Einfahrt ausschließlich mit<br />

dem Auto erreichen zu können, Fuß- und Radwege sowie<br />

ein Ampelsystem waren nicht vorhanden.<br />

Das Einfamilienhausgebiet wurde von einer geschwungenen<br />

Straßenführung sowie zahlreichen Sackgassen<br />

strukturiert. Die Wohnhäuser entsprachen bis auf die<br />

Farbe alle dem gleichen Standarddesign.<br />

Der besichtigte Bereich dieser Siedlung wirkte wie eine<br />

Geisterstadt; nur sehr vereinzelt wurden Menschen gesichtet,<br />

die zu ihren Autos gingen und die, wie zu vermuten<br />

war, alle Weiße waren. Eine unbehagliche Stimmung<br />

verbreiteten die zahlreichen Schilder, die deutlich machten,<br />

dass ausschließlich nur Personen mit einem speziellen Anliegen<br />

diese Siedlung betreten dürfen und das Rumlungern<br />

nicht erwünscht ist. Dieses nachbarschaftliche Beobachtungsprogramm<br />

birgt die Vermutung, dass aus der ständigen<br />

Kontrolle innerhalb der Siedlung, das gesteigerte<br />

Sicherheitsempfi nden der Bewohner, das im theoretischen<br />

Abschnitt erwähnt wurde, resultiert.<br />

Die Gestaltung des Freiraumes war eine Mischung aus<br />

Auto-, Rad- und Fußgängerorientierung sowie künstlich<br />

angelegtem Naturraum. Ein Großteil der Flächen war für<br />

Straßen und Stellplätze versiegelt.<br />

Dennoch steht der Grünraum dieser Siedlung in einem<br />

enormen Kontrast zu den Gewerbegebieten und<br />

Büroparks mit den allseitig umgebenen Parkplatzfl ächen.<br />

Die Zufriedenheit der Edge City Bewohner mit dem gut<br />

gestalteten Freiraum und den ausreichend vorhandenen<br />

Erholungsmöglichkeiten ließ sich besonders durch den<br />

deutlich beobachteten Kontrast nachvollziehen.<br />

Erlebnisbericht Lisa:<br />

Edge City? Ja wo ist sie denn? Drei Bürotürme. Und<br />

ganz weit da hinten? Kommt da noch was, nein. Doch.<br />

Wir gehen noch in Stück. Es ist weit! 7 Spuren? NEIN,<br />

das sind neun. Schnell. Warum ist denn daneben noch<br />

in Bürgersteig? Wer geht hier wohl lang? Außer uns, kein<br />

Fußgänger zu sehen.<br />

Auf der anderen Seite: Was ist das? Eine Kirche? Nein.<br />

Läden. Prima, man kann mit dem Auto vorfahren, aber wie<br />

kommt man nur als Fußgänger dahin? Parkplätze gibt’s<br />

jedenfalls. Ein Teich! Enten! Absurd. Ein Greifvogel frisst<br />

eine überfahrene Wildgans. Dahinter: keine Läden mehr.<br />

Jalousien runter. Das sind dann wohl Büros. Jedes hat<br />

mindestens drei Parkplätze. Motelbüro. Kein Mensch, weit<br />

und breit.<br />

Einfügen Mindmap Lisa<br />

Erlebnisbericht Matthias:<br />

Schaumburg. Bild einer Oase in der weiten Wüste des USamerikanischen<br />

mittleren Ostens. das endlos weite Meer<br />

aus Sand sind die betonierten Parkplätze, die von weither<br />

gereisten Karawanen sind die Ströme konsumwütiger<br />

Pendler und die Leben spendende Zufl ucht ist die rettende<br />

Oase mit ihren bunten Märkten und Konsumtempeln im<br />

Mittelpunkt von Schaumburg. Endlich in der Oase angekommen<br />

gibt sich das ermüdete Expeditionsteam den<br />

Annehmlichkeiten der neuen Umgebung hin – angenehm<br />

temperierte Kühle, Wasser,… endlich Schatten und klimatisierte<br />

Luft… die Nase wird langsam trocken. Trockene<br />

Nasen in einer Oase? Düfte hier und da, sowie Wegweiser<br />

weisen den Weg durch das Labyrinth der Einkaufsstraßen.<br />

Auch wer sich verläuft – wie es dem ausgehungerten<br />

27


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Reisenden durchaus passieren kann – läuft dennoch nicht<br />

Gefahr in einer der Straßen auf eine warme Mahlzeit zu<br />

stoßen… denen zu entgehen ist fast unmöglich.<br />

Die Pfl icht ruft. Wir haben einen Auftrag. Erforschung des<br />

Oasenumfelds! Wieder hinaus in die Parkplatzwüste. Eisig<br />

rauschender Wind und fast endlose Weite, die nur von<br />

dem Flimmern der Luft und breiten, reißenden Strömen<br />

des sich spiegelnden und glitzernden Verkehrsdeltas<br />

begrenzt wird…. Trotz mangelnder Furten gelingt uns<br />

die Querung des Verkehrsfl usses unbeschadet. Kalt und<br />

ungemütlich bleibt es dennoch. Weiter geht es. Die Wüste<br />

hört einfach nicht auf! Hier und da erheben sich einige<br />

Gesteinsformationen aus dem Boden, in denen Höhlenmenschen<br />

ihre Waren zum Verkauf anbieten. Weiter! Wir<br />

haben keine Zeit zu verlieren. Nach schier endloser Zeit<br />

erreichen wir endlich den Hauptstrom. Wir beschließen ihn<br />

zu queren, obwohl es ein fast unmögliches Unterfangen zu<br />

sein scheint. Aber wir hatten erfahren, dass am anderen<br />

Ufer noch Eingeborene leben würden, zu denen wir nach<br />

Möglichkeit Kontakt aufzunehmen gedenken. Es gibt<br />

keine andere Wahl. Würden wir die Querung auch wieder<br />

zurück schaffen? Die reichlich unterdimensionierte Furt<br />

stellt womöglich eine Art Selektionsmechanismus dar: nur<br />

wer fi t genug ist, sie in den wenigen ruhigen Momenten<br />

im Sein des Verkehrsstroms, zu queren, erhält das Privileg<br />

sich in den Refugien der Ureinwohner umzutun. Doch<br />

diese Vermutung wird kurz darauf auch wieder ad absurdum<br />

geführt, da sich herausstellt, dass es keinen querbaren<br />

Zugang zu unserer besonders zurückgezogen lebenden<br />

Spezies gibt. Mit einiger Raffi nesse gelingt es uns jedoch<br />

auch die letzte Sperre zu überwinden und fi nden uns<br />

wieder… in einem Ort, gefüllt mit Stille und grüner Langeweile.<br />

Mit Ausnahme von ein, zwei Exemplaren scheinen<br />

die Ureinwohner sich wenig aus der Expeditionsgruppe zu<br />

machen. Enttäuschung.<br />

Der Weg zurück zur Oase gestaltet sich nach vorangegangener<br />

Enttäuschung als relativ trist und so lassen wir<br />

uns nach unserer Rückkehr verführen von der überwältigenden<br />

Vielfalt des Angebots der fl iegenden Händler<br />

mit ihren bunten Buden und preislichen Argumenten im<br />

Kaufparadies. Doch nachdem die Taler über den Tisch<br />

gegangen und unsere Kamele beladen sind, macht sich<br />

langsam aber stetig wieder die allbekannte Rastlosigkeit<br />

und Unruhe breit. Genug gesehen vom kurzlebigen,<br />

glänzenden Schein. Hier bleiben wir nicht. Wir ziehen<br />

weiter auf der Suche nach Beständigkeit.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die<br />

Stadtstruktur Schaumburgs von Einfamilienhäusern in<br />

geschwungenen Straßenmustern dominiert wird. Punktuell<br />

und isoliert stehen in so genannten Gewerbeparks große<br />

Shopping Center und Bürokomplexe. Die Ansiedlung der<br />

Shopping Center in der Nähe von Autobahnkreuzen folgt<br />

dem erwarteten Muster. Zudem ist die Stadtstruktur ausschließlich<br />

autoorientiert. Vereinzelt sind Fuß- und Radwege<br />

vorhanden, doch das bloße räumliche Nebeneinander der<br />

verschiedenen Funktionen und die mangelnde Verbindung<br />

zwischen den Funktionen macht es schier unmöglich sich<br />

dort zu fuß fortzubewegen. Die Unzufriedenheit der Edge<br />

City Bewohner mit dem hohen Verkehrsaufkommen, den<br />

Verkehrsstaus, der Luftverschmutzung und besonders<br />

mit dem Verkehrslärm kann durch die Erfahrungen des<br />

Rundganges gut nachvollzogen werden. Selbst in der Einfamilienhaussiedlung<br />

war der Verkehrslärm noch deutlich<br />

wahrzunehmen. Die Unzufriedenheit durch den Mangel<br />

an öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb des suburbanen<br />

Raumes ist ebenfalls nachzuvollziehen. Die Verbindung<br />

zwischen dem suburbanen Raum und der Kernstadt mit<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln ist durchaus vorhanden, auch<br />

wenn sie enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Innerhalb<br />

des suburbanen Raumes sind jedoch kaum öffentliche<br />

Verkehrsmittel vorhanden. Die selektive Wirkung der Suburbanisierungswanderung<br />

ist deutlich spürbar gewesen.<br />

Im suburbanen Raum wurden fast nur Weiße gesehen, die<br />

einen relativ hohen Lebensstandard führten, wogegen die<br />

Kernstadt mit ihrer kulturellen und sozialen Mischung in<br />

einem starken Kontrast steht.<br />

3.5 Kapitelfazit<br />

In dem vorangegangenen Kapitel wurde festgestellt, dass<br />

die Stadt Schaumburg im Staat Illinois beurteilt an den<br />

fünf Defi nitionspunkten von Garreau eindeutig eine Edge<br />

City ist. Die erforderliche Gesamt-Büro- und Einzelhandelsverkaufsfl<br />

äche wurde um ein vielfaches übertroffen.<br />

Auf einen Arbeitsplatz ließ sich zwar nur eine Wohnung<br />

zählen, jedoch wurde vermutet, dass die Bevölkerungszahl<br />

trotz des ausgeglichenen Zahlenverhältnisses tagsüber<br />

aufgrund der festgestellten riesigen Einkaufsfl ächen<br />

steigen kann. Die Wachstumsrate von Schaumburg<br />

macht deutlich, dass sie vor 30 Jahren als Stadt noch<br />

nicht bestand. Die festgehaltenen Zahlen in Bezug auf die<br />

Gesamt-Büro- und Einzelhandelsfl äche weisen auf ein<br />

Zentrum hin. Zudem liegt Schaumburg im Bereich eines<br />

Kreuzungspunktes und fällt somit in das Anordnungsmuster<br />

der Edge Cities.<br />

Die Untersuchung der Edge Cities Schaumburg ergab,<br />

dass auch hier das typische Bewohnermuster, also weiße<br />

Hautfarbe, hoher Bildungsgrad und gehobener Einkommensstandard,<br />

aufzufi nden ist. Der Großteil der Edge<br />

City Bewohner wohnt in eigenen Häusern und nur knapp<br />

28


Edge Cities<br />

ein Drittel ist innerhalb der letzten fünf Jahre umgezogen.<br />

Kernergebnis der Untersuchung war, dass sich die Edge<br />

City Bewohner aufgrund eines geringen Maßes an Kriminalität,<br />

wenig Einbrüchen, geringer Wahrscheinlichkeit ein<br />

Opfer von Gewalt zu werden, zuverlässiger Polizei und<br />

einem hohen subjektiven Sicherheitsgefühl im Freiraum, in<br />

ihrem Umfeld wohler fühlen als die Menschen in den bedroom<br />

suburbs oder der Kernstadt von Chicago. Zudem<br />

wurde aus der Zufriedenheit mit dem Freiraum-, Erholungs-<br />

und öffentlichen Schulangebot geschlossen, dass<br />

Schaumburg als geeigneter Ort angesehen wird um Kinder<br />

aufzuziehen. Getrübt wird diese Zufriedenheit durch das<br />

hohe Verkehrsaufkommen, den vielen Verkehrsstaus, der<br />

enormen Luftverschmutzung, dem Verkehrslärm und dem<br />

Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln. Zur Verbesserung<br />

dieser Situation würden 68% den Ausbau neuer Hauptstraßen<br />

und 80% die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs<br />

unterstützen. Als zusätzliches Problem<br />

wird der Mangel an öffentlichen Einrichtungen gesehen.<br />

Der Stadtrundgang durch Schaumburg ergab, dass die<br />

subjektive Wahrnehmung mit den zuvor gesammelten<br />

„theoretischen“ Erkenntnissen dieser Arbeit die durch Beobachtung<br />

feststellbar sind, weitestgehend konform ist. Die<br />

aufgestellten Vermutungen, dass Schaumburg als Zentrum<br />

wahrgenommen werden könnte und die Bevölkerungszahl<br />

aufgrund der Einzelhandelsfl ächen steigt, konnte nicht<br />

eindeutig geklärt werden.<br />

4. Gesamtresümee<br />

In diesem Bericht wurde deutlich, dass Suburbanisierung<br />

mehr als die Expansion der Stadt in ihr Umland ist,<br />

sondern zugleich ein Prozess der Dekonzentration von<br />

Bevölkerung, Produktion, Verwaltung und Handel bedeutet.<br />

Die Entstehung der Edge Cities ist in der dritten Welle der<br />

Suburbanisierung zu lokalisieren. In dieser Phase vollzog<br />

sich die Entwicklung der zerstreuten Ballungen aus<br />

Wohnen, Einkaufszentren und Bürotürmen im suburbanen<br />

Raum so rasant, dass in vielen Fällen die wirtschaftliche<br />

Bedeutung der Edge Cities die der traditionellen Kernstädte<br />

weit übertrifft.<br />

Bei der genaueren Beleuchtung des US-amerikanischen<br />

Umgangs mit der Ressource Fläche zu den herausgefundenen<br />

Hintergründen der Suburbanisierung konnte<br />

festgestellt werden, dass die besonders hervorzuhebenden<br />

Entstehungsbedingungen der Edge Cities,<br />

zum einen die geringe Nutzungskonkurrenz auf den zur<br />

Verfügung stehenden Flächen außerhalb der Kernstädte,<br />

auf denen die Edge Cities, ohne den Zielen der Flächennutzung<br />

verpfl ichtet zu sein und dadurch ohne öffentlichen<br />

Planungsprozess entstehen, sind. Zum anderen existiert<br />

kein bundeseinheitliches Planungsrecht. Zwischen den<br />

ärmeren und reicheren Gemeinden kommt es daher zu<br />

erheblichen interkommunalen Disparitäten. Zusätzlich gibt<br />

es keine verbindlichen Regionalpläne und kommunalen<br />

Flächennutzungspläne sowie gemeinsame regionalen<br />

Ziele.<br />

I. Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: eigene Quelle (In Anlehnung an Friedrichs, Jürgen:<br />

Stadtsoziologie. Leske + Budrich. Opladen, 1995.)<br />

Abb. 2: http://tigger.uic.edu/depts/ahaa/imagebase/maclean/aerials1/85.JPEG<br />

(Zugriff: 05.11.04)<br />

Abb. 3: Garreau, Joel: Edge City- Life on the new Frontier.<br />

Anchor Books. New York, 1991.<br />

Abb. 4: Garreau, Joel: Edge City- Life on the new Frontier.<br />

Anchor Books. New York, 1991.<br />

Abb. 5: http://www.jdneuhaus.com/gif/karte_usa_representatives.gif<br />

(Zugriff: 08.08.05)<br />

Abb. 6: http://www.tantec.com/cgi-fi les/mdmgfx/574-<br />

65358-11304s.jpg (Zugriff: 08.08.05)<br />

Abb. 7: Sööt, Siim, Assistant Professor 1995, University of<br />

Illinois at Chicago; 2102 Behavioral Science Building, Box<br />

4348; Chicago, III 60680. Chicago, 1995.<br />

Abb. 8-15: eigene Darstellung, Zahlen vom Metro Chicago<br />

Information Center/ Roosevelt University, Institute for<br />

Metropolitan Affairs (Hrsg.): Edge Cities or Edge Suburbs?<br />

Midwest Association for Public Opinion Research. Chicago,<br />

2002; Roosvelt University, Institute for Metropolitan<br />

Affairs (Hrsg.): Exploring Edge Cities- Report of a National<br />

Survey of Senior Planners. Chicago/Illinois, 2002.<br />

Abb. 16: eigene Quelle<br />

Abb. 17: eigene Quelle<br />

Abb. 29: überarbeitete Quelle. http://www.mapquest.<br />

com/maps/map.adp?searchtype=<br />

address&country=US&addtohistory=&searchtab=home&<br />

address=woodfi eld+mall&city=schaumburg&state=il&zipc<br />

ode= (Zugriff 28.10.2005)<br />

29


Stadtgestalt und Geschichte<br />

II. Quellenverzeichnis<br />

A. Literatur<br />

· Friedrichs, Jürgen: Stadtsoziologie. Leske +<br />

Budrich. Opladen, 1995.<br />

· Garreau, Joel: Edge City- Life on the new Frontier.<br />

Anchor Books. New York, 1991.<br />

· Garreau, Joel: “Edgier Cities”. In Wired, Issue<br />

3.12. December 1995.<br />

Verfügbar im Internet unter : http://www.wired.<br />

com/wired/archive/3.12/edgier.cities_pr.html<br />

· Metro Chicago Information Center/ Roosevelt<br />

University, Institute for Metropolitan Affairs (Hrsg.): Edge<br />

Cities or Edge Suburbs? Midwest Association for Public<br />

Opinion Research. Chicago, 2002.<br />

· Oberascher, Andreas. Stadtmarketing in den<br />

USA- Eine theoretische und praktische Auseinandersetzung<br />

anhand ausgewählter Projekte des Bundesstaates<br />

Illinois. Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.<br />

Wien, 2003.<br />

· Roost, Frank: Die Disnifi zierung der Städte-<br />

Großprojekte der Entertainmentindustrie am Beispiel des<br />

New Yorker Times Sqare und der Siedlung Celebration in<br />

Florida. Leske + Budrich. Opladen, 2000.<br />

· Roosvelt University, Institute for Metropolitan<br />

Affairs (Hrsg.): Exploring Edge Cities- Report of a National<br />

Survey of Senior Planners. Chicago/Illinois, 2002.<br />

· Wiegandt, Claus-C.: An den Grenzen des<br />

Wachstums- Eindrücke zur amerikanischen Stadtentwicklung<br />

Mitte der 90er Jahre. Bundesforschungsanstalt für<br />

Landeskunde und Raumforschung, Heft 3/1997. Bonn,<br />

1997.<br />

B. Internetseiten<br />

· http://www.marktplatz-schaumburg.de/shg-ill/<br />

(Zugriff 24.08.2005)<br />

30


Urbs in Horto<br />

Urbs in Horto – Die Stadt im Garten<br />

Parks und öffentliche Räume: ein Überblick über Chicagos Freiraumstrategien<br />

