Entstehung und Entwicklung kleinerer Städte

120 L . Enders
Existenz der Siedlung als Stadt entschied . Da die Entwicklung in den Jahrzehnten
zuvor und die Reformen des frühen 19. Jahrhunderts aber das ganze
Land erfaßten und mit mehr oder weniger Erfolg und Aufwand die feudalen
Fesseln in Stadt und Land sprengten, bedeutete Stadt nicht mehr eo ipso und
ausschließlich bürgerliche Freiheit, Eigentum und Wohlstand . Diese Standards
waren auf dem Land ebenso möglich wie das Gegenteil auch : das Anwachsen
der Unterschichten, Besitzlosen, Armen . Das Zeitalter der Industrialisierung
setzte jedoch den Differenzierungsprozeß nicht nur fort, er führte
mancherorts zur Umkehr : Weitere Städte wurden Landgemeinden - Landgemeinden,
in denen sich Industrie ansiedelte, wuchsen sich zu Städten aus und
erlangten Stadtrecht . In der Uckermark geschah letzteres allerdings nicht .
Der letzte Gedanke gilt einer Polemik . Stadtgeschichte kann meines Erachtens,
nicht anders als andere Geschichte auch, nur induktiv, aus ihrer jeweiligen
Zeit heraus und im chronologischen Ablauf verstanden werden . Retrospektive
mündet oft in Urteile aus der Perspektive des Besserwissens, zum
Beispiel wenn man von 'Fehlgründung' spricht, was sich in der Stadtgeschichtsliteratur
öfter findet. Nichts war seinerzeit für die Ewigkeit angelegt,
Vergänglichkeit war stets gegenwärtig und einkalkuliert. Man gründete, legte
und verlegte Dörfer, wie es Geographen und Archäologen für die Zeit vom
Frühmittelalter an laufend festgestellt haben', und ebenso gründete man Städte
je nach dem gegenwärtigen Bedarf, wie auch dieser Bedarf motiviert sein
mochte . Es geschieht so viel Unsinniges in der Welt, und angesichts nicht
endenwollender Kriege und Kriegszerstörungen einstmals und jetzt sollte der
Historiker nicht gerade den friedlichen Bau einer Stadt, und galt er nur der
Eitelkeit eines Fürsten, als 'Fehlgründung' schelten, nur weil sie dann auf
Dauer nicht existenzfähig war .
Summary
Development and decline of small towns during the Late Middle Ages and the
early modern era . Functional and existential criteria in the Mark Brandenburg
Three examples of different towns are used to introduce the problems of
urban origin, foundation, growth or stagnancy during the Middle Ages . They
demonstrate which political, constitutional, economical and social factors
determined the later evolution in modern times, especially a certain
stabilization after the long crisis of the 14th and 15th century and the loss of
all urban criteria . Privileging the aristocracy by the Princes of Brandenburg,
tax-policy and wars burdened and weakened the larger provincial towns too,
while the absolutist and mercantilist political interventions diminished
further the number of country towns . The age of industrialization influenced
urban development in a very different manner .
' Zusammenfassend und übergreifend gewürdigt von Rösener 1991, S . 101-111, besonders S .
105f.