42-45 Schimmelpilz - Natürlich
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Achtu<br />
Foto: Fotogentec-online<br />
Schimmlige Nahrungsmittel<br />
gehören mit wenigen<br />
Ausnahmen in den<br />
Müll. Denn: <strong>Schimmelpilz</strong>e<br />
können giftige<br />
Stoffe absondern,<br />
die Krebs erregend sind.<br />
Text: Markus Kellenberger<br />
<strong>42</strong> <strong>Natürlich</strong> | 5-2006<br />
War die aus dem Vorratsschrank<br />
geholte selber eingemachte<br />
Konfitüre mit<br />
einer pelzigen Schimmelschicht<br />
überzogen, entfernte Grossmutter<br />
diesen mit einem Löffel, rührte den<br />
Rest im Glas um und stellte es auf den<br />
Tisch. «Daran ist noch niemand gestorben»,<br />
pflegte sie dabei zu sagen. Das galt<br />
auch fürs Brot. Ein Schimmelfleck auf<br />
der Schnittfläche war zwar unappetitlich,<br />
aber kein Unglück, Die befallene Stelle<br />
wurde als extra dicke Scheibe abgeschnitten<br />
und im Schweinetrog entsorgt. Das<br />
übrige Brot passte dann hervorragend<br />
zur Konfitüre.<br />
Das ist mittlerweile einige Jahre her.<br />
Aber noch immer glauben viele, es genüge,<br />
den graugrünlichen, manchmal auch<br />
weissen, schwarzen oder braunen Belag<br />
grosszügig vom befallenen Nahrungsmittel<br />
zu entfernen, um den Schimmel los zu<br />
sein. Das ist aber falsch. Bevor <strong>Schimmelpilz</strong>e<br />
den aus Fruchtkörpern bestehenden<br />
sichtbaren Belag entwickeln, haben sie oft<br />
schon weit in das befallene Nahrungsmittel<br />
hinein ein dichtes Fadengeflecht<br />
gebildet, das so genannte Myzel.<br />
Guter Schimmel –<br />
schlechter Schimmel<br />
In der Regel stellt dieses für das menschliche<br />
Auge nicht erkennbare Fadengeflecht<br />
kein Problem dar. Es wird einfach gegessen<br />
und verdaut. Einige Lebensmittel wie<br />
Camembert, Brie, Blauschimmelkäse oder<br />
Salami werden sogar absichtlich mit<br />
<strong>Schimmelpilz</strong>en versetzt. Diese gezielt für<br />
ihre Aufgabe gezüchteten Edelschimmelpilze<br />
sorgen für einen gewollten Zersetzungsprozess,<br />
dank dem das jeweilige Produkt<br />
erst sein typisches Aroma bekommt.<br />
Aber: Etwa 120 der bis heute entdeckten<br />
rund 100 000 <strong>Schimmelpilz</strong>arten sind<br />
in der Lage, Mykotoxine, das heisst<br />
<strong>Schimmelpilz</strong>gifte, zu bilden. Wohlverstanden,<br />
sie sind dazu in der Lage, müssen<br />
es aber nicht unbedingt auch tun. Ein<br />
Teil eines Pilzstammes produziert plötzlich<br />
ein Gift – ein anderer nicht. Das, und<br />
die Tatsache, dass das Gift nur im Labor<br />
nachweisbar ist, macht den winzigen Pilz<br />
so unberechenbar. Kommt dazu, dass einige<br />
dieser insgesamt rund 400 bekannten<br />
Gifte, wie zum Beispiel Penicillin,<br />
zum Nutzen der Menschen eingesetzt<br />
werden, während andere Allergien auslösen<br />
oder Krebs erregen können.<br />
Grenzwerte<br />
dämmen die Gefahr ein<br />
Zu letzterer Sorte gehört beispielsweise<br />
Aflatoxin. Wird es regelmässig in grösseren<br />
Mengen über befallene Nahrungsmittel<br />
eingenommen, kann es Leberkrebs<br />
auslösen. Seit den 70er-Jahren gelten<br />
darum für viele <strong>Schimmelpilz</strong>gifte strenge<br />
Grenzwerte. Die kantonalen Laboratorien<br />
testen regelmässig verschiedenste Lebensmittel<br />
auf die gefährlichsten Toxine wie<br />
eben Aflatoxin oder auch Mutterkorn, ein<br />
weiteres gefährliches <strong>Schimmelpilz</strong>gift.<br />
Auch die Hersteller, Importeure und Verteiler<br />
wie Bio-Laden-Ketten und Grossverteiler<br />
wie Coop und Migros müssen<br />
ihre Produkte laufend kontrollieren.