Sara-Louise Bergkvist & Marc Springer<br />

Abb. 1: Millenium Park und der CBD - Chicago‘s Gute Stube<br />

Chicago Urbs in Horto<br />

Urbs in Horto (Die Stadt im Garten) ist das Motto der Stadt<br />

Chicago seit ihrer Gründung. In ihren ersten Jahren ähnelt<br />

die Stadt allerdings eher einer Stadt im Sumpf denn einer<br />

in einem Garten. Ironischerweise kann als Garten auch<br />

das übelriechende Zwiebelfeld betrachtet werden, nach<br />

dem Chicago benannt wurde. Entgegen der anfänglichen<br />

Widrigkeiten der Pionierzeit stellt sich das Motto aber<br />

später als Prophezeiung heraus für die Entwicklung einer<br />

Kultur der Parks, Boulevards und öffentlichen Räume,<br />

die zumindest in Nordamerika ihresgleichen sucht. Dies<br />

ist auch dem stetigen Engagement der Bürger Chicagos<br />

zu verdanken für die Schaffung und den Erhalt der<br />

öffentlichen Grünfl ächen. Die städtischen Parks dienten<br />

lange als Testfeld für revolutionäre Ideen, Programme und<br />

soziale Initiativen. In der Tat wurden nahezu ein Viertel<br />

der 555 Parks in Chicago von einfl ussreichen Architekten,<br />

Künstlern und Landschaftsarchitekten geplant, unter<br />

ihnen Frederick Law Olmsted oder Daniel H. Burnham.<br />

(Bachrach 2001) Heute sind mit der Weiterentwicklung<br />

des Erbes der Stadt im Garten international erfolgreiche<br />

amerikanische Landschaftsplaner und Architekten betraut,<br />

wie Hargreaves, Gustafson oder Gehry.<br />

Parks und Boulevards<br />

Einige Jahre bevor Chicago 1837 in den Status einer Stadt erhoben<br />

wird, erfährt das Dörfchen am Chicago River einen Wachstumsschub.<br />

Das Board of Canal Comissioners plant den Illinois<br />

and Michigan Canal, in dessen Erwartung die Bevölkerung rapide<br />

ansteigt. Die Bewohner der wachsenden Stadt fürchten den Verkauf<br />

von Land am Lake Michigan für kommerzielle und industrielle<br />

Zwecke und beschließen im Rahmen eines Parzellierungsplan das<br />

Land am Lake Michigan zu öffentlichern Grünfl ächen zu erklären.<br />

Chicagos erste Parks werden geboren: Dearborn Park und Lake<br />

Park, letzterer wird später Teil des heutigen Grant Park.<br />

Im Jahr 1869 wird ein Skelettplan verabschiedet, der die<br />

Knochen eines neuen Parksystems beinhaltet, das durch<br />

ein Netzwerk von Boulevards verbunden wird. Dieses<br />

Boulevardsystem ist auch heute noch das Grundgerüst<br />

der Metropole, auf das sich die Qualität der Parks und<br />

öffentlichen Räume aufbaut.<br />

Die neue Ära<br />

Die Zukunft der Urbs in Horto will Bürgermeister Richard<br />

M. Daley seit 1989 sichern, indem er eine neue Ära von<br />

Begrünung, Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung<br />

der Chicagoer Parks einläutet. Die Parkbehörde Park District<br />

hat dabei weitgesteckte Ziele: Wiederbepfl anzung von<br />

31


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 2: Netzwerk von Freiräumen<br />

heruntergekommenen Parklandschaften, Schaffung hunderter<br />

Gärten in den Parks und einigen neuen Biotopen,<br />

die Rehabilitierung von Dutzenden von Parkstrukturen, der<br />

Bau neuer Umkleidegebäude bei Sportfl ächen sowie der<br />

Bau neuer Strandhäusern und Komfortstationen. Die Wartungsintervalle<br />

der Parks werden erhöht und die Nutzungskonzepte<br />

komplett überarbeitet. In Nachbarschaftsprogrammen<br />

werden Park Districts Mitarbeiter in Freizeit- und<br />

Betreuertätigkeiten geschult. So soll auf die Bedürfnisse in<br />

den Quartieren besser eingegangen werden.<br />

Grant Park<br />

Grant Park ist Chicagos zentraler Park, vorgelagert dem<br />

Hauptgeschäftsviertel, der alten City Chicagos. Als Teil<br />

des weitläufi gen Parksystems am Lake Michigan ist er der<br />

bedeutendste Freiraum der Stadt Chicago. Er hat eine<br />

lange Tradition als Ort für alle Chicagoer, für Musik und<br />

Sportereignisse.<br />

Von der Schutthalde zum Vorgarten<br />

Nach dem Großen Feuer von 1871 ist ein Großteil des<br />

Schutts in den Lake Michigan geschüttet worden. Das Areal<br />

des heutigen Parks entsteht so. Allerdings gibt es Ende<br />

des 19. Jahrhunderts Pläne, die als Park vorgesehene<br />

Fläche mit kommerziellen Gebäuden zu entwickeln. Aaron<br />

Montgomery Ward, ein Chicagoer Kaufmann, kämpft<br />

Abb. 3: Lageplan Grant Park<br />

in einer Reihe von Gerichtsverfahren über fast 20 Jahre<br />

für den Erhalt der Fläche als Stadtpark. So wird durch<br />

stetiges Bürgerengagement die der Weg zur Entstehung<br />

von Grant Park freigemacht. Als Resultat ist Grant Park<br />

heute eine Freifl äche, die als Vorgarten Chicagos großartige<br />

Blicke auf die Skyline der City zulässt.<br />

Der Plan<br />

Planer Daniel H. Burnham hat in seinem Plan of Chicago<br />

1909 für Grant Park ein Entwurfsschema vorgelegt in<br />

französischen Renaissance Stil komplett mit öffentlichen<br />

32


Urbs in Horto<br />

Abb. 4: Die Grant Park Band Shell im Süden von<br />

Hutchinson Field, 1933<br />

Gebäuden und Museen. Der Park entwickelte sich über<br />

die Jahre nur langsam, und zwar nach den vertiefenden<br />

Plänen von Edward. H. Bennett, dem Mitverfasser des<br />

Plan of Chicago.<br />

Der gesamte Park besteht aus einem Rahmenwerk aus<br />

Verbindungen und Achsen, die von Stadtgärten und Grünfl<br />

ächen, sogenannten Parkzimmern aufgefüllt werden. Die<br />

Körnung des Parks ist dabei bestimmt durch das Straßenraster<br />

der Stadt, das sich in der Anlage der Wegachsen<br />

niederschlägt.<br />

Abb. 5: Grant Part als Schutthalde, um 1920<br />

Die Clarence Buckingham Fountain ist das bauliche Glanzlicht<br />

von Grant Park. Sie wird 1927 von Kate Buckingham<br />

in Andenken ihres Bruders gestiftet und ist seinerzeit der<br />

weltgrößte dekorative Brunnen.<br />

Dominant ist die Zäsur durch die Bahnlinie der Illinois Central<br />

Railroad Corporation. Diese zieht sich durch die gesamte<br />

Länge des Parks in Nord-Südrichtung. Aber auch<br />

Lake Shore Drive und Columbus Drive sind signifi kante<br />

Zäsuren im Park, die im Moment kaum überbrückbar sind.<br />

Abb. 7: Buckingham Fountain<br />

33


Stadtgestalt und Geschichte<br />

Abb. 6: Blick von Grant Park auf die Gebäude der City<br />

Die Zukunft von Grant Park<br />

Der Framework Plan von Hargreaves Associates Landschaftsarchitekten,<br />

San Francisco, formuliert drei Ziele zur<br />

Entwicklung von Grant Park in der Zukunft:<br />

1. Die Wiederverbindung von City und Park sowie<br />

Park und Seeufer, und damit die Verknüpfung der<br />

Stadt mit dem See. Die bestehenden Zäsuren<br />

müssen dazu überbrückt werden.<br />

2. Die verschiedenen Parkblocks sollen wieder zu<br />

einer Einheit werden<br />

3. Entwerfen und verorten von wichtigen Funktionsergänzungen<br />

wie einem vorgesehenen landschaftsmodellierten<br />

Amphitheater, einem Festival- und Eventrundgang<br />

sowie Sporteinrichtungen, um den Park den künftigen<br />

Bedürfnissen der angrenzenden Quartiere, der Stadt und<br />

der Region anzupassen. (Hargreaves Ass., 2006)<br />

Das Grant Park Garden Overlay, erstellt von Gustafson<br />

Guthrie Nichol Landschaftsarchitekten, Seattle, ist die<br />

Vertiefung zum Framework Plan. Er arbeitet die landschaftlichen<br />

Qualitäten heraus und empfi ehlt Orte für<br />

Installationen und Füßgängerräume. Die im Plan entwickelten<br />

programmatischen Elemente verbessern die<br />

natürliche Schönheit des Parks und aktivieren seine Teile.<br />

(Gustafson Guthrie Nichol, 2006)<br />

Abb. 8: Grant Park Garden Overlay<br />

Millenium Park<br />

Millenium Park ist eine Ergänzung und ein Facelift von<br />

Grant Park über den nördlichen Teil der Bahnlinie an der<br />

Ecke Randolph Street und Michigan Avenue. Die Überdeckelung<br />

der Bahnlinie in diesem Teil von Grant Park<br />

schafft so einen riesigen Dachgarten auf einem Betondeck,<br />

der die City und Grant Park zumindest in diesem<br />

Bereich verschmelzt.<br />

Halb Garten/Grünfl äche, halb städtischer Platz thematisiert<br />

der Park das Urbs in Horto Motto. Millennium Park ist<br />

der jüngste und spektakulärste der 555 Chicagoer Parks.<br />

Abb. 9: Millennium Park im Bau, Dezember 2000<br />

34


Urbs in Horto<br />

Abb. 10: Plan Millennium Park<br />

Durch die starke Initiative von Bürgermeister Daley und fi -<br />

nanziellem Engagement mehrerer Wirtschaftsunternehmen<br />

konnte der Park als Public Private Partnership realisiert<br />

werden.<br />

Das Prinzip der Parkzimmer aus Grant Park wird hier<br />

übernommen. Millennium Park ist ein Block innerhalb des<br />

Rahmenwerkes von Grant Park, und seinerseits durch<br />

Blocks unterteilt. Diese Unterteilung ist eine Verlängerung<br />

des Rasterprinzips der umgebenen Strassen. Die Unterteilung<br />

schafft Teilräume mit diversen Programmen. Zentral<br />

steht dabei der Open Air Konzertbereich mit dem Jay<br />

Pritzker Pavillon des Architekten Frank O. Gehry mit dem<br />

Great Lawn. Hier wird an die Open Air Tradition der Jazzund<br />

Blues Metropole Chicago angeknüpft. Daneben bietet<br />

der Park aber auch Bereiche für verschiedene Aktivitäten,<br />

es gibt ein Restaurant, Chase Promenade wird mit beweglichen<br />

Ausstellungstafeln als Open-Air-Galerie benutzt,<br />

McCormick Tribune Plaza bietet den Chicagoern im Winter<br />

eine Eisbahn.<br />

Ein weiteres signifi kante Bauwerk ist das Cloud Gate,<br />

gestaltet vom Londoner Künstler Anish Kapoor, das als<br />

Touristeninformation eingerichtet wird.<br />

Abb. 11: Pritzker Pavillion mit Great Lawn<br />

Cloud Gate<br />

35


Abb 13: Stauden im Light Plate<br />

Lurie Garden<br />

Lurie Garden als Stadtgarten ist eine weitere Hommage an<br />

das Stadtmotto Urbs in Horto. Highlight des Gartens ist<br />

die 5 Meter hohe Shoulder-Hedge. Diese fasst den Garten<br />

auf zwei Seiten und schützt den empfi ndlichen Staudengarten<br />

vom Gewimmel der Konzertbesucher und von der<br />

Konzertmuschel. Diese riesenhafte, von einer stählenden<br />

‚Armatur’ geformte Struktur defi niert die außergewöhnliche<br />

Mächtigkeit der Hecke, wenn sie voll ausgewachsen die<br />

Menschen um sie herum klein erscheinen lässt und so<br />

dem Garten zu Stärke verhilft.<br />

Innerhalb des Gartens gibt es zwei Staudengärten, die<br />

Dark Plate, welche in ihrer Vegetation die frühe Geschichte<br />

des Ortes refl ektiert, und die Light Plate, deren Pfl anzen<br />

die helle Zukunft des Parks projizieren.<br />

Literatur:<br />

Bachrach, Julie Sniderman, The city in a garden: a photographic<br />

history of Chicago’s parks, Chicago 2001<br />

Tate, Alan: Great city parks, London 2001<br />

Internetquellen:<br />

Chicago Park District, http://www.chicagoparkdistrict.<br />

com/ Zugriff: 2006-01-29<br />

Gustafson Guthrie Nichol, http://www.ggnltd.com/ Zugriff:<br />

2006-01-29<br />

Hargreaves Asscociates, http://www.hargreaves.com/<br />

Zugriff: 2006-01-29<br />

Millenium Park Corp., http://www.millenniumpark.org/<br />

Zugriff: 2006-01-29<br />

Das Beleuchtungskonzept setzt sowohl die gigantische<br />

Hecke als auch die Wegeverbindungen mit den<br />

Wasserelementen bei Nacht in Szene.<br />

Abb. 12: Bild Hecke<br />

Abb. 14: Holzsteg und Wasserkanal<br />

36


Gewalt und Unsicherheit<br />

Entwicklungen und Trends der Chicagoer Kriminalitätsstatistiken – Ein Besuch an der North<br />

Western University bei Prof. Skogan, dem führenden Kriminalitätsspezialisten für Fragen<br />

