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Seminararbeit Streikrecht - RealWWZ

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<strong>Seminararbeit</strong><br />

im Rahmen der Veranstaltung Aktuelle Themen der Ökonomie<br />

<strong>Streikrecht</strong><br />

Ist Streik ökonomisch sinnvoll?<br />

Referent: Thorsten Henne<br />

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät<br />

Universität Basel<br />

FS 2012<br />

Max Eberhardt<br />

Sophia Martina<br />

Oltingerstrasse 33 St. Alban Anlage 50<br />

4055 Basel 4052 Basel<br />

max.eberhardt@stud.unibas.ch<br />

sophia.martina@stud.unibas.ch<br />

10-063-618 10-333-623<br />

Abgabedatum: 18. Mai 2012


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung .................................................................................................................. 1<br />

2. Streik: Definition und Hintergründe ..................................................................... 2<br />

2.1 Definition und Charakteristika ........................................................................................ 2<br />

2.2 Pareto-Effizienz eines Streiks ......................................................................................... 3<br />

2.2 Voraussetzungen für einen Rechtmässigen Streik .......................................................... 5<br />

2.3 Verschiedene Arten von Streik ........................................................................................ 5<br />

2.4 Die Rolle der Gewerkschaft ............................................................................................ 6<br />

3. Praktische Analyse ................................................................................................... 8<br />

3.1 Der Tarifstreik am Frankfurter Flughafen ....................................................................... 8<br />

3.2 Die Auswirkung des <strong>Streikrecht</strong>s auf die Verhandlungspositionen .............................. 10<br />

3.3 Rechtmässigkeit des Flughafenstreik ............................................................................ 11<br />

3.4 Die Kosten und Nutzen für die betroffenen Parteien .................................................... 13<br />

3.4.1 Arbeitgeber ......................................................................................................... 13<br />

3.4.2 Arbeitnehmer ...................................................................................................... 14<br />

3.4.3 Unbeteiligte Dritte .............................................................................................. 14<br />

3.4.4 Gewerkschaften .................................................................................................. 15<br />

3.5 Gefahren für einen funktionierenden Markt .................................................................. 16<br />

4. Schlussfolgerungen ................................................................................................ 17<br />

Literaturverzeichnis .................................................................................................. 18<br />

Anhang A .................................................................................................................... 20<br />

I


<strong>Streikrecht</strong> <br />

1. Einleitung<br />

In den vergangenen Monaten gab es vermehrt Streiks mit schweren Konsequenzen<br />

und grosser medialer Aufmerksamkeit. Die Arbeitnehmer machen wieder vermehrt<br />

Gebrauch von ihrem <strong>Streikrecht</strong>, nachdem diese Entwicklung seit den siebziger<br />

Jahren rückläufig war. Dies bezieht sich aber weniger auf die Anzahl Streiks, sondern<br />

viel mehr auf deren Länge und Partizipationsgrad. Tarifverhandlungen werden härter<br />

geführt und viele sind davon betroffen.<br />

Diese Arbeit untersucht, ob dieses ökonomische Phänomen und Druckmittel im<br />

ständigen Arbeitskampf im ökonomischen Sinne rational ist.<br />

Es stellt sich heraus, dass theoretische Analysen, welche die Entstehung von Streik<br />

untersuchen, schwer zu finden sind. Die Theorien zahlreicher renommierten<br />

Wissenschaftlern sagt aus, dass es keine Streiks geben sollte, doch in Realität wird oft<br />

zum Streik aufgerufen. Diese Diskrepanz ist anfänglich schwer nachzuvollziehen und<br />

in dieser Arbeit sollen Erklärungsansätze, unter Berücksichtigung der<br />

Spannungsfelder, erarbeitet werden.<br />

Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. In einem ersten Teil dieser Arbeit wird in die<br />

Streikthematik eingeführt, indem einige Definitionen sowie Hintergrundaspekte<br />

erläutert werden.<br />

Der zweite Teil beschreibt den Tarifstreik am Frankfurter Flughafen. Anhand dieses<br />

Beispiels werden die im ersten Teil erklärten Theorien in der Praxis beschrieben<br />

sowie analysiert.<br />

1


<strong>Streikrecht</strong> <br />

2. Streik: Definition und Hintergründe<br />

Dieser Abschnitt der Arbeit behandelt die diversen Theoretischen Hintergründe eines<br />

Streiks.<br />

2.1 Definition und Charakteristika<br />

Ein Streik ist eine kollektiv beschlossene Niederlegung der Arbeit durch eine grössere<br />

Gruppe von Arbeitnehmenden. Mit der Verweigerung von vertraglich vereinbarten<br />

Arbeitsleistungen soll Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt werden. Meist mit dem<br />

Ziel den Lohn, das Beschäftigungsniveau oder andere Lohnnebenleistungen zum<br />

eigenen Vorteil zu beeinflussen. (Gabler, 2001A)<br />

Nachdem eine Einigung erreicht wurde, wird die Arbeit wieder aufgenommen (nach<br />

den Regelungen des neuen Tarifvertrages). Die Interessen werden dabei von einer<br />

Gewerkschaft vertreten. Es heisst in der Definition, dass ein einzelner Arbeiter nicht<br />

streiken kann und dass ein Streik auch nicht eingesetzt werden kann, um private<br />

Forderungen zu unterstützen.<br />

Die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik stellt keine Verletzung des<br />

