Entstehung und Entwicklung kleinerer Städte

140 M. Pauly
Marvilles auf gräfliche Initiative oder Förderung zurückgeführt werden 142 .
Der von Graf Ludwig Vl . unternommene Versuch, die Minderbrüder zu einer
Niederlassung in Ivoix zu bewegen, blieb allerdings folgenlos 143 ; der Orden
rechnete sich wohl keine Chancen aus in einer letzten Endes doch nicht sehr
großen Stadt, in der die Augustiner sich etwa zu gleicher Zeit, ebenfalls auf
gräfliche Einladung hin, niederließen' 4a .
Herrschaftlicher Einfluß ist schließlich auch bei der Entstehung der Muttergottes-Verehrung
in Avioth zu vermuten` . Als die Ansiedlung von hörigen
Bauern auf dem nachweisbar unfruchtbaren Boden nicht den gewünschten
Erfolg hatte, kam den Mönchen von Orval eine Marienstatue zu Hilfe, deren
Verehrung ihren Zweck nicht verfehlte . Zur Fixierung der Neusiedler mußte
allerdings noch durch die Verleihung der »Loi de Beaumont« nachgeholfen
werden - es sei denn die chronologische Abfolge verlief umgekehrt, was nicht
aus den Quellen zu ermitteln ist . Schon 1264 ist ein rectorscholarum in Avioth
belegt 146 .
Gegen Ende des Jahrhunderts wurde mit dem Bau der noch heute
bestehenden, großen gotischen Kirche begonnen' 4' . Um 1350 funktionierte
auch eine Münzstätte der Grafen von Chiny am Ort, da andere Münzprägestellen
an die Grafen von Luxemburg verloren gegangen waren' 48 . 1442 ist ein
Spital belegt'49 . Jahrmärkte werden wohl auch schon damals die Pilger angezogen
haben, obschon sie ebenso wie eine Halle erst im späten 16 . Jahrhundert
schriftlich nachzuweisen sind, als nämlich ein Wochenmarkt hinzukommt' SO .
Doch am Ende des 15 . Jahrhunderts zählte Avioth keine 30 Feuerstellen und
außer einem Schuster, einem Schmied und zwei Töpfern sind auch keine
nicht-ländlichen Berufe nachzuweisen 151 .
Bei aller herrschaftlichen Förderung
und trotz kathedralähnlicher Wallfahrtskirche blieb Avioth ein Dorf.
Außer in den Wallfahrtsorten Avioth und Hamipre (bei Neufchäteau) findet
sich kein Spital in einem Ort, der als Dorf bezeichnet werden müßte .
Meines Erachtens ist das Spital ein ziemlich zuverlässiges Merkmal des städtischen
Charakters einer Ortschaft ; bei den Orten höherer Zentralität fehlt es
nur in Ivoix . Spitäler sind Zeichen sekundärer Zentralität : Sie deuten auf
schon bestehende primäre Zentralität, auf Wallfahrten oder Händlerzustrom
hin und gehen häufig auf bürgerliche Stiftungen zurück'"'. In Luxemburg ist
das erste, nur vermutete St.Nikolaus-Spital auf eine Bürgerinitiative zurück-
142
PAULY, Die luxemburgischen Städte, S . 134f . ; ders ., Une ville en voie d'emancipation .
143
GABER, Le pays d'Yvois, S. 92 .
"MÜLLER, Dekanate, S . 48.
145
WALRAET, Avioth, S . 82-84 ; vgl. zu Anm . 165 .
146
SCHAUDEL, Avioth, AIAL 38, S . 29f.
'47
MÜLLER, Dekanate, S . 91 .
'48
SCHAUDEL, Avioth, AIAL 38, S. 17ff.
'49
Ebd., S . 26 .
15'
Ebd . S . 23f.
' 5 ' Ebd . S . 29f. (Urkunden von 1264 und 1284) .
152
Auf die Frage nach dem Ursprung und der Funktion der Spitäler in der alten Grafschaft
Luxemburg ist an anderem Ort zurückzukommen . Vgl . für Luxemburg, Echternach, Bitburg
und Bastnach : PAULY, Die luxemburgischen Städte, S. 127, 134, 142f. ; PAULY, Une ville en
voie d'emancipation .