bezüglich der Chicagoer Kriminalitätsentwicklung Stephan Rothenburg<br />

Abb. 1<br />

Im Rahmen eines dreistündigen Vortrages von Prof.<br />

Skogan wurden uns Einblicke in die interessanten<br />

Entwicklungen und aktuellen Trends der Kriminalität in<br />

Chicago und den USA gegeben.<br />

Basisdaten und Bevölkerungsentwicklung<br />

Anhand der Einwohnerverteilung in Chicago auf die unterschiedlichen<br />

Rassentypen wurde uns die Veränderung<br />

in der Bevölkerungszusammensetzung für die letzten 50<br />

Jahre aufgezeigt. Deutlich ist in Abbildung 1 zu erkennen,<br />

dass der Anteil der weißen Bevölkerung seit 1950 stetig<br />

abgenommen hat und derzeit auf dem gleichen Niveau<br />

des Lateinamerikanischen Bevölkerungsanteils liegt. Diese<br />

Gruppe, die bis in die 60er Jahre bei der Zusammensetzung<br />

der Bevölkerung eine sehr untergeordnete Rolle<br />

spielte, zählt heute zu den größten Einwanderergruppen in<br />

den gesamten USA. Interessant hierbei ist, dass der überwiegende<br />

Teil dieser Einwanderergruppe aus Mexikanern<br />

besteht. Der Anteil der schwarzen Bevölkerung konnte bis<br />

in die 80er Jahre noch Zuwächse verzeichnen, stagniert<br />

aber seit diesem Zeitpunkt, da Zuwanderungen aus dem<br />

Ausland und anderen Regionen in den USA ausgeblieben<br />

sind. Der Anteil an asiatischen Bevölkerungsgruppen liegt<br />

konstant auf einem niedrigen Niveau.<br />

Anhand der Abbildung 2 wurde uns aufgezeigt, wie sich<br />

der Suburbanisierungsprozess der besser situierten<br />

Weißen auf die Bevölkerungsverteilung in den unterschiedlichen<br />

Chicagoer Stadtquartieren ausgewirkt hat. Während<br />

die Weißen vorwiegend in die Einfamilienhaussiedlungen<br />

des Umlandes oder hochwertige Apartmentkomplexe der<br />

Innenstadt bzw. der nördlichen Uferlinie des Lake Michigan<br />

gezogen sind, konzentrieren sich die schwarzen und<br />

lateinamerikanischen Bevölkerungsgruppen überwiegend<br />

auf die sozial schwächeren Stadtquartiere in der Nähe des<br />

Abb. 2<br />

Kriminalität in Chicago<br />

Ausgehend von einer Kriminalitätsstatistik aus dem Jahre<br />

1991 (Abbildung 3) sollte uns im Folgenden der Kriminalitätsverlauf<br />

und dessen Ursachen in den letzten14 Jahren<br />

aufgezeigt werden.<br />

Auffallend bei der Statistik aus dem Jahre 1991 ist<br />

das insgesamt hohe Kriminalitätsniveau im Chicagoer<br />

Stadtgebiet. Die Hauptproblemgruppen auf die Rassen<br />

bezogen, liegen bei den sozial benachteiligten schwarzen<br />

Bevölkerungsgruppen, die mit weitem Abstand von den<br />

Lateinamerikanern gefolgt werden. Laut Aussagen von<br />

Prof. Skogan sind sowohl die lateinamerikanischen als<br />

auch die schwarzen Straftäter häufi g in Gangs organisiert.<br />

Während sich die Verbrechen der Schwarzen meist<br />

nur um materielle Themen wie Geld, Drogen und Waffen<br />

drehen, kommen bei den Lateinamerikanern auch noch<br />

Fragen der Ehre und Familienstreitigkeiten hinzu.<br />

Werden unabhängig von der Rassenzugehörigkeit<br />

die zusammengefaßten Entwicklungskurven der verschiedenen<br />

Kriminalitätskategorien betrachtet (Abbildung<br />

4), so ist gemeinhin seit der Mitte der 50er Jahre ein Anstiegstrend<br />

zu verzeichnen gewesen, der seinen Höhepunkt<br />

Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre fi ndet.<br />

Diese dramatische Entwicklung in der Kriminalitätsentwicklung<br />

wurde seitens der Kommune zum Anlaß genommen,<br />

neue Strategien zu entwickeln, um der steigenden<br />

Kriminalität erfolgreich zu begegnen.<br />

37


Kriminalität und Immigration<br />

Abb. 4<br />

Abb. 3<br />

Die neuen Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung<br />

Im Jahre 1993 begann die Chicagoer Polizei mit einem<br />

neuen, strategischen Programm dem Anstieg der Kriminalität<br />

entgegenzuwirken. Eine Erhöhung der Anzahl<br />

an Polizeibeamten kam laut Prof. Skogan aus fi nanziellen<br />

Gründen nicht in Frage, weshalb Änderungen in der<br />

Herangehensweise gefragt waren. Unter dem Namen<br />

CAPS (Chicagos Alternative Policing Strategy) organisieren<br />

sich bis heute eine Reihe von neuen Strategiepunkten der<br />

Polizei. Im Rahmen des Programms begann die Polizei<br />

gezielt in den einzelnen Quartieren zu agieren. Hierdurch<br />

wurde es möglich, auf die sehr differenzierten Problemstellungen,<br />

resultierend aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen,<br />

zu reagieren. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich<br />

wird, wurde hierzu das Chicagoer Stadtgebiet in einzelne<br />

strategische Untereinheiten, den sogenannten „beats“,<br />

aufgeteilt. Diese erlaubten es, den Kriminalitätsverlauf<br />

bzw. Problemstellungen des Stadtgebietes differenziert<br />

für die jeweiligen Untereinheiten zu betrachten und<br />

dementsprechende Vorgehensstrategien zu entwickeln.<br />

Ergänzt wurden die aktiven polizeilichen Maßnahmen<br />

durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der jeweiligen<br />

„beats“. Allen voran steht bis heute das Instrument<br />

„beat meeting“. Hierunter versteht sich eine öffentliche,<br />

monatlich stattfi ndende Fragestunde, bei der die Polizei<br />

eine Verbesserung des Kontaktes zur Bevölkerung des<br />

jeweiligen „beat“ sucht. Den Anwohnern wird im Rahmen<br />

einer Gesprächsrunde die Möglichkeit gegeben ihre<br />

Ängste und Sorgen mitzuteilen. Im Gegenzug berichtet die<br />

Polizei über aktuelle Maßnahmen und kann konkret darauf<br />

eingehen, in welcher Art, seitens der Polizei, auf die Problemlagen<br />

der Betroffenen reagiert werden kann.<br />

Über die „beat meetings“ hinausgehend, gelang es durch<br />

Kampagnen wie „we call the police“, bei denen Anwohner<br />

Schilder mit ebendiesem Aufdruck in ihre Fenster stellen,<br />

die soziale Kontrolle in den Quartieren zu erhöhen und auf<br />

diesem Wege die Bevölkerung aktiv in die Polizeiarbeit mit<br />

einzubeziehen.<br />

Organisierte Protestmärsche der Bevölkerung gegen die<br />

Gewalt und eine verstärkte Zusammenarbeit der Polizei<br />

mit anderen Organisationen rundeten das Maßnahmenpaket<br />

der Öffentlichkeitsarbeit ab.<br />

Wirkung der neuen Strategien<br />

Bei Betrachtung von Abbildung 6, die die Entwicklungen<br />

der Chicagoer Kriminalitätsdelikte seit Beginn des<br />

Programmstarts aufzeigt, wird deutlich, dass sowohl auf<br />

die unterschiedlichen Deliktkategorien als auch auf die<br />

Rassenzugehörigkeit der Straftäter bezogen, die Häufi g-<br />

keit der Straftaten per anno deutlich zurückgegangen ist.<br />

Während bspw. nach Abbildung 5 in den Jahren 1991-<br />

92 noch 52 „beats“ häufi g unter Raubüberfällen litten,<br />

könnte die Anzahl der „beats“ mit diesem Problem in den<br />

Jahren 2001-02 auf 4 vermindert werden. Korrespondierend<br />

mit den real sinkenden Kriminalitätsraten gelang<br />

es auch, das subjektiv empfundene Sicherheitsgefühl<br />

in der Bevölkerung stark zu verbessern. Wie Abbildung<br />

7 verdeutlicht, fühlten sich alters-, geschlechts- und<br />

einkommensübergreifend 2003 weit mehr Personen beim<br />

Verlassen ihrer Wohnung sicher, als dieses noch im Jahr<br />

1994 der Fall war. Wird bei dieser Betrachtung jedoch<br />

die Rasse berücksichtigt (Abbildung 8), so zeigt sich, das<br />

beim lateinamerikanischen Bevölkerungsteil der Rückgang<br />

der Angst entscheidend geringer ausfällt. Wird in diesem<br />

Zusammenhang die Sprachzugehörigkeit betrachtet, so<br />

ist das Ergebnis beim spanisch sprechenden Teil der Bev-<br />

38


Gewalt und Unsicherheit<br />

Abb. 5<br />

ölkerung noch wesentlich negativer. Hierin spiegelt sich,<br />

laut Prof. Skogan, ein Problem wider, das sich mit zunehmender<br />

Einwanderung mexikanischer Bevölkerungsschichten<br />

noch verstärken wird. Viele der neueren mexikanischen<br />

Einwanderer sprechen auch nach Jahren in den<br />

Vereinigten Staaten nur ihre Muttersprache, da sie in den<br />

mexikanischen Einwanderquartieren auf das Erlernen der<br />

englischen Sprache nicht angewiesen sind. Beim Erleiden<br />

krimineller Handlungen bzw. Kontakten mit der Polizei wird<br />

die Sprachbarriere zum Problem. Das Melden von Straftaten<br />

wird auf Grund der sprachlichen Probleme als auch der<br />

Abhängigkeit von der mexikanischen Gemeinschaft stark<br />

erschwert, welches sich in einer verstärken Angst ausdrückt.<br />

Ergänzend hierzu, resultiert beim mexikanischen<br />

Teil der Bevölkerung aus der Sprachbarriere auch ein, im<br />

Vergleich sehr geringes, Vertrauen in die Arbeit der Polizei,<br />

wie sich anhand von Abbildung 9 visualisieren läßt. Korrespondierend<br />

mit dem subjektiv geringen Sicherheitsgefühl<br />

der lateinamerikanischen Bevölkerungsschicht stieg, laut<br />

Abbildung 10, in dieser Bevölkerungsgruppe, prozentual<br />

gesehen, auf einer Skala von 0 bis 100 auch die Bedeutung,<br />

die den unterschiedlichen Arten von Kriminalität<br />

beigemessen wurden. Demgegenüber steht, dass in allen<br />

übrigen Bevölkerungsgruppen, unterschieden nach deren<br />

Rassenzugehörigkeit, die unterschiedlichen Straftatproblemstellungen<br />

in den vergangenen Jahren als weniger<br />

gravierend eingestuft wurden.<br />

Laut Prof. Skogan wird auch in den kommenden Jahren<br />

durch eine Amerikaweite Zunahme an mexikanischen<br />

Einwanderern die Verlagerung der Problemschwerpunkte<br />

Abb. 6 Abb. 7<br />

39


Kriminalität und Immigration<br />

der Kriminalität in die lateinamerikanischen Bevölkerungsschichten<br />

weiter ansteigen. Daher wird es sowohl in Chicago<br />

als auch in den übrigen USA verstärkt Aufgabe der<br />

Polizei sein, auf die hieraus resultierenden Problemstellungen<br />

mit speziellen Strategien zu reagieren, um die Ängste<br />

gegenüber der Polizei abzubauen.<br />

Abb. 8<br />

Abb. 9 Abb. 10<br />

40


Gewalt und Unsicherheit<br />

Zusammenfassung Gewalt und Unsicherheit<br />

Prof. Skogan, Northwestern University Evanston, Illinois<br />

Matthias Hoffmann<br />

Dass eine Metropole wie Chicago mir Problemen wie<br />

Gewalt und Verbrechen zu kämpfen hat, sollte spätestens<br />

seit den Aktivitäten des berühmt-berüchtigten Al Capone<br />

bekannt geworden sein.<br />

Gewalt ist etwas, das sich in Städten unter anderem in der<br />

Kriminalitätsrate in Form von Überfällen, Mord, Einbrüchen<br />

und anderen Gewaltdelikten niederschlägt. Oft ist Gewalt<br />

daher als ein Zeichen sozialer Spannungen als Folge<br />

sozialer Ungleichheiten (starke Disparitäten zwischen reich<br />

und arm) zu interpretieren.<br />

In Chicago spielt bei Betrachtung eines größeren Zeitraumes<br />

schon immer die Segregation von reichen<br />

Bewohnern im Norden und ärmeren Bürgern im Süden<br />

der Stadt eine Rolle. In jüngster Zeit kommen Gentrifi -<br />

zierungsprozesse in innenstadtnahen Bereichen hinzu und<br />

die daraus resultierende Verdrängung von Bewohnern aus<br />

Einrichtungen des sozialen Wohnungsbaus, die Projektentwicklern<br />

nach Vorstellung der HUD im Rahmen einer<br />

„sozialen, baulichen Bevölkerungserziehung“ weichen<br />

müssen, sowie eine starke, räumliche sozio-kulturelle Segregation<br />

nach Nationalitäten in verschiedenen Stadtteilen.<br />

Im Rahmen des Termins wurden von Prof. Skogan einige<br />

Aspekte zur sozio-kulturellen Segregation, der Einfl uss<br />

verschiedener Ethnien auf die Kriminalitätsstatistik, der<br />

Zusammenhang zwischen ethnischer Bevölkerungszusammensetzung<br />

und Sicherheitspolitik und die<br />

Besonderheiten der Reform der Chicagoer Polizeibezirke<br />

erläutert.<br />

Die Fakten:<br />

·Ethnische Bevölkerungszusammensetzung und polizeiliche<br />

„Härte“: Seit den 1950er Jahren hat sich die Zusammensetzung<br />

der Bevölkerung in Chicago nach Ethnien<br />

stark gewandelt – ebenso das Bild der Polizeiarbeit. In den<br />

1950er Jahren wurde Chicago von Bürgern weißer Hautfarbe<br />

deutlich dominiert. Afro-Amerikaner, Lateinamerikaner<br />

und Asiaten stellten Minderheiten dar. Lediglich farbige<br />

afrikanischer Abstammung machten einen wahrzunehmenden<br />

Teil der Bevölkerung aus. Die Vorgehensweise<br />

der Polizei war damals hart gegenüber Afro-Amerikanern.<br />

Bis in die 1980er Jahre sank der Anteil der weißen Bevölkerung<br />

jedoch auf knapp 1/3 ab. Ab der zweiten Hälfte<br />

der 1980er Jahre lebten in Chicago sogar mehr farbige<br />

Amerikaner als weiße. Dies hatte zur Folge, dass sich aus<br />

politischen Gründen die harte Gangart der Polizei gegen<br />

Farbige änderte und die erstarkende Gruppe der Latinos<br />

in den Fokus der Polizeiarbeit drängte.<br />

·Ethnische Kriminalität: Die Art der Kriminalität und<br />

Ausübung von Gewalt unterscheidet sich zwischen<br />

Weißen, Latinos, Asiaten und Afro-Amerikanern. So sind<br />

die Gangs der Afro-Amerikaner ca. 30-40000 Mitglieder<br />

stark, strukturiert und gut organisiert im Drogengeschäft<br />

tätig.<br />

Latino-Gangs sind ebenfalls im Drogengeschäft tätig, aber<br />

die Mechanismen der Gangs sind komplizierter. Die aus<br />

Latino-Gangs resultierenden Beiträge zur Kriminalitätsstatistik<br />

stammen aus Drogengeschäften, territorialen Kämpfen,<br />

sowie Konfl ikten aus „machismo“ Problemen (wie z.B.<br />

der Kampf um Frauen, Stolz u.ä.).<br />

Die Aktivitäten der vornehmlich weißen Mafi a beschränken<br />

sich eher auf Kreditvergabe, Glückspiel und den Bausektor.<br />

Die Anteile der verschiedenen Ethnien in den Kriminalitätskategorien<br />

Straßenkriminalität, Autodiebstahl, Einbruch,<br />

Bandengewalt und Straßendealerei variieren im Zeitverlauf.<br />

Bemerkenswert ist jedoch, dass in Chicago seit Mitte der<br />

1990er Jahre in fast allen die Gruppe der Latinos „führt“.<br />

Die Gründe für den Anstieg bei der Latino-Kriminalität<br />

liegen vor allem im kontinuierlichen Zuzug illegal Immigranten<br />

aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen<br />

Staaten. Von diesen spricht zu 2/3 niemand Englisch. Dies<br />

führt dazu, dass Arbeit lediglich informell verfügbar ist und<br />

gleichzeitig eine hausgemachte Segregation stattfi ndet.<br />

Ebenso wird die Polizeiarbeit stark erschwert – was sich<br />

u.a. in den äußerst niedrigen Beteiligungsraten in den<br />

Latino-Beats zeigt. Jede neu hinzugezogene Gruppe von<br />

Immigranten arbeitet für weniger Lohn als die vorherige.<br />

Die Folge ist, dass mit jedem Jahr die Gruppe der Latinos<br />

ärmer, schlechter ausgebildet und geografi sch konzentrierter<br />

wird, während im Gegensatz dazu die relativ kleine<br />

Gruppe der Asiaten kontinuierlich ihren Wohlstand solide<br />

vergrößert.<br />

Unsicherheit und Reform der Polizeiarbeit<br />

Die Polizei von Chicago hatte in den 1990er Jahren einen<br />

schlechten Ruf. Sie galt als ineffektiv, was vor allem auf<br />

den Grund zurückzuführen war, dass Streifen über das<br />

gesamte Stadtgebiet patrouillierten und somit über geringe<br />

Ortskenntnis und Bürgernähe verfügten (allerdings ist nicht<br />

auszuschließen, dass die Effektivität auch etwas mit der<br />

kurzen Ausbildungsdauer von nur 26 Wochen je Offi cer zu<br />

tun haben könnte [Montreal: 5 Jahre College]).<br />

Um die Arbeit effektiver zu gestalten, die Bürgernähe und<br />

das Gefühl der Sicherheit zu erhöhen, wurde das Konzept<br />

des „Community Policing“ eingeführt.<br />

Dazu wurde eine Gebietsreform durchgeführt und das<br />

Verwaltungsgebiet in 280 sog. „Beats“ unterteilt. Einem<br />

„Beat“ sind jeweils einige Polizeibeamte fest zugeord-<br />

41


Kriminalität und Immigration<br />

net. Durch die feste Zuordnung von Beamten zu einem<br />

„Beat“ wird ihre Arbeit und Effektivität kontrollierbarer. Dies<br />

wiederum führt zu einem gesteigerten Verantwortungsbewusstsein<br />

bei den Beamten für „ihren“ Beat, um den sie<br />

sich kümmern und dem alle Beamten einmal pro Monat in<br />

öffentlichen Sitzungen Rede und Antwort über ihre Arbeit<br />

stehen müssen.<br />

Des Weiteren wurde „public involvement“ zu einem wichtigen<br />

Bestandteil zur Erhöhung der Sicherheit in den Beats.<br />

„CAPS“ Gruppen übernehmen mit lautstarken Demonstrationen<br />

in diesem Konzept eigene Verantwortung im Beat<br />

- z.B. gegen den illegalen Verkauf von Einzelzigaretten in<br />

Spirituosengeschäften oder durch das Übermalen von<br />

Graffi tis.<br />

Im Rahmen des „Community Policing“ Konzepts wurde<br />

auch der Aufgabenbereich der Polizisten stark erweitert<br />

auch öffentliche Ärgernisse wie öffentliches Trinken von<br />

Alkoholika, Bettlerei und Versammlung/Herumhängen von<br />

Jugendlichen auf der Straße zu verhindern.<br />

Trends: Zwischen 1955 und 1990 deutete die Kriminalitätsstatistik<br />

in Chicago kontinuierlich auf einen Anstieg der<br />

Verbrechen bei Autodiebstählen, Einbrüchen, Raubüberfällen<br />

und Morden hin. 1990 wurde der Höhepunkt der<br />

Kriminalitätsrate erreicht, was auf die Einführung des<br />

HOPE VI Programms zurückzuführen ist, da dieses durch<br />

Umsiedlungen zu Störungen des Kräfteverhältnisses<br />

zwischen den Gangs führte und Bandenkriege um die<br />

Neuverteilung von Territorien auslöste.<br />

Trotz des Wandels in der Vorgehensweise der Polizei, hin<br />

zu einer „weicheren“ Gangart, verzeichnete Chicago in der<br />

Zeit zwischen 1991 – 2003 jedoch einen Rückgang der<br />

allgemeinen Kriminalitätsrate in den einzelnen Beats. Dieser<br />

Rückgang fand nach Aussage von Prof. Skogan vor<br />

allem in den schlimmsten Stadtteilen statt. Insbesondere<br />

Afro-Afrikaner profi tierten von diesen Tendenzen.<br />

42


The Devon Avenue<br />

The Devon Avenue - Colours of Asia Julia Spiering<br />

Entlang einer Straße<br />

Land für Land<br />

little India, little Pakistan, little Russia<br />

unsichtbare Grenzen<br />

ein schleichender Wandel<br />

von einer Kultur zur nächsten<br />

vom Sari zum Rabbi<br />

von Südasien nach Nordasien.<br />

Die Devon Avenue<br />

ein erster Ort des Ankommens<br />

für Fremde<br />

Familiennetzwerke, Heiratsmarkt, Green- Cards<br />

legal- illegal<br />

for life, forever?<br />

Die Devon Avenue das “Ellis Island”<br />

für Asiaten in Chicago ?<br />

Von der Ersten Generation<br />

bis zur Dritten<br />

Assimilation?<br />

Integration?<br />

Religion?<br />

große Widerstände<br />

kleine Wiederstände<br />

alles eine Frage der Kultur!<br />

43


Planungssystem<br />

Planungssystem - BRD und USA im Vergleich<br />

Von Matthias Hoffmann<br />

Übersicht<br />

1. Das Politisch-Administrative System der USA<br />

(Pre-Exkursions-Recherche)<br />

2. Föderalismus<br />

2.1 Defi nitionen<br />

2.2 Eigenschaften föderaler Systeme<br />

2.3 Aufgabenteilung im Föderalismus<br />

3. Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung<br />

und den Bundesstaaten<br />

4. Vergleich der Föderationen der USA und der<br />

BRD<br />

5. Die Verfassung von Illinois<br />

6. Die Planungslandschaft in Illinois<br />

7. Fazit: Stadtplanung USA vs. Stadtplanung BRD?<br />

1. Das Politisch-Administrative System<br />

der USA<br />

Einleitung<br />

Um die während der Exkursion gesammelten Eindrücke<br />

und Erfahrungen besser einordnen zu können, ist es oft<br />

hilfreich sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

zu befassen. Im Falle der Eindrücke aus dem Umgang<br />

mit verschiedenen, mit Stadtplanung betrauten Institutionen,<br />

ist es daher analog sinnvoll, sich mit den politisch-administrativen<br />

Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.<br />

Vor allem jedoch ist Stadtplanung in seiner institutionalisierten<br />

Form, mit den verschiedenen Verantwortlichkeiten<br />

von Behörden, dem Einfl uss der US-Bundesregierung in<br />

verschiedenen Bereichen ein Teil des föderalen Verwaltungsapparates.<br />

In den einzelnen Bundesstaaten variiert<br />

daher ihr Einfl uss.<br />

Im Rahmen dieses Textes sollen verschiedene Informationen<br />

zusammengetragen, die allgemeine Eigenschaften<br />

föderaler Systeme dargestellt, Daten zu den föderalen<br />

Systemen der USA und der BRD verglichen, und die Verfassung<br />

des Bundesstaats Illinois als Rahmen für die dortige<br />

Planung (im weiteren Sinne) auf Hinweise auf Planung<br />

untersucht werden. Daneben wurden noch einige der mit<br />

Planung in Illinois betrauten Akteure aufgelistet.<br />

Methodik & Quellen<br />

Um Informationen über Stadtplanung und Planung i. w.<br />

S. in den USA zu fi nden wurde vornehmlich per Internet<br />

recherchiert. Dabei fi el auf, dass sich die mit Stadtplanung<br />

befasste Literatur – anders als im deutschsprachigen<br />

Raum – eigentlich vorwiegend mit den verschiedenen<br />

Plänen oder Aufgaben von Planern beschäftigt, nicht<br />

jedoch mit den rechtlichen Instrumente der Planung.<br />

Dieser Eindruck wurde auch durch ein Telefonat mit Prof.<br />

Curt Winkle von der University of Illinois at Chicago bestärkt,<br />

der das sog. „Greenbook“ zum Einstieg in das US-<br />

Planungssystem (mit der Anmerkung, dass dies das Buch<br />

sei, welches Urban Planning Studenten i. d. R. lesen),<br />

empfahl. Im „Greenbook“ werden vor allem verschiedene<br />

Planungsarten vorgestellt, nicht jedoch rechtliche Instrumente.<br />

Auch Gespräche mit zwei mir bekannten Absolventen<br />

des Urban/Regional Planning Masterprogramms<br />

der University of Madison, Wisconsin ließen die Frage<br />

nach rechtlichen Instrumenten offen.<br />

2. Föderalismus<br />

Aus den Medien und der Beschäftigung mit den USA im<br />

Rahmen der Vorbereitung der Exkursion wird jedem wahrscheinlich<br />

schon mal aufgefallen sein, dass immer wieder<br />

die Rede von „Federal Bureaus“ oder „Federal Government“<br />

oder „State Governors“ gewesen ist. Doch was<br />

verbirgt sich hinter dem „federal“ eigentlich?<br />

Grundlage der folgenden Beschreibungen war das Buch<br />

„Comparative Government and Politics“ von ROD HAGUE<br />

und MARTIN HARROP (2001).<br />

2.1 Definitionen<br />

Bei einer Föderation handelt es sich laut einschlägiger politikwissenschaftlicher<br />

Literatur um eine Staatsform mit einer<br />

klaren Differenzierung zwischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />

der Bundesregierung (federal government)<br />

und den Bundesstaaten (state government).<br />

“Federalism…<br />

…is the principle of sharing sovereignty between central<br />

and state (or provincial) governments; a federation is any<br />

political system that puts this idea into practice.”<br />

Nicht zu verwechseln ist diese Staatsform mit der fast<br />

gleichnamigen „Konföderation“, welche eine lockerere<br />

Verbindung aus weitgehend unabhängigen Staaten ist<br />

(z.B. Konföderation der Amerikanischen Südstaaten im<br />

Amerikanischen Bürgerkrieg). Konföderationen haben<br />

aufgrund des Verbleibs der zentralen Autorität bei den<br />

einzelnen Bundesstaaten häufi g eine sehr schwache<br />

Zentralregierung. So wurde z.B. die ehemalige GUS auch<br />

als „zahnloser Bär“ bezeichnet, da die einzelnen Mitgliedsstaaten<br />

in wesentlichen Fragen ihre Souveränität<br />

behielten.<br />

“Confederation…<br />

…is a looser link between participating countries which<br />

retain their separate statehood. In a confederation, the<br />

decisions of the central authority apply to the component<br />

44


Deutschland und USA<br />

states, rather than directly to the citizens, and unanimity<br />

may be a condition of collective action.”<br />

2.2 Eigenschaften föderaler Systeme<br />

Die entscheidende Eigenschaft föderaler Systeme ist<br />

die Teilung der rechtlichen Souveränität zwischen zwei<br />

Regierungsebenen. Föderale Systeme bestehen aus einer<br />

Zentral-/Bundesregierung und mehreren Provinz-/Bundesstaats-/Landesregierungen,<br />