Arbeitsvertrages dar. Somit darf ein Arbeitsverhältnis nicht wegen der Beteiligung an<br />

organisierter Arbeitsniederlegung gekündigt werden. Für die bestreikten Arbeitstage<br />

besteht auf Seiten der Arbeitnehmenden aber auch kein Anspruch auf Lohnzahlung,<br />

da die Gegenleistung ausbleibt. (Rechtslexikon, 2012)<br />

Allen Staaten wird im UNO Pakt I Art. 8 vorgeschrieben <strong>Streikrecht</strong> zu garantieren,<br />

soweit es in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung ausgeübt<br />

werden kann. (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2012)<br />

Folglich variiert die Umsetzung stark zwischen den einzelnen Ländern.<br />

Da die Ausübung des <strong>Streikrecht</strong>s oft Beeinträchtigungen für Drittpersonen mit sich<br />

bringt, die mit dem ursprünglichen Konflikt, der den Streik rechtfertigt, nichts zu tun<br />

haben, haben viele Länder das <strong>Streikrecht</strong> eingeschränkt. So untersagt beispielsweise<br />

das französische Recht den Streik abteilungsweise durchzuführen mit dem Ziel das<br />

ganze Unternehmen zeitweise still zu legen. Ebenso besteht die Pflicht einen<br />

Minimaldienst, auch während angekündigten Streiks, aufrechtzuerhalten. Wie<br />

2


<strong>Streikrecht</strong> <br />

beispielsweise bei Radio- und Fernsehstationen oder der Luftraumüberwachung.<br />

(Französische Botschaft in Deutschland, 2012)<br />

Art. 28 der im Jahr 2000 in Kraft getretenen Bundesverfassung hält ausdrücklich fest,<br />

dass Streik und sein Gegenstück, die Aussperrung, zulässig sind. Voraussetzung ist,<br />

dass er sich kollektiv organisiert auf die Arbeitsbeziehung bezieht. Das Gesetz<br />

verweist darauf, dass vor dem Streik Pflichten zur Erhaltung des Arbeitsfriedens und<br />

zur Durchführung von Schlichtungsverfahren unerlässlich sind. Meist sind diese in<br />

Gesamtarbeitsverträgen vereinbart. Das <strong>Streikrecht</strong> kann zur Sicherstellung der<br />

Landesversorgung, der Staatssicherheit und wichtigen Interessen in auswärtigen<br />

Angelegenheiten in den dafür relevanten Unternehmen beschränkt oder aufgehoben<br />

werden. Allgemeines Streikverbot für Staatsangestellte verstösst jedoch nach wie vor<br />

gegen die Verfassung. Zusätzlich kann bestimmten Personalkategorien, die für<br />

Kinderbetreuung in Schulen oder Notfallversorgung in Spitälern zuständig sind, das<br />

<strong>Streikrecht</strong> beschränkt oder aberkannt werden. (NZZ, 12.5.11)<br />

Seit den siebziger Jahren geht die Zahl bestreikter Arbeitstage stetig zurück. In den<br />

meisten Ländern geht es auf sinkende Streikhäufigkeit zurück. Einzig in Deutschland<br />

ist diese Entwicklung weniger auf gesunkene Anzahl Streiks zurück zu führen<br />

sondern auf kürzere Dauer eines einzelnen Streiks. (Jansen, 2008)<br />

Wenn ausschliesslich von rational handelnden Akteuren ausgegangen wird, lässt sich<br />

Streik auf zwei Arten erklären. Einerseits, wenn eine Partei über private<br />

Informationen verfügt, die dem Verhandlungspartner vorenthalten werden und<br />

andererseits wenn der Streik zur Informationsbeschaffung verwendet wird, um an<br />

private Informationen zu gelangen, sozusagen als Screening Mechanismus.<br />

2.2 Pareto-Effizienz eines Streiks<br />

Bis heute konnte der ökonomische Aspekt eines Streiks weder hinreichend analysiert<br />

noch modelliert werden, sodass keine allgemein gültige Streiktheorie entstehen<br />

konnte. Denn falls eine Theorie bestünde, die vorhersagt wann es einen Streik gibt<br />

und welches die Konsequenzen bzw. die Resultate sind, würden die beteiligten<br />

Parteien sich vorher auf das prognostizierte Ergebnis einigen. Die hohen Kosten eines<br />

Streiks, die ihn ökonomisch ineffizient machen, könnten somit vermieden werden.<br />

(Ashenfelter, 1986, S. 1091)<br />

3


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Dieses Phänomen wurde von John Richard Hicks beschrieben und wird seither als<br />

„Hicks Paradox“ bezeichnet.<br />

Streiks sind irrational und entziehen sich damit einer ökonomischen Rechtfertigung.<br />

Sie sind Pareto-ineffizient 1 , da beim Streit über die Verteilung der<br />

Unternehmensgewinne hohe Kosten entstehen, die den Umfang der zu verteilenden<br />

Mitteln bedeutend kleiner werden lässt. Wenn Arbeiter also streiken, um damit höhere<br />

Löhne bei gleichem Beschäftigungsniveau zu erzwingen, macht das bestreikte<br />

Unternehmen Umsatzverluste und hat weniger finanzielle Mittel zur Verfügung, die<br />

den Arbeitern in Form von Lohnzahlungen zukommen könnte. Wenn die Parteien<br />

also rational handeln, ist unklar weshalb eine Einigung ohne Streik (somit Paretooptimal)<br />

nicht zu Stande kommt.<br />

Rationales Verhalten aller Beteiligten und Streik in Einklang zu bringen verlangt nach<br />

komplexen Modellen, die den ursprünglichen spieltheoretischen Ansatz erweitern.<br />