Ernährung GESUNDHEIT<br />
ng Vergiftungsgefahr<br />
«Diese Massnahmen haben geholfen,<br />
die Qualität unserer Lebensmittel in Bezug<br />
auf gesundheitsschädigende <strong>Schimmelpilz</strong>gifte<br />
in den letzten 30 Jahren<br />
deutlich zu verbessern», stellt Daniel<br />
Huber von der St. Galler Lebensmittelkontrolle<br />
fest. Das gilt aber nur für die<br />
Industriestaaten. Ausgerechnet in vielen<br />
tropischen Ländern, wo <strong>Schimmelpilz</strong>e<br />
dank dem warmfeuchten Klima beste<br />
Wachstumsbedingungen vorfinden, fehlen<br />
oft gut funktionierende Kontrollstrukturen.<br />
Entsprechend hoch ist dort<br />
nach wie vor die Belastung der Nahrung<br />
durch hoch gefährliche <strong>Schimmelpilz</strong>gifte<br />
wie Aflatoxin – und überdurchschnittlich<br />
hoch ist dort auch die Leberkrebs-Rate.<br />
Schimmel ist ansteckend: Pilzsporen breiten sich schnell<br />
auf verschiedene Lebensmittel aus und machen sie ungeniessbar<br />
Foto: Archiv berlin<br />
Weg mit schimmligen<br />
Lebensmitteln<br />
«Dank der verschiedenen gesetzlich geregelten<br />
Kontrollen ist bei uns das Risiko<br />
für eine <strong>Schimmelpilz</strong>-Vergiftung mittlerweile<br />
sehr klein, selbst wenn einmal befallene<br />
Lebensmittel konsumiert werden»,<br />
sagt Otmar Zoller von der Abteilung<br />
Lebensmittelwissenschaft beim Bundesamt<br />
für Gesundheit (BAG). «Die Gefahr<br />
ist aber dennoch ernst zu nehmen und<br />
deshalb raten wir, offensichtlich schimmlige<br />
Lebensmittel zu entsorgen.» Nicht<br />
zuletzt auch darum, weil ein pelziger<br />
Schimmelbelag oft ein deutliches Zeichen<br />
für ein überaltertes oder schlecht gelagertes<br />
und verdorbenes Nahrungsmittel sei.<br />
Das sieht auch die Schweizerische<br />
Gesellschaft für Ernährung (SGE) so.<br />
Gemäss ihrer Empfehlung gehören befallenes<br />
Brot, Reibkäse, Nüsse, Konfitüren,<br />
Obst, Kompott, Gemüse, Sirup und Säfte<br />
grundsätzlich in den Müll – nie aber auf<br />
den Kompost, weil sich der Pilz dort<br />
weiter vermehrt, und selbstverständlich<br />
auch nicht ins Tierfutter. Ausnahmen von<br />
dieser Regel betreffen nur jene Produkte,<br />
die für die Herstellung extra mit dem<br />
mikroskopisch kleinen Pilz behandelt<br />
worden sind. Das heisst: Bei Käse und<br />
Salami können übermässig mit Edelschimmel<br />
überzogene Stellen grosszügig<br />
weggeschnitten und der Rest in der Regel<br />
ohne Bedenken verzehrt werden.<br />
Ein Pilz beherrscht die Welt<br />
Einen völligen Schutz vor <strong>Schimmelpilz</strong>en<br />
gibt es nicht. Sie kommen – mit Ausnahme<br />
der Polregionen – praktisch überall auf der<br />
Welt vor. In Feld, Wald und Wiesen zersetzen<br />
sie organische Stoffe und sorgen so<br />
für eine gesunde Verrottung. Und weil sich<br />
ihre winzigen Sporen durch die Luft ausbreiten,<br />
finden sie sich auch in jedem<br />
Haushalt überall, ein Befall ist unvermeidlich<br />