die jeweils spezifi sche<br />

Funktionen und Aufgaben wahrnehmen. Die Aufgaben<br />

und Funktionen der beiden Ebenen sind bestenfalls bereits<br />

in der Verfassung defi niert. Jedoch ist das so festgelegte<br />

Kräfteverhältnis im Zeitverlauf nicht als statisch zu<br />

sehen, sondern variiert in Abhängigkeit von verschiedenen<br />

Faktoren (ein besonders wichtiger Einfl ussfaktor sind z.B.<br />

fi skalische Regulierungen, die über die Verteilung fi skalischer<br />

Einkünfte – und somit die Selbstbestimmung von<br />

Bundesstaaten bestimmen).<br />

45


Planungssystem<br />

2.3 Aufgabenteilung im Föderalismus<br />

Im Gegensatz zu Einheitsstaaten (z.B. Großbritannien,<br />

Spanien) ist eine wichtige Eigenschaft des Föderalismus,<br />

dass es viele Ebenen von „Governance“ (die Art wie regiert<br />

wird) gibt.<br />

Die Zentralregierung hat in föderalen Systemen vorwiegend<br />

die Aufgabe sich um die externen Beziehungen<br />

(Verteidigung, Außenpolitik, Immigration) einer Nation zu<br />

kümmern und sollte sich in einem „echten“ Föderalismus<br />

– mit Ausnahme weniger Bereiche (z.B. Währungspolitik)<br />

aus der Innenpolitik heraushalten und somit die Souveränität<br />

der Bundesstaaten respektieren.<br />

Provinz-/Bundesstaats-/Landesregierungen hingegen<br />

nehmen den Großteil der öffentlichen Funktionen und<br />

Politikfelder für sich in Anspruch. Die Funktionen und<br />

Aufgaben können nur durch eine Veränderung der Verfassung<br />

verändert werden und ebenfalls im Zeitverlauf. Sie<br />

beinhalten in den USA und BRD z.B. Bildung und Strafverfolgung.<br />

Die Macht von Bundesstaaten hängt in der Regel<br />

von Zugeständnissen der Zentralregierung ab.<br />

In der nationalen Politik werden Bundesstaaten in föderalen<br />

Systemen meist durch eine eigene Versammlung<br />

(z.B. Oberhaus, Senat, Bundesrat) neben der Bundesregierung<br />

(Kongress, Bundestag) vertreten.<br />

Das Idealbild des Föderalismus sieht vor, dass alle Bundesstaaten<br />

den gleichen Einfl uss, die gleichen Aufgaben<br />

oder Autonomie haben. Jedoch gibt es auch Formen<br />

in denen dies nicht der Fall ist. Diese werden dann als<br />

„Asymmetrischer Föderalismus“ bezeichnet. Ein Beispiel<br />

dafür ist Spanien, wo einige Bundesstaaten als „autonome<br />

Gebiete“ über mehr Selbstbestimmungsrechte verfügen<br />

als andere.<br />

Theoretisch kann man also in einem föderalen System<br />

auch erwarten, dass es auch nach dem zum Föderalismus<br />

logischerweise gehörenden Subsidiaritätsprinzip, eine<br />

Selbstbestimmung für Kommunen oder Kreise gibt. Man<br />

könnte ebenso erwarten, dass es innerhalb der einzelnen<br />

Bundesstaaten in den USA ähnlich zur BRD Stadtplanung<br />

im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung, sowie Formen<br />

der Regionalplanung gibt. Anhand der „Wirksamkeit“ der<br />

verschiedenen institutionalisierten Planungsformen ließe<br />

sich dann möglicherweise eine Bewertung oder Charakterisierung<br />

des US-Amerikanischen Föderalismus vornehmen.<br />

3. Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung<br />

und den Bundesstaaten<br />

Föderalismus generiert allgemein Konfl ikte zwischen den<br />

beiden Regierungsebenen. Es haben sich daher verschiedene<br />

Modelle des Föderalismus herausgebildet.<br />

Der klassische Föderalismus der USA wird auch als dualer<br />

Föderalismus bezeichnet. Es handelt sich dabei um ein<br />

Modell getrennter Regierungsapparate, bei dem über die<br />

Idee, dass es einen Vertrag zur Bildung einer Zentralregierung<br />

mit begrenzten Funktionen zwischen den Bundesstaaten<br />

gibt, die Föderation zusammengehalten wird.<br />

Der Schwerpunkt liegt dabei jedoch auf der Wahrung der<br />

Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten.<br />

Dual federalism…<br />

…originally envisaged in the USA meant that the national<br />

and state governments in a federation retained separate<br />

spheres of action. Each level independently performed the<br />

tasks allocated to it by the constitution. in reality, the main<br />

feature of contemporary federations is interdependence<br />

rather than independence of levels<br />

Der europäische Föderalismus wurde hingegen 1949 von<br />

den Alliierten eingeführt und baut auf regionalen Traditionen<br />

auf, da hier andersartige Regierungsformen vorher<br />

dominant gewesen sind. Im Gegensatz zum US-Amerikanischen<br />

Föderalismus liegt die Betonung auf gewachsenen,<br />

organischen Strukturen und Bindungen, und<br />

weniger auf Unabhängigkeit als auf Kooperation zwischen<br />

verschiedenen Regierungsebenen, als Ausdruck eines<br />

geteilten Einsatzes für eine vereinigte Gesellschaft. Dabei<br />

ist der Zentralregierung in der Regel die Führung vorbehalten,<br />

während sich lokale Regierungen um Implementierungsangelegenheiten<br />

kümmern. Der Schwerpunkt liegt<br />

in Europa auf der Interdependenz zwischen verschiedenen<br />

Regierungsebenen.<br />

“Cooperative federalism…<br />

…practised in Germany, is explicitly based on the principles<br />

of cooperation and interdependence between levels.<br />

National and state governments are expected to collaborate<br />

in pursuit of the interests of the whole, a philosophy at<br />

odds with the contractual foundations of dual federalism”<br />

Einen besonderen Fall des Föderalismus stellt in Europa<br />

die Europäische Union dar:<br />

Sie wird als ein Hybrid aus Einheitsregierung (unitary<br />

government) und Föderation gesehen. Sie hat födera-<br />

46


Deutschland und USA<br />

tiven Charakter, da sie über starke Institutionen wie,<br />

die mächtige Kommission, einen starken Gerichtshof<br />

und ein direkt gewähltes Parlament verfügt. Ebenso<br />

gibt es keine Möglichkeit aus der EU auszutreten und<br />

die Mitgliedsstaaten müssen die Entscheidungen der<br />

EU Institutionen implementieren. Allerdings müsste für<br />

eine echte Föderation die Kommission dem Parlament<br />

unterstehen und es fehlt eine Vertretung der Minister der<br />

Mitgliedsstaaten in einem eigenen Organ.<br />

“Unitary government…<br />

…sovereignty lies exclusively with the central government.<br />

Subnational authorities, whether regional or local, may<br />

make policy as well as implement it but they do so by the<br />

permission of the centre.”<br />

Lokale Regierungseinheiten<br />

Sowohl in föderalistischen, als auch Staaten mit Einheitsregierung<br />

gibt es Kommunen, Städte oder Kreise. Wesentlich<br />

für unsere Betrachtung des US-Amerikanischen<br />

Planungssystems ist jedoch der stark unterschiedliche<br />

Status, den diese Regierungseinheiten in den USA und<br />

Europa haben. In den USA gibt es ca. 80000 Städte und<br />

Kommunen, Schulbezirke, Kreise und Sonderbezirke<br />

(special districts), deren Selbstbestimmungsrechte jedoch<br />

stark variieren. Der Status von lokalen Regierungseinheiten<br />

ist in Europa aufgrund der gemeinsamen Entwicklung der<br />

europäischen Politiksysteme mehr oder weniger identisch.<br />

Die Sicht auf die Rolle der Kommunen und Städte in den<br />

USA wird vornehmlich als pragmatisch und nutzenorientiert<br />

beschrieben:<br />

So wurden wohl lokale Autoritäten vor allem zu dem<br />

Zweck mit „roads, rates and rubbish“ umzugehen gegründet.<br />

Die große Diversität von Organisationen, gewählter<br />

oder ernannter “special boards”, welche spezifi sche Aufgaben<br />

erfüllen sollen (z.B. Insektenbekämpfung, Lizenzvergabe,<br />

Häfen, Entwässerung) lässt sich dadurch erklären,<br />

dass diese Organisationen apolitisch sein und ihre Aufgaben<br />

unabhängig von Parteieinfl üssen machen sollten.<br />

„…there is no Democratic or Republican way to collect<br />

garbage…“<br />

In Europa haben lokale Regierungen einen höheren<br />

Status als in den USA. Sie repräsentieren meist historisch<br />

geformte Kommunen, welche schon vor der Entstehung<br />

nationaler Regierungen entstanden waren. Im Gegensatz<br />

zu den USA wird z.B. im Grundgesetz der BRD bereits<br />

das Selbstbestimmungsrecht (general competence) der<br />

Gemeinden festgesetzt, welches Gemeinden erlaubt, alles<br />

für ihre Entwicklung Notwendige in Eigenverantwortung<br />

innerhalb der Grenzen bestehender Gesetze zu regeln.<br />

“General competence…<br />

…is the authority of local governments to make regulations<br />

in any matter of concern to the area. These regulations<br />

must be consistent with national law. The power of<br />

general competence signals the status of local government<br />

within the political system; where local government<br />

can only perform those functions explicitly granted by the<br />

center, as in England, its status is weak.”<br />

Fiskalische Kontrolle der Zentralregierung<br />

über die Regierungen der Bundesstaaten<br />

Trotz der konstitutionellen Trennung von Zentralregierung<br />

und den Regierungen der Bundesstaaten, kann eine Zentralregierung<br />

erhebliche Kontrolle über erstere ausüben.<br />

Dies kann sie vor allem mit Mitteln der Fiskalpolitik und<br />

den Grad der Dezentralisierung von Regierungsfunktionen<br />

erreichen.<br />

Fiskalische Mittel werden in föderalen Systemen mit Hilfe<br />

verschiedener fi nanzieller Bewilligungen (grants) verteilt. Je<br />

nach Verfügbarkeit von fi nanziellen Ressourcen verändert<br />

sich der Spielraum der Selbstbestimmung lokaler Regierungen.<br />

Die Bewilligungen können wie folgt unterteilt<br />

werden:<br />

• Kategorielle Bewilligungen: für spezifi sche Projekte<br />

(z.B. für ein Krankenhaus)<br />

• Block-Bewilligungen: für bestimmte Programme<br />

(z.B. Gesundheitsversorgung)<br />

• Teilung von Einkünften: allgemeine Finanzierung,<br />

die nur wenig Verwendungseinschränkungen beinhaltet<br />

• Ausgleichszahlungen: werden in manchen<br />

Föderationen (z.B. BRD) verwendet um fi nanzielle Unterschiede<br />

zwischen Bundesstaaten auszugleichen<br />

4. Vergleich der Föderationen der<br />

USA und der BRD<br />

Die weltweit Bekannteste Föderation ist mit Abstand<br />

wahrscheinlich die der USA. In Europa ist die bevölkerungsstärkste<br />

und wichtigste Föderation die BRD.<br />

Obwohl beide Systeme Föderationen sind, wird anhand<br />

der in Tab. 1 dargestellten Daten zu den beiden Ländern<br />

deutlich, dass sich föderale Systeme stark voneinander<br />

unterscheiden können.<br />

47


Planungssystem<br />

Tabelle 1: Gegenüberstellung der föderalen Systeme der<br />

USA und BRD (Daten aus HARGUE, 2001 und WWW.<br />

SPIEGEL.DE/JAHRBUCH, 2005)<br />

5. Die Verfassung von Illinois<br />

Da sich Planungen des öffentlichen Sektors in der<br />

einen oder anderen Weise auf eine gesetzliche Grundlage<br />

berufen müssen, wurde die Verfassung des Bundesstaates<br />

Illinois (www.ilga.gov/commission/lrb/conmain.<br />

htm, 2005) auf planungsbezogene Inhalte überprüft. Die<br />

Analyse ergab, dass in der Verfassung keine spezifi schen<br />

Planungsaufgaben gegeben werden.<br />

In der Präambel der Verfassung des Bundesstaates verschiedene<br />

Aufgaben für die Regierung des Bundesstaates<br />

gegeben, welche durchaus mit planerischen Aktivitäten<br />

zu tun haben. Zunächst bedeutet das, dass die Unabhängigkeit<br />

der Regierung des Bundesstaates von Illinois von<br />

der Bundesregierung unabhängig ist und einen eigenen<br />

Macht- und Gestaltungsraum besitzt.<br />

Aussagen der Präambel:<br />

• provide for the health, safety and welfare of the<br />

people<br />

• maintain a representative and orderly<br />

government<br />

• eliminate poverty and inequality<br />

• assure legal, social and economic justice<br />

• provide opportunity for the fullest development of<br />

the individual<br />

• insure domestic tranquillity<br />

• provide for the common defense<br />

In Artikel II, Sektion 1 „THE POWERS OF THE STATE“<br />

werden dann die Aufgaben und Mächte des Bundesstaates<br />

aufgeführt. Diese schreiben nach föderalem<br />

Modell die Trennung von Legislative, Exekutive und<br />

Judikative vor. In Sektion 2 „POWERS OF GOVERNMENT“<br />

folgt das Statement, dass die Macht der Regierung nicht<br />

durch die Verfassung begrenzt wird.<br />

Für räumliche Planung von Bedeutung wird erstmals Artikel<br />

IV “THE LEGISLATURE”, wo in Sektion 3 “Legislative<br />

Redistricting” Regeln für die Schaffung von legislativen und<br />

repräsentativen districts festgelegt sind, wonach beide<br />

kompakt, zusammenhängend und von gleicher Bevölkerungszahl<br />

sein sollen.<br />

In Sektion 8 – 13 wird der Erlass neuer Gesetze beschrieben,<br />

welche entweder durch beide Häuser des „General<br />

Assembly“ erlassen oder novelliert werden dürfen. Grundsätzlich<br />

gilt dabei, dass keine Sondergesetze oder lokalen<br />

Gesetze erlassen werden dürfen, wo allgemeine Gesetze<br />

angewendet werden können.<br />

Artikel V behandelt die Exekutive. Von Bedeutung ist dabei<br />

für Planungsinstitutionen Sektion 11, in welcher die Macht<br />

des Gouverneurs beschrieben wird. Demnach kann dieser<br />

Behörden durch Verfügung reorganisieren oder Funktionen<br />

neu verteilen, welche ihm direkt zugeordnet sind. In Sektion<br />

17 und 18 werden noch die weiteren Aufgaben des<br />

Revisionsbeamten und des Schatzmeisters beschrieben.<br />

Erinnern wir uns kurz an die fi skalischen Planungsinstrumente,<br />

durch welche mit Hilfe von verschiedenen „grants“<br />

oder Subventionen Budgets lokaler Regierungen bestimmt<br />

werden und somit deren Planungsspielraum eingeschränkt<br />

oder erweitert wird. Das bedeutet, dass mit Hilfe von<br />

Artikel V eine weitere Möglichkeit für die Regierung des<br />

Bundesstaates geschaffen wird, den Planungsspielraum<br />

von lokalen Regierungseinheiten durch Reorganisation<br />

behördlicher Strukturen zu beschränken oder zu erweitern.<br />

Artikel VI, Sektion 2 führt eine weitere Einteilung des Bundesstaates<br />

Illinois ein: die „Judical Districts“. Von diesen<br />

existieren 5 + 4 (Cook County) für die Wahl der Richter des<br />

Obersten- und Berufungsgerichtshofes.<br />

Für die Stadtplanung am wichtigsten ist Artikel VII der<br />

Verfassung von Illinois. Hier wird die Rolle der „Local Governments“<br />

defi niert. Zunächst von Bedeutung ist dabei die<br />

Frage, was sind „municipalities“ und „units of local government“.<br />

Diese werden in Sektion 1 beschrieben:<br />

· „Municipalities“ sind Städte, Dörfer und einge<br />

meindete Ortschaften<br />

· „Units of Local Government“ umfasst Landkreise,<br />

Stadtgemeinden, Gemeinden, Spezialbezirke (special districts)<br />

und Einheiten, welche per Gesetz als Einheiten von<br />

lokalen Regierungen ausgewiesen sind, welche begrenzte<br />

staatliche Gewalt oder Gewalt mit Bezug auf begrenzte<br />

Regierungsthemen ausüben, außer Schuldistrikte.<br />

In Sektion 2 „COUNTY TERRITORY, BOUNDARIES AND<br />

SEATS“ wird die Neuformierung, Konsolidierung, Zusammenlegung,<br />

Teilung und Aufl ösung von Landkreisen durch<br />

das „General Assembly“ beschrieben. Dies kann nur durch<br />

Referendum geschehen.<br />

County Boards (Sektion 3) (Landkreisräte) sollen in allen<br />

Landkreisen gewählt werden. In Cook County wird der<br />

48


Deutschland und USA<br />

Landkreisrat durch Chicago und einen Teil außerhalb Chicagos<br />

gewählt. In Sektion 4 wird wiederum beschrieben,<br />

welche Aufgaben ein Landkreis selbst übernehmen kann.<br />

Dazu gehören die Wahl eines Sheriffs, Landkreissekretärs<br />

(county clerk) und Schatzmeister, sowie Untersuchungsrichter,<br />

Schreiber, Assessor und andere Beamte, welche<br />

vom Gesetz vorgesehen sind.<br />

Relevanter sind jedoch die Regeln für die Entstehung von<br />

„Townships“ (Sektion 5) und „POWERS OF HOME RULE<br />

UNITS“ (Sektion 6). Townships werden in den Landkreisen<br />

durch Referendum gegründet, können konsolidiert<br />

oder vereinigt, aufgelöst oder geteilt werden. Home Rule<br />

Units (HRU) sind solche Stadtgemeinden, welche > 25000<br />

Einwohner haben. Diese können jede Macht ausüben und<br />

jede Funktion, welche ihre Regierung und tägliche Arbeiten<br />

betreffen. Dazu gehören die Macht zur Regulierung und<br />

dem Schutz der öffentlichen Gesundheit (public health),<br />

Sicherheit, Moral und Wohlfahrt, die Vergabe von Lizenzen,<br />

die Erhebung von Steuern und Schulden zu machen.<br />

Weiter darf eine HRU ihre eigene lokale Regierung und<br />

Verwaltung bilden und dazu eigene Beamte auszuwählen.<br />

Grenzen sind bei der Festlegung und Bestrafung von<br />

Straftaten gesetzt. Die Verschuldungsgrenze von HRU<br />

wird vom General Assembly aufgrund der Grundsteuer<br />

bestimmt. Das Generel Assembly darf die Macht der HRU<br />

nicht einschränken. Die Mächte und Funktionen von HRU<br />

sollen liberal ausgelegt werden.<br />

In Sektion 7 werden „COUTIES AND MUNICIPALITIES<br />

OTHER THAN HRU“ beschrieben. Diese haben nur solche<br />

Rechte, die per Gesetz vorgeschrieben worden sind.<br />

Sowohl HRU und nicht HRU’s dürfen mit anderen Counties<br />

kooperieren.<br />

Neben diesen Einheiten gibt es noch „School Districts“<br />

und „Units of Local Government other than Counties and<br />

Municipalities“, deren Typen und Aufgaben in Sektion 8<br />

aufgeführt sind: In diese Kategorie fallen Stadt Gemeinden,<br />

Schuldistrikte, Spezialdistrikte und andere, welche jedoch<br />

keine langfristigen Schulden machen dürfen.<br />

Kooperation und Verträge zwischen einzelnen Einheiten<br />

lokaler Regierungen, sowie Schuldistrikts, zum Bundesstaat,<br />

zu anderen Bundesstaaten und zur Bundesregierung<br />

dürfen initiiert werden (Sektion 10 „INTERGOV-<br />

ERNMENTAL COOPERATION“). Dabei kann es sich um<br />

den Transfer, die Ausübung oder Kombination von Funktionen<br />

handeln, sofern nicht per Gesetz verboten. Ebenfalls<br />

können auch Verträge und Bindungen mit Individuen,<br />

Vereinigungen und Firmen eingegangen werden. Über ihre<br />

Finanzen dürfen die beteiligten Regierungseinheiten selbst<br />

entscheiden.<br />

Artikel VIII behandelt das Thema Finanzen. Dabei wird<br />

interessanterweise in Sektion 2 „STATE FINANCE“ erwähnt,<br />

dass das jährliche Budget für alle Bereiche, außer<br />

für „units of local government or school districts“ von der<br />

Regierung aufgestellt werden soll. Dies bedeutet, dass für<br />

lokale Regierungen und Schuldistrikte entsprechend föderalistischer<br />

Prinzipien auch in Illinois ein relativ hoher Grad<br />

an Planungsfreiheit besteht. Der wahre Planungsfreiraum<br />

hängt dann jedoch wiederum davon ab, wie viele Hürden<br />

bei der Beschaffung von fi nanziellen Mitteln zu überwinden<br />

sind.<br />

Die Selbstbestimmung der lokalen Regierungen kann<br />

jedoch in Sektion 4 „SYSTEMS OF ACCOUNTING,<br />

AUDITING AND REPORTING” durch die Vorgabe der Art,<br />

wie das Buchhaltungssystem auszusehen hat und welche<br />

Reports wann einzureichen sind, eingeschränkt sein.<br />

Staatseinnahmen durch Besteuerung und Abgaben können<br />

nur durch das General Assembly festgesetzt werden,<br />

sofern es nicht anders in der Verfassung genannt wurde.<br />

Die Macht zur Besteuerung kann nicht anderweitig vergeben<br />

werden (Artikel IX – REVENUE, Sektion 1).<br />

Für die Stadtplanung von Relevanz sind wiederum die Grundsteuern.<br />

Diese werden in den Sektionen 4-6 beschrieben.<br />

Grundsteuern sind in Illinois allgemein gleich hoch,<br />

wobei das „General Assembly“ privates Grundeigentum<br />

klassifi zieren kann und Staatseigentum, sowie religiöse<br />

oder landwirtschaftliche Flächen ausgenommen werden<br />

können.<br />

In Artikel X wird das Politikfeld Bildung angesprochen und<br />

die Gründung eines Bildungsrates mit einem ernannten<br />

Chief State Educational Offi cer festgesetzt. Weitere Gesetzt<br />

regeln diesen Bereich.<br />

Abschließend wird in Artikel XI „ENVIRONMENT“, Sektion<br />

1 der Schutz einer gesunden Umwelt festgesetzt, und<br />

dass Umweltpolitik in diesem Sinne vom “General Assembly”<br />

umgesetzt werden muß.<br />

6. Die Planungslandschaft in Illinois<br />

Eine Betrachtung der „Planungslandschaft“ des Bundesstaates<br />

Illinois lässt eher einen systematischen Bezug<br />

zum föderalen System erkennen, als zur Verfassung.<br />

Anhand der nun folgenden Aufl istung von Agencies,<br />

Departments und Associations (WWW.ILAPA.ORG, 2005)<br />

49


Planungssystem<br />

lassen sich die Trennungen von Kompetenzen zwischen<br />

den beiden Ebenen im Föderalismus erkennen. Neben<br />

den aufgelisteten Organisationen gibt es auch noch eine<br />

Vielzahl privater Planungs-, Architektur- und Ingenieurbüros,<br />

Bürgerinitiativen und NGOs, die jedoch an dieser<br />

Stelle nicht alle erwähnt werden können.<br />

Zentralregierungseinrichtungen<br />

• US Congress - House of Representatives<br />

• US Congress – Senate<br />

• US Environmental Protection Agency<br />

• US Bureau of Land Management<br />

• US Census Bureau<br />

• Empowerment Zones and Enterprise<br />

Communities<br />

• Federal Emergency Management Agency<br />

• US Economic Development Administration<br />

• US Department of Transportation<br />

• National Center for Geographic<br />

Information & Analysis<br />

• National Geodetic Survey<br />

• Committee for Economic Development<br />

• American Economic Development Council<br />

• Federal (National APA website)<br />

Bundesstaatliche Einrichtungen<br />

• Illinois Enviromental Protection Agency<br />

• Illinois Housing and Development Authority<br />

• Illinois Historic Preservation Agency<br />

• Illinois Department of Commerce and<br />

Community Affairs<br />

• Illinois Department of Natural<br />

Resources Legislation<br />

• State of Illinois General Assembly<br />

Transportation<br />

• Illinois Department of Transportation<br />

Geographic Information Systems (GIS)<br />

• Illinois GIS Association (ILGISA)<br />

• Illinois Natural Resources Geospatial<br />

Data Clearinghouse Economic Development<br />

• Illinois Tax Increment Association<br />

• Council for Urban Economic Development<br />

• International Economic Development Council<br />

Continuing Education<br />

• University of Illinois at Urbana-Champaign<br />

Department of Urban and Regional Planning<br />

Allgemein mit Planung befasste Einrichtungen<br />

• American Planning Association (APA)<br />

• American Institute of Certifi ed Planners<br />

• Center for Advanced Public Safety Research<br />

• Community Development Society<br />

• Cyburbia - Urban Planning Portal<br />

• Housing and Urban Development (HUD)<br />

• Kids and Community (planning fun for kids)<br />

• Land Use Planning Information Network<br />

• Planner Commissioner’s Journal<br />

• Planning Newsgroup<br />

• Planetizen<br />

• Smart Growth Network<br />

• State and Local Government on the Net<br />

• The Urban Institute<br />

• The Urban Land Institute<br />

• National League of Cities<br />

• National Association of Counties<br />

7. Fazit: Stadtplanung USA vs.<br />

Stadtplanung BRD<br />

Um die Analyse des US-Planungssystems abzurunden<br />

sollte eigentlich eine Betrachtung der Planungsgesetzgebung<br />

nicht fehlen. Dieser eigentlich für das Verständnis<br />

des US-Planungssystems sehr wichtige Teil konnte jedoch<br />

leider auch nach der Exkursion nicht behandelt werden,<br />

da sich weder während der Exkursion, noch mittels Fernleihen<br />

adäquate Literatur beschaffen ließ. Dennoch sollten<br />

die während der Suche angestellten Beobachtungen<br />

festgehalten werden:<br />

1) Sammlungen von Gesetzestexten zur Stadtplanung<br />

waren weder in Spezial- noch in <strong>Universität</strong>sbuchhandlungen<br />

zu fi nden.<br />

2) Sammlungen von Gesetzestexten zur Stadtplanung<br />

sind scheinbar nur über die APA (American Planning Association)<br />

erhältlich.<br />

3) Sammlungen von Gesetzestexten zur Stadtplanung<br />

sind im Gegensatz zur BRD sehr teuer.<br />

4) In Büchern, die von Lehrenden für Vorlesungen im<br />

Stadtplanungsstudium verwendet werden, gibt es fast<br />

keine Verweise auf Gesetze.<br />

5) In den Lehrplänen lassen sich keine gesonderten Vorlesungen/Seminare<br />

zum Planungsrecht fi nden.<br />

Am Fehlen dieser Literatur liegt es wohl auch, dass es<br />

manchmal schwierig ist während der Exkursion angestellten<br />

Beobachtungen so zu beurteilen, dass daraus<br />

Schlüsse auf die Qualitäten der unterschiedlichen Planungssysteme<br />

möglich werden.<br />

Es ließ sich feststellen, dass aus der Verfassung des<br />

Bundesstaates Illinois mit Ausnahme der „provide for…“-<br />

Aufträge in der Präambel keine expliziten Hinweise für die<br />

Handhabe von Planung ersehen lassen. Allerdings wird<br />

anhand der Verfassung deutlich, dass es eine Vielzahl von<br />

50


Deutschland und USA<br />

Stellschrauben innerhalb des Föderalismus bieten um Einfl<br />

uss auf lokale Stadtplanung auszuüben, und dass diese<br />

Faktoren letztendlich bei einer Beurteilung der Leistungen<br />

lokaler Planung mit einbezogen werden müssen.<br />

Dennoch lässt sich vermuten, dass „die“ institutionalisierte<br />

Stadtplanung in Deutschland aufgrund des in der Verfassung<br />

verankerten Selbstverwaltungsrechts der Kommunen<br />

einen besseren Stand hat, als in den USA.<br />

Quellen<br />

HAGUE, R., M. HARROP: “Comparative Government and<br />

Politics: An Introduction”, 5th Edition, Palgrave, 2001<br />

Hoch, C. J.: „The Practice of Local Government Planning<br />

(/The Greenbook)“, Municipal Management Series, 2000<br />

Internet<br />

WWW.ILGA.GOV/COMMISSION/LRB/CONMAIN.HTM:<br />

„Constitution of the State of Illinois“, August 2005<br />

WWW.ILAPA.ORG, August 2005<br />

WWW.SPIEGEL.DE/JAHRBUCH, August 2005<br />

51


Planungssystem<br />

Stadtplanung & Planerausbildung in den USA<br />

Ein Gespräch im Great Cities Institute Chicago Matthias Hoffmann<br />

Am Donnerstag, den 20. Oktober 2005 (14:00 h OT) fand im Rahmen der Stadtplanungsexkursion „TUHH Chicago 2005“<br />

ein Besuch der University of Illinois at Chicago (UIC) im Great Cities Institute statt. Zu dem Termin geladen hatte Prof.<br />