Die neueren Modelle unterstellen den Gewerkschaften nicht irrationales Verhalten,<br />

sondern viel mehr Unkenntnis der aktuellen Unternehmenssituation. Sie wissen nicht,<br />

welche Ressourcen dem Unternehmen zu Verfügungen stehen, um den<br />

Lohnforderungen nachzukommen. Doch auch das Unternehmen verfügt nur über<br />

vollständige Information über ihre eigene Situation, nicht jedoch über die ihrer<br />

Arbeiter. Es besteht beispielweise Unklarheit über die Kampfkraft der<br />

Arbeiterbewegung und somit auch Ungewissheit darüber, wie notwendig<br />

Massnahmen sind. (Franz, 2006, S.297f.)<br />

In der Regel treten Streiks in schlechten Zeiten bedeutend öfter auf. Denn wenn die<br />

wirtschaftliche Lage des Unternehmens allgemein stabil ist, wird vergleichsweise<br />

schneller auf höhere Lohnforderungen eingegangen. Schlechte Zeiten sind aber nicht<br />

mit allgemeinen volkswirtschaftlichen Phänomenen, wie landesweiter Rezession oder<br />

Depression, gleichzusetzen. Diese Entwicklungen sind bekannt und werden von allen<br />

Parteien erkannt, sodass keine Informationsasymmetrie entsteht. Schwierigkeiten<br />

ergeben sich viel mehr aus unternehmensinternen Begebenheiten und der jeweiligen<br />

Geschäftslage, die für die Arbeiter schlecht ersichtlich sind. (Franz, 2006, S.297f.)<br />

Streiks werden normalerweise nur solange weitergeführt, wie die<br />

Verhandlungsparteien Vorteile sehen ihren Standpunkt weiter zu vertreten anstatt auf<br />

Kompromisse einzugehen.<br />

1 Pareto-­‐Effizienz bedeutet hier, dass keine der Parteien sich besser stellen kann, ohne eine <br />

andere Partei schlechter zu stellen. (Jansen, 2008, S. 3) <br />

4


<strong>Streikrecht</strong> <br />

2.2 Voraussetzungen für einen Rechtmässigen Streik<br />

Ein Streik ist ein rechtmässiges Mittel, um Tarifforderungen durchzusetzen. Er darf<br />

nur von tariffähigen Organisationen (Gewerkschaften) ausgerufen werden, da nur sie<br />

diesen mit einem Tarifvertrag beenden können. Alle Arbeiter dürfen aber später am<br />

Streik teilnehmen, auch wenn sie nicht in einer Gewerkschaft organisiert sind. Des<br />

Weiteren muss ein Tarifvertrag die Forderungen der Gewerkschaft regeln können.<br />

Streiks mit politischen oder individuellen Zielen schliesst das aus. Ausserdem darf ein<br />

Streik weder die gesetzliche Friedenspflicht während einem laufenden<br />

Einigungsverfahren verletzen noch gegen die geltenden Tarifverträge verstossen. Er<br />

kann somit erst eingeleitet werden, wenn Tarifverhandlungen und ein allfälliges<br />

Schlichtungsverfahren gescheitert sind. Das bedeutet auch, dass die Gewerkschaft<br />

sich an geltende Verfahrensvorschriften halten muss. Es muss zum Beispiel eine vom<br />

Streikkomitee durchgeführte Urabstimmung geben.<br />

Zuletzt ist ein Streik stets ultima ratio und als Druckmittel nur verhältnismässig<br />

anzuwenden, wenn alle anderen Möglichkeiten versagt haben. (Müller, 2012, S. 21)<br />

2.3 Verschiedene Arten von Streik<br />

Der einzige vollumfänglich zulässige Streik ist der organisierte Streik. Dieser wird<br />

von einer Gewerkschaft angekündigt, organisiert und nach Beschluss der<br />

Arbeitnehmenden durchgeführt. Im Gegensatz dazu steht der Wilde Streik, der nur<br />

von direktbetroffenen Arbeitern spontan durchgeführt wird und somit illegal ist.<br />

Oftmals wird diese Art von Streik jedoch später von einer Gewerkschaft<br />

übernommen. Da es sich bei einer Gewerkschaft um eine tariffähige Organisation<br />

handelt, macht dieser Schritt den Streik gesetzeskonform.<br />

Ein Generalstreik ist nicht legal, da dieser sich nicht auf wirtschaftlich regelbare<br />

Forderungen gegenüber einem Unternehmen beschränkt, sondern die<br />

Gesamtwirtschaft einer bestimmten Branche umfasst.<br />

Bei einem Warnstreik handelt es sich um eine auf kurze Zeit befristete<br />

Arbeitsniederlegung, die meist während Verhandlungen stattfindet, um den<br />

Arbeitgebern Kampfbereitschaft zu signalisieren und die Umsetzung der eigenen<br />

5


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Forderungen zu erzwingen. Da das Prinzip des ultima ratio meist nicht gegeben ist, ist<br />

diese Form des Streiks nicht gestattet.<br />

In einem Vollstreik legen sämtliche in einer Gewerkschaft organisierten Arbeiter des<br />

betroffenen Betriebes ihre Arbeit nieder. Bei einem Teilstreik hingegen beteiligen<br />

sich nicht alle. Beide Streikformen sind vom Gesetz zugelassen.(Müller, 2012, S. 22)<br />

