Entstehung und Entwicklung kleinerer Städte

130 M. Pauly
Doch es gibt genügend Beispiele, die zeigen, daß es mit der herrschaftlich
initiierten Zentralität nicht getan war, um eine Stadt entstehen zu lassen .
Im eben erwähnten Poilvache wird 1270 ein Propst genannt`, der für den
Streubesitz der Grafen von Luxemburg an der Maas zuständig war . 1298 ernannte
Graf Heinrich VII . 22 neue Münzmeister sowie 88 Arbeiter für die
dortige Münzstätte54 . Und wenn auch Graf Heinrich V . 1281 sich und seine
Nachfolger als seigneurs dou chastel et de le vile de Polevache betitelt 55 , so fehlt
doch jedes weiteres Indiz - die Präsenz eines Lombarden im Jahr 1298 56 kann
daran nichts ändern -, daß der Amtssitz Poilvache je mehr als eine Burg war,
die allerdings eine starke Garnison beherbergen konnte . Die Nähe von Städten
wie Dinant und Bouvignes hat jede Stadtentwicklung verhindert . Poilvache
bleibt daher das einzige Beispiel in Luxemburg, wo eine Burg Residenz
eines Amtsmannes war, wie das im Erzstift Trier - in der Anfangsphase - viel
häufiger vorkam57 .
Johann der Blinde gab sich nach dem Erwerb der Propstei Ivoix von den
Grafen von Chiny im Jahr 1340 jede Mühe, die Entwicklung des Ortes Laferte,
Sitz einer Kastellanei, an der strategisch wichtigen Südgrenze gegenüber
dem Herzogtum Bar zu fördern 51 : Es war der einzige Ort, den er noch nach der
»Loi de Beaumont« befreite (1342) 59 . Er bestimmte ihn zum neuen Oberhof
für alle Orte in den bisher Chiny zugehörigen Propsteien (die mit Ausnahme
von Ivoix alle demselben Rechtskreis von Beaumont angehörten) . Selbst der
Pfarrer von Mont-Saint-Walfroy verlegte nunmehr seine Residenz in diese
Stadt, obschon die Pfarr-Rechte bei der Landkirche verblieben` . Verschiedene
Autoren schreiben, Johann habe in Laferte sogar eine neue Propstei errichtet",
wofür ich allerdings keinen Textbeweis kenne . Eine Münzstätte ist 1345
urkundlich bezeugt, eine Münze allerdings nicht überliefert`, doch in den
1370er Jahren hatten sich dort Lombarden niedergelassen63 . Auf ältere Zentralitätsfunktionen
deutet auch das im weiten Umkreis (Avioth, Montmedy)
gebrauchte Getreidemaß von Laferte hin 64 .
1384-85 sind 71 steuerpflichtige
Haushalte belegt, 1495 jedoch nur noch 8, 1501 1665 ; von Propsteivorort ist
keine Rede mehr, Laferte ist nur mehr ein Ort unter vielen der Propstei Ivoix .
52
DESPY, Villes, bourgades, S . 10 .
53
WAMPACH, UQB IV, Nr. 177 .
54
WAMPACH, UQB VI, Nr. 727 (Regest) ; BERNAYS/VANNERUS, Histoire numismatique,
S . 567ff. (Text) .
55
WAMPACH, UQB IV, Nr. 543 .
56 Wie Anm . 54 ; vgl. REICHERT, Lombarden, S . 194 .
57
BURGARD, Städtenetz und Ämterorganisation, S. 206, 212f ., allgemein : ENNEN, Burg, Stadt
und Territorialstaat, S . 69ff.
58 VAN WERVEKE, Numismatique, S . 117-132 .
59 Ebd., S . 125ff .
61
MULLER, Dekanate, S. 141f .
6'
VAN WERVEKE, Numismatique, S . 125 ; NOEL, Localites, S . 310 ; GABER, La Ferte-sur-
Chiers, S . 189.
62
VAN WERVEKE, Numismatique, S . 130ff.
63
GROB/VANNERUS, Denombrements, S. 584, 588 .
64
WALRAET, Avioth, S . 80 ; ders., Breux et Montmedy, S. 12 .
65
NOEL, Localites, S . 310 ; GROB/VANNERUS, Denombrements, S . 89, 162 .