Curtis Winkle, der Direktor des College for Urban Planning & Public Administration (CUPPA) Programms der <strong>Universität</strong>.<br />

Im Rahmen des Gesprächs sollten Fragen zum Aufbau von Stadtplanungsinstitutionen, dem US/Illinois Planungsrecht und<br />

zur Stadtplanerausbildung erörtert werden.<br />

Der Termin mit dem Leiter des CUPPA, Prof. Curtis Winkle,<br />

sowie der Leiterin des Verkehrsplanungsprogramms Prof.<br />

Vonu Thakuriah gliederte sich in drei Teile: 1) Vorstellung<br />

der UIC, des CUPPA und Planerausbildung, 2) Vorstellung<br />

des Planungssystems und Planergehälter, und 3) anschließende<br />

Diskussion. Während des Gesprächs konnten<br />

leider die Aspekte des Planungsrechts nicht behandelt<br />

werden.<br />

Die University of Illinois at Chicago – College<br />

of Urban Planning & Public Affairs<br />

Als eine der drei großen <strong>Universität</strong>en in Chicago ist die<br />

University of Illinois at Chicago als einzige staatlich und<br />

konzentriert sich mit ihren Forschungsschwerpunkten<br />

- im Gegensatz zu den beiden anderen – vornehmlich auf<br />

Probleme der Metropolregion Chicago. Die Studien- und<br />

Forschungsschwerpunkte sollen vornehmlich den Bedürfnissen<br />

der städtischen Umgebung dienen. So kann man<br />

an ihr sowohl am Tag, als auch am Abend studieren, was<br />

der arbeitenden Bevölkerung zugute kommt.<br />

Das Great Cities Institute<br />

Um Forschern immer wieder „Realitätsbezug“ zu geben,<br />

wurde das Great Cities Institute gegründet, an welchem<br />

jeweils für die Dauer eines Jahres Forscher aus verschiedensten<br />

Disziplinen mit Bezug auf Städte arbeiten.<br />

Daneben werden hier immer wieder neue Initiativen der<br />

interdisziplinären urbanen Forschung gegründet und unterstützt.Quelle:<br />

http://www.uic.edu/cuppa/gci/<br />

Planerausbildung<br />

Eine andere bemerkenswerte Trennung ist die Aufteilung<br />

zwischen „Urban Planning“ und „Public Policy“ orientierten<br />

Ausbildungen in den USA. Anhand der verschiedenen<br />

Curricula ergibt sich der Eindruck, dass sich „Urban<br />

Planning“ eher auf Stadtentwicklung, losgelöst von der<br />

öffentlichen Verwaltungstätigkeit und anderen Politikfeldern<br />

konzentriert. Hingegen liegt der Schwerpunkt bei „Public<br />

Policy/Administration“ auf dem Management von Aufgaben<br />

wie z.B. in Sozialbehörden, Sicherheitseinrichtungen,<br />

Krankenhäusern und vielen anderen Organisationen des<br />

öffentlichen Sektors.<br />

Das Stadtplanungsstudium ist in den USA anders strukturiert<br />

als in Deutschland. Die Gründe lassen sich in der<br />

unterschiedlichen Entwicklung der Stadtplanungsprofession<br />

fi nden. So entwickelte sich die Stadtplanung in<br />

Deutschland aus der Architektur heraus. Im Gegensatz<br />

dazu fand die Entwicklung der Stadtplanung in den USA<br />

ihren Ursprung in den sog. Social Sciences. Dazu gehören<br />

Politikwissenschaften, Volkswirtschaft und die Sozialwissenschaften.<br />

In der Planerausbildung wird häufi g aufgrund<br />

herrschender Trends in Ökonomie, Politikwissenschaften,<br />

Statistik und anderen Disziplinen eine stärker quantitative<br />

Herangehensweise – häufi g mit starkem GIS-Einsatz<br />

– vermittelt.<br />

Innerhalb der beiden Grundrichtungen Public Administration<br />

und Urban Planning wird Studenten die Möglichkeit<br />

geboten sich über fortgeschrittene Kurse zu spezialisieren.<br />

Im Bereich Stadtplanung werden dabei fünf verschiedene<br />

Schwerpunkte angeboten. Die verschiedenen<br />

Vertiefungsmöglichkeiten sind in Tab. ??? dargestellt.<br />

Der Weg in die Stadtplanerausbildung erscheint am<br />

CUPPA (sowie anderen US-<strong>Universität</strong>en auch) fl exibler als<br />

an deutschen <strong>Universität</strong>en zu sein. So wird für die Graduate<br />

Programs ein breiteres Spektrum an Vorqualifi kationen<br />

anerkannt und somit die Diversität von gesammelten Erfahrungen<br />

in den Studiengängen aufgrund verschiedener<br />

Hintergründe erhöht.<br />

Vorstellung des Planungssystems und Planergehälter:<br />

Planungssystem<br />

Es wurde zunächst ein kurzer Überblick über den Föderalismus<br />

der USA gegeben und auf die Verteilung von Kompetenzen<br />

zwischen Bundesregierung, den Regierungen der<br />

einzelnen Bundesstaaten, sowie der Städte eingegangen.<br />

Anhand des Beispiels von Chicago wurde die aus dem<br />

Termin beim NIPC bekannte Trennung von verschiedenen<br />

Planungsbereichen (Verkehrsplanung, Stadtplanung u.a.)<br />

noch einmal aufgegriffen und auf die kommende administrative<br />

Fusion der Regionalplanung mit der Verkehrsplanung<br />

im Jahr 2006 hingewiesen. Diese waren bisher<br />

getrennt und sollten auch in der Praxis – wie bereits am<br />

CUPPA vorgemacht – in Zukunft näher miteinander zusammenarbeiten.<br />

52


Stadtplanung und Planerausbildung in den USA<br />

Quelle: http://www.uic.edu/cuppa/<br />

53


Planungssystem<br />

Planergehälter<br />

Ähnlich wie in der BRD gibt es auf das Staatsgebiet der<br />

USA verteilt regionale Variationen in der Höhe der Planergehälter.<br />

Im Distrikt von Columbia und Kalifornien verdienen<br />

50% der Planer mehr als US$ 75.000 pro Jahr (Brutto)<br />

und liegen damit an der Spitze in den USA, während am<br />

unteren Ende der Gehälter die Bundesstaaten Wisconsin<br />

und Oregon mit durchschnittlich US$ 58.000 liegen. Der<br />

Bundesstaat mit den meisten Planern ist Kalifornien (1290)<br />

und mit den wenigsten ist Alaska (26).<br />

Die durchschnittlich höchsten Gehälter werden sowohl bei<br />

Institutionen der Bundesregierung, als auch in der Wirtschaftsförderung<br />

gezahlt. Das Einkommen bei Betätigungen<br />

auf städtischer Ebene lohnt sich in den meisten Fällen<br />

gegenüber Beschäftigungen auf Bezirks oder Bundesstaatsebene<br />

aufgrund leicht höherer Bezahlung noch, während<br />

die Gehälter in den intermediären Institutionen der<br />

Regional- bzw. Raumplanung am niedrigsten liegen.<br />

Unterschiede in der Entlohnung scheinen sich auch in<br />

Abhängigkeit von der Mitgliedschaft in der AICP – dem<br />

American Institute of Certifi ed Planners – zu ergeben.<br />

So verdienen zertifi zierte Planer im Durchschnitt ca. US$<br />

12.000 mehr pro Jahr als Planer ohne Mitgliedschaft.<br />

Die Zertifi zierung der AICP wird nach mindestens zweijähriger<br />

Berufstätigkeit durch kontinuierliche Fortbildungen<br />

und bei der AICP abgelegte Prüfungen erlangt. Sie muß im<br />

Abstand weniger Jahre immer wieder erneuert werden.<br />

Quelle: http://www.planning.org/salary/summary.htm<br />

54


Stadtplanung und Planerausbildung in den USA<br />

Personalien<br />

Curtis Winkle PH.D<br />

Prof. Curtis Winkle ist Direktor des Urban Planning Programms<br />

am CUPPA. Er studierte einen B.Sc. in Urban<br />

Studies und später einen M.C.R.P.. Über seinen PH.D<br />

spezialisierte er sich auf informelle Gesundheitsplanung<br />

im tertiären Sektor und forscht auch heute noch über HIV,<br />

Gesundheitsplanung und andere Public Health bezogene<br />

Themen.<br />

Vonu Piyushimita Thakuriah PH.D<br />

Prof. Thakuriah ist Direktorin der Forschungsprogramme<br />

im Urban Transport Center, sowie Assistant Professor<br />

im Stadtplanungs- und Policy Programm im CUPPA. Sie<br />

studierte in Indien eine B.Sc. in Psychologie und Statistik,<br />

und vertiefte Statistik, intelligente Transportsysteme und<br />

Verkehrsnachfragemodellierung über ihren M.Sc., PH.D<br />

und Postdoc Positionen. Seit 1997 orientiert sich ihre<br />

Forschung vermehrt in Richtung Verkehrspolitik und Wohlfahrtsaspekte<br />

der Verkehrsplanung für Sozialhilfeempfänger.<br />

In der Lehre ist sie für Statistik, Verkehrspolitik und<br />

Transportmodellierung zuständig.<br />

Curtis Piyushimita<br />

Quelle: http://www.uic.edu/cuppa/<br />

Quellen:<br />

College of Urban Planning and Public Affairs: http://www.uic.<br />

edu/cuppa/<br />

Great Cities Institute: http://www.uic.edu/cuppa/gci/index.htm<br />

American Institute of Certifi ed Planners: http://www.planning.<br />

org/salary/summary.htm<br />

55


Strategien und Konzepte<br />

U.S. Department of Housing and Urban Development und HOPE VI<br />

Christine Holewa<br />

Am Montag, den 17. Oktober 2005, nahm die gesamte Exkursionsgruppe ein im Vorfeld organisiertes<br />

Treffen mit Mitarbeitern des U.S. Department of Housing and Urban Development<br />

(HUD) wahr. Nachdem die Gesprächspartner sich und ihre Aufgabenbereiche vorgestellt<br />

hatten, konnten sich die Studenten ebenfalls vorstellen sowie kurz auf ihre jeweiligen Interessensschwerpunkte<br />

eingehen. Da bereits durch vorherigen E-mailkontakt geklärt wurde,<br />

dass die Studenten vor allem etwas zum Thema HOPE VI erfahren wollten, wurde zunächst<br />

für jeden eine Mappe ausgehändigt, die umfangreiche Informationen über dieses Programm<br />

enthielt. Darüber hinaus konnte von Seiten der Gruppe nun geäußert werden, welche Fragen<br />

sie bei diesem Termin gerne beantwortet haben möchten.<br />

Hintergrund zur Entstehung von HOPE VI<br />

Die Leitgedanken des Programms wurden 1992 in einem<br />

Bericht der Cleveland Stiftungskommission zur Armut<br />

entwickelt. Es wurde festgestellt, dass etwa 86.000 Wohneinheiten<br />

(ca. 7 % des gesamten, öffentlich geförderten<br />

Wohnungsbaus) in einem erschütterlichen Zustand waren.<br />

Der Kommissionsbericht enthält dementsprechend einen<br />

Entwurf zum Austausch bruchstückhafter, fi nanziell defi<br />

zitärer und von oben nach unten wirkender Programme<br />

gegen inhaltsreiche, gewinnbringende und durch einzelne<br />

Behörden des öffentlichen Wohnens, Einwohnern sowie<br />

ihrer Nachbarschaften geleiteten Ansätzen. Daraus entstand<br />

eine Art Agenda zum Bauen von Gemeinden/Nachbarschaften<br />

mit drei die Revitalisierung dieser Gebiete<br />

einteilenden, allgemeinen Bereiche: bauliche Verbesserung,<br />

Verbesserung des Managements und Einrichtung<br />

von sozialen und gemeinschaftlichen Dienstleistungen, die<br />

sich an die Bedürfnisse der Einwohner richten. Der Bericht<br />

nahm so in Hinsicht auf die Grundlagen des HOPE VI<br />

Programms starken Einfl uss.<br />

Das HOPE VI Programm<br />

Das Programm spielt bezüglich der Bemühungen der<br />

Behörden, öffentlich gefördertes Wohnen umzugestalten,<br />

eine große Rolle. Es beinhaltet mehrere Leitziele, die zu<br />

einer vollständigen Umgestaltung der am meisten besorgniserregenden,<br />

öffentlich geförderten Wohnquartiere<br />

der USA gehören. Diese Gegenden wurden sowohl in<br />

ihrer Gebäudestruktur als auch in ihrer Sozialstruktur<br />

durch außerordentlich stark konzentrierte Armut und<br />

Jahre des Investitionsabbaus zerstört. Die verschiedenen<br />

Ansätze des Programms sollen den Bewohnern mehre<br />

Möglichkeiten geben, aus ihrer Armut zu entkommen.<br />

Hierzu muss zunächst die Isolation öffentlich geförderter<br />

Wohnungen bzw. deren Nutzer reduziert werden, die sie<br />

von strukturellen Möglichkeiten einer größeren Gemeinde<br />

trennt. Das heißt, mit Hilfe von HOPE VI soll in den vernachlässigten<br />

Gebieten eine Gemeinschaft entstehen, die ein<br />

Familienleben, Kinder und die Hoffnung derer unterstützt,<br />

die zuvor auf Grund von Marginalisierung und Trennung<br />

zu allgemeinen Chancen des Lebens benachteiligt waren.<br />

Zunächst meint dies sehr oft, Hilfestellung bezüglich Altlasten<br />

des Aufwachsens in Armut und Hoffnungslosigkeit wie<br />

z.B.: gesundheitliche oder familiäre Probleme, mangelnde<br />

Bildung, negative Gewohnheiten.<br />

Leitziele und Prinzipien des HOPE VI Programms<br />

- Änderung der baulichen Struktur des öffentlich<br />

geförderten Wohnens<br />

- Schaffung positiver Anreize zur Unabhängigkeit<br />

bzw. Selbstversorgung der Bewohner und Bereitstellung<br />

inhaltsreicher, sinnvoller Dienstleistung zur Vermittlung<br />

bzw. Schulung von Fähigkeiten (z. B.: Trainingsangebote<br />

zum Erlernen von Schreiben und Lesen, vom Umgang mit<br />

Drogen, Unterstützung der Bewohner bei Vorbereitungen<br />

für neue Arbeitsplätze, Einrichtung von Kindertagesstätten,<br />

etc.)<br />

- Miteinbeziehung von Bewohnern z.B.: in das Entwickeln<br />

von Zielen und Strategien, da dies für einen lang<br />

anhaltenden Erfolg des Projekts eine Grundlage bildet<br />

- Verminderung der Konzentration der Armut, indem<br />

öffentlich geförderter Wohnungsbau in gut bis besser<br />

situierten Nachbarschaften errichtet wird und Gemeinden<br />

mit gemischten Einkommensverhältnissen gefördert werden<br />

- Schaffung von Partnerschaften mit anderen Behörden,<br />

der lokalen Regierung, „nonprofi t“ Organisationen<br />

und privaten Unternehmen, um Ressourcen und Unterstützung<br />

anzukurbeln<br />

- Beachtung der Vorzüge einer Gemeinde, sowohl<br />

strukturell, bauliche als auch geistig, menschliche Ressourcen<br />

Teilnehmer<br />

Grundsätzlich ist jede Behörde, die Besorgnis erregende<br />

Wohneinheiten in ihrem öffentlich geförderten Bestand<br />

verzeichnet, an der Teilnahme berechtigt. Ausgeschlossen<br />

sind jedoch Behörden, die für den Indianische Wohnungs-<br />

56


Hope VI<br />

bau zuständig sind und Behörden, die öffentlich geförderte<br />

Wohnungen nur verwalten. Des Weiteren sind ebenfalls<br />

einzelne Privatpersonen als Bewerber ungeeignet.<br />

Personen, die vom HOPE VI Programm profi tieren<br />

Das Programm begünstigt derzeitige Einwohner von<br />

öffentlich gefördertem Wohnungsbau, insbesondere<br />

Bewohner von revitalisierten Vierteln und Nachbarschaftsgebiete<br />

der umgestalteten Grundstücke.<br />

gegen ärmere Schichten eine große Bedeutung, die es<br />

eventuell vor einer Umsiedlung im Zuge der Bürgerbeteiligung<br />

gilt, zumindest teilweise zu überwinden.<br />

Gegen diese kritischen Anmerkungen und einige Misserfolge<br />

sprechen allerdings viele Erfolge des HOPE VI.<br />

So wurde das Programm erfolgreich in Seattle, Columbus,<br />

Atlanta, Oakland, Milwaukee, Baltimore und EL Paso<br />

durchgeführt.<br />

Kritische Anmerkung<br />

Das HOPE VI Programm nimmt eine erhebliche Bedeutung<br />

im heutigen, öffentlich geförderten Wohnungsbau der<br />

USA ein. So bestehen landesweit extreme Bemühungen,<br />

jahrelang vernachlässigte Wohnsiedlungen, die in den Aufgabenbereich<br />

der verschiedenen Behörden für Wohnungswesen<br />

fallen, zu revitalisieren. Jedoch ist zu bemerken,<br />

dass das Programm nicht den einen idealen Lösungsweg<br />

bietet. Vielmehr gibt es verschiedene Möglichkeiten, das<br />

Programm anzuwenden und jede Gemeinde muss selbst<br />

entscheiden, wieviel Hilfe bzw. Unterstützung und wieviel<br />

Strenge eine Revitalisierung von Wohnvierteln erfordert. So<br />

unterscheiden sich die jeweiligen Nachbarschaften in ihren<br />

Charakteren, Ressourcen, natürlich gegebenen Vorteilen,<br />

Traditionen, potentiellen Partnern der Kommune und im<br />

Stil ihrer Führung.<br />

Des Weiteren ist bedenklich, ob jeder Nutzer der umzugestaltenden<br />

Wohneinheiten an den Erfolg der Revitalisierung<br />

glaubt bzw. sich von dieser Überzeugen lässt. Nicht<br />

jeder Anwohner wird sich ohne Gegenwehr und Protest<br />

umsiedeln lassen, da es für die Bewohner der vernachlässigten<br />

Wohngebiete sicherlich auch ein hoher Risikofaktor<br />

ist, ihren alten Wohnsitz zu verlassen. Denn auch in<br />

Armutsvierteln gibt es bestimmte zwischenmenschliche<br />

Netzwerke und Beziehungen, die im Falle einer Umsiedlung<br />

wegfallen. Andererseits wird es für die Bewohner<br />

auch Überwindung kosten in eine Nachbarschaft zu<br />

ziehen, in der ebenfalls gut bis besser verdienende Familien<br />

wohnen. Hier herrschen beispielsweise ein anderer<br />

Umgang miteinander und anderer soziale Beziehungen.<br />

Gleichzeitig könnte auch ein gewisses Schamgefühl der<br />

alteingesessenen Bevölkerung gegenüber zu einem Misserfolg<br />

führen.<br />

Einwohner, die nicht direkt von der Umsiedlung in ein<br />

neues Wohngebiet betroffen sind, können trotzdem<br />

indirekt involviert sein. Hier zeigt sich die Schwierigkeit<br />

auf, ein Quartier, welches bisher nur eine fi nanziell besser<br />

gestellte Schicht beherbergte, in ein einkommensgemischtes<br />

Viertel zu wandeln. Sicherlich ist ebenfalls auf Seiten<br />

der gut situierten Familien mit Protest gegen diese HOPE<br />

VI Maßnahme zu rechnen. Hier spielen vor allem Vorteile<br />

57


Strategien und Konzepte<br />

Cabrini Green- Sozialer Wohnungsbau in Chicago Stefanie Schoubye<br />

Am 22.10.2005 besichtigten wir Cabrini Green, eine der<br />

bekanntesten Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus in<br />

Chicago vielleicht dem einen oder anderen vor Augen aus<br />

dem Film „Candyman“ von 1992. Nicht weit von der nächstgelegenen<br />

U-Bahn und damit gut zu Fuß zu erreichen,<br />

liegt Cabrini Green zwischen Evergreen Avenue, Sedgwick<br />

Street, Chicago Avenue und Larrabee Street. Zwischen<br />

reichen Wohngegenden, namentlich der Gold Coast und<br />

Lincoln Park und am Ende einer der schicksten Einkaufsstraßen<br />

Chicagos, der Oak Street ist diese Siedlung<br />

mittlerweile Sinnbild für Probleme mit „public housing“ in<br />

den USA. Cabrini Green ist ab 1942 (Frances Cabrini Rowhouses)<br />

über einen Zeitraum von 20 Jahren in vier sehr verschiedenen<br />

Bauabschnitten entstanden, die die Leitsätze<br />

der Stadterneuerung Mitte des 20. Jahrhunderts in den<br />

Vereinigten Staaten widerspiegeln. Die ersten Bewohner<br />

der Cabrini Rowhouses waren italienischer Abstammung,<br />

um 1962, als alle vier Bauabschnitte fertiggestellt sind,<br />

leben hier 15.000 Menschen, zum Großteil Afroamerikaner.<br />

In ihrer Entstehungszeit war Cabrini Green eine ruhige,<br />

gemischte Wohngegend für die zumeist arbeitende Bewohnerschaft.<br />

Dies änderte sich in den Jahren nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg, als die nahe gelegenen Fabriken schlossen<br />

und Tausende entließen. Zur gleichen Zeit strich die<br />

Stadt Chicago aus Geldnot Mittel für Polizeistreifen und die<br />

Wartung und Instandhaltung der Gebäude.<br />

Als Folge dieser Entwicklungen verwahrlosten die Gebäude,<br />

die Kriminalitätsrate stieg an und es kam zu einem<br />

massenhaften Auszug derjenigen Bewohner, die sich<br />

an anderer Stelle eine Wohnung oder Eigentum leisten<br />

konnten. Zurück blieben die Mittellosen, die auch nicht<br />

in der Lage waren, Druck auf die städtischen Behörden<br />

auszuüben, die keine Verpfl ichtungen gegenüber diesen<br />

Einwohnern mehr wahrnahmen. Die Siedlung befand sich<br />

in einer Abwärtsspirale. Die direkte Nähe zu den wohlhabenden<br />

Nachbargegenden machte Cabrini Green zu<br />

einem lukrativen Standort für Drogengeschäfte. In Ermangelung<br />

anderer Arbeitsmöglichkeiten bildeten sich rivalisierende<br />

Gangstrukturen, die einzelne Gebäude und deren<br />

Bewohner gewaltsam kontrollierten.<br />

1994 wird Cabrini Green in das HOPE VI Programm der<br />

Bundesregierung aufgenommen, das vorsieht die Wohngegend<br />

zu einer „mixed-income neighborhood“ zu entwickeln.<br />

Im September 1995 begann der Abriss der Cabrini<br />

Extensions im Süden und Norden. 1996 ordnete die<br />

Bundesregierung den Abriss von 18.000 Sozialwohnungen<br />

in Chicago an. Mieter aus Cabrini Green organisierten sich<br />

und konnten durchsetzen, dass einige der Häuser so lange<br />

stehen bleiben, bis die neuen Wohnungen in der Nachbarschaft<br />

fertig gestellt sind (Chicago Tribune 2001). Die<br />

Verfügung garantiert den Mietern der Hochhäuser zudem<br />

eine neue Wohnung in der entstehenden Nachbarschaft.<br />

Diese Verfügungen sind umstritten, da die Bereitstellung<br />

einer Wohnung für Bedürftige in den USA ein Privileg und<br />

kein Grundrecht darstellt.<br />

Einiges hat sich bis heute getan. Seward Park entstand als<br />

neue Grünanlage im Gebiet, neue „mixed-income houses“<br />

anstelle der alten Cabrini Extensions. Heute leben ca. 4700<br />

Einwohner in Cabrini Green. Die noch stehenden Hochhäuser<br />

lassen allenfalls erahnen, wie das Leben hinter den<br />

vergitterten Außengängen ausgesehen haben mag und<br />

sich heute noch abspielt.<br />

Durch die vergitterten Laubengänge ist mir erst spät aufgefallen,<br />

dass wir die ganze Zeit beobachtet wurden, vielleicht<br />

wäre es uns auch nicht aufgefallen, wäre uns nicht einiges<br />

zugerufen worden. Ohne Zweifel glaube ich es, wenn ich<br />

heute über Cabrini Green lese von Ratten und Kakerlakenbefall,<br />

von rottendem Müll in Müllschluckern bis hinauf in<br />

den 15. Stock, dem Gestank von Urin und Insektiziden in<br />

den Gängen, nicht funktionierenden Aufzügen, und ständig<br />

platzenden Rohrleitungen.<br />

58


Hope VI<br />

Wer mehr über Cabrini Green und zum Thema Sozialer<br />

Wohnungsbau in Chicago lesen möchte, dem seien folgende<br />

Interessante links und Literatur empfohlen:<br />

Bauman, J.F./ Biles, R./ Szylvian K.M. (2003): From tenements<br />

to the Taylor Homes. In Search of an Urban Housing Policy in<br />

Twentieth-Century America. Pennsylvania.<br />

Chicago Housing Authority: Cabrini-Green Homes http://www.<br />

thecha.org/housingdev/cabrini_green_homes.html<br />

Cabrini Residents Human Rights Page http://www.<br />

housingisahumanright.com<br />

Kurz kam mir, während ich dort stand und zwischen den<br />

eingezäunten Häusern mit den schwarzen Brandlöchern in<br />

der Fassade fotografi erte, der Gedanke, was wäre, würde<br />

mir jemand hier die Digitalcamera aus der Hand reißen und<br />

in einem der Gebäude verschwinden. Was ich nicht getan<br />

hätte, wäre auch nur einen Schritt hinterher zu laufen.<br />

Etwas später trafen wir in einem der mixed- income houses<br />

auf eine Maklerin, die uns eines der Häuser zeigte,alle<br />

gleich groß, mit gleicher Ausstattung und seit drei Jahren<br />

im Verkauf sind. Es bleibt die Frage, wie die Masse der<br />

alten Mieter aus den Hochhäuser in den von ihr erwähnten<br />

25% günstigen Häusern des neuen Wohngebietes<br />

unterkommen soll- schon ungeachtet der Restriktionen.<br />

Glauben mag ich noch nicht so recht an den Erfolg der<br />

mixed-income neighborhood Cabrini Green. Jedoch kann<br />

ich mittlerweile nur noch den Kopf schütteln angesichts<br />

der Stilisierung so mancher deutschen Großsiedlung zu<br />

einem Ghetto. Davor sind wir – zum Glück – meilenweit<br />

entfernt.<br />

Chicago Coalition to Protect Public Housing http://www.limits.<br />

com/cpph/<br />

Voices of Cabrini http://www.voicesofcabrini.com/<br />

CBS News: Tearing Down Cabrini-Green (http://www.cbsnews.<br />

com/stories/2002/12/11/60II/main532704.shtml)<br />

Chicago Tribune (2001) http://www.chicagotribune.com/news/<br />

columnists/chi-0407090028jul09,1,5106001.column<br />

Hirsch, A.R. (1998): Making the second ghetto. Race and housing<br />

in Chicago 1940-1960. Chicago, London<br />

North Town Park site plan (redevelopment of Cabrini Extension<br />

site) http://www.holstenchicago.com/buildings/Development/<br />

north_town_park.htm<br />

Encyclopedia of Chicago entry on Chicago Housing Authority<br />

http://www.encyclopedia.chicagohistory.org/pages/253.html<br />

People Removal in Cabrini Green --RW/OR ONLINE http://rwor.<br />

org/a/1229/cabrini.htm<br />

59


Strategien und Konzepte<br />

New Urbanism zur Armutsbekämpfung?<br />

Ein Besuch eines Mixed-Income-Gebietes Lisa Nieße<br />

Am Dienstag den 18. Oktober hatte die Gruppe einen Termin in Bronzeville, in der Chicagoer<br />

Southside. Der Termin hat sich über eine Verbindung zu Robert Fairbanks von der University<br />

of Chicago ergeben. Er hat zu diesem Termin Susan Campbell (Architektin, Planerin des<br />

Neubaugebietes und inzwischen an der University of Chicago) und Mark Joseph (University<br />

of Chicago, Begleitforschung) eingeladen, die über die Veränderungen des Madden-Park<br />