(siehe Kasten Seite <strong>45</strong>).<br />
Besonders für Lebensmittelhygieniker<br />
ist das eine echte Herausforderung. Allein<br />
schon bei der Herstellung von Nahrungsmitteln<br />
können sie kaum verhindern, dass<br />
in Nahrungsmitteln bereits winzige Spuren<br />
von Schimmel enthalten sind. Sie<br />
können nur versuchen, seine Ausbreitung<br />
zu verlangsamen. «Das fängt bei der sorgfältigen<br />
Kontrolle der Rohmaterialien und<br />
dem Einhalten der Hygienevorschriften<br />
in den Lebensmitteln verarbeitenden Betrieben<br />
an», erklärt Peggy Schuhmann<br />
vom auf Lebensmittelkontrolle spezialisierten<br />
Labor Swiss Quality Testing Service<br />
(SQTS) in Zürich.<br />
Auch die verschiedenen Konservierungsmethoden<br />
bei der Herstellung machen<br />
den Pilzen das Leben schwer. «Aber»,<br />
so Schuhmann, «sie können Schimmel<br />
nicht verhindern, sondern nur sein Wachstum<br />
hemmen, es sei denn, man sterilisiert.»<br />
Aber auch das helfe nur vorübergehend<br />
– früher oder später schimmle jedes<br />
Lebensmittel. Und ob das Produkt aus<br />
biologischem oder herkömmlichem Anbau<br />
stamme, interessiere den <strong>Schimmelpilz</strong><br />
nicht im Geringsten.<br />
Ein genügsamer<br />
Überlebenskünstler<br />
Aber nicht nur seine Allgegenwärtigkeit,<br />
auch seine Genügsamkeit macht es<br />
schwer, Schimmel einzudämmen. Zwar<br />
wächst er am liebsten in sommerlicher<br />
<strong>Natürlich</strong> | 5-2006 43
Ernährung GESUNDHEIT<br />
Foto: Okapia<br />
Schimmel unter dem Mikroskop: Stark<br />
vergrössert zeigt der Pilz seine schöne Seite<br />
Wärme, aber zur Vermehrung reichen ihm<br />
notfalls auch schon Temperaturen um den<br />
Gefrierpunkt. Das, und die Tatsache, dass<br />
er völlig ohne Licht auskommt und kaum<br />
Sauerstoff benötigt, bedeutet, dass er sich<br />
selbst in Kühlschränken wohl fühlt.<br />
Kommt dazu, dass <strong>Schimmelpilz</strong>e je nach<br />
Art sowohl in saurem als auch in basischem<br />
Milieu gedeihen und nur wenig<br />
Nährstoffe brauchen – ein kleines Häufchen<br />
Staub genügt ihnen.<br />
Feuchte lässt den Pilz<br />
erst spriessen<br />
Nur in einem Punkt sind <strong>Schimmelpilz</strong>e<br />
heikel und somit auch angreifbar: Um<br />
gedeihen zu können, brauchen sie genügend<br />
Wasser. Ein Pilzgeflecht kann in<br />
einer trockenen Umgebung jahrzehntelang<br />
in einer Art Tiefschlaf überleben.<br />
Sobald es jedoch mit ausreichend Feuchtigkeit<br />
in Kontakt kommt, beginnt es<br />
zu wachsen. Für Keimung, Wachstum<br />
und Sporenbildung braucht das Geflecht<br />
mindestens 80 Prozent relative Feuchte.<br />
Bei Kältebrücken im Mauerwerk oder in<br />
Kühlschränken, wo sich laufend Kondenswasser<br />
bildet, aber auch in wasserreichen<br />
Nahrungsmitteln wie Getränken<br />
und Obst, ist diese Voraussetzung schnell<br />
einmal geschaffen.<br />
Eine möglichst trockene und saubere<br />
Umgebung ist also eine der wenigen Möglichkeiten,<br />