Der Offensivstreik ist als Mittel zur Durchsetzung einer marginalen Verbesserung der<br />

Arbeitsbedingungen zulässig. Ebenso der Abwehrstreik der angeordneten<br />

Änderungen der Arbeitsbedingungen entgegenhalten will.<br />

In dem erlaubten Schwerpunktstreik werden nur einzelne Abteilungen im<br />

Unternehmen bestreikt. Ein Bummelstreik lässt die Arbeitsleistung nicht ausfallen,<br />

sondern verzögert diese absichtlich, um den Betrieb zu stören. Gleich verhält es sich<br />

beim Bleistiftstreik, bei dem nur administrative Arbeit bestreikt wird, jedoch der<br />

ausführenden Tätigkeit, z. B. Patientenpflege im Spital, noch nachgegangen wird.<br />

(Müller, 2012, S. 23)<br />

2.4 Die Rolle der Gewerkschaft<br />

In diesem Kapitel wird die Rolle erläutert welche eine Gewerkschaft in einem<br />

Tarifstreit, speziell einem Streik einnimmt. Im ersten Abschnitt wird definiert was<br />

unter einer Gewerkschaft verstanden wird und welche Voraussetzungen solch eine<br />

Interessengruppe erfüllen muss. Im zweiten Teil wird auf den Prozess eingegangen,<br />

welcher in einer Gewerkschaft vor und während eines Streiks stattfindet. Der dritte<br />

Teil beschäftigt sich mit der Bedeutung der Grösse der Gewerkschaft.<br />

Der gewerkschaftliche Organisationsgrad variiert stark zwischen den einzelnen<br />

Ländern. Die beiden Extreme in Europa bilden Island (79,4%) und die Türkei (5.9%),<br />

die Schweiz und Deutschland liegen im Durchschnitt. (OECD, 2010)<br />

Die Definition einer Gewerkschaft ist „...eine nach Industrie-Gruppen, nach Berufen<br />

oder nach politischen oder religiösen Richtungen gegliederte Vereinigung von<br />

Arbeitnehmern bzw. von Arbeitnehmervereinigungen zur Verbesserung der sozialen<br />

und wirtschaftlichen Lebensbedingungen und als sonstige Interessenvertretungen<br />

gegenüber dem Staat und den Arbeitgebern.“ (Gabler, 2001B)<br />

6


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Aus der politischen Ökonomie lernen wir, dass nicht alle Interessen<br />

organisationsfähig sind. Es werden zwei Hauptmerkmale genannt, welche eine<br />

Schlüsselrolle übernehmen. Eine solche Gruppe muss ein gemeinsames<br />

wirtschaftliches Interesse anstreben. Dies reicht jedoch noch nicht aus, es muss noch<br />

die Trittbrettfahrerproblematik überwunden werden. Gewerkschaften erreichen dies<br />

mit Streikgelder, welche sie im Falle einer Arbeitsniederlegung bezahlen. Dadurch<br />

haben Arbeiter einen Anreiz, Gewerkschaftsmitglied zu sein. (Stutzer, 2012)<br />

Wie im Kapitel 2.2 erklärt müssen vor einem Streik jegliche Verhandlungen für einen<br />

neuen Tarifvertrag scheitern. Wenn dies der Fall ist, gibt es in einer Gewerkschaft<br />

eine Urabstimmung, welche entscheidet, ob es zu einem Streik kommt oder nicht.<br />

Kommt eine Mehrheit zustande, wird die Arbeit niedergelegt.<br />

Die Grösse einer Gewerkschaft spielt im <strong>Streikrecht</strong> eine entscheidende Rolle. Eine<br />

grosse Gewerkschaft kann auf grössere finanzielle Mittel zurückgreifen und deshalb<br />

länger streiken. Dies würde bedeuten, dass je grösser die Gewerkschaft, desto grösser<br />

der Verhandlungserfolg ist. Es findet sich jedoch kein Zusammenhang zwischen der<br />

Gewerkschaftsgrösse und des Verhandlungserfolgs. (Dobson, 1997)<br />

Neben den finanziellen Möglichkeiten und der Verhandlungsmacht, spielt eine<br />

möglichst genaue Vertretung der Interessen eine zentrale Rolle. Eine grosse<br />

Gewerkschaft, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), wird weniger auf die<br />

speziellen Bedürfnisse von 200 ihrer Mitglieder eingehen. Dies hat unter anderem zur<br />

Gründung der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) geführt mit welcher sich die<br />

Arbeit in der Praktischen Analyse noch näher beschäftigen wird.<br />

Diese Umstände haben zur aktuellen Organisationsstruktur geführt. Gewerkschaften,<br />

welche einen Beruf oder Industriezweig vertreten agieren meist Unabhängig. Dazu<br />

sind sie noch einer grösseren Dachorganisation unterstellt. Der DGB vereinte 2001<br />

84% aller deutschen Gewerkschaftsmitglieder. (Jansen, 2008, S. 9)<br />

7


<strong>Streikrecht</strong> <br />

3. Praktische Analyse<br />

Für unsere Praktische Analyse werden wir uns auf den Streik am Frankfurter<br />

Flughafen konzentrieren. Im ersten Teil werden die Ereignisse zusammengefasst, um<br />

anschliessend eine Kosten und Nutzen Analyse zu durchzuführen.<br />

3.1 Der Tarifstreik am Frankfurter Flughafen<br />

Als erstes werden die Parteien vorgestellt, danach wird eine kurze Zusammenfassung<br />

der Ereignisse widergegeben.<br />

Die Fraport AG wurde 1924 als Flughafen Frankfurt/Main AG gegründet. Von den<br />