und Wells Mixed Income Housing Project berichten.<br />

Anwesend sind außer der Exkursionsgruppe Mitarbeiter<br />

der Begleitforschung zum Madden-Wells-Mixed-Income-<br />

Gebiet, ehemalige Mitarbeiter der Architektin und einige<br />

Studenten des Seminars von Robert Fairbanks, unter ihnen<br />

Florian Sichling, ein Stipendiat der Studienstiftung des<br />

Deutschen Volkes im Fachbereich Sozialarbeit. Insgesamt<br />

sind ungefähr 20 Personen anwesend. Der Termin fi ndet<br />

im Dance-Studio Room des Gemeindezentrums ‘Abraham<br />

Lincoln Center’ statt.<br />

Begehung der Gebiete<br />

Vor dem Termin führt Mark Joseph durch das Gebiet,<br />

das auf dem Weg von der Bahn zum Gemeindezentrum<br />

überquert werden muss. Auf einer Kreuzung lässt er<br />

die Gruppe anhalten, wo er auf eine Plakette im Boden<br />

aufmerksam macht. Auf ihr sind verschiedene Künstler<br />

und Musiker abgebildet, die aus der Chicagoer Southside<br />

kommen. Die Southside von Chicago wird “Chicagos<br />

Black Belt” genannt und ist eines der berühmtesten<br />

Ghettos in den USA. Es ist berühmt für Drogenprobleme,<br />

regelmäßige Polizeieinsätze und seine starke ethnische<br />

und ökonomische Segregation. Es ist ein Gebiet, in<br />

dem hohe Arbeitslosenzahlen verbucht werden und die<br />

Chancen der Bewohner auf Bildung schlecht sind. Mit der<br />

Plakette, erklärt Mark Joseph, soll eingeleitet werden, dass<br />

die Southside auch ihre guten Seiten hat und viele gute<br />

Künstler hier den Anfang ihrer Karriere begründeten.<br />

Ein Blick entlang des Martin Luther King Drives zeigt die<br />

Gegensätzlichkeit des Gebietes: auf der einen Seite die<br />

Wohnhochhäuser mit neun und mehr Stockwerken und<br />

auf der anderen Seite Gebäude des vorletzten Jahrhunderts,<br />

die sich in einem sehr guten Zustand befi nden und<br />

nicht zum sozialen Wohnungsbau gehören.<br />

Das 94 acre umfassende Gebiet des Public Housing teilt<br />

sich in drei: Heute sind noch Madden Park, das 1970<br />

fertig gestellt wurde und eine Mischung aus drei- und<br />

neungeschossigen Gebäuden ist, und die Ida B. Wells<br />

Homes erhalten. Letztere wurden 1941 unter Franklin D.<br />

Roosevelt gebaut. Die dritte Siedlung, die Clarence Darrow<br />

Homes (Fertigstellung 1961), mit 479 Wohneinheiten,<br />

wurde im Jahr 2000 abgerissen. Die Erneuerung von<br />

Madden/Wells/Darrow ist Teil des HOPE VI Programms<br />

und erhielt dadurch im Jahre 2000 eine fi nanzielle Unterstützung<br />

in der Höhe von $ 35 Millionen.<br />

Entlang des Martin Luther King Drives führt der Weg zu<br />

den zur Zeit noch bestehenden Gebäuden des Madden-<br />

Park-Gebietes. Im Rahmen des Hope VI-Programmes<br />

sollen auch sie abgerissen werden, um sie durch neue<br />

Gebäude zu ersetzen. Die Gebäude sind drei- bis vierstöckige<br />

Wohnhäuser aus rotem Ziegel, die in den 1970er<br />

Jahen fertiggestellt wurden. Aufgrund des bevorstehenden<br />

Abrisses und um Hausbesetzungen vorzubeugen, sind<br />

heute die meisten Fenster mit Stahlverschlüssen verriegelt,<br />

andere mit Holz.<br />

Nur noch vereinzelte Wohnungen der Gebäude sind<br />

bewohnt. Man hört aus ihnen Rap-Musik klingen. Der<br />

Freiraum zwischen den im fl ießenden Raum situierten<br />

Gebäuden ist betoniert. An den Stromkabeln hängt ein<br />

Paar Turnschuhe. Die verriegelten Fenster sind bedrückend,<br />

trotzdem beschleicht einen das Gefühl, dass alles gar<br />

nicht so schlimm ist: vielleicht ein bischen Freiraumgestaltung?<br />

Mark Joseph lacht; Ja, aber von innen, da seien die<br />

Häuser wirklich schlimm.<br />

Vereinzelt sitzen vor den erhöhten Hauseingängen<br />

Bewohner auf Stühlen, um von dort die beinahe menschenleere<br />

Straße zu beobachten. Alle sind schwarz. Ein<br />

Bewohner mit langen zerzausten Rasta-Zöpfen kommt auf<br />

die Gruppe zugestürmt und fragt freundlich verwundert,<br />

was die Gruppe denn hier vor hätte. Nach der Erklärung<br />

bleibt er scheinbar genauso verwundert. Dieses Aufeinandertreffen<br />

scheint ein Beweis zu sein, dass hier selten<br />

eine Gruppe Weißer vorbeikommt.<br />

Entlang der S. Cottage Grove Avenue befi nden sich die<br />

Ida B. Wells Homes, kleine Reihenhäuser aus Ziegel. Sie<br />

sind ein- bis zweigeschossig, ähneln in ihrer Gestaltung<br />

den Gebäuden in Madden Park. Teilweise haben sich Bewohner<br />

vor den Gebäuden mit Zäunen Gärten abgetrennt.<br />

In den Vorgärten liegen Menschen auf dem Gras<br />

Auffällig ist, dass jeweils die dem Gebiet gegenüberlie-<br />

60


Hope VI<br />

Ein Teil der Wohnungen wird zu Marktpreisen (marketrate)<br />

verkauft und ein Teil wird zu subventionierten Preisen<br />

angeboten (verkauft: affordable housing, vermietet: public<br />

housing). In der ersten Phase (auf 25 acre) werden für die<br />

2200 Bewohner von den beiden alten Gebieten 325 mixed<br />

income Mietwohnungen und 200 Eigentumseinheiten gebaut.<br />

Insgesamt sieht der Masterplan 3000 Wohneinheiten<br />

vor, von denen 1000 Mietwohneinheiten für Public Housgende<br />

Straßenseite nur spärlich bebaut ist. Zwischen<br />

leerstehenden Gebäuden und verlotternden Läden klaffen<br />

große Flächen mit wildwucherndem Gras und niedrigen<br />

Bäumen. Auf ihnen stehen kaputte Autos, um die sich<br />

Menschen versammeln.<br />

In der Nähe des Gemeindezentrums sind große Flächen<br />

zu sehen, in denen der geplante Abriss bereits vollzogen<br />

ist. Es stehen bereits Fundamente der neuen Gebäude.<br />

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht ein neues<br />

Gebäude im Rohbau. Scheinbar eine Privatinvestition in<br />

der Chicagoer Southside.<br />

Der Termin im Gemeindezentrum<br />

Im Gemeindezentrum angekommen, berichtet Susan<br />

Campbell von dem Planungsprozess. Die Anwohner<br />

beteiligten sich in mehreren Veranstaltungen (SHRED-<br />

Meetings), in denen ein 10-Punkte-Programm zur Gestaltung<br />

der Neubauten aufgestellt wurde.<br />

Der Städtebau orientiert sich am amerikanischen New-<br />

Urbanism-Stil. Susan Campbell behauptet, dass dies der<br />

einzige Stil sei, der für Menschen richtig wäre. Sie weiß,<br />

dass mit dem neuen Städtebau das quadratische Muster<br />

des Chicagoer Stadtgrundrisses unterbrochen wird. Die<br />

Gebäude sind zwei bis drei stöckig und orientieren ihren<br />

Eingang eindeutig zu den Straßen. Bürgersteig und Straße<br />

sind deutlich getrennt. Vor den Gebäuden befi nden sich<br />

kleinere Grünfl ächen. Hinter den Gebäuden sind Terassen<br />

und Balkone installiert, von denen die rückwärtig orientierten<br />

Parkplätze beobachtet werden können.<br />

Die Entwicklung des Gebietes ist in drei zeitliche Phasen<br />

geteilt: Zwei Phasen der Entwicklung von Mietwohneinheiten,<br />

die von dem Angebot der Eigentumswohnungen<br />

begleitet werden.<br />

61


Strategien und Konzepte<br />

ing gedacht sind, 680 für subventionierte Kaufwohneinheiten<br />

und 1320 für das Marktpreiskontingent. Es werden<br />

Ein-, Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen angeboten.<br />

Susan Campbell berichtet von der dramatischen Abhängigkeit<br />

des Viertels von illegaler Ökonomie. Ein Polizist<br />

kam auf sie zu, um sie von dem Abriss der 8-stöckigen<br />

Wohngebäude abzuhalten, da das zu Gang-Problemen<br />

führen würde. Er berichtete ihr, dass jedes dieser Gebäude<br />

eine wichtige Position im Chicagoer Drogenhandel<br />

hätte und sie durch ihre Lage in der Nähe des Highways<br />

300.000 Dollar am Tag einnehmen. Wenn eines der Gebäude<br />

abgerissen würde, würde die Gang des Gebäudes<br />

auf das andere Gebäude stürmen, um ihre Marktposition<br />

vor der anderen zu beweisen. Heute sind beide Gebäude<br />

abgerissen.<br />

Susan Campbell sieht bereits Verbesserungen: die ersten<br />

Bewohner beziehen die neuen Gebäude, es gibt die ersten<br />

Läden, die ersten Schulen machen wieder auf, die Flächen<br />

die sich entlang des Gebietes erstrecken und Jahre lang<br />

von Desinvestition gekennzeichnet waren, werden wieder<br />

eingenommen. Aber ob das Gebiet sich wirklich wandelt,<br />

würde sich noch beweisen müssen.<br />

Begehung des Neubaugebiets<br />

Nach dem Termin im Abraham Lincoln-Center beginnt die<br />

Begehung des Neubaugebiets. Gleich hinter dem Zentrum<br />

stehen die ersten, noch unbewohnten Gebäude<br />

Allana Levy-Rogers arbeitet bei der Immobilien-Gruppe<br />

TCB (The Community Builders), die die Entwicklung, den<br />

Verkauf und das Management der ersten 325 Mietwohnungen<br />

übernommen hat, und erwartet die Gruppe.<br />

TCB hat Erfahrungen mit der Entwicklung von Public-<br />

Housing-Nachbarschaften und zahlreiche Mixed-Income-<br />

Gebiete gebaut und begleitet. Mit Stolz berichtet Allana<br />

Levy-Rogers von dem Sozial-Programm, dass TCB<br />

anbietet. So gibt es in dem Gebiet ein Büro, in das die Bewohner<br />

zur Beratung kommen können. Zusätzlich bietet<br />

TCB eine “On-Site-Security”. Diese wird für Angelegenheiten<br />

engagiert, um die sich die Polizei nicht kümmern<br />

könne: die On-Site-Security verhindere beispielsweise,<br />

dass sich Menschen in den Vorgärten oder im Treppenhaus<br />

aufhalten.<br />

Die Wohnungen sind komplett ausgestattet (inklusive<br />

Kühlschrank, Trockner, Waschmaschine). Allana Levy-<br />

Rogers erklärt, dass alle Wohnungen die gleiche Ausstattung<br />

hätten, obwohl manche zu den “affordable” und<br />

manchen zu den “market rate” Wohnungen gehörten.<br />

TCB kennzeichnet nicht, welche Wohneinheit zu welchem<br />

Kontingent gehört.<br />

Das Gebiet heißt bei den Immobilienentwicklern nicht mehr<br />

Madden-Park und Wells, sondern “Oakwood Shores”.<br />

Auf dem Stadtplan ist die Nähe zum Großen See nicht zu<br />

verkennen, der Spaziergang zum See gestaltet sich schwieriger,<br />

denn ein sechsspuriger Highway trennt Oakwood<br />

Shores vom See. Um eine Wohnung in Oakwood Shores<br />

zu bekommen muss man sich in eine Liste der Chicago<br />

Housing Authority einschreiben. Zur ‘Qualitätssicherung’<br />

des Gebietes werden die Mieter der Kategorie “affordable”,<br />

durch ein Screening-Programm ausgewählt. Dieses<br />

Programm umfasst:<br />

• Eine Bonitätsprüfung<br />

• Eine Prüfung des polizeilichen Führungszeug<br />

nisses (der letzten fünf Jahre)<br />

• Eine Einkommenbescheinigung<br />

62


Hope VI<br />

• Prüfung des Vermögens<br />

• Aufl istung aller Vermieter der letzen fünf Jahre<br />

• Bescheinigung über Schulstatus aller Haushalt<br />

sangehörigen unter 19 Jahren<br />

• Hausführungsinspektion<br />

• Drogentest (aller Hausangehörigen unter 19)<br />

Alle Prüfungen und Zertifi kate müssen von Dritten ausgefüllt<br />

sein und eine negativ ausfallende Prüfung kann<br />

zur Ablehnung der Bewerbung führen. Die Miete für die<br />

“affordable-Wohnungen” beträgt 30% des Nettoeinkommens.<br />

Die Minimummiete beträgt $25. Der Hauptverdiener<br />

muss mindestens 30 Stunden die Woche arbeiten, es sei<br />

denn er ist Behindert oder über 62 Jahre: die anderen Erwachsenen<br />

des Haushalts müssen ebenfalls 30 Stunden<br />

pro Woche arbeiten oder in ein ganztätiges Ausbildungsprogramm<br />

involviert sein. In Oakwood Shores ensteht<br />

eine sehr kontrollierte Wohnsituation, die man unter dem<br />

deutschen Verständnis von Datenschutz schwer nachvollziehen<br />

kann.<br />

Ein Schlagwort dieses Termins ist der ‘Social and physical<br />

decay’ der Gebiete. Man meint damit die geringe Bildung<br />

und Erwerbstätigkeitsrate unter den Bewohnern und die<br />

schlechte Bausubstanz. Als Grund für den Niedergang<br />

wird die Abwesenheit von Role-Models hervorgehoben.<br />

Der deutsche Sozialarbeiter Florian wundert sich über die<br />

Idee des Role-Models: er stößt sich an dem Bild “wenn du<br />

es nicht schaffst, ist etwas an dir verkehrt, alle können es<br />

schaffen”.<br />

Mit den Aufl agen durch das HOPE VI Programm und den<br />

eigenen Programmen der Projektentwickler scheint das<br />

Gebiet von Nachteilen belastet. Bronzeville liegt aber nahe<br />

der Kernstadt, nahe des berühmten IIT-Campus und in der<br />

Nähe des Sees und kann so über seine Lagevorteile vielleicht<br />

trotzdem auf eine angeregte Nachfrage beim Verkauf<br />

der Neubauten setzen.<br />

Auch in der Gruppe bleiben Fragen offen: Können strukturelle<br />

Probleme durch Abriss und Neubau bekämpft werden?<br />

Lässt sich Armut durch Dekonzentration aufl ösen?<br />

Die Probleme des Gebietes sind die starke ethnische<br />

und ökonomische Segregation, die schlechten Bildungschancen<br />

und die hohe Arbeitslosigkeit. Keines dieser<br />

Probleme wird durch die Veränderung des Städtebaus<br />

direkt bekämpft. Das Neubaugebiet kennzeichnet sich<br />

genauso wie die älteren Gebiete durch Monofunktionalität<br />

und weder Arbeitsplätze noch Räume für Erwerbstätigkeit<br />

gelangen in das Viertel. Es ist zu bezweifeln, ob die strukturellen<br />

Probleme des Gebietes auf diese Weise bekämpft<br />

werden können.<br />

Das Grundprinzip der Stadterneuerung von Hope VI ist der<br />

Abriss des sozialen Wohnungsbaus und der Wohnungsneubau<br />

für eine neue gemischtere Bewohnergruppe.<br />

Immer wieder kommt die Frage auf: aber wohin sollen<br />

sie denn gehen? Die, die sich nicht für den Einzug in die<br />

neuen Wohnungen ‘qualifi zieren’? Man spricht bei diesem<br />

Termin von 20% der alten Bewohner, die unter den gegebenen<br />

Umständen in die neuen Gebäude einziehen werden.<br />

Robert Fairbanks befürchtet, dass sich während des<br />

Neubaus eine Destabilisierung von anderern Stadtvierteln<br />

ergeben wird, in denen jetzt ein Großteil der Bewohner<br />

unterschlüpfen muss. Offen bleibt die Frage, ob das neue<br />

Belegungskonzept aufgeht – Wird die Mittelschicht die<br />

neuen Gebäude beziehen?<br />

Die Forcierung des Home-ownership (Eigenheimbildung)<br />

wird auch Deutschland als Mittel zur Stabilisierung von<br />

benachteiligten Quartieren eingesetzt. Allerdings wird<br />

hier der soziale Wohnungsbau nicht durch Eigenheime<br />

ersetzt, was in Chicago zu dem Bild eines Versuches<br />

der Entstaatlichung des Armutsproblems führt. Auch in<br />

Deutschland gibt es stigmatisierte Gebiete, die deshalb<br />

vom Abriss bedroht sind. Bei aller Distanz zu der amerikanischen<br />

Problemtiefe lässt sich nicht übersehen, dass die<br />

gleichen städtebaulichen Strukturen von problematischer<br />

Stigmatisierung betroffen sind: Wohnhochhäuser mit vielen<br />

Stockwerken und Siedlungen, die nach den Leitbildern der<br />

fünfziger Jahre gebaut sind.<br />

Robert Fairbanks: School of social service Administration,<br />

The universitiy of Chicago: 773-834-6768/<br />

rpf@uchicago.edu<br />

Allana Levy-Rogers: Property Manager (The Community<br />

Builders,TCB), Oakwood Shores 773-373-1300<br />

Florian Sichling:<br />

f.sichling@gmx.net<br />

63


Strategien und Konzepte<br />

Northeastern Illinois Planning Commission Sascha Hahnekopf<br />

Im Laufe der Chicagoexkursion nahm die Gruppe einen<br />

– im Vorwege organisierten – Termin bei der Northeastern<br />

Illinois Planning Commission (NIPC) wahr. Bevor uns einige<br />

Mitarbeiter Projekte, Aufgaben und Organisation der NIPC<br />

näher vorstellten, wurde eine Einführungsrunde durchgeführt,<br />

indem die Studenten und Mitarbeiter sich vorstellten.<br />

Darüber hinaus war es den Gastgebern bedeutsam,<br />

zu erfahren, aus welchem Interesse wir uns in Chicago<br />

aufhielten und nach welchem Planungsbewusstsein in<br />

Deutschland ausgebildet und praktiziert wird.<br />

Die Ergebnisse der Powerpointpräsentation werden nachfolgend<br />

zusammengefasst und erläutert.<br />

Organisation und Aufgaben:<br />

NIPC ist eine bundesstaatliche Behörde von Illinois und<br />

basiert auf das Illinois General Assembly von 1957. Sie beschäftigt<br />

sich vornehmlich mit regionalen Planungsthemen,<br />

wie z.B. mit der Erforschung regionaler Zusammenhänge,<br />

der Erstellung von Rahmen setzenden Regionalplänen<br />

sowie der Beratung anderer Regierungsorganisationen bei<br />

planerischen Sachfragen. Insbesondere die Förderung der<br />

Zusammenarbeit der einzelnen Verwaltungseinheiten und<br />

–ebenen (auch Gemeinde übergreifend), die Kooperation<br />

des öffentlichen und privaten Sektors sowie die planerische<br />

Einbeziehung der Bevölkerung stehen zunehmend<br />

im Tätigkeitsfokus der Behörde.<br />

Programmeckpunkte Centers, Corridors,<br />

Green Areas:<br />

Derzeit arbeitet NIPC an dem 2040 Regional Framework<br />

Plan. Dieser Regionalplan soll den zu erwartenden<br />

Entwicklungen in den Bereichen Wirtschaft, Transport,<br />

Wohnen und Ökologie sowie den Bedürfnissen der Bevölkerung<br />

Rechnung tragen.<br />

Im Laufe des Projektes haben sich über den Common<br />

Ground Prozess – wird nachfolgend näher erläutert – 52<br />

Zielsetzungen und 5 Kernthemen entwickelt und herausgebildet.<br />

Die Kernthemen Diversity, Livable Communities,<br />

Healthy Natural Environment, Collaborative Governace,<br />

Global Competitive sind in eine Vision formuliert worden<br />

und sollen über die planerischen Elemente Zentren, Korridore<br />

und Grünfl ächen umgesetzt werden.<br />

Um diese Vorgaben zu erzielen, ist richtige Mischnutzung<br />

der planerischen Elemente angedacht. Ausgehend von<br />

der Formulierung und Stärkung der Zentren erwartet NIPC<br />

eine Förderung der Wirtschaft eine Verbesserung der<br />

Wohnsituation, die in Wechselwirkung mit den Grünfl ächen<br />

steht. Infolge der Zentrenentwicklung wird ein effi zienter<br />

werdender Verkehr in den Transportkorridoren erwartet.<br />

Zentren: Sie werden defi niert als kompakte, mischgenutzte,<br />

lebenswerte, wirtschaftlich dynamische Orte, die durch<br />

mehrere Transportformen und –wege mit dem Umland<br />

verbunden sind. Sie gliedern sich ihrer Größe nach:<br />

Korridore: Aufgrund des zunehmenden Verkehrs und der<br />

im Vergleich zu Europa überproportionalen Bedeutung<br />

des MIV in den USA, sollen die Transportkorridore das<br />

Wachstum an den Achsen bündeln und den Flächenfraß<br />

der Transportinfrastruktur eindämmen mit dem Ziel der<br />

optimalen Verbindung der Zentren.<br />

Grünfl ächen: Sie sind notwendiger Bestandteil für die Lebensqualität<br />

der Gemeinden. In Anbetracht der Artenvielfalt<br />

bei Flora und Fauna in der Region wird versucht, diese zu<br />

erhalten bzw. noch zu fördern.<br />

Common Ground:<br />

Der Common Ground Prozess, ist ein mehrstufi ges Verfahren<br />

der Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen und<br />

–schichten, mit dem Ziel der planerischen Partizipation.<br />

Für US-amerikanische Verhältnisse unüblich, waren die<br />

breite Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen und der<br />

dafür Notwendige Einsatz moderner technischer Hilfsmittel.<br />

Ingesamt nahmen 4.000 Bürger an dem Prozess teil.<br />

Leadership Workshops:<br />

Aufbauphase bzw. Vorbereitungsphase. Workshops<br />

wurden an 12 Orten in der Region durchgeführt. Dabei<br />

wurden verschiedenste öffentliche und wirtschaftliche Organisationen<br />

eingeladen, um über die planerischen Bedürfnisse<br />

der Region und Umsetzung des Common Ground<br />

zu sprechen. Des Weiteren wurden so genannte Breakfast<br />

Meetings mit Aktivisten und lokalen Entscheidungsträgern<br />

durchgeführt, um ihr Interesse zu wecken und ggf. ihre<br />

Beteiligung zu sichern.<br />

Regional Forum:<br />

Im Gegensatz zu den verschieden Workshops wurde hier<br />

ein Ort ausgewählt, um alle Interessierten zu versammeln<br />

und einen und Meinungsaustausch herzustellen. 850<br />

Leute verschiedenster Ethnien und Einkommensschichten<br />

nahmen an diesem Forum teil. Unterstütz wurde die<br />

Diskussion durch Moderatoren, technologische Tools bei<br />

Abstimmungen und vernetzte Computer.<br />

Working Groups:<br />

275 Leute erklärten sich bereit, an Working Groups mit-<br />

64


NIPC<br />

zuarbeiten. Aufgeteilt wurden die Gruppen in 5 Bezirke.<br />

Aufgabe war die Herausarbeitung von Kernthemen. Dabei<br />

sollten Möglichkeiten, Umsetzungschancen, Kritikpunkte<br />

gesammelt und dargestellt werden. Die Gruppen arbeiteten<br />

über acht Monate zusammen und trafen sich<br />

monatlich. Darüber hinaus konnten sie jederzeit über WebCouncil<br />

(Internet basierendes Chatforum) untereinander<br />

kommunizieren.<br />

Goal Writing Workshops:<br />

Nach Ablauf der acht Monate teilten sich die 5 Gruppen<br />

in 20 auf. Sie sollten nun Ziele aufgrund der erarbeiteten<br />

Ergebnisse defi nieren. Diese Phase ist NIPC im Hinblick<br />

auf die Bürgerbeteiligung besonders wichtig.<br />

Goal Review Workshops:<br />

Die Phase wurde genutzt die einzelnen Ergebnisse<br />

miteinander zu vergleichen. Dabei stellte sich heraus, dass<br />

trotz Bevölkerungsmischung der Arbeitsgruppen, gewisse<br />

Bevölkerungsschichten, wie z.B. Latinos und Jugendlichen<br />

bzw. junge Erwachsene unterrepräsentiert in den<br />

Resultaten waren. Weitere Workshops wurden speziell in<br />

diesen Bevölkerungsgruppen durchgeführt.<br />

Commission Endorsement: Im Anschluss an die Rückkoppelungsphase,<br />

wurden die 52 regionalen Ziele aus<br />

den Arbeitsergebnissen ausgewählt und fünf Kernthemen<br />

bestimmt.<br />

Cluster Workshops:<br />

Diese Workshops wurden von Vertretern der einzwelnen<br />

Kommunen, Städte und Bezirke und Regionalplaner<br />

gebildet mit dem Ziel, die 52 regionalen Ziele und die<br />

Kernthemen in einen regionalen Flächennutzungsplan zu<br />

übertragen.<br />

Paint the Region:<br />

Die Ergebnisse der Cluster Workshops wurden den<br />

Bürgern präsentiert. Im Anschluss wurden mehrere Gruppen<br />

von 5-10 Mitgliedern gebildet. Jeweils einer Gruppe<br />

war ein Computer mit einem Zeichenprogramm zugeteilt.<br />

Zudem war ein Zeichner/Moderator anwesend, mithilfe<br />

dessen die Gruppe in der Lage war ihre Vorstellungen von<br />

Zentren, Korridore und Grünfl ächen zeichnerisch Umzusetzen.<br />

Building the Regional Framework Map:<br />

NIPC erstellte basierend auf den Common Ground Prozess<br />

den 2040 Regional Framework Plan.<br />

NIPC im Internet: www.nipc.org<br />

65


Strategien und Konzepte<br />

Business Improvement District „Lincoln Square“ Mike Wilkens<br />

Die Exkursion zum Business Improvement District (BID) „Lincoln Square“ am 19.10.2005<br />

umfasste ein Interview mit der Geschäftsführerin Melissa Flynn (Executive Director) und der<br />

Mitarbeiterin Christie Breitner (Member Services) sowie einem kurzen Rundgang durch die<br />

Geschäftsstraße, der „Special Service Area“ des BID. In dem Quartier Lincoln Square befinden<br />

sich auch Reste der deutschen Kommune in Chicago, so z.B. das Deutsche „Chicago<br />

Brauhaus“.<br />

Inhalte des Interviews:<br />

• Geschichte und Struktur des BID<br />

• Aufgabe des BID<br />

• Finanzierung des BID<br />

• Probleme in der Alltagsarbeit / Grenzen des BID<br />

• Charakter des Gespräches<br />

Struktur BID Lincoln Square<br />

Das Business Improvement District (BID) Lincoln Square<br />

ist ein abgegrenztes Gebiet in einem Nachbarschaftszentrum<br />

Chicagos, in dem von den Grundeigentümern und<br />

Gewerbetreibenden eine Zwangsabgabe erhoben wird,<br />

die für die Aufwertung des abgegrenzten Quartiers genutzt<br />

wird. Diese Abgabe wird über die Steuern durch die Gemeinde<br />

eingezogen.<br />

Das BID Lincoln Square wurde im Jahre 2001 als Special<br />

Service Area 21th of Chicago (SSA) gegründet, um dem<br />

drohenden Abwärtstrend des Quartiers Einhalt zu gebieten.<br />

Das BID als neueste Form des privaten Engagements<br />

im Quartier Lincoln Square steht in der langen Tradition<br />

der Chamber of Commerce (CoC) Lincoln Square, welche<br />

sich im Jahre 1949 aus dem losen Zusammenschluss<br />

einiger Einzelhändler bildete. Das CoC Lincoln Spuare<br />

ist Bestandteil der Nationalen CoC, welche den Überbau<br />

über dem CoC in Illinois und auf der Ebene Chicago dem<br />

CoC in Chicago vorsteht.<br />

Bevor das BID auf Antrag des CoC Lincoln Square von<br />

der Stadt Chicago gegründet werden durfte, wurden<br />

binnen eines Jahres im Zeitraum 1999/2000 vier Öffentlichkeitsveranstaltungen<br />

durch das Chamber of Commerce<br />

Lincoln Square durchgeführt. Ziel dieser Veranstaltungen<br />

war es, die Einrichtung des Instruments BID mit den Bewohnern,<br />

Nutzern und Grundeigentümern des Quartiers<br />

zu diskutieren, um dabei einerseits, eine mögliche Ausrichtung<br />

des BID zu diskutieren und andererseits Kritikern der<br />

Maßnahme die Möglichkeit zu geben, die Einrichtung des<br />

BIDs durch die Vorbringung von kritischen Argumenten<br />

stoppen zu können. Die Einführung eines BID hat für<br />

Grundeigentümer und somit auch für deren Mieter (Kosten<br />

werden oft auf die Mieten umgelegt) weitreichende Konsequenzen.<br />

Während dieser Phase der Diskussion konnte<br />

sich aber keine nennenswerte Opposition gegen das BID<br />

herausbilden, folglich wurde dann im Jahre 2001 das BID<br />

Lincoln Square auf Antrag des Chamber of Commerce<br />

bei der Stadt Chicago beantragt. Diesem Antrag wurde<br />

aufgrund einer fehlenden oder nicht formierten Opposition<br />

entsprochen.<br />

Die Gründung eines BID schließt die Einsetzung eines<br />

Verwaltenden Gremiums mit ein. Das BID Lincoln Square<br />

wurde auf Antrag des lokalen Chamber of Commerce als<br />

Special Service Area 21th für die Straßen Lawrence Avenue<br />

und Lincoln Avenue und Western Avenue im auf der<br />

Karte rechts dargestellten Abschnitt eingerichtet.<br />

Das BID mit der SSA wurde für die Dauer von 9 Jahren<br />

beschlossen.<br />

Abbildung 1 Grenzen des BID Lincoln Square Quelle: www.<br />

lincolsquare.org/ Zugriff am 27.11.2005<br />

Struktur des BID<br />

Dem BID steht ein neunköpfi ges Board of Commissionars<br />

vor. Dieses Gremium tagt vierteljährlich und ist zum<br />

einen für die strategische Ausrichtung des BID als auch<br />

für größere Entscheidungen des BID verantwortlich. Die<br />

Mitglieder dieses Gremiums setzten sich aus einfl ussreichen<br />

Grundeigentümern des BID, wichtigen lokalen<br />

Gewerbetreibenden und der Geschäftsführerin Melissa<br />

Flynn zusammen. Das Tagesgeschäft übernehmen jedoch<br />

gänzlich Melissa Flynn und ihre Mitarbeiterin Christie<br />

Breitner. Darüber hinaus verfügt das BID satzungsgemäß<br />

noch über einen Schatzmeister. Die Mitglieder des Board<br />

of Commissionars werden vor ihrem Amtantritt geprüft. Sie<br />

dürfen über keine Schulden verfügen und müssen über ein<br />

Empfehlungsschreiben des lokalen Alderman (einer von 52<br />

Bezirksabgeordneten in Chicago) verfügen.<br />

Zum Aufgabenbereich des BID gehören neben der SSA<br />

auch weitere Flächen. Diese sind in Abbildung 2 auf der<br />

66


B.I.D. Lincoln Square<br />

Abbildung 2: Grenzen des Western Avenue North TIF Quelle: www.lincolnsquare.org/ Zugriff 27.11.2005<br />

Karte verzeichnet und umfassen das Gebiet des Western<br />

Avenue North Tax Increment Financing (TIF). Das TIF ist<br />

eine weitere Finanzierungsform für die Aufwertung einer<br />

vernachlässigten Nachbarschaft. Im Abschnitt Finanzierung<br />

wird die Arbeitsweise des TIF erläutert.<br />

Derzeit umfasst das BID Lincoln Square 14 Blocks. Die<br />

Grundeigentümer von weiteren 6 angrenzenden Blocks<br />

möchten gerne beitreten.<br />

Aufgabe des BID<br />

Das BID “Lincoln Square” wurde mit der Aufgabe gegründet,<br />

den drohenden Abwärtstrend des Quartiers<br />

(Neighbourhood Lincoln Square) Ende der 90er Jahre zu<br />

stoppen und durch zusätzliche Maßnahmen, zu denen der<br />

öffentlichen Hand, einer positiven Entwicklung zuzuführen.<br />

Dazu wurden besondere Wege der Finanzierung eingeschlagen,<br />

die u.a. im Folgenden vorgestellt werden.<br />

Hinter diesen Maßnahmen, die das Chamber of Commerce<br />

Lincoln Square als Träger des BID durchführt,<br />

verbergen sich die vielfältige Maßnahmen wie die Hilfe bei<br />

der Netzwerkarbeit, Durchführung von Marketingmaßnahmen,<br />

Akquisition von neuen Einzelhändlern / Gewerbetreibenden,<br />

aber auch die Beratung der Einzelhändler und<br />

die Durchführung von Qualifi zierungsmaßnahmen sowie<br />

die Gestaltung und Pfl ege des öffentlichen Raumes. Im<br />

Zentrum der Tätigkeit des BID stehen Maßnahmen zur<br />

Aufwertung und Reinigung des öffentlichen Raumes.<br />

Reinigungsmaßnahmen<br />

Unter dem Slogan „Clean and Green“ lässt das BID zusätzlich<br />

zu den Maßnahmen der Stadt, die die Straße aber<br />

nicht die Gehsteige reinigen lässt, zweimal wöchentlich die<br />

Gehsteige (Mo+Fr) des BID Lincoln Square reinigen. Die<br />

Reinigung der Gehwege von Schnee und Eis übernimmt<br />

das dabei ebenfalls das BID.<br />

Aufwertung öffentlicher Raum<br />

Das BID Lincoln Square versuchte den Abwärtstrend des<br />

Quartiers durch die Aufwertung des öffentlichen Raumes<br />

zu stoppen. Diese Aufwertung war durch den teilweisen<br />

Rückzug der öffentlichen Hand aus dieser Aufgabe notwendig<br />

geworden. Als Maßnahmen wurden die Straßen<br />

der SSA 21th u.a. mit Bäumen und Pfl anzen aufgewertet<br />

sowie die Parkplätze neu gestaltet. Diese Maßnahmen<br />

gehen einher mit der Pfl ege des öffentlichen Raumes.<br />

Marketingmaßnahmen<br />

Das BID unterstützt die ansässigen Gewerbetreibenden<br />

in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Es wird u.a. jährlich eine<br />

