Entstehung und Entwicklung kleinerer Städte

114 L. Enders
südöstliche, Liebenwalde für die südwestliche Uckermark . Bezeichnenderweise
wurden diese nicht-städtischen Verwaltungsfunktionen nicht in den sich
herausbildenden großen städtischen Zentren wie Prenzlau oder Templin angesiedelt,
sondern, als solle deren Immunität keineswegs angefochten werden
(die Landesherren gaben ja ostentativ ihre Eigenbefestigungen daselbst auf),
in kleineren Zentren, Burgorten mit jeweils zugehöriger Vasallität .
Wahrscheinlich erlangte Jagow nie den Vorzug städtischer Eigenbefestigung,
blieb am Fuße der Burg eine offene Stadt, war also wesentlich mehr als die
ummauerten Städte den fortwährenden Fehden und Kriegen des Spätmittelalters
ausgesetzt . Unter diesen Umständen verlegten Propst und Vogt ihren
Sitz im Spätmittelalter (vor 1375) in größere, befestigte Städte, nach Strasburg
und Pasewalk. Damit verlor die Bürgergemeinde ihre Zentralität, die ihren
städtischen Habitus begründet und getragen hatte . Die Stadt wurde 'wüst',
nicht topographisch, sondern funktional . Hinzu kam als ebenso verhängnisvoller
Faktor die Mediatisierung . Im Zuge des spätmittelalterlichen Ausverkaufs
der landesherrlichen Grundherrschaft, zumal in den Außen- und Randdistrikten
des Territoriums, wurden große Teile des Feudaleigentums an Adlige
verlehnt . Diese, soweit sie vermögend waren, konzentrierten ihrerseits
ihren Besitz . Um 1500 befand sich Jagow vollständig in der Hand der v . Holzendorf,
einem der begütertsten Geschlechter in der Uckermark . Der adlige
Stadtherr aber besaß nun nicht nur die richterliche und obrigkeitliche Gewalt
über die einstige Stadt, sondern auch fast den gesamten Grund und Boden .
Am Beginn der Neuzeit war Jagow nur noch ein Dorf, galt auch nur noch als
solches, glaubt man den Quellen der Herrschaft . Unbekannt ist, wieweit die
alte Stadtherrlichkeit im Bewußtsein der einstigen Bürger bereits verschüttet
war (Enders 1986 a, S . 454ff .) .
Die Extrembeispiele Prenzlau und Jagow führen vor Augen, was Stadtherrschaft
im Guten und Bösen vermochte, wie Zentralität als Funktion eines
Ortes entstand, bestand, wuchs oder erlosch, jeweils in Abhängigkeit von ganz
realen Faktoren, die Ausmaß und Gewicht der Zentralität bestimmten . Es
zeigte, wie letztlich Außen- und Innenpolitik sich auch dem Schicksal der
Stadt- wie der Dorfsiedlungen nachhaltig mitteilten, wie Machtkämpfe zwischen
Fürsten, Kriege und Krisen einerseits, das innenpolitische Kräftespiel,
die wechselnde Bündnispolitik zwischen Fürsten und Ständen andererseits des
einen Aufschwung auf Kosten des anderen nach sich zog . Die Privilegierung
der Städte im hohen Mittelalter verschaffte diesen politisch ein Übergewicht
im Land . Die immer stärkere Hinwendung der Landesherren zum Adel seit
dem Ausgang des 15 . und in der ersten Hälfte des 16 . Jahrhunderts bewirkte
ein Zurückdrängen der Städte in der Mark Brandenburg insgesamt - ein markantes
Indiz ist die Steuerpolitik -, durch die Verlehnung ganzer Städte an
adlige Grund- und Gerichtsherren aber deren Abstieg bis hin zum Verlust
städtischer Qualität überhaupt .
Wie sich die Adelsherrschaft selbst auf mit Stadtrecht bewidmete und dementsprechend
gesicherte Städte auswirkte, soll am dritten Beispiel, an Brüssow,
demonstriert werden (Enders 1986b, S . 48 ; Enders 1990, passim) . Der Stadtgrundriß
zeigt das Musterbeispiel einer kolonisationszeitlichen Gründung