PDF ansehen - The Boston Consulting Group
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Versorgungsmanagement<br />
Der strategische Zukunftstrend im deutschen<br />
Gesundheitsmarkt<br />
Ein Working Paper von <strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong><br />
Oktober 2008
Vorwort<br />
Die "Working Papers" der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> geben Einblick in die Beratungs praxis<br />
und interne Diskussion strategischer <strong>The</strong>men und Positionen.<br />
Sie stellen Konzepte vor, die aus unterschiedlichen Einzelprojekten mit vergleichbarer<br />
Fragestellung entwickelt wurden, um die gewonnenen Erkenntnisse aktuell auch einem<br />
weiteren Kreis von Interessierten zur Verfügung zu stellen.<br />
Die "Working Papers" verstehen sich als Zwischenberichte und Inspirationsquelle für die<br />
individuelle, konkretisierende und weiterführende Diskussion strategischer <strong>The</strong>men in<br />
der Praxis.<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 1 Working Paper
Inhalt<br />
1. Einleitung: Versorgungsoptimierung –<br />
der entscheidende Ansatz zur Reform des deutschen Gesundheitssystems 3<br />
2. Ausgangssituation: Von einem stark regulierten Gesundheitssystem zu neuen<br />
Versorgungsmodellen 5<br />
3. Der BCG-Ansatz: Integrierter Managementkreislauf als tragende Säule<br />
der Versorgungsoptimierung 7<br />
4. Zwischenfazit: Nachhaltige Erfolgsstorys fehlen – Versorgungsmanagement<br />
als Aufgabe für Pioniere 14<br />
5. Konsequenzen für die Akteure – Chancen und Herausforderungen<br />
für Kostenträger und Leistungserbringer 16<br />
6. Fazit: Versorgungsmanagement – der strategische Zukunftstrend im<br />
deutschen Gesundheitssystem 20<br />
Fallstudien 20<br />
Autoren 22<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 2 Working Paper
1. Einleitung<br />
Versorgungsoptimierung – der entscheidende Ansatz<br />
zur Reform des deutschen Gesundheitssystems<br />
Das Gesundheitssystem ist in Deutschland<br />
seit Jahren Gegenstand zahlreicher politischer<br />
Reformen, die zum Ziel haben,<br />
◊ erstens eine qualitativ hochwertige Vollversorgung der<br />
Gesamtbevölkerung zu ermöglichen,<br />
◊ zweitens gleichzeitig das Wachstum der Gesundheitsausgaben<br />
vor allem in Relation zum Wachstum des BSP<br />
zu begrenzen<br />
◊ und schließlich drittens die nachhaltige Finanzierung<br />
des Gesundheitssystems sicherzustellen.<br />
Daher konzentriert sich ein Teil der politischen Anstrengungen<br />
vor allem auf die Ausgaben und Kosten des Gesundheitssystems,<br />
also darauf, die nach wie vor existierenden<br />
Optimierungspotenziale in der Gesundheitsversorgung<br />
auszuschöpfen. Trotz einer insgesamt hohen Qualität der<br />
Patientenversorgung sowohl im ambulanten als auch im<br />
stationären Bereich lässt sich gerade im Vergleich mit anderen<br />
Ländern eine erhebliche Fehlallokation von Ressourcen<br />
vermuten. Insbesondere im europäischen Vergleich<br />
zeigt sich, dass andere Länder für ein vergleichbares Niveau<br />
ihrer Gesundheitsversorgung weniger ausgeben.<br />
Vier grundsätzliche Defizite lassen Optimierungspoten -<br />
ziale in der Gesundheitsversorgung vermuten:<br />
◊ Fehlallokation der Ressourcen und daraus folgende<br />
Unter- sowie auch Überversorgung<br />
◊ Mangelnde Messbarkeit und Erfolgstransparenz innerhalb<br />
von Versorgungsstrukturen<br />
◊ Ineffektive Steuerung von Versorgung, z. B. nicht zielkonforme<br />
Anreizgestaltung oder mangelnde Verzahnung<br />
der beteiligten Akteure<br />
Das oberste Ziel einer Optimierung ist es, gleichzeitig die<br />
Qualität der Gesundheitsversorgung und die Kosteneffizienz<br />
der Patientenversorgung zu verbessern. Angesichts<br />
dieses übergeordneten Ziels lassen sich vor dem Hintergrund<br />
der derzeitigen Versorgungspraxis in Deutschland<br />
folgende Teilziele ableiten:<br />
◊<br />
◊<br />
Vermeidung von Fehl- und Nichtdiagnosen<br />
Optimierung von Leistungstypen und -mengen, d. h.<br />
−− Vermeidung von Über-, aber auch Unterversorgung<br />
entlang Diagnostik, Medikation, Heil- und Hilfsmitteln<br />
usw.<br />
−− Vermeidung und Verkürzung stationärer Aufenthalte<br />
und Verlagerung in den ambulanten Bereich<br />
−− Vermeidung unnötiger Facharztkonsultationen<br />
◊<br />
Fehlende Datentransparenz und Defizite im Datenaustausch<br />
zwischen Leistungserbringern<br />
◊<br />
Steigerung der Prozesseffizienz innerhalb der Sektoren<br />
und an den Schnittstellen, z. B. durch Vermeidung von<br />
Doppeluntersuchungen<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 3 Working Paper
Abb. 1: Das deutsche Gesundheitssystem hat hohe Standards, aber auch hohe Ausgaben<br />
Qualitätsindex 1<br />
(in %)<br />
100<br />
Optimizing<br />
Overspending<br />
NL<br />
75<br />
EU-Durchschnitt<br />
FIN<br />
HU<br />
I<br />
SE<br />
DK<br />
B<br />
F<br />
D<br />
CH<br />
€ 50 Mrd.<br />
Gesamte Gesundheitsausgaben<br />
2004<br />
E<br />
GB<br />
P<br />
1. Euro Health Consumer Index 2006<br />
Quelle: Euro Health Consumer Index 2006; OECD Health Data 2006<br />
Underfunded<br />
Need to restructure<br />
50<br />
7<br />
8 9 10 11 12<br />
Gesundheitsausgaben<br />
(in % des BSP 2004)<br />
Versorgungsoptimierung und -management sind der entscheidende<br />
Schlüssel für die Optimierung der Gesundheitsversorgung.<br />
Die Verbesserung der medizinischen Versorgungsqualität<br />
ebenso wie die effizientere Gestaltung der<br />
Versorgungsprozesse stellen alle Akteure vor erhebliche<br />
Herausforderungen, hier bieten sich aber auch attraktive<br />
strategische Optionen. Dabei wird die Optimierung einhergehen<br />
mit der Entwicklung von neuen Versorgungsansätzen,<br />
Marktstrukturen und Geschäftsmodellen, welche<br />
die Gesundheitslandschaft in Deutschland substanziell und<br />
nachhaltig verändern werden. Alle Akteure im deutschen<br />
Gesundheitswesen – Kostenträger, Leistungserbringer und<br />
Pharma- bzw. Medizintechnikunternehmen – werden sich<br />
zukünftig auf sich verändernde Rahmenbedingungen einstellen<br />
müssen.<br />
Ziel dieses Working Paper der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> ist<br />
es, grundlegende Ansätze und Modelle für Versorgungsoptimierung<br />
zu analysieren, darzustellen und davon ausgehend<br />
strategische Implikationen für die wichtigsten<br />
Akteure des deutschen Gesundheitssystems – Leistungserbringer,<br />
gesetzliche und private Krankenversicherungen<br />
sowie Zulieferer (Pharma- und Medizintechnikindustrie<br />
u. a.) – zu formulieren.<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 4 Working Paper
2. Ausgangssituation<br />
Von einem stark regulierten Gesundheitssystem<br />
zu neuen Versorgungsmodellen<br />
Historisch gesehen ist die Gesundheitsversorgung<br />
in Deutschland ein stark regulierter<br />
Bereich: Die verschiedenen Leistungssektoren<br />
sind voneinander getrennt und<br />
haben unterschiedliche Finanzierungsmechanismen.<br />
In der ambulanten Versorgung regeln fixe<br />
Kollektivbudgets die Vergütung der Ärzte, und auch im<br />
stationären Bereich gelten fix verhandelte Budgets in Kombination<br />
mit DRGs. Erst seit wenigen Jahren ist überhaupt<br />
Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen<br />
(GKVen) möglich, der sich zusehends verschärft.<br />
In den letzten Jahren haben sich vor allem mit dem GKV-<br />
GMG (2004), dem AVWG (2006) und dem GKV-WSG (2007)<br />
die jeweiligen Bundesregierungen bemüht, Rahmenbedingungen<br />
zu schaffen, die den Optimierungsprozess<br />
der Versorgung bezüglich Qualität, Effektivität und Kosteneffizienz<br />