Broschüre herausgegeben, in der sich die Einzelhändler,<br />

Restaurants, Institutionen usw. vorstellen können, die im<br />

Quartier ausliegt, bzw. verteilt wird. Darüber hinaus werden<br />

im großen Umfang Marketingveranstaltungen durch das<br />

BID durchgeführt, um die Attraktivität des Zentrums zu<br />

verbesseren und darüber die Kundenbindung zu erhöhen,<br />

sowie neue Kunden in das Quartier Lincoln Square zu<br />

67


Strategien und Konzepte<br />

Abbildung 3: Marketing Maßnahme Quelle: http://www.lincolnsquare.org/ am Zugriff 27.11.2005<br />

locken. Ein Beispiel hierfür sind die zahlreichen Aktionen<br />

zu Weihnachten.<br />

SBIF<br />

Mit den fi nanziellen Mitteln, die durch das Instrument des<br />

TIF der Verwaltung des BID Lincoln Square zur Verfügung<br />

stehen, werden u.a. die Gehwegreinigung und die Aufwertung<br />

des öffentlichen Raumes im Bereich des TIF fi nanziert.<br />

Eine Besonderheit stellt jedoch das Small Business<br />

Improvement District (SBIF) dar. Diese gesetzliche Regelung<br />

offeriert den Grundeigentümern des TIF-Bereiches<br />

einen Zuschuss von bis zu 75% zu ihren eingesetzten<br />

Renovierungskosten für die Renovierung ihrer Immobilien,<br />

so fern sie sich dabei nach Gestaltungs- und Materialsatzungen<br />

der Stadt Chicago richten.<br />

Finanzierung des BID<br />

Die Maßnahmen des BID werden durch einen zusätzlichen<br />

Aufschlag auf die Umsatzsteuer von 0,25% durch die<br />

Grundeigentümer und Gewerbetreibenden fi nanziert. Die<br />

Abgabe, die jeder Gewerbetreibende im Gebiet des BID<br />

zahlen muss, wird über die Umsatzsteuer eingezogen. Da<br />

diese Abgabe von jedem anliegenden Betrieb entrichtet<br />

werden muss, unterbleibt das sog. „Trittbrettfahren“, d.h.<br />

es ist nicht möglich sich der Zahlung der Maßnahmen zu<br />

entziehen und trotzdem von Ihnen, z.B. durch eine höhere<br />

Besucherfrequenz zu profi tieren. Zweimal im Jahr, im März<br />

und im November, wird das über die Steuer eingezogene<br />

Geld dann durch die Finanzverwaltung Chicagos an die<br />

Verwaltung des BID, das Chamber of Commerce ausgeschüttet.<br />

Jedes Jahr kommt es jedoch aufgrund der<br />

unterschiedlichen Umsätze zu sehr unterschiedlichen Zahlungseingängen.<br />

Das BID erhält von der Finanzbehörde<br />

Chicagos jährlich ca. 85.000 $. Eine vernünftige Bilanzierung<br />

des BID ist aufgrund der unklaren Finanzsituation<br />

jedoch nicht möglich, da die ausgeschütteten Beträge von<br />

Jahr zu Jahr doch recht unterschiedlich ausfallen.<br />

TIF<br />

Mit der Einrichtung eines BIDs geht in den USA die<br />

Einrichtung eines TIFs einher. Das Instrument TIF wird<br />

dabei oft für die umliegenden Bereiche des BID, die nicht<br />

vorwiegend durch Einzelhandel genutzt werden eingerichtet.<br />

Das Instrument des TIF stellt im Gegensatz zum BID<br />

jedoch keine Abgabe der Grundeigentümer / Gewerbetreibenden<br />

dar. Das TIF beruht auf der Tatsache, dass<br />

der Immobilienmarkt in den USA in den letzten Jahren<br />

einem kontinuierlichen Wachstumsprozess unterlag. Damit<br />

einhergehend stiegen auch die jährlichen Belastungen der<br />

Grundeigentümer für die Grundsteuer, die sich nach dem<br />

Wert und der Rendite des Bodens / der Immobilie richtet<br />

und durch ein jährliches Gutachterverfahren durch die Gemeinden<br />

festgesetzt wird. Diese Grundsteuer wird, nachdem<br />

ein TIF beantragt und genehmigt wurde, für einen<br />

Zeitraum von 23 Jahren „eingefroren“. An die Gemeinde<br />

wird der volle Betrag an Grundsteuer durch die Grundeigentümer<br />

gezahlt. Der Überschuss, der sich aus der<br />

eingefrorenen Steuerbelastung und dem gezahlten Betrag<br />

ergibt, bildet die Finanzierung des TIFs. Mit Hilfe dieser<br />

Mittel ist z.B. die Renovierung von Gebäuden möglich.<br />

68


B.I.D. Lincoln Square<br />

Zurzeit verfügt das BID Lincoln Square über Mittel von ca.<br />

1.6 Millionen $. Eine Besonderheit dabei stellt das oben<br />

erwähnte SBIF dar, die Möglichkeit der Grundeigentümer<br />

bis zu 75% ihrer Renovierungskosten aus diesen Mitteln<br />

erstattet zu bekommen.<br />

Probleme in der Alltagsarbeit / Grenzen des<br />

Instruments BID<br />

Das Instrument BID ist in Deutschland und nicht zuletzt in<br />

<strong>Hamburg</strong> in der Diskussion um Einzelhandel, öffentlichen<br />

Raum und den Rückzug der öffentlichen Hand allgegenwärtig.<br />

Anhand dieses Praxisbeispiels eines BID in einem<br />

Nachbarschaftszentrum Chicagos, zeigt es sich, dass<br />

durch Eigenengagement der lokalen Grundeigentümer<br />

bzw. Gewerbetreibenden eine Aufwertung des öffentlichen<br />

Raumes im Zuge eines Rückzuges der Gemeinde aus<br />

dieser Aufgabe möglich ist.<br />

diese Mittel werden nur in einem geringen Maße abgerufen,<br />

weil das Programm schlicht weg nicht bekannt ist.<br />

Das Gespräch über das Instrument BID war sehr aufschlussreich.<br />

Die MitarbeiterInnen des BID waren gut vorbereitet<br />

und interessiert an Forschungsarbeiten der TUHH<br />

über das Instrument BID.<br />

Adresse:<br />

Lincoln Square Chamber of Commerce<br />

4732 North Lincoln Avenue, Suite 8<br />

Chicago, IL 60625<br />

Tel (001) (773) 728-3890, Fax (001) (773) 769-4855<br />

www.lincolsquare.org<br />

Einhergehend mit diesen positiven Eindrücken offenbarten<br />

sich jedoch auch die Grenzen des Instruments BID.<br />

Die Abhängigkeit vom Gebaren der lokalen Finanzbehörde<br />

wurde von den MitarbeiterInnen des BID in diesem<br />

Zusammenhang genannt. Die aus vielerlei Gründen unerklärlichen<br />

starken Schwankungen der zugeteilten Abgaben<br />

an die Verwaltung des BID lassen eine betriebswirtschaftliche<br />

Bilanzierung des BID unmöglich werden. Die MitarbeiterInnen<br />

des BID äußerten Zweifel an einem korrekt durchgeführten<br />

Verfahren seitens der Finanzbehörden, könnten<br />

aber aufgrund mangelnder Einfl ussmöglichkeiten wenig<br />

dagegen intervenieren. Als großer Nachteil stellt sich auch<br />

die fehlende Einfl ussmöglichkeit auf genehmigungsrechtliche<br />

Fragen dar. Das Genehmigungsrecht z.B. für die<br />

Erteilung einer Restaurant-Lizenz liegt im Verantwortungsbereich<br />

des lokalen Alderman. Der zuständige Alderman<br />

verweigere beispielsweise die Erteilung weiterer Restaurant-Lizenzen,<br />

eine Einfl ussnahme der Verwaltung des BID<br />

in diesem Falle sei nur schwer möglich, teilte Frau Flynn<br />

mit. In diesem Zusammenhang erklärte Sie auch, das der<br />

Begriff „windy City“, der für Chicago normalerweise aufgrund<br />

der Witterungsverhältnisse verwand wird, sich auch<br />

auf das Feld der Korruption übertragen lasse. Ohne den<br />

Einfl uss von Gefälligkeiten seien oftmals Genehmigungen<br />

nicht zu bekommen, so Frau Flynn.<br />

Am Beispiel des Instruments TIF und den großen Finanzreserven,<br />

wurde deutlich, dass die Einrichtung eines<br />

Instruments oftmals nicht ausreicht, sie muss auch durch<br />

Marketingmaßnahmen begleitet werden. Den Grundeigentümern<br />

stehen bis zu 75% der Renovierungskosten<br />

als Unterstützung im SBIF-Programm zur Verfügung, doch<br />

69


Strategien und Konzepte<br />

„Sicherung urbaner Standorte des produzierenden Gewerbes in Chicago: Die Flächennutzungsplanungsinitiative<br />

der LEED Council, inc.“<br />

Grischa Wunderlich<br />

Aufmerksam auf die LEED Council wurden wir durch<br />

das Buch „Harold Washington and the Neighborhoods“,<br />

welches über die Errungenschaften des ersten<br />

schwarzen Bürgermeisters von Chicago berichtet. Die<br />

Wahl Harold Washingtons (Bürgermeister von Chicago<br />

zwischen 1983-1987) ist Beginn einer neuen Chicagoer<br />

Stadtplanungspolitik. Seine Amtszeit ist geprägt von<br />

einer verstärkten Orientierung auf die lokalen Probleme<br />

in den Nachbarschaften, den „Communities“, und einer<br />

partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit „Grassroot“-Organisationen,<br />

also solchen, die in erster Linie „von unten“<br />

gewachsen und Ergebnis eines besonders starken bürgerschaftlichen<br />

Engagements sind. Als solche wird dort auch<br />

über die LEED Council berichtet.<br />

Die LEED Council ist eine unabhängige not-for-profi t<br />

„Community Development Corporation“ (CDC). Ihr Ziel ist<br />

die Förderung einer gesunden Entwicklung des sogenannten<br />

North River Gewerbekorridors und der an ihn<br />

anschließenden Stadtteile, die Wachstum und Entwicklung<br />

der Wirtschaft erlaubt und Arbeitsplätze sichert.<br />

Für den Besuch der LEED Council begaben wir uns in<br />

die North Marcey Street. Diese liegt nahe des North River<br />

Industrial Corridors (NRIC), der entlang des Chicago<br />

River einen Keil bis ins Zentrum der Stadt bildet. Das<br />

Funktionieren dieses Gewerbedistriktes ist nicht nur das<br />

zentrale Aufgabenfeld der LEED Council, er verdankt ihr<br />

seine Entstehung. Denn, obwohl viele sich hier befi ndende<br />

Gewerbebetriebe eine lange Tradition haben, wurde der<br />

Gewerbedistrikt von der Politik nie als solcher anerkannt.<br />

Vor Ort wurden wir von Michael Holzer, Direktor und<br />

zuständig für die ökonomische Entwicklung des Distriktes,<br />

empfangen. Man führte uns in den großen Besprechungsraum,<br />

des etwas heruntergekommen wirkenden LEED<br />

Council Büros. Michael Holzer hielt einen längeren Vortrag<br />

über den Gewerbedistrikt und die LEED Council, sowie<br />

über deren Ziele, Aufgaben und Projekte. Er erwies sich<br />

auch in der darauf folgenden Diskussion als kompetenter<br />

Gesprächspartner und sehr engagierter Stadtplaner.<br />

Zunächst erläuterte er uns die Geschichte des Gewerbedistriktes:<br />

Ursprünglich war der Distrikt Standort für die<br />

Industrie, die das Wasser des Chicago Rivers zur Produktion<br />

und Verarbeitung nutzte. Dies waren vor allem Leder<br />

herstellende und Fleisch verarbeitende Betriebe. Der Fluss<br />

galt als die fundamentale Infrastruktur für die Industrie.<br />

Besonders drei Standortfaktoren waren Ursache für die<br />

Ansiedlung der Unternehmen hier: Die guten Transportmöglichkeiten,<br />

die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und<br />

die Nähe zu den Absatzmärkten. Der North River Industrial<br />

Corridor, ca. 2 Meilen nordwestlich von Downtown<br />

Chicago gelegen, hat einst 40.000 Menschen Arbeit<br />

geboten. Verschiedene Faktoren hatten in den späten<br />

1970er und den frühen 1980er Jahren einen negativen<br />

Einfl uss auf die dort ehemals 1.200 ansässigen Betriebe<br />

des produzierenden Gewerbes. (vgl. LEED Council (2003),<br />

S.1) Zu diesen Faktoren zählten u.a. die Rezession, die<br />

ausländische Konkurrenz und der wohl am wichtigsten<br />

einzustufende: Die sich immer weiter ausdehnende Wohnnutzung<br />

der Lincoln Park und Near North Communities.<br />

In den innerstädtischen Bereichen setzte eine starke Gentrifi<br />

kation ein. Bereits bis 1985 hatte sich sowohl die Zahl<br />

der dortigen Arbeitsplätze als auch die der angestammten<br />

Unternehmen halbiert. Die Immobilienspekulationen haben<br />

sich seitdem intensiviert und die Interessen der Developer,<br />

der neuen Bewohner und der verbliebenen Betriebe<br />

drifteten immer weiter auseinander. Immer häufi ger waren<br />

dem zuständigen Alderman Anträge auf Änderungen der<br />

Flächennutzungspläne zugegangen. Demnach sollte mehr<br />

Wohn- und weniger Gewerbenutzung ausgewiesen werden,<br />

um insbesondere altindustrielle Gebäude in Lofts umbauen<br />

zu können. Die weit verbreitete Meinung war, das<br />

innenstadtnahe Gewerbestandorte keine Standortvorteile<br />

gegenüber außerhalb des Stadtkerns liegenden Standorten<br />

böten. Somit wurde die schleichende Transformation<br />

des Gewerbekorridors durch die in Chicago immens<br />

kleinräumig organisierte Flächennutzungsplanung akzeptiert<br />

oder sogar forciert.<br />

Konfrontiert mit den einsetzenden Problemen wurde 1982<br />

die LEED Council (Local Economic and Employment<br />

Development Council, inc.) gegründet. Sie ist aus der New<br />

City YMCA hervorgegangen und fi nanziert sich hauptsächlich<br />

durch ihre Mitglieder. Die wichtigste Erkenntnis war zu<br />

Beginn, dass ansässige Betriebe keineswegs langfristig<br />

in jedem Fall einen Standortwechsel anstrebten. Viele<br />

Betriebe waren zufrieden mit ihrem Standort. Vielmehr<br />

waren es der von außen kommende Druck und Konfl ikte<br />

mit neu angrenzenden Nutzungen, die Planungsunsicherheiten<br />

erzeugten und letztendlich zu Standortverlagerungen<br />

führten (vgl. Clavel (1991), S.228). Die LEED Council<br />

wollte vor allem den Druck auf die lokalen Wirtschaftsbetriebe<br />

verringern. Holzer hob jedoch hervor, dass die LEED<br />

Council nicht als reine Interessensvertretung der Wirtschaft<br />

zu begreifen sei. Als Produkt der YMCA, kümmere sich die<br />

LEED Council vielmehr um die gemeinsamen Interessen<br />

von Wirtschaft und der lokalen Community, also in erster<br />

Linie um die Sicherung des Gewerbestandorts auf der<br />

einen und um die Sicherstellung lokaler Arbeitsplätze auf<br />

der anderen Seite.<br />

70


Leed Council<br />

Die LEED Council kümmert sich heute zum Beispiel um<br />

die Verbesserung der Infrastruktur, die Organisation von<br />

Verkehr und Stellplätzen und um die Verfügbarkeit von<br />

Arbeitskräften. Auch die Fortbildung und Vermittlung von<br />

Arbeitskräften an lokale Firmen zählt zu den Aufgaben der<br />

LEED Council.<br />

Wichtigstes Instrument der LEED Council ist aber das<br />

Flächennutzungsplanungsinstrument PMD (Planned<br />

Manufacturing District). Das Instrument wurde von der<br />

LEED Council entwickelt und 1988 rechtlich verankert.<br />

Entwickelt wurde es durch eine hybride Planungsgruppe,<br />

bestehend vor allem aus Gewerbebetrieb-Besitzern und<br />

gering verdienenden Anwohnern. Bürgermeister Harold<br />

Washington war der erste Politiker, der sich für den Erhalt<br />

des Gewerbekorridors durch PMDs aussprach. Ziel des<br />

PMDs war die Schaffung einer Grenze, innerhalb derer<br />

keine weiteren Flächennutzungsänderungen zugunsten<br />

von Wohnnutzungen vorgenommen werden durften. Die<br />

LEED Council differenzierte jedoch innerhalb des PMDs<br />

die Nutzungen weiter aus. Auch Einzelhandelsnutzungen<br />

wurden dabei größtenteils verboten. Durch die Einrichtung<br />

von PMDs wurde einerseits Planungssicherheit für die<br />

ansässigen Industrien geschaffen und der Druck von den<br />

Flächen genommen. Andererseits wurden dadurch auch<br />

Konversionen von Flächen in der Umgebung unumstritten<br />

durchführbar und Konfl ikte zwischen neuen Wohneigentümern<br />

und emissionsstarken Betrieben verhindert.<br />

Zudem schützt heute eine „Pufferzone“ aus Dienstleistungs-<br />

und Handelsbetrieben vor Konfl ikten zwischen<br />

den unterschiedlichen Nutzungen. Zunächst 1988 für den<br />

Abschnitt des Clybourn Corridor errichtet, folgten weitere<br />

PMDs für den „Elston corridor“, Goose Island (beide 1990)<br />

und Chicago-Halsted (2000).<br />

Gestützt wird das PMD-Instrument durch das Instrument<br />

TIF (Tax Increment Financing Districts). Das Prinzip des<br />

Tax Increment Financing wird seit den sechziger Jahren für<br />

die Finanzierung von größeren Stadterneuerungsprojekten<br />

angewandt. Die Idee ist denkbar einfach: In einem zuvor<br />

defi nierten Quartier wird ein TIF von der Stadtverwaltung<br />

gegründet. In den Folgejahren (zumeist zehn) gehen die<br />

Steuereinnahmen, die über das Niveau des Gründungsjahres<br />

hinausgehen, in einen Sonderfond. Die durch ein<br />

Stadterneuerungsvorhaben in diesem Zeitraum erwartete<br />

Steuermehreinnahme wird Grundlage für eine Kommunalanleihe,<br />

die während der Dauer des TIFs durch die TIF<br />

Einnahmen abgezahlt wird. Nach Ablauf des TIFs fl ießen<br />

dann die erhöhten Einnahmen wieder in den allgemeinen<br />

Haushalt der Kommune. Die eingenommenen Gelder<br />

wurden (in diesem Fall) für die Entwicklung der lokalen Industrie<br />

und Infrastruktur sowie für Fortbildungsprogramme<br />

für Arbeitnehmer eingesetzt.<br />

Nicht unumstritten sind PMDs in Chicago. Die Flächennutzung<br />

wird auch hier, wie fast immer in den Vereinigten<br />

Staaten, vor allem durch den Markt geregelt. Insofern<br />

haftet den PMDs auch immer das Stigma der Fortschrittsfeindlichkeit<br />

an, da der Grund und Boden des Korridors<br />

nicht auf die (fi nanziell) effektivste Weise genutzt würde<br />

(vgl. University of Michigan). Hier verwies Holzer auf die<br />

alle 10 Jahre stattfi ndende Evaluation der Arbeit der LEED<br />

Council in Kooperation mit <strong>Universität</strong>en. PMDs seien kein<br />

Instrument, welches für immer Gültigkeit besitze. Sollten<br />

sie nicht mehr der Stadtteilgemeinschaft dienen, könnten<br />

sie auch nach ihrer Laufzeit abgeschaft werden.<br />

Bemerkenswert an dem gesamten Prozess ist vor allem,<br />

dass hier Flächennutzungsplanung Ergebnis eines Prozesses<br />

ist, der in gemeinschaftlicher Arbeit von privaten und<br />

Bürger-Organisationen an die Politik herangetragen wurde.<br />

Hier wird ganz deutlich, welchen völlig anderen Stellenwert<br />

Planung in US-Amerika haben kann.<br />

Quellen:<br />

Clavel, Pierre; Wiewel, Wim. 1991 „Harold Washington and the<br />

Neighborhoods: progressive city government in Chicago, 1983-<br />

1987“ New Brunswick, New Jersey: Rutgers University Press<br />

Internet:<br />

LEED Council: „About LEED Council.“ (http://www.leedcouncil.<br />

org/aboutus.asp). Zugriff: 14.11.05<br />

LEED Council: „The LEEDer. A Newsletter from the local<br />

economic and employment development council.“ 2003 (http://<br />

www.leedcouncil.org/pdf/Leeder_sept2003_page1.pdf), Zugriff:<br />

14.11.05<br />

Neighborhood Capital Budget Group: „How do TIFs affect<br />

industry and jobs in Chicago?.“ (http://www.ncbg.org/tifs/jobs.<br />

htm), Zugriff 14.11.05<br />

University of Michigan: „Industrial Retention Programs -<br />

Chicago’s North River Industrial Corridor.“ (http://www.umich.<br />

edu/~econdev/indust_reten/), Zugriff 14.11.05<br />

71


Leed Council<br />

PMDs: (LEED Council: http://www.leedcouncil.org/pdf/maps/map1.png, Zugriff 14.11.05)<br />

72


Zeitplan<br />

73

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