75’000 Mitarbeitern am Flughafen Frankfurt beschäftigt sie ca. 19’900 und<br />

erwirtschaftete im Jahr 2011 2.34 Milliarden Euro Umsatz. Der Flughafen ist mit<br />

seinen 56 Millionen Passagieren jährlich der drittgrösste Flughafen Europas<br />

(Weltweit Nr. 9). Beim Cargo-Umschlag ist er Nummer zwei hinter Paris. Täglich<br />

starten 1300 Flugzeuge. (Fraport, 2012)<br />

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) wurde im Jahre 2004 gegründet. Sie ist<br />

aus der Unzufriedenheit des Verbands Deutscher Flugleiter und Verband Deutscher<br />

Flugsicherungs-Techniker und –Ingenieure mit der Vertretung durch die Deutsche<br />

Angestellten Gewerkschaft (später Ver.di) entstanden. Die Gewerkschaft ist in zwei<br />

Fachbereiche unterteilt: Flugsicherungsbetriebsdienst und Flugsicherungstechnische<br />

Dienste. Sie vertritt hauptsächlich Flugdatenbearbeiter, Fluglotsen, Vorfeldlotsen,<br />

Flugsicherungstechniker, Verkehrsdisponenten und Flugzeugeinweiser. Die GdF hat<br />

30 örtliche Mitgliederversammlungen und ca. 3800 Mitglieder. Die<br />

Gewerkschaftszeitung ist „der flugleiter“, welcher zweimonatlich die Mitglieder<br />

informiert. (GdF, 2012A)<br />

8


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Es folgt eine chronologische Zusammenfassung der Ereignisse am Frankfurter<br />

Flughafen im Rahmen des Tarifstreits zwischen der Fraport AG und der GdF:<br />

13.02.2012<br />

Ein Schlichtungsversuch von Ole von Beust (von Fraport AG nominiert) wird von der<br />

GdF angenommen, aber von Fraport AG abgelehnt. Die Friedenspflicht im<br />

Tarifkonflikt erlosch laut GdF am 06.02.2012 24:00Uhr.<br />

16.02.2012<br />

200 Mitarbeiter des Vorfelds legen für 7 Stunden ihre Arbeit nieder.<br />

17.02.2012<br />

Am 2. Streiktag wird die Arbeit für 14 Stunden niedergelegt.<br />

18.02.2012<br />

Die GdF ruft ihre Mitglieder in der Verkehrszentrale, der Vorfeldkontrolle und<br />

Vorfeldaufsicht der Fraport AG zum Streik auf.<br />

20.02.2012<br />

Nach einer Pause über das Wochenende beginnt die 2. Streikrunde. Der ursprünglich<br />

für 24 Stunden angesetzter Streik wird um einen Tag verlängert.<br />

21.02.2012<br />

Der Streik wird bis auf den 24.02. verlängert. Die GdF wirft der Fraport AG vor mit<br />

dem kurzfristig geschulten Personal, die Sicherheit der Passagiere zu gefährden.<br />

22.02.2012<br />

Der Streik wird vorzeitig beendet und die GdF nimmt das Verhandlungsangebot der<br />

Fraport AG an.<br />

23.02.2012<br />

Viele geplante Flüge fallen immer noch aus. Die GdF fordert am Verhandlungstisch<br />

Einkommenserhöhungen, höheren Zulagen und geringeren Arbeitszeiten. Fraport AG<br />

bestätigt, dass die GdF bis zu 70% höheres Entgelt verlangt.<br />

24.02.2012<br />

Die Verhandlungsgespräche scheitern.<br />

26.02.2012<br />

Die nächste Streikrunde bis zum 1. März beginnt.<br />

28.02.2012<br />

Das Arbeitsgericht Frankfurt erklärt den Unterstützungsstreik der Fluglotsen für nicht<br />

Rechtmässig. Der Flughafen wäre beinahe von der GdF für 6 Stunden zum Stillstand<br />

gebracht worden.<br />

9


<strong>Streikrecht</strong> <br />

29.02.2012<br />

Das Arbeitsgericht untersagt den Streik der Vorfeldmitarbeiter. Die GdF verzichtet<br />

auf eine Berufung und kooperiert mit der Fraport AG und Lufthansa, um eine rasche<br />

Rückkehr zum normalen Betrieb zu ermöglichen.<br />

Zum Zeitpunkt der Abgabe der Arbeit gab, es keine neueren Entwicklungen im<br />

Tarifstreit zwischen den beiden Parteien. Ein neuer Tarifvertrag wurde immer noch<br />

nicht unterschrieben. (Münsterland Zeitung, 2012; Boulevard Baden, 2012A)<br />

3.2 Die Auswirkung des <strong>Streikrecht</strong>s auf die Verhandlungspositionen<br />

Je nach Wirtschaftslage und Tätigkeit des Unternehmens ist es sehr unterschiedlich in<br />

welchem Masse ein Streik dem Unternehmen schadet. So ist in einem<br />

Produktionsbetrieb nach kürzerem Arbeitsunterbruch eine Lieferungsverzögerung<br />

kaum umgänglich. Dies zieht aber verhältnismässig nur geringe Umsatzeinbussen<br />

nach sich. Bei Dienstleistungsbetrieben, u. a. Fluggesellschaften, lässt sich die<br />

verlorene Arbeitszeit nicht nach Beendigung des Streiks nachholen. Ausgefallene<br />

Flüge wurden gestrichen, für Passagiere mussten Ersatzreisen organisiert werden und<br />

im Normalfall erwarten die Fluggesellschaft empfindliche Schadensersatzzahlungen.<br />

Innerhalb einer Unternehmung spielt es ebenfalls eine bedeutende Rolle welche<br />

Abteilungen die Arbeit verweigern. Je nach Situation kann die Arbeit relativ schnell<br />

von Ersatzkräften übernommen werden. Falls Abteilungen mit höheren<br />

Spezialkompetenzen (Funktionselite) ausfallen, lässt sich das nicht kompensieren.<br />

Die Flugsicherung auf einem Flughafen ist für jeglichen Normalbetrieb unerlässlich<br />

und kann nicht fachgerecht ersetzt werden.<br />

Es ist somit offensichtlich, dass verschiedene Abteilungen bei Streik Druck in<br />

unterschiedlichem Masse auf die Unternehmensleitung ausüben. Im Falle des<br />

Frankfurter Fluglotsenstreiks war der Ausfall besonders gravierend, und die<br />

Geschäftsführung musste im eigenen Interesse eine schnellstmögliche Einigung<br />

erreichen.<br />

10


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Arbeitnehmer mit Streik ein legales<br />

Druckmittel haben, um Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie können ihre<br />

Verhandlungsposition gegenüber den Arbeitgebern, die auf Grund ihrer<br />

übergeordneten Position zahlreiche legale Druckmittel haben, mit Streik stärken.<br />

Es ist aber offen zu lassen, ob ein grosser Streik, der ein starkes Druckmittel bildet<br />

und dann meist auch grosse Auswirkungen auch auf Drittparteien hat, langfristig die<br />

Kampfkraft stärkt. Besonders das negative Medienecho und der Druck der<br />

Öffentlichkeit während solch einschneidender Streiks, stellt für viele Arbeiter ein<br />

Hindernis dar, ihre Forderung kompromisslos zu vertreten. Dabei besteht für die<br />

Arbeitnehmerverbände die Gefahr, dass bedeutend weniger erreicht wird als sie sich<br />

von dem grossen und unbeliebten Streik erhofft haben. Was den Arbeitgebern<br />

gleichzeitig auch vermittelt eine aggressive und nicht verhältnismässige<br />

Arbeiterbewegung zu haben die sich schnell mit marginalen Einlenkungen zufrieden<br />

gibt.<br />

3.3 Rechtmässigkeit des Flughafenstreik<br />

Der Streik am Frankfurter Flughafen hat die Debatte über die Rechtmässigkeit eines<br />

Streiks in Deutschland neu lanciert.<br />

In diesem Kapitel wird in einem ersten Abschnitt auf Gründe, die das Arbeitsgericht<br />

Frankfurt dazu bewegt haben den Vorfeld- und Fluglotsenstreik zu beenden<br />

eingegangen. In einem zweiten Abschnitt untersuchen wir ein Zitat des FDP<br />

Politikers Martin Lindner 2 eingehen.<br />

In einer veröffentlicht das Arbeitsgericht seinen Entscheid zur Rechtmässigkeit der<br />

Streiks am Frankfurter Flughafen. Das Gericht beruft sich in seiner Entscheidung<br />

darauf, dass die Gewerkschaft mit ihrem Streik unter anderem Forderungen<br />

durchsetzen möchte welche unter einen laufenden Tarifvertrag fallen. (Arbeitsgericht<br />

Frankfurt, 2012) Dieser Fehler könnte für GdF schwere finanzielle Konsequenzen zur<br />

Folge haben. Die Lufthansa und Fraport AG erwägen Schadenersatzklagen in<br />

2 Martin Lindner ist Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie im Bundestag, und <br />

stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP. <br />

11


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Millionenhöhe gegen die Gewerkschaft. Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber<br />

konnten sich in der Vergangenheit bereits erfolgreich mit solch einem Anliegen an ein<br />

Gericht wenden. (GdF, 2012B) Eine solche Klage könnte schwerwiegende Folgen für<br />

eine kleine Gewerkschaft wie die GdF.<br />

Dies hat Martin Lindner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und<br />

wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, zu folgender Aussage bewegt: „Es sollten<br />

mindestens 50% der Arbeitnehmer eines Betriebs berechtigt sein an der<br />

Urabstimmung über einen Streik teilzunehmen. Sonst ist die Arbeitsniederlegung<br />

unverhältnismässig.“ (Handelsblatt, 2012A) Die genauen Forderungen der GdF und<br />

die Frage ob diese Verhältnismässig sind oder nicht, lassen wir hier ausser Acht.<br />

Diese haben bei der Klärung der Frage einer gesamtbetrieblichen Urabstimmung<br />

keine zentrale Bedeutung.<br />

Seine Vorstellung einer Urabstimmung für das ganze Unternehmen ist eine grosse<br />

Einschränkung des <strong>Streikrecht</strong>s einer Gewerkschaft. In unserem konkreten Beispiel<br />

würde dies heissen, dass die GdF 10'000 der ca. 20'000 Mitarbeiter von einem Streik<br />

überzeugen müsste. Es ist stark zu bezweifeln, dass dieses Unterfangen erfolgreich<br />

gewesen wäre. Dies hätte die Verhandlungsmacht der GdF im Tarifstreit stark<br />

eingeschränkt. Auch eine kleine Gewerkschaft sollte die Möglichkeit haben ihre<br />

Forderungen mittels Streik durchzusetzen.<br />

Ein möglicher Kompromiss zwischen der extremen Macht der Funktionselite und des<br />

Vorschlags von Herrn Lindner wäre, die Stimmen der Parteien zu gewichten. Es wäre<br />

vorstellbar, dass 50% der Stimmanteile der Gewerkschaft gehören, die verbleibenden<br />

50% dem Rest der Belegschaft zukommt.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass Herr Lindner die Diskussion in die richtige<br />

Richtung lenkt, er aber das <strong>Streikrecht</strong> zu stark einschränkt. Eine kleine<br />

Gewerkschaft, wie die GdF, sollte das Recht haben zu streiken, auch wenn ihr letzter<br />

Streik wegen eines juristischen Irrtums ihrer Seite beendet werden musste.<br />

12


<strong>Streikrecht</strong> <br />

3.4 Die Kosten und Nutzen für die betroffenen Parteien<br />

Das Ziel des folgenden Kapitels ist einen Überblick über die wichtigsten Kosten- und<br />

Nutzenpunkte für alle an einem Streik betroffenen Parteien zu geben.<br />

3.4.1 Arbeitgeber<br />

Einem Streik geht in jedem Falle eine Konfliktsituation voraus. Bei regulären<br />

Verhandlungen bietet sich die erste Möglichkeit eine Einigung zu erreichen. Spitzt<br />

sich der Konflikt zu, und eine beidseitig akzeptable Lösung ist nicht absehbar, wird<br />

ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, bei welchem mindestens eine 45-tägige<br />

Friedensphase folgt. Erst dann, wenn es nicht möglich war eine Verhandlungslösung<br />

zu finden und der Verhandlungsprozess offensichtlich fehlerhaft war (Hicks, 1963, S.<br />

146-147), wird regulär gestreikt. Wird dieser Ablauf nicht eingehalten, so kann der<br />

Streik schnell von dem zuständigen Arbeitsgericht verboten werden, was den<br />

unrechtmässigen Protest in der Regel schnell verstummen lässt und somit wenig<br />

Verhandlungsmacht erzeugt.<br />

Der Arbeitnehmer muss während und nach einem Streik starke Umsatz- und<br />

Gewinnrückgänge hinnehmen, resultierend aus ausbleibender Arbeitsleistung. Falls<br />

zusätzliche Zahlungen (Schadensersatz) anfallen, kann das die finanzielle Lage des<br />

Unternehmens erheblich schwächen.<br />

Wenn Streiks in einer Unternehmung zusätzlich noch häufiger vorkommen, und<br />

Dritte betroffen sind, muss das Unternehmen einen folgeschweren Imageschaden<br />

hinnehmen. Wenn immer möglich, werden Kunden alternative Betriebe wählen, die<br />

sicherer erscheinen und bei welchen erwartet werden kann, dass Verträge ohne durch<br />

Streik verursachte Verzögerung eingehalten werden. Auch dieser führt längerfristig<br />

zu Umsatz und Gewinneinbussen, welche die anfängliche Lohnforderung der<br />

Arbeitnehmer bei weitem übersteigt. Das bringt das Unternehmen zusätzlich in die<br />

Lage, dass erhöhte Löhne langfristig nicht weiter zahlbar sind. Denn auch nach<br />

erreichter Einigung auf ein höheres Lohnniveau, bestehen die enormen Kostenpunkte<br />

eines Streiks. (Süddeutsche, 2012)<br />

13


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Für das Unternehmen ist es sinnvoller nach gewisser Zeit einen Kompromiss zu<br />

suchen.<br />

3.4.2 Arbeitnehmer<br />

Vordergründig entstehen für Arbeitnehmer keine Kosten oder Risiken bei einer<br />

Arbeitsniederlegung. Ist sie gesetzeskonform, kann der Arbeiter seine Anstellung<br />

nicht wegen dem Streik verlieren. Arbeitnehmer streiken, um allgemein bessere<br />

Arbeitsbedingungen zu erhalten und ihre Situation in Bezug auf die vorherige zu<br />

verbessern. Es ist folglich praktisch unmöglich, nach aggressiven<br />

Machdemonstrationen, wie Streik, die Forderungen schlechter durchsetzen zu können,<br />

als dies ohne Streik möglich gewesen wäre. Hauptsächlich weil eine<br />

Kompromisslösung, früher oder später, für Arbeitgeber sinnvoller ist, als fortwährend<br />

Wiederstand zu leisten.<br />

Wenn die Öffentlichkeit stark betroffen ist von den streikbedingten Ausfällen, muss<br />

der Einzelne Arbeitnehmer mit vehementer Kritik an den eigenen Forderungen und<br />

Massnahmen rechnen.<br />

Für Arbeitnehmer lohnt sich ein Streik am meisten, da diese direkt von den<br />

verbesserten Bedingungen betroffen sind.<br />

3.4.3 Unbeteiligte Dritte<br />

Primär unbeteiligte Dritte, wie Kunden, Passagiere oder die Öffentlichkeit, werden<br />

von einem Streik stark betroffen und leiden am stärksten unter den Ausfällen. Es<br />

betrifft ausserdem bedeutend mehr Leute, als die Konzernleitung oder die<br />

Belegschaft. Wenn erwartete Lieferungen ausbleiben, stört dies weitere Betriebe und<br />

Industriezweige. Falls wie im Streik der Fluglotsen in Frankfurt ein ganzer Flughafen<br />

und landesweites Luftverkehrsdrehkreuz teilweise ausfällt sind die negativen<br />

Auswirkungen auf Drittparteien unermesslich. Diese Position bekleidet eine passive<br />

aber nicht unerhebliche, Verhandlungsmacht. Wegen diesen Auswirkungen auf Dritte<br />

ist es im Interesse des Unternehmens schnellstmöglich eine Einigung zu erreichen.<br />

14


<strong>Streikrecht</strong> <br />

3.4.4 Gewerkschaften<br />

Gewerkschaften unterstützen die Anliegen der Arbeitnehmenden und organisieren<br />

diese. Eine Gewerkschaft, die auch ein nach ökonomischen Grundsätzen geführtes<br />

Unternehmen ist, wird für Arbeiter attraktiver und kann somit wachsen, wenn sie sich<br />

als stark erweist, beachtliche Streiks organisieren kann und die erhofften Forderungen<br />

durchsetzt. Zusätzlich verliehen die Drohungen einer Union, die nie streikt an<br />

Glaubhaftigkeit. Ein Streik hat also auch eigennützige Motive einer Gewerkschaft.<br />

Im Fall eines gesetzwidrigen Streiks muss die Gewerkschaft für<br />

Schadensersatzzahlungen aufkommen die das bestreikte Unternehmen eventuell an<br />

diese richtet.<br />

Mit vielen Streiks steigt die öffentliche Aufmerksamkeit für eine bestimmte<br />

Gewerkschaft. Es ist jedoch nicht auszumachen, ob gestiegenes öffentliches Interesse<br />

eher Kosten darstellt oder für Gewerkschaften wünschenswert ist. Je nach politischer<br />

Lage im Land dürfte dieser Aspekt stark variieren. Jedenfalls muss die Gewerkschaft<br />

die Streiktaggelder an Mitglieder auszahlen, was hohen finanziellen Aufwand<br />

bedeutet.<br />

15


<strong>Streikrecht</strong> <br />

3.5 Gefahren für einen funktionierenden Markt<br />

Ein funktionierender Arbeitsmarkt ist für eine Volkswirtschaft unentbehrlich.<br />

Arbeitskräfte sind der grösste Produktionsfaktor. Sie spielen deshalb in jedem<br />

Unternehmen eine äusserst wichtige Rolle. Die mit Abstand grösste Einnahmenquelle<br />

der Bevölkerung ist der Lohn, den sie für ihre Arbeit bekommen. Wie in Kapitel 2.2<br />

erwähnt, ist ein Streik niemals Pareto-optimal und verkleinert den zu verteilenden<br />

Unternehmensgewinn.<br />

Im Bahnsektor sieht man wie die häufigen Ausfälle durch Streik die Bevölkerung<br />

dazu bewegt hat, vermehrt auf andere Transportmittel umzusteigen. (van Exel &<br />

Rietveld 2001)<br />

Der Streik am Frankfurter Flughafen betrifft dies nur bedingt. Es gibt in der<br />

Umgebung keine vergleichbaren Konkurrenten. Gäste des Flughafens, welche auf die<br />

Bahn umsteigen, müssten einen enormen Zeitverlust in Kauf nehmen.<br />

Dennoch hatte der Streik am Frankfurter Flughafen negative Konsequenzen für die<br />

betroffenen Unternehmen. Die ausgefallenen Flüge und Mehrkosten während der<br />

Streikdauer sind ein Teil davon, wie gravierend der Imageschaden ist, wird sich erst<br />

in der Zukunft zeigen. (Handelsblatt, 2012B)<br />

16


<strong>Streikrecht</strong> <br />

4. Schlussfolgerungen<br />

Ein Streik ist im ökonomischen Sinne keine effiziente Lösung. Die Analyse hat<br />

ergeben, dass ein Streik für alle Parteien negative Konsequenzen haben kann. Einzig<br />

die Mitarbeiter und Gewerkschaften können mit einem Streik etwas positives erzielen.<br />

Ausserdem lässt sich ein Streik nicht mit einer rationalen Denkweise erklären.<br />

Rational kann ein Streik nur als Informationsbeschaffungsmittel sein. Oder weil eine<br />

der Parteien über Informationen verfügt, welche sie der anderen Partei vorenthält.<br />

Obwohl sich die Lage am Frankfurter Flughafen momentan beruhigt hat, ist sie noch<br />

lange nicht abgeschlossen. Der Streik hatte bis jetzt nur negative Konsequenzen.<br />

Weder die Gewerkschaft noch der Arbeitgeber konnten Vorteile erzielen. Ein neuer<br />

Tarifvertrag steht noch nicht in Aussicht und die Parteien müssen sich nach den<br />

vergangenen Ereignissen neu orientieren und die Situation neu evaluieren.<br />

Es lässt sich keine Prognose über die Zukunft der Arbeitskampfproblematik erstellen.<br />

Streik wird kaum durch ökonomisch effiziente alternative Massnahmen ersetzt<br />

werden können.<br />

17


<strong>Streikrecht</strong> <br />

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19


<strong>Streikrecht</strong> <br />

Anhang A<br />

20

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