fördern. Die Maßnahmenpakete wurden und<br />
werden in der deutschen Gesundheitslandschaft durchaus<br />
kontrovers diskutiert. Zudem sind Konsistenz und leider<br />
teilweise auch Zielkongruenz der einzelnen Maßnahmen<br />
und Regelungen nicht immer gegeben. Dennoch: Vier<br />
Grundelemente können als entscheidende Rahmen -<br />
be dingungen für die Entstehung von Ansätzen, Strukturen<br />
und Märkten zur Versorgungsoptimierung gelten:<br />
◊ Stärkung wettbewerblicher Elemente, insbesondere<br />
zunehmender Möglichkeiten selektiver Vertragsabschlüsse<br />
mit Leistungsanbietern und -nachfragern<br />
◊<br />
Förderung sektorübergreifender Integration<br />
◊ Schaffung zielführender Anreizstrukturen und Vergütungsrahmen<br />
◊<br />
Einführung von Kosten-Nutzen-Bewertungen<br />
Durch die Einführung wettbewerblicher Elemente und<br />
deren Förderung ergeben sich neue wettbewerbliche<br />
Differenzierungsmöglichkeiten für Kostenträger und Leistungserbringer.<br />
Insbesondere die gesetzlichen Krankenversicherungen<br />
haben nun die Möglichkeit, für die Leistungserbringer<br />
gezielte Anreize zu setzen, um mehr Effizienz<br />
bei gleichzeitiger Sicherung eines hohen Qualitätsniveaus<br />
in der Patientenversorgung durchzusetzen.<br />
Wichtigster Hebel ist dabei die Öffnung des bisherigen<br />
Kollektivsystems durch Einführung selektiv-vertraglicher<br />
Möglichkeiten, wie z. B. die integrierte Versorgung nach<br />
§ 140a–d, Haus- und Facharztmodelle nach § 73b, c oder<br />
auch Arzneimittelrabattverträge nach § 130a SGB V.<br />
Grundsätzlich ist durch die Reformschritte im Rahmen<br />
des GKV-GMG, des AVWG oder auch des GKV-WSG inzwischen<br />
ein breites Instrumentarium für eine Optimierung<br />
der Gesundheitsversorgung verfügbar.<br />
Diese neuen gesetzlichen Möglichkeiten (die Tabelle auf<br />
der Folgeseite zeigt nur einen Ausschnitt mit den wichtigsten<br />
gesetzlichen Regelungen) haben vor allem im Bereich<br />
der integrierten Versorgung zu einer Vielzahl von sehr<br />
kleinen, subregionalen und insgesamt sehr heterogenen<br />
Projekten geführt.<br />
Verschiedene "innovative Versorgungskonzepte" wurden<br />
und werden derzeit in Deutschland im Sinne eines "Trialand-Error-Prozesses"<br />
erprobt. Wie im folgenden Kapitel<br />
noch genauer diskutiert, haben sich dabei allerdings noch<br />
keine nachhaltig erfolgreichen, skalierbaren Versorgungs-<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 5 Working Paper
Gesetzgeber schafft neue Möglichkeiten für die Optimierung der Gesundheitsversorgung<br />
§ 73b SGB V Hausarztzentrierte Versorgung<br />
§ 73c SGB V Besondere ambulante ärztliche Versorgung<br />
§ 95 SGB V Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung<br />
§ 140a–d SGB V Integrierte Versorgung<br />
§ 116b SGB V Ambulante Behandlung in Krankenhäusern<br />
§ 118 SGB V Psychiatrische Institutsambulanzen<br />
§ 137f SGB V Strukturierte Behandlungsprogramme<br />
bei chronischen Krankheiten<br />
Krankenkassen können Hausärzte für ihre Verträge nach § 73b auswählen, Einbindung der KV nicht<br />
notwendig; kein Recht auf Vertragsabschluss<br />
Möglichkeit für Selektivverträge zwischen GKVen und Ärzten aller Fachrichtungen<br />
Möglichkeit für Ärzte aller Fachrichtungen, sich örtlich und organisatorisch zusammenzuschließen<br />
Spezielle Förderung von sektorübergreifenden bzw. fachlich-interdisziplinären Versorgungskonzepten<br />
• Bereitstellung Anschubfinanzierung nach § 140d SGB V (in Höhe von 1 % der Gesamtvergütung)<br />
Möglichkeit für Krankenkassen, mit zugelassenen Krankenhäusern Verträge über die ambulante ärztliche<br />
Behandlung zu schließen<br />
Möglichkeit für psychiatrische Krankenhäuser zur ambulanten psychiatrischen Versorgung der Versicherten<br />
Möglichkeit zur Entwicklung von strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke<br />
modelle herausgebildet. Langfristig werden sich nur diejenigen<br />
Versorgungsansätze durchsetzen, die<br />
◊<br />
regional oder fachbereichsspezifisch übertragbar und<br />
skalierbar sind und<br />
◊<br />
einen Qualitätssprung in der Patientenversorgung bei<br />
einem gleichzeitig nachhaltigen Kosteneffekt nachweisen<br />
können,<br />
◊<br />
unabhängig von personellen oder strukturellen Sonderkonstellationen<br />
durchführbar sind.<br />
Abb. 2: Derzeit heterogene und stark fragmentierte Landschaft von "neuen"<br />
Versorgungsmodellen in Deutschland<br />
Norddeutsches<br />
Herznetz<br />
Integrierte<br />
Versorgung 1<br />
Hausarztverträge<br />
MVZ<br />
MuM<br />
Bundesweit<br />
AOK<br />
Polikum<br />
Charité<br />
Anzahl<br />
Verträge<br />
5.583 70 1.023<br />
Anzahl<br />
MVZ 2<br />
Prosper<br />
KKH – Die Kaufmännische<br />
Barmer<br />
ArztPartner almeda<br />
Röhn-Klinikum<br />
Helios Klinikum<br />
Anzahl<br />
Patienten<br />
3,9 Mio. 5,9 Mio. 4.445<br />
Anzahl<br />
Ärzte<br />
UGOM<br />
IDA<br />
Qualinet<br />
Gesundes<br />
Kinzigtal<br />
DAK<br />
Healthways<br />
Praxisnetz<br />
mammaNetz<br />
GMZ<br />
Patienten<br />
pro Vertrag<br />
705 84.000 Ca. 4<br />
Ärzte pro<br />
MVZ<br />
Welche Ansätze setzen sich langfristig durch?<br />
1. Stand: 31.07.2008 2. Von den 1.023 MVZ laufen 363 MVZ unter Krankenhausbeteiligung<br />
Quelle: Gemeinsame Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140d SGB V; http://www.krankenkassenratgeber.de; BCG-Analyse<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 6 Working Paper
3. Der BCG-Ansatz<br />
Integrierter Managementkreislauf als tragende Säule<br />
der Versorgungsoptimierung<br />
Eine Ursache für den bisher fehlenden durchschlagenden<br />
Erfolg innovativer Versorgungskonzepte<br />
ist aus Sicht der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong><br />
<strong>Group</strong>, dass sich viele Projekte nur auf einzelne<br />
inhaltliche oder prozessuale Aspekte der<br />
Versorgung konzentrieren. Eine nachhaltige Optimierung<br />
der Gesundheitsversorgung erfordert jedoch einen integrierten<br />
Managementansatz. Dieser beginnt mit der Erstellung<br />
eines stringenten Versorgungsmanagementkonzepts,<br />
stellt operative Exzellenz bei Datenmanagement, Controlling/Evaluation<br />
sowie Steuerung sicher und muss die effektive<br />
Anwendung von (neuen und innovativen) Ansätzen<br />
zur Unterstützung der Leistungserbringung und Patientenbehandlung<br />
berücksichtigen. Die eigentliche Leistungserbringung<br />
ist damit eingebettet in einen Managementkreislauf,<br />
der kontinuierlich eine hohe Qualität, Effektivität<br />
und Kosteneffizienz der Versorgung sicherstellt.<br />
Abbildung 3 veranschaulicht diesen integrierten Managementkreislauf:<br />
Abb. 3: Integrierter Managementansatz der Versorgungsoptimierung<br />
Potenziale<br />
Versorgungsoptimierung<br />
Ziele<br />
Fehldiagnosen/<br />
Nichterkennung<br />
Überversorgung mit<br />
Medikamenten,<br />
Heil- und Hilfsmitteln<br />
Hospitalisierung<br />
Unnötige<br />
Facharztkonsultationen<br />
Versorgungskonzeptentwicklung<br />
Steuerung<br />
Leistungserbringung<br />
Datenerhebung<br />
und<br />
-management<br />
Steigerung von<br />
Qualität<br />
Effektivität<br />
Kosteneffizienz<br />
der Versorgung<br />
Ineffiziente Prozesse<br />
Ineffiziente<br />
Schnittstellen/<br />
Doppeluntersuchungen<br />
Controlling und<br />
Evaluation<br />
Quelle: BCG-Analyse<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 7 Working Paper
Dieser Managementansatz der Versorgungsoptimierung<br />
ist universell anwendbar – unabhängig von Programmumfang<br />
und regionaler Ebene des Versorgungskonzerns.<br />
Er eignet sich für verschiedene Ebenen, also für<br />
◊ die überregionale Gesamtversorgungsebene, z. B. für<br />
Programme einer überregionalen Krankenkasse,<br />
◊ die regionale Versorgungsebene, z. B. regionale Hausarztmodelle,<br />
◊<br />
◊<br />
Ansätze zur fachrichtungsübergreifenden oder sektorübergreifenden<br />
Integration von Leistungserbringern (z. B.<br />
medizinische Versorgungszentren, Bildung von Arztnetzen<br />
und vertikale Integration von ambulanter und<br />
stationärer Versorgung) sowie<br />
Versorgungsmodelle für schwerwiegende Indikationen, also<br />
Weiterentwicklungen der heutigen DMPs und der sogenannten<br />
integrierten Versorgung nach § 140a–d<br />
SGB V<br />
◊ indikations- oder fachrichtungsspezifische Programme<br />
sowie<br />
◊<br />
kleine, subregionale Pilotprojekte.<br />
Derzeit gibt es in der deutschen Versorgungslandschaft<br />
bereits verschiedene Typen von übergreifenden Modellen,<br />
mit denen versucht wird, Gesundheitsversorgung entlang<br />
einer dieser vier Ebenen zu optimieren. Vor allem<br />
◊<br />
Hausarztmodelle,<br />
sind aus unserer Sicht vielversprechende Ansätze, die in<br />
Zukunft noch stärker als bisher ausgebaut werden sollten.<br />
Für diese muss der beschriebene integrierte Managementansatz<br />
neben der medizinischen Leistungsfähigkeit des<br />
Versorgungsansatzes die zweite tragende Säule sein.<br />
Für den beschriebenen integrierten Managementansatz<br />
haben wir entlang der einzelnen Stufen Konzeptentwicklung,<br />
Datenerhebung und -management, Controlling und<br />
Evaluation sowie Steuerung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit<br />
– Optimierungshebel (sogenannte "Enabler") ermittelt,<br />
die zusammen die Grundlage für eine nachhaltige<br />
Versorgungsoptimierung bilden. Abbildung 5 zeigt im<br />
Abb. 4: Ein integrierter Managementkreislauf optimiert bestehende Versorgungsformen<br />
Leistungsangebot<br />
Prävention<br />
Maximalversorgung<br />
Versorgungsmanagement<br />
Versorgungskonzeptentwicklung<br />
Präventionsprogramme/AG-Programme<br />
(§ 20a SGB V)<br />
Hausarztmodelle<br />
(Gatekeeping)<br />
(§ 73b SGB V)<br />
Medizinische<br />
Versorgungszentren<br />
(MVZ)<br />
(§ 95 SGB V)<br />
Horizontale Integration 1<br />
(§§ 116a, b und<br />
118 SGB V)<br />
Facharztmodelle<br />
(§ 73c SGB V)<br />
Qualitätsverträge<br />
(§ 136 SGB V)<br />
Strukturierte Behandlungsprogramme<br />
(z. B. DMPs)<br />
nach gesetzlichen Vorgaben<br />
(§ 137f SGB V) für vorgegebene<br />
chronische Krankheiten<br />
Disease-Management-<br />
Programme (DMPs)<br />
außerhalb § 137f. SGB V, z. B. für<br />
nicht definierte Krankheiten oder<br />
schwerste Erkrankungen bei<br />
einer geringen Zahl Betroffener<br />
Steuerung<br />
Leistungserbringung<br />
Datenerhebung<br />
und<br />
-management<br />
Modellvorhaben für strukturierte<br />
Behandlungsprogramme<br />
(§§ 63ff. SGB V)<br />
Controlling und<br />
Evaluation<br />
Integrierte Versorgung 2<br />
(§ 140a–d SGB V) für grundsätzlich alle Indikationen, solange die Versorgung verschiedene<br />
Leistungssektoren umfasst oder interdisziplinär-fachübergreifend erfolgt<br />
1. Z. B. Institutsambulanzen 2. Integrierte Versorgung in verschiedenen Umsetzungsformen denkbar<br />
Quelle: BCG-Analyse<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 8 Working Paper
Abb. 5: "Enabler" der Versorgungsoptimierung ...<br />
... werden in Deutschland noch nicht voll genutzt<br />
Konzeptentwicklung<br />
Behandlungspfade und -module<br />
Managementkonzepte<br />
Datenerhebung<br />
und -management<br />
Controlling<br />
und Evaluation<br />
Elektronische Gesundheitskarte/Patientenakte<br />
Optimierung Datenflüsse, IT-Infrastruktur, Software und Schnittstellen<br />
"Outcomes"-Assessment<br />
Kostencontrolling<br />
Leistungserbringer Profilierung/Credentialing<br />
Qualitätsmanagement<br />
Risikostratifizierung<br />
(z. B.<br />
Predictive<br />
Modeling)<br />
Selektives Kontrahieren mit Leistungserbringern<br />
Steuerung<br />
Leistungserbringervergütung (Anreizsysteme und Rabattverträge)<br />
Patientensteuerung und -Incentives<br />
Leistungssteuerung<br />
Patientenedukation und -einbindung ("Self-Empowerment")<br />
Ansätze zur<br />
Unterstützung der<br />
Behandlung<br />
Telemedizin/Telemonitoring/eHomecare und "Self-Care"<br />
Nichtärztliche (mobile) Leistungserbringung (Nurse-Service)<br />
"Patienten-Compliance"-Programme (Call-Center, SMS-Reminder)<br />
Personalisierte Medizin/"<strong>The</strong>ranostics"<br />
Quelle: BCG<br />
Gute Ansätze vorhanden Erste Ansätze von mäßigem Reifegrad Keine bzw. erste Ansätze<br />
Überblick die Vielfalt der Instrumente für jede Stufe des<br />
integrierten Managementansatzes. Wie aus der Abbildung<br />
ersichtlich wird, werden in Deutschland viele dieser "Enabler"<br />
für die Optimierung der Gesundheitsversorgung<br />
noch nicht voll genutzt.<br />
Konzeptentwicklung<br />
Für die Konzeptentwicklung sind vor allem analytischstrukturierende<br />
Fähigkeiten sowie eine sehr gute Kenntnis<br />
der strukturellen, prozessualen und inhaltlichen Basis von<br />
Versorgungsabläufen innerhalb der relevanten Region und<br />
gegebenenfalls der Fachrichtung gefragt. Auf dieser Basis<br />
sind standardisierte Behandlungspfade und -module zu entwickeln,<br />
die eine substanzielle Verbesserung der Versorgungsqualität<br />
und eine Verminderung von Ineffizienzen<br />
ermöglichen. Hier seien einige wenige, aber illustrative<br />
Beispiele für Elemente solcher Konzepte aufgeführt:<br />
◊ Systematische Verlagerung von stationären Behandlungen<br />
in den ambulanten Bereich (z. B. Etablierung<br />
eines ambulanten Bezugstherapeuten- und Bezugspflegesystems<br />
in der Schizophrenieversorgung)<br />
◊ Systematische Erhöhung der Effektivität von Facharztkonsultationen<br />
und Spezialleistungen durch vorgelagerte<br />
Steuerungselemente (z. B. Etablierung von Gatekeeping-Ansätzen<br />
in der Hausarztversorgung)<br />
◊ Erhöhung der Versorgungsabdeckung in versorgungsstrukturschwachen,<br />
ländlichen Regionen durch mobile<br />
Pflegedienste (z. B. AGnES-Projekt in Mecklenburg-<br />
Vorpommern)<br />
◊ Instrumente zur Verringerung der Inanspruchnahme<br />
von Ärzten durch innovative Informationssysteme<br />
( telefon- oder internetbasiert) oder patientennahe Angebote<br />
(Angehörigenedukation, Selbsthilfegruppen,<br />
Patenprogramme)<br />
Ein gutes und zielführendes Versorgungskonzept allein<br />
reicht aber als Grundlage für Versorgungsoptimierung nicht<br />
aus. Es muss ergänzt werden durch ein Managementkonzept,<br />
in dem die drei weiteren Kernelemente des skizzierten<br />
Managementkreislaufs – Datenmanagement, Controlling/<br />
Evaluation und Steuerung – so gestaltet werden, dass das<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 9 Working Paper
Behandlungskonzept auch in der Praxis umgesetzt werden<br />
kann. Aus einer Vielzahl von Gesprächen wissen wir, dass<br />
viele gute Versorgungsideen und -konzepte in der Realität<br />
an fehlender Transparenz, struktureller Komplexität, mangelnder<br />
Managementkompetenz, politischem Widerstand<br />
von Kernakteuren und vor allem an nicht zielkon formen<br />
Steuerungsmechanismen scheitern bzw. ihr volles Potenzial<br />
nicht entfalten können. Insofern steht und fällt der<br />
Erfolg eines Versorgungsansatzes mit dem Potenzial des<br />
(medizinischen) Behandlungspfads sowie der Qualität und<br />
Stringenz des (nichtmedizinischen) Managementkonzepts.<br />
Daher erfordert gerade die Konzeptentwicklung ein hohes<br />
Maß an interdisziplinärer Verzahnung von analy tischen,<br />
medizinischen, politischen, strategischen und prozessualen<br />
Kompetenzen.<br />
Datenerhebung und -management<br />
Ein häufig unterschätzter Bestandteil von Versorgungsmanagement<br />
und -optimierung ist die Erhebung, Analyse<br />
und vor allem der Austausch relevanter Daten zwischen<br />
den Akteuren einer Versorgungsstruktur. In Deutschland<br />
gibt es eine Reihe datenschutzrechtlicher Bestimmungen,<br />
welche die Rahmenbedingungen des Datenmanagements<br />
festlegen und zum Teil sehr stark limitieren. Das berechtigte<br />
Datenschutzinteresse des Patienten steht hier an der<br />
einen oder anderen Stelle dem Interesse an Transparenz<br />
im Versorgungssystem entgegen. In vielen Projekten wird<br />
auf Basis einfacher und gleichsam handgestrickter Datenund<br />
IT-Lösungen gearbeitet. Datenaustausch und Vernetzung<br />
zwischen den Kernakteuren findet häufig nicht statt.<br />
Das Versorgungsmanagement gleicht so regelmäßig einem<br />
Blindflug. Dies stellt gerade für die nachgelagerten Stufen<br />
des integrierten Managementansatzes – das Controlling<br />
und vor allem die Steuerung – ein großes Problem dar. Die<br />
relativ eingeschränkte Verfügbarkeit belastbarer Erfolgsdaten<br />
im Bereich integrierter Versorgung ist aus unserer<br />
Sicht ein klares Indiz für große Potenziale in diesem Bereich<br />
des Versorgungsmanagements.<br />
Langfristig sehen wir im Bereich Datenerhebung und -management<br />
drei "Enabler", die mittel- bzw. langfristig das<br />
Abb. 6: Umfangreiche Datenflüsse erfordern umfassende IT-Infrastruktur und<br />
wohldefinierte Schnittstellen<br />
Sender<br />
Empfänger<br />
Hausärzte<br />
Fachärzte<br />
Managementgesellschaft<br />
Krankenhäuser/Reha<br />
Stationäre/<br />
ambulante<br />
Pflege<br />
Apotheke<br />
Patienten<br />
GKV/PKV<br />
Hausärzte<br />
Fachärzte<br />
Krankenhäuser/Reha<br />
Stat./amb.<br />
Pflege<br />
• Qualitätsdaten<br />
• Überweisungen<br />
• Patientendaten<br />
• Qualitätsdaten<br />
• Verordnungen<br />
• Überweisungen<br />
• Einschätzungen/Befunde<br />
• Behandlungsempfehlungen<br />
• Patientenakten<br />
• Einschätzungen/<br />
Befunde<br />
• Behandlungsempfehlungen<br />
• Patientenakten<br />
• Entlassungsberichte<br />
• Arztbriefe<br />
• Patientenakten<br />
• Einschätzungen/<br />
Zweitmeinungen<br />
• Patientenakten<br />
• Persönliche<br />
Daten<br />
• Medizinische<br />
Daten (z. B.<br />
Symptome, auch<br />
telemedizinisch)<br />
• Informationen<br />
zum Arzneimittelverbrauch<br />
(für<br />
Wirtschaftlichkeitsprüfung)<br />
• Informationen zu<br />
Rabattverträgen<br />
• Registrierung<br />
von Patienten<br />
Je nach<br />
Ausgestaltung:<br />
• Verträge<br />
• Behandlungsmodule<br />
• Arzneimittellisten<br />
• Qualitätsberichte<br />
Apotheke<br />
• Verschreibungsdaten, Rezepte<br />
• Rezepte<br />
• Software Update<br />
für Arzneimittelrabattverträge<br />
Patienten<br />
• Verschreibungen<br />
• Broschüren zur Patienten-Edukation<br />
• Rechnungen (Privatpatienten)<br />
• Informationen<br />
• Rechnungen 4<br />
• Verschreibungen<br />
• Z. B. Kontakte<br />
• Rechnungen 4<br />
• Abrechnungen<br />
von Erstattungen<br />
• Generelle Info. 1<br />
• Schulungsmat.<br />
• Einschreibungen<br />
GKV/PKV<br />
• Diagnose- und Abrechnungsdaten<br />
• AU-Bescheinigungen<br />
• Befunddokumentation bei DMPs<br />
• Diagnose- und Abrechnungsdaten<br />
• Einzelabrechnungen<br />
• Versorgungsvert.<br />
• Abrechnungen<br />
• Controllingdaten<br />
Managementgesellschaft<br />
• Input für Entwicklung von Behandlungspfaden<br />
• Registrierung von Patienten (ggf. inkl. Patientenakten)<br />
• Feedback für<br />
Evaluation und<br />
QM (Beteiligung)<br />
• Versorg.-Vertr.<br />
• Patientendaten<br />
• Abrechnungsdat.<br />
Andere<br />
• Pflegevers. 2<br />
• Unfallvers.<br />
• Pflegevers. 3<br />
• Öffentlichkt. (PR)<br />
• Gesellschafter<br />
(Jahresbericht)<br />
1. Z. B. über Beitragssatzänderungen, Patientenschulungen, Krankengeld, Mutterschutz 2. Ggf. zur Abrechnung der Pflege 3. Ausgleich zwischen verschiedenen Kostenträgern 4. Für Privatpatienten und bei<br />
Selbstbehalt<br />
Anmerkung: Derzeit sind noch nicht alle dargestellten Datenflüsse digitalisiert<br />
Quelle: BCG-Analyse<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 10 Working Paper
Potenzial haben, das Versorgungsmanagement substanziell<br />
zu verbessern:<br />
großen Spielern der IT-Branche in den USA pilotiert<br />
(z. B. Google Health, Microsoft Health Vault).<br />
◊<br />
◊<br />
Die elektronische Gesundheitskarte – ein Konzept, das in<br />
verschiedenen Ausbaustufen derzeit in Deutschland mit<br />
unterschiedlicher Resonanz pilotiert wird (z. B. elektronische<br />
Gesundheitskarte der BARMER Krankenversicherung).<br />
Kernfunktionalitäten sind dabei die Speicherung<br />
administrativer Daten und das elektronische<br />
Rezept. Weitere Ausbaustufen könnten zukünftig die<br />
Speicherung von Arztbriefen und Notfalldaten umfassen<br />
bis schließlich hin zu den Funktionalitäten einer<br />
elektronischen Patientenakte.<br />
Die elektronische Patientenakte, die sämtliche den Krankheits-<br />
und Behandlungsverlauf eines Patienten betreffenden<br />
Daten zusammenführt und verwaltet (z. B. Befunddaten<br />
und Diagnosen, Behandlungsverlauf und<br />
-ergebnis, zugehörige Korrespondenz). Die elektronische<br />
Patientenakte in Patientenhand wird gerade von den<br />
◊ Die Optimierung von Datenflüssen und die Vernetzung zwischen<br />
den Akteuren des Versorgungssystems durch IT-<br />
Plattformen und -Lösungen. Abbildung 6 gibt einen<br />
ersten Eindruck von den Herausforderungen für die<br />
Regelung von Datenflüssen und Schnittstellenmanagement<br />
zwischen den Akteuren in einem Versorgungssystem.<br />
Controlling und Evaluation<br />
Das dritte Kernelement zur Versorgungsptimierung ist<br />
Controlling und Evaluation. In der deutschen Versorgungslandschaft<br />
sehen wir auch in diesem Bereich erhebliches<br />
Optimierungspotenzial. Eine konsequente Anwendung des<br />
verfügbaren Instrumentariums ist aus unserer Sicht eine<br />
Grundvoraussetzung für die weitere Entwicklung und Optimierung<br />
von Versorgungskonzepten. Die zentralen "Enabler"<br />
für Controlling und Evaluation sind:<br />
Abb. 7: Versorgungsanalysen sind Ausgangspunkt für gezielte Interventionen<br />
Ergebnis<br />
Analyse identifizierter Bereiche<br />
auf Versichertenebene<br />
Versicherte eines Clusters<br />
Risikostratifizierung<br />
(exemplarisches Risikoprofil)<br />
Kosten des Versicherten YZ pro Jahr (in €)<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
Historisch<br />
Zukünftig<br />
Analyse identifizierter Bereiche<br />
auf Versichertenebene<br />
Level 1<br />
Level 2<br />
4 5 6 7 8 9 10<br />
Kündigerwahrscheinlichkeit<br />
A B C D E F G H I J 1 2 3<br />
Kosten<br />
Disease-<br />
Management<br />
Versorgungsmanagement<br />
für Hochrisikopatienten<br />
0<br />
0 – 9 40 – 49<br />
Arzneimittel<br />
Krankenhaus<br />
Alter<br />
> 90<br />
Ärzte<br />
Zahnärzte<br />
Level 3<br />
Unterstütztes Selbstmanagement<br />
Quelle: BCG-Analyse<br />
Identifizierung von<br />
Versichertengruppen mit<br />
chronischen Erkrankungen<br />
Risikomodellierung<br />
des einzelnen Patienten<br />
Auswahl der adäquaten<br />
Intervention mit der<br />
richtigen Intensität<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 11 Working Paper
◊<br />
Qualitätsmanagement, das streng genommen als ein über<br />
das eigentliche Controlling hinausgehender kontinuierlicher<br />
Prozess der Verbesserung der Versorgungsqualität<br />
zu verstehen ist, dessen zentrale Grundvoraussetzung<br />
die Überwachung von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen<br />