dem <strong>Schimmelpilz</strong> – zumindest<br />
ein wenig – Paroli zu bieten. Kondenswasser<br />
im Kühlschrank muss deshalb möglichst<br />
häufig aufgewischt werden. Empfehlenswert<br />
ist laut Otmar Zoller vom BAG<br />
auch, wasserhaltige Lebensmittel wie<br />
Fleisch, Gemüse und Salat von eher trockenen<br />
Lebensmitteln wie Käse klar getrennt<br />
zu lagern. Und ganz wichtig: «Angebrochene<br />
Packungen und angeschnittene<br />
Nahrungsmittel rasch verbrauchen», rät<br />
Zoller. «Für <strong>Schimmelpilz</strong>e sind sie nämlich<br />
ein willkommener Festschmaus.» ■<br />
Infobox<br />
Buchtipps<br />
• Mücke / Lemmen: «<strong>Schimmelpilz</strong>e –<br />
Vorkommen, Gesundheitsgefahren, Schutzmassnahmen»,<br />
Verlag Hüthig Jehle Rehm,<br />
1999, ISBN: 3-609-68000-8, Fr. 60.40<br />
• «Giftpilze, Pilzgifte», Nikol Verlagsgesellschaft,<br />
2001, ISBN: 3-933203-<strong>42</strong>-2, Fr. 36.90<br />
• Reiss: «<strong>Schimmelpilz</strong>e – Lebensweise,<br />
Nutzen, Schaden, Bekämpfung», Springer-<br />
Verlag, 1997, ISBN: 3-540-63019-8, Fr. 107.–<br />
• Köneke: «Schimmel im Haus», Verlag<br />
Fraunhofer Irb Stuttgart, 2004,<br />
ISBN: 3-8167-6<strong>42</strong>4-X, Fr. 26.60<br />
Internet<br />
• www.lungzurich.org<br />
• www.sge-ssn.ch/d<br />
• www.klzh.ch/faq<br />
• www.schimmel-schimmelpilze.de<br />
• www.allergie.medhost.de/schimmelpilze<br />
Schimmel im Haus<br />
Nicht nur auf Nahrungsmitteln, auch in Wohnräumen sind <strong>Schimmelpilz</strong>e<br />
ständige Mitbewohner, denn die über die Luft verbreiteten mikroskopisch<br />
kleinen Pilzsporen sind überall vorhanden. Typische <strong>Schimmelpilz</strong>quellen<br />
in Wohnungen sind Badezimmer, generell feuchte<br />
Mauern, feuchte Stellen hinter Tapeten, Vorhängen, Holzverschalungen<br />
und Kachelwänden, aber auch Matratzen, Polstermöbel, Zimmerpflanzen,<br />
Klimaanlagen und Luftbefeuchter. Mangelnde Belüftung,<br />
Kondenswasser und Kältebrücken bei Fenstern, Türen und Mauerwerk<br />
begünstigen einen <strong>Schimmelpilz</strong>-Befall.<br />
Kleine <strong>Schimmelpilz</strong>kolonien an Möbeln und Wänden lassen sich mit<br />
verdünntem Javel-Wasser entfernen. Besteht aber der Verdacht, dass<br />
die Pilze die Bausubstanz tief durchdrungen haben, empfiehlt es sich,<br />
ein auf Schimmelbekämpfung spezialisiertes Bau- oder Malergeschäft<br />
mit der Sanierung zu beauftragen.<br />
Eine starke Belastung der Luft mit <strong>Schimmelpilz</strong>sporen kann Allergien<br />
mit folgenden Symptomen auslösen:<br />
• Niesattacken, Schnupfen, Naselaufen oder verstopfte Nase durch<br />
angeschwollene Schleimhäute<br />
Foto: René Berner<br />
• Juckende, gerötete Augen und erhöhte Lichtempfindlichkeit<br />
• Husten und Atemnot bis hin zu Asthma-Anfällen<br />
• Störungen des Verdauungstraktes in Form von Durchfall und Erbrechen<br />
• Arthritis, Fieber, Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten