pdf zum download - Arya Maitreya Mandala

MEDITATION ÜBER WELTENTSTEHUNGEN UND -VERGEHUNGEN
Lama Anagarika Govinda
Langsam kam die blaue, warme
Sommernacht über das Meer geschwommen
während noch der
gewaltige Kraterkegel des Vesuv
in sattem, tiefen rotviolett schimmerte.
Gelbe Ginsterbüsche
flammten geheimnisvoll vor mir
auf und strahlten die letzten Reste
des verschwindenden Lichtes
wieder. Phantastisch geformte
Lavamassen schienen wie Dämonen
der Finsternis dagegen
anzukämpfen und türmten sich
chaotisch mir entgegen. Der Golf
von Neapel lag wie ein riesenhafter,
prächtig eingefasster Spiegel
mir zu Füßen, und die Städte
wirkten wie Mosaikarbeiten in
seinem Rahmen. Die fernen Berge
waren in ein kristallklares Blau
getaucht.
Die Rauchwolke über dem Krater
des Vesuv, die mir den ganzen
Tag als Wegweiser vor Augen
gestanden hatte, entschwand
nun meinem Blick, da ich mich
dem Fuß des Gipfelkegels näherte.
Mühsam stampfte ich den
schmalen Zickzackpfad durch die
steilen Aschehalden empor. Die
Nacht brach indessen vollends
herein. Neapel verwandelte sich
in ein leuchtendes Funkenmeer,
und aus ihm stiegen unaufhörlich
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vielfarbige Feuerblumen empor –
unzählige Straßenfeuerwerke zu
Ehren irgendwelcher Heiligen.
Der Sternenhimmel war so klar
und hell, dass der ganze Luftraum
von einem gleichmäßigen
zarten Licht durchflutet war. Die
große, absolut glatte Kegelfläche
des Kraters, an der ich emporstieg,
schien mir aus einer unermesslichen
Tiefe zu kommen und
ins Unendliche empor zu führen.
Ich habe selten das Gefühl von
Masse und Raum, als zweier gegensätzlicher
Elemente, so stark
empfunden wie in dieser Nacht.
Kurz unter dem Kraterrand wandte
sich der Pfad nach Südosten
und bewegte sich in langsam ansteigender
Spirale aufwärts. Ich
hatte geradezu den Eindruck,
über dem Golf, der von den erleuchteten
Städten wie von einer
flimmernden Milchstraße umgeben
war, zu schweben, denn alle
sichtbare Verbindung mit unten
war durch die Dunkelheit aufgehoben.
Ich vergaß fast das Ziel meiner
Wanderung über der Großartigkeit
dieses Erlebens: Sterne über
mir, vor mir und unter mir –