ist.<br />
erbringer bis hin zum Kostenträger – gegenüberstehen.<br />
Dies ist generell sehr schwierig und dürfte nicht immer<br />
möglich sein.<br />
Ein Überblick über die wichtigsten Elemente und Ansätze<br />
der Steuerung ist Abbildung 8 zu entnehmen:<br />
◊ Risikostratifizierung, d. h. die Aggregation und personenbezogene<br />
Auswertung von Versichertendaten über<br />
Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie darauf basierend<br />
die Vorhersage von Erkrankungsrisiko und Versorgungsbedarf<br />
und damit der wahrscheinlichen Kosten<br />
von Versicherten. Eine Methode der Risikostratifizierung,<br />
die bei vielen US-amerikanischen HMOs und DMP-<br />
Anbietern (z. B. Healthways) zur Anwendung kommt,<br />
ist das "Predictive Modeling". Abbildung 7 illustriert das<br />
generelle Prinzip dieser Methode, für die sich inzwischen<br />
in den USA ein kleiner, aber wachsender Markt mit<br />
proprietären und kommerziellen Softwarelösungen<br />
etabliert hat.<br />
◊ Outcomes-Assessment, d. h. die Kontrolle des medizinischen<br />
Ergebnisses eines Versorgungskonzepts anhand spezifischer<br />
Indikatoren für die Behandlungsqualität<br />
◊ Kostencontrolling, d. h. die Kontrolle der ökonomischen<br />
Ergebnisse eines Versorgungssystems<br />
◊ Credentialing und Benchmarking von Leistungserbringern,<br />
worunter die entscheidungsorientierte Evaluierung von<br />
Leistungserbringern auf Basis der oben beschriebenen<br />
Elemente zu verstehen ist. Sie sollte Grundlage für Maßnahmen<br />
des Qualitätsmanagements, aber auch für den<br />
Ein- oder Ausschluss von Leistungserbringern in Selektivverträgen<br />
sein.<br />
Steuerung<br />
Das Herzstück jedes Managementansatzes zur Optimierung<br />
von Gesundheitsversorgung ist die effektive und effiziente<br />
Steuerung aller Akteure im Gesundheitssystem entlang<br />
dem gesamten Versorgungsprozess. Die große Herausforderung<br />
für das Versorgungsmanagement ist dabei, Steuerungsanforderungen<br />
einerseits, aber auch die damit<br />
verbundene Einschränkung von Spielräumen und Wahlfreiheiten<br />
andererseits in Einklang zu bringen. Dies wird<br />
nur gelingen, wenn den Einschränkungen entsprechende<br />
Anreize für alle – vom Patienten über den Leistungs-<br />
◊<br />
◊<br />
Selektives Kontrahieren: Die Bedeutung dieses Elements<br />
für die Optimierung der Gesundheitsversorgung kann<br />
nicht hoch genug eingeschätzt werden. Insofern stellen<br />
die selektivvertraglichen Möglichkeiten, die durch das<br />
GKV-GMG, das AVWG und GKV-WSG ermöglicht wurden,<br />
eine wichtige Voraussetzung für nachhaltige Versorgungsoptimierung<br />
dar. Die große Herausforderung für<br />
die Krankenkassen wird es zukünftig sein, geeignete<br />
Vertragspartner zu finden und mit ihnen Verträge zu<br />
schließen. Das theoretische Spektrum der Optionen<br />
reicht hier von Verträgen mit "klassischen" Partnern<br />
wie den Kassenärztlichen Vereinigungen über andere<br />
Zusammenschlüsse von Leistungserbringern wie Verbänden<br />
oder Ärztenetzen bis hin natürlich zu der aufwändigen<br />
Einzelkontrahierung.<br />
Leistungserbringervergütung: Dieses Element entfaltet<br />
als finanzieller Anreiz für alle wesentlichen Leistungserbringer<br />
eine ganz zentrale Steuerungswirkung. Nur<br />
durch ein zielkonformes und stringentes Anreizsystem<br />
ist sichergestellt, dass ein Versorgungskonzept bzw. ein<br />
Behandlungspfad tatsächlich in die Praxis überführt<br />
werden kann. Die große Herausforderung ist es, das<br />
Anreizsystem so auszugestalten, dass die Leistungserbringer<br />
zur Erbringung einer hohen Versorgungsqualität<br />
ebenso angeregt werden wie zu einer kosteneffizienten<br />
Leistungserbringung. Außerdem muss das<br />
Anreizsystem den Leistungserbringer für die Einschränkung<br />
von Freiheitsgraden bei der <strong>The</strong>rapiegestaltung<br />
entschädigen. (So wird der Wert der "<strong>The</strong>rapiefreiheit<br />
des Arztes" von Ärztevertretern in Debatten und Verhandlungen<br />
gern als Argument gegen alle Managementansätze,<br />
die diese <strong>The</strong>rapiefreiheit zumindest hinterfragen<br />
und diskutieren, ins Feld geführt.) In der Praxis<br />
müssen sich die Krankenversicherer hier auf einem sehr<br />
schmalen Grat bewegen, das heißt, sie müssen einerseits<br />
sicherstellen, dass die Anreize spürbar sind und den<br />
kontrahierten Leistungserbringer tatsächlich steuern,<br />
andererseits aber darauf achten, dass die zusätzlichen<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 12 Working Paper
◊<br />
Anreize durch resultierende Einsparungen überkompensiert<br />
werden.<br />
Patientensteuerung und -Incentives: Dieses Element soll<br />
Anreize für Patienten zu einem kostenbewussten und<br />
gesundheitsbewussten Verhalten setzen. Dies kann die<br />
Einschränkung von Freiheiten bei der Wahl von Leistungserbringern<br />
bedeuten. Viele Kassen haben in<br />
Deutschland begonnen, über Leistungswahltarife und<br />
Beitragswahltarife solche Anreize in ihre Produkte zu<br />
integrieren. Die entscheidende Frage ist, inwiefern dieses<br />
Instrument mit der Einführung des Gesundheitsfonds<br />
2009 weiter ausgebaut werden kann.<br />
◊ Leistungssteuerung: Dieses Element umfasst verschie -<br />
dene Teilelemente, die eine optimale Allokation von<br />
Versorgungsleistungen und eine Vermeidung von Überversorgung<br />
sicherstellen sollen.<br />
Abb. 8: Steuerung ist das "Herzstück" des Versorgungsmanagements<br />
Konzeptentwicklung<br />
Datenerhebung<br />
und -management<br />
Controlling<br />
und Evaluation<br />
Selektivverträge mit<br />
Ärzten<br />
Selektives Kontrahieren mit Leistungserbringern<br />
Selektivverträge mit<br />
Krankenhäusern<br />
Leistungserbringervergütung<br />
Patientensteuerung und -Incentives<br />
Selektivverträge mit<br />
Reha- und Pflegeanbietern<br />
Ärztevergütung Krankenhausvergütung Rabattverträge<br />
Steuerung<br />
Leistungswahltarife<br />
Beitragswahltarife<br />
Spezifische Incentives<br />
Ansätze zur<br />
Unterstützung der<br />
Behandlung<br />
Gatekeeping/<br />
Case-Mgmt.<br />
Leistungssteuerung<br />
Behandlungspfade<br />
Demand-<br />
Management<br />
Utilization-<br />
Review<br />
Positivlisten<br />
Quelle: BCG-Analyse<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 13 Working Paper
4. Zwischenfazit<br />
Nachhaltige Erfolgsstorys fehlen – Versorgungsmanagement<br />
als Aufgabe für Pioniere<br />
Die meisten Ansätze zur Versorgungsoptimierung<br />
sind bislang den Nachweis schuldig<br />
geblieben, die Qualität und die Kosteneffizienz<br />
der Versorgung nachhaltig gesteigert<br />
zu haben. Die Ursachen dafür liegen<br />
stets in einer mangelhaften Umsetzung eines der vier<br />
vorgestellten wesentlichen Elemente des Versorgungsmanagements.<br />
Abbildung 9 zeigt eine Bewertung bestehender innovativer<br />
Versorgungskonzepte aus Sicht der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong><br />
<strong>Group</strong> auf Basis von Analysen und einer Vielzahl von<br />
Experteninterviews und illustriert dies schematisch. Die<br />
Übersicht verdeutlicht, dass bei genauer, nüchterner und<br />
realistischer Betrachtung nur in sehr eingeschränktem<br />
Maße nachweisbare Erfolge erzielt werden konnten.<br />
Abb. 9: Versorgungsoptimierung ist mehr als gute Leistungserbringung<br />
Hohe Potenziale in Deutschland entlang der "Versorgungsoptimierungskette"<br />
Integration<br />
LE 1<br />
Präventionsprogramme<br />
Hausarztmodelle<br />
Facharztmodelle<br />
Integrierte<br />
Versorgung RSA-DMPs Freie DMPs<br />
Konzeptentwicklung<br />
Datenerhebung<br />
und -management<br />
Controlling<br />
und Evaluation<br />
Steuerung<br />
Ansätze zur<br />
Unterstützung der<br />
Behandlung<br />
Qualität/<br />
Kosteneffizienz<br />
0 ~ ~ ~ + 0 ~ ~ 0 0 0 0 0 +<br />
1. LE = Leistungserbringer<br />
Gute Ansätze vorhanden Erste Ansätze von mäßigem Reifegrad Keine bzw. erste Ansätze<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 14 Working Paper
Aus Gründen der Fairness sei aber auch betont, dass Versorgungsoptimierung<br />
und -management in einem strukturell<br />
und politisch so komplexen Bereich wie dem deutschen<br />
Gesundheitswesen eine große Herausforderung darstellen.<br />
Die wichtigsten Gründe wurden bereits genannt: nach wie<br />
vor starke sektorale Trennung, unterschiedliche Finanzierungsmechanismen,<br />
historisch begründetes Misstrauen<br />
zwischen Kostenträgern, Patienten und Leistungserbringern<br />
und nicht zuletzt eben auch das Fehlen eines stringenten<br />
Managements.<br />
Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass das<br />
<strong>The</strong>ma Versorgungsoptimierung in der deutschen Öffentlichkeit<br />
prinzipiell sehr kritisch diskutiert wird. Zwar hat<br />
sich im öffentlichen Diskurs die Ansicht durchgesetzt, dass<br />
auch im Gesundheitswesen eine gewisse Kostenkontrolle<br />
notwendig ist; in welchem Rahmen dies aber zu geschehen<br />
hat, wird äußerst kontrovers diskutiert. Vor allem die Idee,<br />
Managementprinzipien im Gesundheitssystem anzuwenden,<br />
aber auch die mit Versorgungsoptimierung verbundene<br />
potenzielle Einschränkung von Wahlrechten und<br />
Leistungen für Patienten werden in der Öffentlichkeit sehr<br />
kritisch gesehen. Das liegt aus unserer Sicht wesentlich<br />
daran, dass Versorgungsoptimierung vor allem als Instrument<br />
zur Kostensenkung gesehen wird und dabei die Erhöhung<br />
der Versorgungsqualität als gleichwertiges Ziel zu<br />
wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert wird. Insofern<br />
lastet auf allen Akteuren im Gesundheitssystem die besondere<br />
Verantwortung, stets beide Seiten der Medaille<br />
"Versorgungsoptimierung" zu verdeutlichen.<br />
Auch der Blick ins Ausland zeigt bei genauerer Betrachtung<br />
nur wenige wirkliche "Best Practice"-Beispiele, die nachweisbar<br />
und nachhaltig Versorgungsqualität und -effizienz<br />
verbessern und somit als Vorbild dienen können. Ein vielzitiertes<br />
und in der Tat sehr erfolgreiches Beispiel ist Kaiser<br />
Permanente, eine "Not-for-Profit-HMO" mit Sitz in<br />
Kalifornien. Wie die beigefügte Fallstudie am Ende dieses<br />
Working Paper zeigt, konnten im kalifornischen Versorgungssystem<br />
von Kaiser Permanente Qualität und Kosteneffizienz<br />
der Versorgung substanziell und nachweisbar<br />
gesteigert werden. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben,<br />
dass sich dieses Erfolgsmodell nicht auf andere US-<br />
Bundesstaaten übertragen ließ und seine Übertragbarkeit<br />
auf deutsche Verhältnisse nur sehr eingeschränkt möglich<br />
ist. Dennoch kann dieses Modell sicherlich als eines von<br />
wenigen nachhaltigen Erfolgs modellen angesehen werden.<br />
Trotz dieser skeptischen Bestandsaufnahme glauben wir,<br />
dass sich Versorgungsoptimierung in den nächsten Jahren<br />
als strategisches Kernfeld im deutschen Gesundheitsmarkt<br />
herausbilden wird und sich neue Geschäftsmodelle und<br />
Marktstrukturen etablieren werden. Dabei erwarten wir<br />
eine Entwicklung weg von kleinen, subregionalen Pilotprojekten<br />
hin zu größeren, weit weniger fragmentierten,<br />
regionalen und/oder fachrichtungsbezogenen Versorgungsmodellen,<br />
in denen<br />
◊ ein höherer Professionalisierungsgrad erreicht werden<br />
kann,<br />
◊ substanzielle Skaleneffekte – vor allem in Bezug auf die<br />
oben geschilderten Managementelemente – realisiert<br />
werden können und<br />
◊ eine größere Risikostreuung in der abgedeckten Patientenpopulation<br />
erzielt wird.<br />
All dies wird dazu führen, dass die oben geschilderten<br />
Optimierungspotenziale in der Gesundheitsversorgung<br />
tatsächlich – zumindest in Teilen – zukünftig realisiert<br />
werden können.<br />
Damit eröffnet sich ein weites und von den wichtigsten<br />
Akteuren im Gesundheitssystem bislang unbearbeitetes<br />
Betätigungsfeld mit großen Gestaltungsmöglichkeiten für<br />
die Pioniere der Versorgungsoptimierung.<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 15 Working Paper
5. Konsequenzen für die Akteure<br />
Chancen und Herausforderungen für Kostenträger<br />
und Leistungserbringer<br />
Kostenträger als "Hauptnachfrager"<br />
von Versorgungsoptimierung und<br />
-management<br />
Eine zentrale Rolle bei dieser Entwicklung hin zu neuen<br />
Marktstrukturen für Versorgungsoptimierung werden die<br />
Kostenträger spielen. Sie stehen mit Einführung des Gesundheitsfonds<br />
ab dem 1. Januar 2009 noch stärker im<br />
Wettbewerb als bisher und müssen durch effiziente Versorgungsstrukturen<br />
ihre Kostenposition verbessern und<br />
sich dabei gleichzeitig durch qualitativ hochwertige Programme<br />
im Wettbewerb um die Versicherten positiv differenzieren.<br />
Aus diesem Grund wird jede Krankenversicherung für sich<br />
zunächst ein mittelfristiges Konzept entwickeln müssen,<br />
in dem sie die strategischen Ziele, Schwerpunkte und zeitlichen<br />
Prioritäten für Versorgungsoptimierung definiert.<br />
Ausgangspunkte eines solchen Konzepts sollten konkrete<br />
Qualitäts- und Kostenziele entlang bestimmten Patientenpopulationen<br />
(regionale oder indikationsspezifische Betrachtung)<br />
oder strukturelle Ziele sein. Jede Krankenver-<br />
Abb. 10: Vier "klassische" Geschäftsmodelle<br />
Produktgeschäft<br />
1 2 3 4<br />
Programmanbieter<br />
Versorgungsübernahme<br />
Serviceanbieter<br />
Produkt- und<br />
Lösungsanbieter<br />
Versorgungsübernahme<br />
Konzeptentwicklung<br />
Datenerhebung<br />
und -management<br />
Steuerung<br />
Controlling<br />
und Evaluation<br />
Regionale,<br />
indikationsspezifische<br />
Versorgung, z. B.<br />
"MCO-Modell"<br />
Cross-sektoral<br />
integrierter<br />
Leistungserbringer,<br />
z. B.<br />
"MVZ-Modell"<br />
Aufbau und<br />
Vertrieb von<br />
Versorgungselementen,<br />
z. B. Präventionsprogramme,<br />
Chronikerprogramme<br />
(DMPs)<br />
Versorgungskonzeptentwicklung und Beratung<br />
"Managementleistungen",<br />
z. B.<br />
Netzmanagement,<br />
Administration<br />
etc.<br />
IT-<strong>Consulting</strong> und Softwarelösungen<br />
Electronic-Patient-<br />
File-Platform<br />
Evaluationskonzepte<br />
Predictive-Modeling-<br />
Solutions<br />
Unterstützung der<br />
Behandlung<br />
DMP-Services und -Execution, z. B Homecare-<br />
Services, Patientenedukationsprogramme,<br />
Call-Center/Reminder-Services<br />
Telemonitoring-Solutions<br />
Integrierte Projekte<br />
(Diagnostics + Drug)<br />
Quelle: BCG-Analyse<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 16 Working Paper
sicherung steht dabei vor der fallweisen Entscheidung, wie<br />
sie ihre Strategien zur Versorgungsoptimierung konkret<br />
umsetzen will und kann. Erstens könnte die Krankenversicherung<br />
die Versorgungsstrukturen und -prozesse selbst<br />
aktiv gestalten und auch die konkrete Umsetzung befördern.<br />
Zweitens könnte sich die Versicherung aber auch für einen<br />
Kooperations- oder Servicepartner entscheiden, der ihr<br />
Konzeptentwicklung, Organisation und Umsetzung abnimmt.<br />
Oder der Krankenversicherer könnte drittens<br />
schließlich darauf setzen, Versorgungsmanagement auf<br />
Basis von Globalbudgets oder Capitation-Modellen an<br />
Dritte auszulagern und ledig lich über die Finanzierungsströme<br />
zu steuern.<br />
Es ist damit die klassische "Make or Buy"-Entscheidung,<br />
welche jede Krankenversicherung für sich treffen muss.<br />
Die nächste Herausforderung ist es, den passenden Partner<br />
zu finden, mit dem sich die Strategien zur Versorgungsoptimierung<br />
am besten umsetzen lassen. Wir gehen davon<br />
aus, dass sich die Krankenversicherer – abhängig von den<br />
konkreten Herausforderungen der spezifischen Versorgungssituation<br />
– vielfältiger Instrumente und Partnerkonstellationen<br />
bedienen werden.<br />
Die Fähigkeit einer Krankenversicherung, in diesem Management<br />
der Versorgung eine zentrale und steuernde<br />
Rolle einzunehmen, wird mittel- bis langfristig der entscheidende<br />
Erfolgsfaktor für ihr Geschäftsmodell sein.<br />
Die anderen Akteure im deutschen Gesundheitsmarkt<br />
stehen somit vor der Herausforderung bzw. Gelegenheit,<br />
sich in diesem dynamischen, noch relativ unstrukturierten<br />
Umfeld gegenüber den Kostenträgern zu positionieren.<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> sieht dabei vier "idealtypische"<br />
Geschäftsmodelle für potenzielle Versorgungsmanagementanbieter<br />
(Abbildung 10).<br />
Die Modelle Serviceanbieter sowie Produkt- und Lösungsanbieter<br />
stellen klassische ("Zulieferer"-)Geschäftsmo -<br />
delle im Gesundheitsmarkt dar, die sich entlang dem Trend<br />
zur Versorgungsoptimierung im Bezug auf die spezifische<br />
Angebotspalette und die Marktstrukturen weiterent -<br />
wickeln werden. Neue Geschäftsmodelle stellen hingegen<br />
Programm anbieter und mehr noch die Versorgungsübernahme<br />
dar – mit noch wenig etablierten, sehr fragmentierten<br />
und heterogenen Markt- und Wettbewerbsstrukturen.<br />
Abb. 11: Das Versorgungsübernahmemodell<br />
Budgetübernahme<br />
(z. B. Capitation)<br />
"MCO"<br />
"Versorgungsübernahme"<br />
Selektivverträge,<br />
Vergütung<br />
Leistungserbringer<br />
Allgemeinärzte<br />
Versorgungskonzeptentwicklung<br />
Kasse<br />
Ggf. Einschreibung<br />
Steuerung<br />
Leistungserbringung<br />
Datenerhebung<br />
und<br />
-management<br />
Spezialisten<br />
Krankenhaus<br />
Controlling und<br />
Evaluation<br />
Pflege<br />
Patient<br />
Behandlung<br />
Versicherungsvertrag/-beitrag<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 17 Working Paper
Besonders interessant ist aus unserer Sicht das Modell<br />
Versorgungsübernahme, in dem der Anbieter das sektorübergreifende<br />
Management der Versorgung einer Patientenpopulation<br />
in einer Region entweder komplett oder<br />
fachgruppen-/indikationsspezifisch von der Konzeptentwicklung<br />
über Datenmanagement, Controlling und<br />
Evaluation bis zur Steuerung komplett für den Kunden, in<br />
der Regel einen Kostenträger, übernimmt. Im einfachsten<br />
Fall ist eine solche Versorgungsübernahme als "Managementgesellschaft"<br />
organisiert, die beispielsweise im Auftrag<br />
einer Krankenversicherung ("Fee for Service") agiert und<br />
heute vor allem beim Management kleinerer, "integrierter"<br />
Versorgungsprojekte anzutreffen ist. In komplexeren Konstruktionen,<br />
die der eigentlichen Intention des Modells<br />
eher gerecht werden, ist sogar die Übertragung von Globalbudgets<br />
oder patientenbezogenen Einzelbudgets ("Capitation")<br />
vom Kostenträger auf die Managementgesellschaft<br />
denkbar (siehe schematisch dazu Abbildung 11). In diesem<br />
Modell erhält der Kostenträger Budget-, Planungs- und<br />
Qualitätssicherheit, während der Managementpartner<br />
partiell an den erzielten Effizienzerhöhungen wie bspw.<br />
Einsparungen partizipiert. Für die Akzeptanz solcher Modelle<br />
ist es unerlässlich, den ökonomischen Erfolg des<br />
Managementpartners gleichermaßen an Qualitäts- und<br />
Effizienzziele zu koppeln. Andernfalls würde dieses Modell<br />
sehr schnell als "Billigversorgung" diskreditiert – wie<br />
etwa bei einer Reihe von "For-Profit-HMOs" in den USA<br />
geschehen.<br />
Für die konkrete Ausgestaltung des Modells der Versorgungsübernahme<br />
gibt es eine Vielzahl von konkreten<br />
Ausgestaltungsoptionen. Die wichtigsten Entscheidungsparameter<br />
sind in Abbildung 12 zusammengefasst.<br />
Herausforderungen und Chancen für<br />
Leistungserbringer und Zulieferer<br />
Die Leistungserbringer im ambulanten wie im niedergelassenen<br />
Bereich müssen sich zukünftig auf weitere Konsolidierung<br />
und Marktbereinigung einstellen. Für sie wird<br />
sich also die Wettbewerbsintensität weiter erhöhen. Diese<br />
Neustrukturierung der Versorgungslandschaft bietet für<br />
aktive, innovative und kooperationsbereite Leistungserbringer<br />
aber auch zahlreiche Chancen, gerade in ökonomischer<br />
Hinsicht. Sie kennen ihre Patienten wie auch<br />
optimale Behandlungspfade und -prozesse am besten, sie<br />
können das Potenzial medizinisch-technischer Neuerungen<br />
am besten und zudem frühzeitig einschätzen.<br />
Abb. 12: Grundmodell entlang 10 zentralen Fragen variierbar<br />
Leistungen<br />
und<br />
Ausdehnung<br />
Welche Indikationen? Indikationsspezifisch Fachbereichsspezifisch Vollabdeckung<br />
Welche Regionen? Regional begrenzt Gesamtregion<br />
Welche Patienten? Selektiv/Einschreibung Gesamtpool Patienten<br />
Budget und<br />
Risiko<br />
Kostenübernahme? Indikationskosten Indikationsunabhängige<br />
Patientengesamtkosten<br />
Budgetierungsmodell? Globalbudget<br />
Kopfpauschale Komplexleistungspauschale<br />
Risikoübernahme? Volle Budgetverantwortung Cap-Modelle, Risikoausschlüsse<br />
Vergütungsmodelle<br />
Leistungserbringer?<br />
Capitation<br />
Fee for Service<br />
Steuerungsrahmen<br />
Welche Leistungserbringer? Selektivverträge Gesamtpool Leistungserbringer<br />
Leistungserbringereinbindung? Anstellung Exklusivverträge Nichtexklusive Verträge<br />
Patientenwahlfreiheit<br />
Leistungserbringer?<br />
Closed Panel<br />
Open Panel<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 18 Working Paper
Damit können sie sich als Partner in integrierten Versorgungsstrukturen,<br />
z. B. in dem oben beschriebenen Modell<br />
der "Versorgungsübernahme" sehr gut positionieren. Voraussetzung<br />
dafür ist aber die Ergänzung des medizinischen<br />
Know-hows durch Managementkompetenzen. Die POLI-<br />
KUM Gruppe in Berlin ist ein Modellbeispiel für einen<br />
Leistungsanbieter, der über die Verknüpfung von medizinischem<br />
Know-how und Managementansätzen versucht,<br />
das "klassische" Leistungserbringergeschäftsmodell hin<br />
zu einem Versorgungsübernahmemodell hin zu erweitern.<br />
(Vergleiche auch Fallstudie am Ende dieses Working Papers.)<br />
Für Zulieferer wie beispielsweise die Pharmaindustrie<br />
erhöht sich durch systematisches Versorgungsmanagement<br />
der Preisdruck insbesondere bei Produkten mit wenig<br />
Differenzierungspotenzial weiter. Durch Selektivverträge<br />
und Programme zur Optimierung der Arzneimittelkosten<br />
– Stichwort Positivlisten – wird der Marktzugang zum Teil<br />
eingeschränkt. Dennoch: Zulieferer, gleich ob Pharmaunternehmen<br />
oder Hersteller von Medizintechnik, müssen<br />
sich für die neuen Versorgungsstrukturen öffnen. Denn<br />
für sie bietet sich die Möglichkeit, ihre zum Teil hervorragenden<br />
indikationsspezifischen Kompetenzen sowie ihren<br />
Zugang zu Ärzten und Entscheidungsträgern zu nutzen,<br />
um sich als aktiver und attraktiver Partner in der Versorgungsoptimierung<br />
jenseits ihres bisherigen Kerngeschäfts<br />
zu positionieren und damit<br />
◊ den Marktzugang für ihre Produkte abzusichern und<br />
sich im Wettbewerb zu differenzieren sowie<br />
◊ neue strategische Geschäftsfelder zu erschließen und<br />
sich vom Arzneimittelzulieferer zum Anbieter von <strong>The</strong>rapielösungen<br />
fortzuentwickeln.<br />
Eine typische Rolle für die Pharmaindustrie ist z. B. die<br />
eines Programmanbieters, der etwa ein Produkt in Verbindung<br />
mit einem Compliance-fördernden Service anbietet.<br />
Erste Ansätze dafür sind bereits bei einer Reihe von<br />
Firmen in Diskussion oder befinden sich in der konkreten<br />
Umsetzung. Wir gehen davon aus, dass die Anbieter mittelfristig<br />
eine Reihe von neuen Aktivitäten und Geschäftsmodellen<br />
im Markt etablieren werden.<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 19 Working Paper
6. Fazit<br />
Versorgungsmanagement – der strategische Zukunftstrend<br />
im deutschen Gesundheitssystem<br />
Wir sind der Überzeugung, dass sich die<br />
Optimierung der Gesundheitsversorgung<br />
angesichts der sich ändernden<br />
politischen Rahmenbedingungen und<br />
eines neuen Marktumfelds der Krankenversicherer<br />
in den nächsten Jahren als strategisches<br />
Kernfeld im deutschen Gesundheitsmarkt herausbilden<br />
wird. Entsprechend werden sich neue Geschäftsmodelle<br />
und Marktstrukturen etablieren. In diesem Zusammenhang<br />
sehen wir einen deutlichen Trend von kleinen, subregionalen<br />
Pilotprojekten hin zu größeren, weit weniger fragmentierten,<br />
regionalen und indikations- oder fachrichtungsbezogenen<br />
Strukturen. Dies wird mit einer Professionalisierung<br />
des Versorgungsmanagements (Konzeptentwicklung,<br />
Datenmanagement, Controlling/Evaluation und<br />
Steuerung) einhergehen. Alle Akteure des Gesundheitsmarktes<br />
stehen somit vor der Herausforderung, sich in<br />
diesen sich entwickelnden Märkten und Strukturen, die<br />
für sie sowohl Chancen als auch Risiken beinhalten, zu<br />
positionieren.<br />
Drei ausgewählte Fallbeispiele zeigen abschließend den<br />
Erfolg innovativer, "neuer" Geschäftsmodelle, die auf einen<br />
stark integrierten Managementansatz setzen:<br />
Fallstudien<br />
POLIKUM – Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) für ambulante Versorgung in Berlin<br />
Ausgangssituation:<br />
POLIKUM arbeitet als medizinisches Versorgungszentrum<br />
im Sinne eines ambulanten Vollversorgers. Die Zusammenarbeit<br />
von Haus- und Fachärzten, Apotheke sowie weiteren<br />
Heilberufen erfolgt unter einem Dach. Ziel ist das Angebot<br />
einer integrierten Vollversorgung bei Übernahme der Budgetverantwortung<br />
für die Patienten. Zudem plant POLIKUM<br />
die Eröffnung weiterer MVZ im Bundesgebiet.<br />
Erste Indizien weisen auf einen massiven Rückgang der<br />
stationären Einweisungen sowie auf eine Senkung der Arzneimittelverordnung<br />
hin.<br />
POLIKUM nutzt neue Handlungsspielräume und entlastet<br />
vor allem Ärzte von bürokratischen Aufgaben und dem<br />
Risiko der Selbständigkeit:<br />
• Optimale IT-Unterstützung aller medizinischen Prozesse<br />
und Zentralisierung der Verwaltung<br />
• Eigene Managementgesellschaft<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 20 Working Paper
Prosper – Modell der integrierten Versorgung der Knappschaft<br />
Ausgangssituation:<br />
Die Knappschaft profitiert in ihrem integrierten Versorgungsmodell<br />
Prosper von einer historisch einzigartigen<br />
Ausnahmesituation, welche die Einheit von Versicherungsund<br />
Versorgungsfunktion erlaubt, was sonst in Deutschland<br />
nicht möglich ist. Dadurch entsteht ein wirkliches Vollversorgungsnetz,<br />
das Kostenträger (Kranken-, Renten- und<br />
Pflegeversicherung) sowie Leistungserbringer (niedergelassene<br />
Ärzte, Kliniken, Rehazentren) integriert und für<br />
alle Teilnehmer dieses Versorgungsnetzes durch ein<br />
gemeinschaftliches Budget eine wirtschaftliche Einheit<br />
bildet.<br />
Nachweisbare Qualitätsverbesserung und Kosteneinsparung<br />
Das Versorgungsmodell Prosper der Knappschaft zeigt<br />
somit einen bereits stark integrierten Managementansatz:<br />
• Sehr innovativer, vernetzender Einsatz von EDV<br />
• Konsequenter Einsatz der elektronischen Patientenakte<br />
• Systematische Evaluation und effektives Controlling<br />
vorhanden (einfache Umsetzbarkeit durch übergreifend<br />
verfügbare Daten)<br />
• Sehr gute Steuerungseffekte durch Einheit von Versorgungs-<br />
und Versicherungsfunktion<br />
Kaiser Permanente – eine Not-for-Profit-HMO aus Kalifornien, USA<br />
Ausgangssituation:<br />
Kaiser Permanente ist eine voll integrierte Gesundheitsorganisation<br />
mit Einheit von Versicherungs- und Versorgungsfunktion,<br />
in den USA Health Maintenance Organization<br />
(HMO) genannt. Kaiser Permanente besitzt den Status<br />
eines gemeinnützigen Unternehmens. Vollständige Integration<br />
bedeutet, dass der Krankenversicherer eigene Kliniken<br />
betreibt und niedergelassene Ärzte als Angestellte<br />
des Versicherers arbeiten. Dadurch werden Interessenkonflikte<br />
minimiert, die Datentransparenz sowie Steuerbarkeit<br />
von Leistungserbringern und Versicherten ist sehr hoch.<br />
Die vollständige Integration des Managements bringt zahlreiche<br />
Vorteile:<br />
• Hoher Integrationsgrad der IT-Architektur<br />
• Einsatz von Predictive Modeling zur Risikostratifizierung<br />
der Patienten (Krankheitsverläufe für einzelne Patienten<br />
werden prognostiziert und gezielte Interventionen eingeleitet)<br />
• Starker Fokus auf Prävention und Einbindung der Patienten<br />
• Nachweisbare Dämpfung des Kostenanstiegs bei gleichzeitiger<br />
Sicherung des hohen Versorgungsstandards<br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 21 Working Paper
Autoren<br />
Dr. Axel Heinemann, Senior Partner und Managing Director im Düsseldorfer Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong><br />
<strong>Group</strong>, Leiter der deutschen Praxisgruppe Health Care<br />
Dr. Jens Christian Baas, Partner und Managing Director im Stuttgarter Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong><br />
<strong>Group</strong>, Mitglied der Praxisgruppe Health Care; Experte für gesetzliche Krankenversicherung, Gesundheitsversorgung<br />
und IT<br />
Dr. Markus Peterseim, Partner und Managing Director im Frankfurter Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong><br />
<strong>Group</strong>, Mitglied der Praxisgruppe Health Care; Experte für pharmazeutische Industrie und gesetzliche<br />
Krankenversicherung<br />
Dr. Torsten Kurth, Principal im Berliner Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong>, Mitglied der Praxisgruppe<br />
Health Care; Experte für pharmazeutische Industrie, Medizintechnik und Versorgungsmanagement<br />
Dr. Stephanie Ernst, Projektleiterin im Kölner Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong>, Mitglied der Praxisgruppe<br />
Health Care; Expertin für Versorgungsmanagement, insbesondere integrierte Versorgung<br />
und Versicherungen<br />
Wir danken herzlich für die tatkräftige Unterstützung:<br />
Dr. Valeska Foltin, Projektleiterin im Berliner Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong><br />
Dr. Branko Trebar, Consultant im Berliner Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong><br />
Matthias Wehnert, Consultant im Hamburger Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong><br />
Dr. Jens Wohltorf, Consultant im Berliner Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong><br />
Stefan Worthmann, Consultant im Hamburger Büro der <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong><br />
<strong>The</strong> <strong>Boston</strong> <strong>Consulting</strong> <strong>Group</strong> 22 Working Paper