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"Neuen Sozialstaats": Bürgerschaftliches ... - Doebler-online.de

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Joachim Döbler, <strong>Bürgerschaftliches</strong> Engagement 7<br />

"Sein o<strong>de</strong>r Design?" (Guggenberger) scheint auch hier die Frage. Manches in Zukunftswerkstätten<br />

und sog. Mo<strong>de</strong>llprojekten gezüchtetes Pflänzchen fügt sich so in<br />

<strong>de</strong>n national verordneten und von Public-Relations-Strategien gesponsorten Veranstaltungszirkus<br />

zum Ehrenamt – symbolische Politik und gleichwohl nützlich.<br />

Nützlich zum einen für die großen Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>. Ihr Problem ist, so <strong>de</strong>r Bremer<br />

Sozialwissenschaftler Jürgen Blandow anhand von Untersuchungen für Bremen,<br />

daß man mit Ehrenamtlichen gar nichts anfangen könne: Gera<strong>de</strong> mal 5.000 Personen<br />

seien irgendwie freiwillig helfend tätig. Von hun<strong>de</strong>rt bremischen Vereinigungen<br />

im Bereich Jugend, Soziales und Gesundheit kommen 41 ganz ohne o<strong>de</strong>r mit höchstens<br />

ein bis zwei Freiwilligen aus. Die in <strong>de</strong>n Kernbereichen <strong>de</strong>s Wohlfahrtswesen<br />

arbeiten<strong>de</strong>n hochprofessionalisierten Träger (insbeson<strong>de</strong>re Einrichtungen in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Alten-, Behin<strong>de</strong>rten- und Jugendhilfe) beschäftigen 83 % <strong>de</strong>s Gesamtpersonals,<br />

aber nur 7 % <strong>de</strong>r Freiwilligen. Der große Bereich <strong>de</strong>r Jugendzentren, Jugendwohngemeinschaften<br />

und autonomen Frauen- und Mädchenprojekten kommt praktisch<br />

ohne Freiwillige aus. Im Initiativgruppenbereich – Spielplatz-, Mieter-, Nachbarschaftsinitiativen<br />

– gibt es neben schlecht bezahlten Honorarkräften inzwischen mehr<br />

Aktivitäten von Sozialarbeitern im dienstlichen Auftrag als von bürgerschaftlich Engagierten,<br />

und in Mütterzentren übertreffen die über Hilfen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten<br />

(gem. § 19 BSHG) finanzierten Frauen die Freiwilligenquote<br />

<strong>de</strong>utlich. Auch bei "mo<strong>de</strong>rnen" Initiativen, etwa Flüchtlingsgruppen, ergibt eine Nachfrage,<br />

daß von <strong>de</strong>n fünfzig <strong>de</strong>m Forschungsprojekt gemel<strong>de</strong>ten Freiwilligen für die<br />

praktische Arbeit eigentlich nur fünf zur Verfügung stehen, die an<strong>de</strong>ren nur für die<br />

Demo o<strong>de</strong>r die Vollversammlung.<br />

Im Selbsthilfebereich schließlich gehört die Mehrheit pädagogischen, pflegerischen<br />

o<strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen sozial- und humanwissenschaftlichen Berufen an; und auch hier<br />

kommen die meisten nicht, weil sie ein Feld für ihr Engagement gesichtet, son<strong>de</strong>rn<br />

weil sie irgendwann einmal mitgegrün<strong>de</strong>t und seither keinen Nachfolger gefun<strong>de</strong>n<br />

haben, weil sie vor <strong>de</strong>r Freiwilligenarbeit eine ABM-Stelle innehatten o<strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r<br />

Sache beruflich verbun<strong>de</strong>n fühlen.<br />

In diesem Kontext sind also nicht die Ehrenamtlichen im Blick, son<strong>de</strong>rn das Prestige,<br />

das sich mit ihnen verbin<strong>de</strong>n läßt. Werbe- und Vermittlungskampagnen zum Thema<br />

"Ehrenamt" sind, wenn überhaupt Zahlen preisgegeben wer<strong>de</strong>n, zwar nicht son<strong>de</strong>rlich<br />

erfolgreich, taugen aber zur Begründung <strong>de</strong>s bürgernahen Charakters <strong>de</strong>r Verbän<strong>de</strong>,<br />

also zur Sicherung ihrer Position auf einem sich öffnen<strong>de</strong>n Sozialmarkt.<br />

Das hohe Lied <strong>de</strong>s Ehrenamts ist aber auch in an<strong>de</strong>rer Hinsicht nützlich: Wenn Wolfgang<br />

Schäuble in einer Feierstun<strong>de</strong> für Ehrenamtliche <strong>de</strong>n "perfektionistischen Sozialstaat"<br />

für <strong>de</strong>n Verlust an solidarischen Kräften verantwortlich macht und als Ausweg<br />

ein "wechselseitiges geben und Nehmen im persönlichen Austausch" empfiehlt,<br />

so dürfte dies zwar bei älteren Herrschaften o<strong>de</strong>r meinen Kollegen von <strong>de</strong>r psychologischen<br />

Fraktion gut ankommen; aber die Katze ist damit aus <strong>de</strong>m Sack: Es geht um<br />

einen qualitativen Umbau <strong>de</strong>s Sozialstaates. Und die Pioniere dieser "neuen Kultur<br />

<strong>de</strong>s Helfens" und <strong>de</strong>r neuen Verantwortlichkeit sind auch schon ausgemacht: ältere<br />

Menschen. Sie müssen nur noch lernen – natürlich in geeigneten Lern- und Trainingsfel<strong>de</strong>rn<br />

- mit ihren Ressourcen schonend umzugehen, sich durch Engagement<br />

geistig fit zu halten und sich gegenseitig zu versorgen.

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